Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 621/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 18/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 16/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer, auf Dauer angelegten Behandlung mit Spezialölen, die unter dem Namen "Lorenzo’s Öl" bekannt geworden und vertrieben werden.
Der inzwischen 41-jährige Kläger leidet seit seinem 17. Lebensjahr unter einer Adrenomyeloneuropathie, einer rezessiv vererbbaren Erkrankung, die mit einer schweren Störung des Stoffwechsels in Form der Ausbildung sehr langkettiger Fettsäuren und deren krankhafter Anhäufung im Blut und in verschiedenen Organen führt. Meist ist sie verbunden mit einer Schädigung der Nebennieren und/oder der Hirnnerven. Als deren Folge bilden sich sehr schwerwiegende, meist neurologische und endokrinologische Funktionsstörungen aus, wie sie auch beim Kläger in Form einer schweren Spastik vorliegen. Eine Standardbehandlung gibt es nicht, im Frühstadium ohne Ausbruch wird von medizinischer Seite aktuell eine Knochenmarkstransplantation vorgeschlagen.
Seitens des Chefarztes des Sächsischen Krankenhauses Hubertusburg, der bekanntermaßen seit vielen Jahren über diese Erkrankung forscht und dabei neben einer strengen Diät ein Produkt aus zwei Spezialölen (Glyceroltrioleat und Glyceroltrierucat) einsetzt, das durch die Firma C. Gesellschaft für klinische Ernährung mbH als Fertigprodukt angeboten wird, wurde am 21.01.2000 Antrag auf Therapieübernahme mit der Begründung gestellt, dass unter dieser Therapie innerhalb weniger Wochen es zu einer Normalisierung der pathologisch erhöhten Blutwerte komme, wobei mit Kosten in Höhe von monatlich ca. 2.000,- DM zu rechnen sei. Entsprechende Verordnungen wurden auch durch den Chefarzt "zur selbständigen Bestellung durch den Kläger" ausgestellt.
Daraufhin zog die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hessen (Dr. D. vom 21.02.2000) bei, der bestätigte, dass die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung des Krankheitsbildes sehr beschränkt seien. Zwar sei verschiedenen Veröffentlichungen zu entnehmen, dass "Lorenzo’s Öl" zu einer Reduzierung des Plasmaspiegels gesättigter, langkettiger Fettsäuren führe, eine Rückbildung der bereits vorhandenen Symptome aber bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Gestützt darauf übernahm die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2000 die Kosten dieser Therapie für zunächst ein Jahr.
Am 29.01.2001 stellte der Kläger daraufhin Antrag auf weitere Kostenübernahme und begründete dies damit, dass aus den Untersuchungsergebnissen der Universitätsklinik Göttingen hervorgehe, dass bei ihm aufgrund der Behandlung mit "Lorenzo’s Öl" die Blutfettwerte C 26:0 inzwischen im Normbereich lägen. In der von der Beklagten erneut beim MDK eingeholten Stellungnahme kommt Dr. D. am 10.04.2001 nunmehr zu dem Ergebnis, dass mittels dieser Therapie zwar eine Normalisierung der Plasmakonzentration erzielt werden könne, jedoch damit eine günstige Beeinflussung des Krankheitsverlaufs – entgegen den ursprünglichen Hoffnungen – nicht erreicht werden konnte. Außerdem stelle Lorenzo’s Öl kein Arzneimittel, sondern lediglich ein Nahrungsergänzungsmittel dar, das auch nicht zu den in den Arzneimittelrichtlinien aufgeführten Ausnahmen zähle. Deshalb könne es auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden.
Aufgrund der Tatsache, dass keine aktuellen Befunde des Krankheitsbildes des Klägers vorlagen, gewährte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 25.04.2001 eine Kostenübernahme für zunächst weitere sechs Monate und forderte ihn gleichzeitig auf, im Falle eines weiteren Antrages aktuelle Befundberichte sowie einen Bericht über den Therapieverlauf zu übersenden.
Bereits am 20.8.2001 beantragte der Kläger daraufhin eine Verlängerung der Kostenzusage und legte dazu einerseits eine Stellungnahme des Dr. E., Sächsisches Krankenhaus Hubertusburg in Wermsdorf vom 16.08.2001 sowie ein Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F., Chefarzt der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Moabit (Berlin) vom 09.06.2000 vor. Darin verweist Dr. E., dass er über eine etwa 50-jährige Erfahrung mit der Behandlung von Lorenzo’s Öl verfüge und sich dabei in 90 v. H. bessere Verlaufsparameter ergeben hätten, als dies bei der vermuteten, sich linear darstellenden klinischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre und sogar bei etwa 53 v. H. der Fälle die Patienten klinisch vollkommen stabil geblieben seien. Er räumte darin allerdings ein, dass die Untersuchungen weder doppelblind noch placebokontrolliert durchgeführt worden seien, was er damit begründete, dass nur ein kleiner Patientenstamm vorliege und diese angesichts der Verschlimmerungstendenz sich nicht zu entsprechenden Studien bereit fänden. Er empfahl daher dringend die Weiterführung der Medikation, zumal diese die derzeit einzige sei, die für die Erwachsenenform der Krankheit zur Verfügung stehe. Prof. Dr. F., der sein Gutachten in einem, vor dem Oberlandesgericht Celle anhängig gewesenen (privatrechtlichen) Rechtstreit erstellt hatte, führt – allerdings bezogen auf ein Kind – aus, dass die Erfolgsaussicht der Therapie mit Lorenzo’s Öl im Wesentlichen davon abhänge, wann mit der Behandlung begonnen werde. Zwar gebe es keine statistisch wissenschaftlich verwertbaren Daten, dies sei jedoch angesichts der geringen Patientenzahl auch nicht zu erwarten. Da man jedoch in der klinischen Forschung darauf angewiesen sei, was Ärzte registrierten und die Patienten angeben, müsse bei der Behandlung mit Lorenzo’s Öl von einer Verlangsamung des Krankheitsprozesses oder gar von dessen Stillstand ausgegangen werden. Dies sei auch durch ihre Studien an ca. 100 Patienten bestätigt worden. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass Lorenzo’s Öl nicht als Diätetikum bezeichnet werden könne, sondern ihm der Charakter eines medikamenten-ähnlichen Wirkstoffes zukomme, da abgesehen von ernst zu nehmenden Nebenwirkungen auch eine sichere biochemische Wirkung erzielt werde.
In dem seitens der Beklagten beigezogenen Bericht des behandelnden Nervenfacharztes Dr. G. vom 12.09.2001 wird ausgeführt, dass der Kläger seit 1990 rollstuhlpflichtig sei und neben der Paraspastik auch Störungen der Blasen- und Darmfunktionen vorlägen. Bei seiner letzten Untersuchung im März 2001 habe sich eine weitere Progredienz der Erkrankung gezeigt, wobei insbesondere die Spastik noch zugenommen habe. Er verwies dabei darauf, dass die Therapie mit Lorenzo’s Öl unter Umständen mehrere Jahre angewandt werden müsse, bis ein Therapieerfolg bzw. ein Stillstand der Krankheit erzielt werden könne. Auch der Hausarzt Dr. H. berichtet von gesteigerter MER bei spontanem Babinski beidseits und massiven Fußdeformitäten bei massiver Paraspastik der Beine, die im Vergleich zu seiner Voruntersuchung auch progredient verlaufen seien. Zusätzlich verwies er auf einen erloschenen Vibrationssinn, der von unten herauf langsam aufsteige und zusätzliche mit einer Dysästhesie mit Temperatur- und Schmerzempfindungsstörungen einhergehe. Auch er hält die Therapie jedoch für weiterhin sinnvoll.
Nachdem die Beklagte erneut den MDK eingeschaltet hatte (Dr. D. vom 31.10.2001), lehnte sie schließlich mit Bescheid vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 die weitere Kostenübernahme für die Behandlung des Klägers mit "Lorenzo’s Öl" mit der Begründung ab, dass diese Therapie nicht Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe. Gehöre aber eine Behandlungsmethode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, dürfte auch für eine entsprechende private Versorgung keine Kostenübernahme erfolgen. Denn eine Kostenübernahme für solche "neue Behandlungsmethoden" käme nur dann in Betracht, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für diese Behandlung eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens abgegeben habe, was für Lorenzo’s Öl eindeutig nicht zutreffe. Im Übrigen scheitere eine Verordnung auch daran, dass es sich dabei nicht um ein Arzneimittel, sondern lediglich um ein Diätetikum handele, das einer ärztlichen Verordnung nicht zugänglich sei.
Mit der hiergegen am 06.05.2002 beim hiesigen Gericht erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass nach der Entscheidung des OLG Celle vom 20.02.1997 "Lorenzo’s Öl" als Arzneimittel im Sinne der allgemeinen Versicherungsbedingungen anerkannt worden sei. Die Therapie mit Lorenzo’s Öl verhindere bei ihm eine Verschlimmerung des Leidens, während eine fehlende Behandlung zu massiver Ausbreitung der Krankheit führen würde. Auch wenn diese Behandlung nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, und Lorenzo’s Öl auch nicht die Zulassung als Arzneimittel besitze, müsse die Beklagte die Kosten dieser Behandlung in seinem Falle übernehmen, weil eine Untätigkeit des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorliege, so dass die Beklagte infolge Systemmangels angesichts der schwerwiegenden Folgen einer Nichtbehandlung zur Kostenübernahme verpflichtet sei. Eine Zulassung als Arzneimittel scheitere im Übrigen daran, dass diejenigen Patienten, die im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren eine "Placebo"-Gegenprobe nehmen sollten, sich diesem Risiko verweigerten, da mit Sicherheit angenommen werden könne, dass sich in dieser Zeit ihre Krankheit zum Schlechteren weiterentwickeln würde. Dass Lorenzo’s Öl nicht in die Ausnahmeregelung der Arzneimittel-Richtlinien aufgenommen worden sei, stelle sich im Ergebnis als willkürlich heraus, sodass auch deswegen ein Anspruch auf Kostenerstattung gegeben sei
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit "Lorenzo’s Öl" zu erstatten und ihn von den Kosten der Behandlung für die Zukunft freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist dagegen darauf, dass die Therapie mit Lorenzo’s Öl keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe und auch kein – im Übrigen zulassungspflichtiges – Arzneimittel darstelle. Selbst wenn es sich um ein Arzneimittel handele, fehle mangels Zulassung die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Übrigen sei es auch nicht als Nahrungsergänzungsmittel verordnungsfähig. Eine Kostenübernahme scheitere nicht zuletzt deshalb, weil der Nachweis eines ausreichend sicheren therapeutischen Nutzens nicht zu führen sei. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte in der Vergangenheit für etwa 1 ½ Jahre die Kosten übernommen habe, selbst wenn dies auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln beruhen sollte. Sie habe vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Pflicht, bei einem neuen Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kostenübernahme erneut zu prüfen, sodass ein Anspruch auf Gleichbehandlung und damit auf Beibehaltung eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns nicht abgeleitet werden kann.
Die Kammer hat das Urteil des Sozialgerichts Celle vom 20.02.1997 zur Kenntnis genommen und außerdem die Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim (S 10 KR 0890/99) mit den darin enthaltenen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern vom 26.08.2002 und des Gutachtens von Prof. Dr. F., das dieser im Rechtsstreit des Oberlandesgerichts Celle am 09.06.2000 erstellt hatte, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2004 gemacht.
Bezüglich des weiteren Sachvortrages der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim (S 10 KR 0890/99) und die hiesige Gerichtsakte, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2004 waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 ist nicht zu beanstanden. Darin hat die Beklagte zutreffend die weitere Kostenübernahme der Versorgung des Klägers mit "Lorenzo’s Öl" abgelehnt. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung der ihm in der Vergangenheit entstandenen Kosten noch auf Freistellung der Kosten für die weitere Behandlung mit Lorenzo’s Öl.
Nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Gleichermaßen kann der Kläger, wenn die Beklagte – wie hier – ihre Leistungspflicht von vornherein auch für die Zukunft ablehnt, gem. § 13 Abs. 3 SGB V auch die (zukünftige) Freistellung von den Kosten der dennoch beschafften Leistung verlangen. Da der Kostenerstattungsanspruch wie auch der Freistellungsanspruch damit an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 28.01.1999 – B 8 KN 1/98 KR R). Eine Verordnung von "Lorenzo’s Öl" ist jedoch weder als Fertigarzneimittel noch als Diättherapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.
Denn nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung selbst umfasst dabei nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u. a. auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Dabei haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit sie nicht gezielt ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Wie sämtliche Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt auch der sich aus §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V ergebende Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V. Demzufolge besteht er nur für solche Pharmacotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Diese Anforderungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann nicht erfüllt, wenn das zu verabreichende Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R). Auch wenn das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitestgehend auf eigene Regelungen zur Qualitätssicherung verzichtet, knüpft es an das Arzneimittelrecht an, das seinerseits für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt. Ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel darf deshalb trotz seiner Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen hat (BSG, Urteil vom 18.05.2004 – B 1 KR 21/02 R)
Denn gem. § 21 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes Fertigarzneimittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das in Verkehr bringen gem. Art. 3 Abs. 1 oder 2 der EWG-Verordnung Nr. 2309/93 erteilt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AMG). Unter Arzneimitteln werden dabei Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen verstanden, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen
3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1, 3 und 5 ANG).
Soweit deshalb das Arzneimittelrecht eine Zulassung vorschreibt, ist der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit eines Medikaments in einem neuen Anwendungsgebiet in Zulassungsverfahren nach dem AMG und nicht im Wege einer Zertifizierung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu führen. Denn es ist nicht Aufgabe dieses Bundesausschusses, zulassungspflichtige Arzneimittel für den Einsatz in der vertragsärztlichen Versorgung einer gesonderten Begutachtung zu unterziehen oder gar die arzneimittelrechtliche Zulassung für den Bereich in der gesetzlichen Krankenversicherung mittels Empfehlungen zu ergänzen oder zu ersetzen.
Wenn man deshalb mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 31.01.1997 (Az.: 8 U 33/96) "Lorenzo’s Öl" als Arzneimittel ansehen würde, scheitert deren Verordnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits daran, dass eine entsprechende Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG nicht vorliegt. Insoweit können die Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anwendung finden.
Da eine Zulassung als Fertigarzneimittel fehlt, können auch die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19.03.2002 (a. a. O.) die dieses zu den Voraussetzungen unter denen ein indikationsübergreifender Gebrauch eines zugelassenen Medikaments möglich ist, keine Anwendung finden. Im Falle des Klägers handelt es sich nämlich nicht um einen so genannten "Off-Label-Use", sondern um die Anwendung einer überhaupt nicht nach dem Arzneimittelrecht zugelassenen Substanz und damit eben nicht um die Erweiterung eines zugelassenen Arzneimittels für Erkrankungen, die außerhalb der Zulassungskriterien liegen.
Ein Anspruch auf vertragsärztliche Versorgung mit "Lorenzo’s Öl" lässt sich auch nicht darauf stützen, dass es sich dabei um ein Rezepturarzneimittel handelt (so aber: Urteil des SG Marburg vom 18.11.2003 – S 6 KR 626/02). Denn es handelt sich um ein Arzneimittel, das im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird, also um ein Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG). Darauf weisen im Übrigen auch die seitens der C. Gesellschaft für klinische Ernährung mbH gegenüber dem Kläger ausgestellten Rechnungen, nach denen an den Kläger Flaschen von Lorenzo’s Öl bzw. G.T.O.-Öl in Größen von 710 bzw. 1000 ml verkauft wurden. Bezeichnenderweise hatte der behandelnde Arzt, Chefarzt der Abteilung für Neurologie des Sächsischen Krankenhauses Hubertusburg Dr. E., am 21.01.2000 auch nicht eine (vertragsärztliche) Verordnung erteilt, sondern lediglich eine "Verschreibung", die er zugunsten des Klägers selbst ausgeschrieben hat. Zumal "Lorenzo´s Öl" nicht von einer Apotheke hergestellt wird, sondern von einem bestimmten Hersteller fertig geliefert wird. Allenfalls ist es notwenig, dass der Betroffene sich zwei von dem Hersteller vertriebene Substanzen selbst mischt, was jedoch nicht den Betriff eines Rezepturarzneimittels iSd. § 4 Abs. 2a AMG). Im übrigen sind die Kosten für ein selbst beschafftes Arzneimittel von der Krankenkasse nur zu erstatten, wenn sie ärztlich verordnet sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.1996 – 1 RK 15/96 m. w. N.).
Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht darauf stützen, dass es sich bei Lorenzo’s Öl um ein spezielles Diätnahrungsmittel handele, das verordnungsfähig sei. Denn Diätnahrungsmittel sind keine Heilmittel, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sind. Nach den für die Verordnung von Arzneimitteln durch die an die vertragsärztliche Versorgung teilnehmenden Ärzte erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien-AMR) in der Fassung vom 31.08.1993, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 16.03.2004 (BAnz. Nr. 77 Seite 8905) sind selbst apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Die Verordnung ist ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (AMR F Ziffer 16.1). Ein Arzneimittel gilt dabei als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (AMR Ziffer 16.3.). Diesbezüglich ist in Ziffer 16.4 AMR eine Liste der Standardtherapeutika zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen aufgeführt, zu denen jedoch "Lorenzo’s Öl" nicht gehört. Schließlich werden in Ziffer 20.1i AMR ausdrücklich als nicht verordnungsfähige Mittel Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes sowie Diätpräparate benannt. Die in der Verordnung festgelegten Ausnahmen gelten für die, zur Zubereitung von Lorenzo’s Öl verwendeten Spezialöle jedoch gerade nicht. Demzufolge kann Lorenzo’s Öl selbst dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es sich tatsächlich um ein Diätnahrungsmittel handeln würde.
Schließlich ist eine Kostenübernahme auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer "neuen Behandlungsmethode" im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungen zulässig, da es an einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fehlt (unstreitig) und, entgegen den Darlegungen des Klägers auch ein Systemversagen nicht vorliegt. Zwar haben sich Qualität und Wirksamkeit der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung an dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu orientieren und dabei den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Jedoch dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine entsprechende positive Empfehlung abgegeben hat u. a. zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser neuen Methode (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ist aber - wie hier - eine "neue Methode" vom Bundesausschuss (noch) nicht in die Liste der anerkannten Methoden aufgenommen worden, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 32/95 und Urteil vom 19.03.2002 - B 1 KR 36/00 R) ein Anspruch auf Kostenübernahme für die noch nicht empfohlene Methode nur dann entstehen, wenn ein so genanntes "Systemversagen" beim Bundesausschuss vorliegen würde. Ein solches Systemversagen ist dann anzunehmen, wenn die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht erfolgt ist. Eine Untätigkeit ist darüber hinaus nur dann als rechtswidrig, mit dem Ergebnis eines Systemfehlers, anzusehen wenn eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln besteht (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2002, a. a. O, Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95). Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat. Dabei ist dem Bundesausschuss ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen (BSG, Urteil vom 19.03.2002, B 1 KR 36/00 R m. w. N.). Auch wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19.03.2004 1 BvR 131/04, der allerdings lediglich im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ergangen ist) die Anforderungen eines Systemversagens nicht allein auf Verfahrensfehler im engeren Sinn beschränken darf, muss gewährleistet sein, dass die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode sich als "Standardbehandlungsmethode" für das Vorliegen des Krankheitsbildes herausgebildet hat. Davon kann im Falle von Lorenzo’s Öl jedoch nicht gesprochen werden.
Wie Dr. E., Chefarzt des Sächsichen Krankenhauses Hubertusburg und zugleich behandelnden Arzt des Klägers, gegenüber der Beklagten am 21.01.2000 selbst einräumt, sind die Erkenntnisse über die Erkrankung, insbesondere in der hier vorliegenden - erwachsenen - Verlaufsform noch sehr jung, so dass keine größeren Forschungsergebnisse vorliegen. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des, von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels vorgelegten Ausdrucks einer Internetseite dargestellten Forschungsergebisses des wissenschaftlichen Forschungsinstituts Kennedy Krieger Institute, wonach eine internationale Studie über Lorenzo’s Öl zu grundlegenden Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild einer Adrenomyeloneuropathie gekommen sei. Denn die Bevollmächtigten räumen selbst ein, dass es sich bei dieser Studie, die aber nicht die Anforderungen einer Forschungsstudie nach dem Arzneimittelgesetz erfüllt, lediglich um eine Studie bei insgesamt 105 männlichen Kindern im Alter zwischen 16 Monaten und 6 Jahren handelt. Dies wird auch durch Dr. E. vom Sächsischen Krankenhaus Hubertusburg in einer Stellungnahme an das Sozialgericht Augsburg vom 30.01.2003 auch bestätigt, der offenbar selbst an besagter Studie teilgenommen hatte. Daraus lässt sich jedoch für den Fall des Klägers nicht ableiten, der gerade nicht an der "Kind-Form" erkrankt ist, sondern an der Erwachsenen-Form. Erst recht lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Behandlung mit Lorenzo’s Öl inzwischen zur Standardtherapie dieser Gesundheitsstörung – zumal in der Erwachsenen-Form - geworden ist.
Berücksichtigt man zudem noch die durch Dr. J., Medizinischer Dienst der Krankenkassen in Bayern am 26.08.2002 "wissenschaftlich begründete Stellungnahme auf fachärztlich nervenärztlichem Gebiet", die unter Auswertung umfangreicher Literaturstudien im Hinblick auf vermehrte, negative klinische Studien zu der Einschätzung gelangt, dass sich bislang keine Standardtherapie herausgebildet habe, lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt eines behaupteten Systemversagens kein Anspruch ableiten. Auch Dr. E. hat im Falle des Klägers einräumen müssen, dass die schweren neurologischen Komplikationen nicht durch die Therapie verhindert werden konnten, wofür im Falle des Klägers auch die von Amts wegen eingeholten Berichte der behandelnden Ärzte sprechen. Denn sowohl der Hausarzt Dr. H. wie auch der behandelnde Nervenfacharzt Dr. G. mussten feststellen, dass sich das Krankheitsbild trotz Einnahme von Lorenzo’s Öl weiter verschlechtert hatte. Soweit in den Attesten des Hausarztes Dr. H. vom 12.11.2004 und des Neurologen Dr. G. vom 04.11.2004 nunmehr erwähnt wird, dass es in der Zwischenzeit zu keiner weiteren signifikanten Verschlechterung (so Dr. G.) oder gar zu einem Stillstand der Progredienz (so Dr. H.) gekommen sein mag, kann dies nicht als Nachweis für den Erfolg der Behandlung gewertet werden. Denn selbst Dr. E. führt aus, dass lediglich rein theoretisch von einem linearen Krankheitsverlauf ausgegangen wird, ohne dass hierfür medizinische Belege vorliegen.
Unter Berücksichtigung all dieser Kriterien steht dem Kläger ein Anspruch auf Behandlung mittels "Lorenzo’s Öl" auch in Verbindung mit einer streng einzuhaltenden Diät im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu. Damit erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 im Einklang mit der Sach- und Rechtslage, sodass die hiergegen erhobene Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme einer, auf Dauer angelegten Behandlung mit Spezialölen, die unter dem Namen "Lorenzo’s Öl" bekannt geworden und vertrieben werden.
Der inzwischen 41-jährige Kläger leidet seit seinem 17. Lebensjahr unter einer Adrenomyeloneuropathie, einer rezessiv vererbbaren Erkrankung, die mit einer schweren Störung des Stoffwechsels in Form der Ausbildung sehr langkettiger Fettsäuren und deren krankhafter Anhäufung im Blut und in verschiedenen Organen führt. Meist ist sie verbunden mit einer Schädigung der Nebennieren und/oder der Hirnnerven. Als deren Folge bilden sich sehr schwerwiegende, meist neurologische und endokrinologische Funktionsstörungen aus, wie sie auch beim Kläger in Form einer schweren Spastik vorliegen. Eine Standardbehandlung gibt es nicht, im Frühstadium ohne Ausbruch wird von medizinischer Seite aktuell eine Knochenmarkstransplantation vorgeschlagen.
Seitens des Chefarztes des Sächsischen Krankenhauses Hubertusburg, der bekanntermaßen seit vielen Jahren über diese Erkrankung forscht und dabei neben einer strengen Diät ein Produkt aus zwei Spezialölen (Glyceroltrioleat und Glyceroltrierucat) einsetzt, das durch die Firma C. Gesellschaft für klinische Ernährung mbH als Fertigprodukt angeboten wird, wurde am 21.01.2000 Antrag auf Therapieübernahme mit der Begründung gestellt, dass unter dieser Therapie innerhalb weniger Wochen es zu einer Normalisierung der pathologisch erhöhten Blutwerte komme, wobei mit Kosten in Höhe von monatlich ca. 2.000,- DM zu rechnen sei. Entsprechende Verordnungen wurden auch durch den Chefarzt "zur selbständigen Bestellung durch den Kläger" ausgestellt.
Daraufhin zog die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hessen (Dr. D. vom 21.02.2000) bei, der bestätigte, dass die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung des Krankheitsbildes sehr beschränkt seien. Zwar sei verschiedenen Veröffentlichungen zu entnehmen, dass "Lorenzo’s Öl" zu einer Reduzierung des Plasmaspiegels gesättigter, langkettiger Fettsäuren führe, eine Rückbildung der bereits vorhandenen Symptome aber bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Gestützt darauf übernahm die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2000 die Kosten dieser Therapie für zunächst ein Jahr.
Am 29.01.2001 stellte der Kläger daraufhin Antrag auf weitere Kostenübernahme und begründete dies damit, dass aus den Untersuchungsergebnissen der Universitätsklinik Göttingen hervorgehe, dass bei ihm aufgrund der Behandlung mit "Lorenzo’s Öl" die Blutfettwerte C 26:0 inzwischen im Normbereich lägen. In der von der Beklagten erneut beim MDK eingeholten Stellungnahme kommt Dr. D. am 10.04.2001 nunmehr zu dem Ergebnis, dass mittels dieser Therapie zwar eine Normalisierung der Plasmakonzentration erzielt werden könne, jedoch damit eine günstige Beeinflussung des Krankheitsverlaufs – entgegen den ursprünglichen Hoffnungen – nicht erreicht werden konnte. Außerdem stelle Lorenzo’s Öl kein Arzneimittel, sondern lediglich ein Nahrungsergänzungsmittel dar, das auch nicht zu den in den Arzneimittelrichtlinien aufgeführten Ausnahmen zähle. Deshalb könne es auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden.
Aufgrund der Tatsache, dass keine aktuellen Befunde des Krankheitsbildes des Klägers vorlagen, gewährte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 25.04.2001 eine Kostenübernahme für zunächst weitere sechs Monate und forderte ihn gleichzeitig auf, im Falle eines weiteren Antrages aktuelle Befundberichte sowie einen Bericht über den Therapieverlauf zu übersenden.
Bereits am 20.8.2001 beantragte der Kläger daraufhin eine Verlängerung der Kostenzusage und legte dazu einerseits eine Stellungnahme des Dr. E., Sächsisches Krankenhaus Hubertusburg in Wermsdorf vom 16.08.2001 sowie ein Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F., Chefarzt der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Moabit (Berlin) vom 09.06.2000 vor. Darin verweist Dr. E., dass er über eine etwa 50-jährige Erfahrung mit der Behandlung von Lorenzo’s Öl verfüge und sich dabei in 90 v. H. bessere Verlaufsparameter ergeben hätten, als dies bei der vermuteten, sich linear darstellenden klinischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre und sogar bei etwa 53 v. H. der Fälle die Patienten klinisch vollkommen stabil geblieben seien. Er räumte darin allerdings ein, dass die Untersuchungen weder doppelblind noch placebokontrolliert durchgeführt worden seien, was er damit begründete, dass nur ein kleiner Patientenstamm vorliege und diese angesichts der Verschlimmerungstendenz sich nicht zu entsprechenden Studien bereit fänden. Er empfahl daher dringend die Weiterführung der Medikation, zumal diese die derzeit einzige sei, die für die Erwachsenenform der Krankheit zur Verfügung stehe. Prof. Dr. F., der sein Gutachten in einem, vor dem Oberlandesgericht Celle anhängig gewesenen (privatrechtlichen) Rechtstreit erstellt hatte, führt – allerdings bezogen auf ein Kind – aus, dass die Erfolgsaussicht der Therapie mit Lorenzo’s Öl im Wesentlichen davon abhänge, wann mit der Behandlung begonnen werde. Zwar gebe es keine statistisch wissenschaftlich verwertbaren Daten, dies sei jedoch angesichts der geringen Patientenzahl auch nicht zu erwarten. Da man jedoch in der klinischen Forschung darauf angewiesen sei, was Ärzte registrierten und die Patienten angeben, müsse bei der Behandlung mit Lorenzo’s Öl von einer Verlangsamung des Krankheitsprozesses oder gar von dessen Stillstand ausgegangen werden. Dies sei auch durch ihre Studien an ca. 100 Patienten bestätigt worden. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass Lorenzo’s Öl nicht als Diätetikum bezeichnet werden könne, sondern ihm der Charakter eines medikamenten-ähnlichen Wirkstoffes zukomme, da abgesehen von ernst zu nehmenden Nebenwirkungen auch eine sichere biochemische Wirkung erzielt werde.
In dem seitens der Beklagten beigezogenen Bericht des behandelnden Nervenfacharztes Dr. G. vom 12.09.2001 wird ausgeführt, dass der Kläger seit 1990 rollstuhlpflichtig sei und neben der Paraspastik auch Störungen der Blasen- und Darmfunktionen vorlägen. Bei seiner letzten Untersuchung im März 2001 habe sich eine weitere Progredienz der Erkrankung gezeigt, wobei insbesondere die Spastik noch zugenommen habe. Er verwies dabei darauf, dass die Therapie mit Lorenzo’s Öl unter Umständen mehrere Jahre angewandt werden müsse, bis ein Therapieerfolg bzw. ein Stillstand der Krankheit erzielt werden könne. Auch der Hausarzt Dr. H. berichtet von gesteigerter MER bei spontanem Babinski beidseits und massiven Fußdeformitäten bei massiver Paraspastik der Beine, die im Vergleich zu seiner Voruntersuchung auch progredient verlaufen seien. Zusätzlich verwies er auf einen erloschenen Vibrationssinn, der von unten herauf langsam aufsteige und zusätzliche mit einer Dysästhesie mit Temperatur- und Schmerzempfindungsstörungen einhergehe. Auch er hält die Therapie jedoch für weiterhin sinnvoll.
Nachdem die Beklagte erneut den MDK eingeschaltet hatte (Dr. D. vom 31.10.2001), lehnte sie schließlich mit Bescheid vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 die weitere Kostenübernahme für die Behandlung des Klägers mit "Lorenzo’s Öl" mit der Begründung ab, dass diese Therapie nicht Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe. Gehöre aber eine Behandlungsmethode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, dürfte auch für eine entsprechende private Versorgung keine Kostenübernahme erfolgen. Denn eine Kostenübernahme für solche "neue Behandlungsmethoden" käme nur dann in Betracht, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für diese Behandlung eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens abgegeben habe, was für Lorenzo’s Öl eindeutig nicht zutreffe. Im Übrigen scheitere eine Verordnung auch daran, dass es sich dabei nicht um ein Arzneimittel, sondern lediglich um ein Diätetikum handele, das einer ärztlichen Verordnung nicht zugänglich sei.
Mit der hiergegen am 06.05.2002 beim hiesigen Gericht erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass nach der Entscheidung des OLG Celle vom 20.02.1997 "Lorenzo’s Öl" als Arzneimittel im Sinne der allgemeinen Versicherungsbedingungen anerkannt worden sei. Die Therapie mit Lorenzo’s Öl verhindere bei ihm eine Verschlimmerung des Leidens, während eine fehlende Behandlung zu massiver Ausbreitung der Krankheit führen würde. Auch wenn diese Behandlung nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, und Lorenzo’s Öl auch nicht die Zulassung als Arzneimittel besitze, müsse die Beklagte die Kosten dieser Behandlung in seinem Falle übernehmen, weil eine Untätigkeit des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorliege, so dass die Beklagte infolge Systemmangels angesichts der schwerwiegenden Folgen einer Nichtbehandlung zur Kostenübernahme verpflichtet sei. Eine Zulassung als Arzneimittel scheitere im Übrigen daran, dass diejenigen Patienten, die im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren eine "Placebo"-Gegenprobe nehmen sollten, sich diesem Risiko verweigerten, da mit Sicherheit angenommen werden könne, dass sich in dieser Zeit ihre Krankheit zum Schlechteren weiterentwickeln würde. Dass Lorenzo’s Öl nicht in die Ausnahmeregelung der Arzneimittel-Richtlinien aufgenommen worden sei, stelle sich im Ergebnis als willkürlich heraus, sodass auch deswegen ein Anspruch auf Kostenerstattung gegeben sei
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Behandlung mit "Lorenzo’s Öl" zu erstatten und ihn von den Kosten der Behandlung für die Zukunft freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist dagegen darauf, dass die Therapie mit Lorenzo’s Öl keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe und auch kein – im Übrigen zulassungspflichtiges – Arzneimittel darstelle. Selbst wenn es sich um ein Arzneimittel handele, fehle mangels Zulassung die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Übrigen sei es auch nicht als Nahrungsergänzungsmittel verordnungsfähig. Eine Kostenübernahme scheitere nicht zuletzt deshalb, weil der Nachweis eines ausreichend sicheren therapeutischen Nutzens nicht zu führen sei. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte in der Vergangenheit für etwa 1 ½ Jahre die Kosten übernommen habe, selbst wenn dies auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln beruhen sollte. Sie habe vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Pflicht, bei einem neuen Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kostenübernahme erneut zu prüfen, sodass ein Anspruch auf Gleichbehandlung und damit auf Beibehaltung eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns nicht abgeleitet werden kann.
Die Kammer hat das Urteil des Sozialgerichts Celle vom 20.02.1997 zur Kenntnis genommen und außerdem die Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim (S 10 KR 0890/99) mit den darin enthaltenen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern vom 26.08.2002 und des Gutachtens von Prof. Dr. F., das dieser im Rechtsstreit des Oberlandesgerichts Celle am 09.06.2000 erstellt hatte, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2004 gemacht.
Bezüglich des weiteren Sachvortrages der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim (S 10 KR 0890/99) und die hiesige Gerichtsakte, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2004 waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 ist nicht zu beanstanden. Darin hat die Beklagte zutreffend die weitere Kostenübernahme der Versorgung des Klägers mit "Lorenzo’s Öl" abgelehnt. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung der ihm in der Vergangenheit entstandenen Kosten noch auf Freistellung der Kosten für die weitere Behandlung mit Lorenzo’s Öl.
Nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Gleichermaßen kann der Kläger, wenn die Beklagte – wie hier – ihre Leistungspflicht von vornherein auch für die Zukunft ablehnt, gem. § 13 Abs. 3 SGB V auch die (zukünftige) Freistellung von den Kosten der dennoch beschafften Leistung verlangen. Da der Kostenerstattungsanspruch wie auch der Freistellungsanspruch damit an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 28.01.1999 – B 8 KN 1/98 KR R). Eine Verordnung von "Lorenzo’s Öl" ist jedoch weder als Fertigarzneimittel noch als Diättherapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.
Denn nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung selbst umfasst dabei nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u. a. auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Dabei haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit sie nicht gezielt ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Wie sämtliche Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt auch der sich aus §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V ergebende Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V. Demzufolge besteht er nur für solche Pharmacotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Diese Anforderungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann nicht erfüllt, wenn das zu verabreichende Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R). Auch wenn das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitestgehend auf eigene Regelungen zur Qualitätssicherung verzichtet, knüpft es an das Arzneimittelrecht an, das seinerseits für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt. Ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel darf deshalb trotz seiner Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen hat (BSG, Urteil vom 18.05.2004 – B 1 KR 21/02 R)
Denn gem. § 21 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes Fertigarzneimittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das in Verkehr bringen gem. Art. 3 Abs. 1 oder 2 der EWG-Verordnung Nr. 2309/93 erteilt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AMG). Unter Arzneimitteln werden dabei Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen verstanden, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen
3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1, 3 und 5 ANG).
Soweit deshalb das Arzneimittelrecht eine Zulassung vorschreibt, ist der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit eines Medikaments in einem neuen Anwendungsgebiet in Zulassungsverfahren nach dem AMG und nicht im Wege einer Zertifizierung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu führen. Denn es ist nicht Aufgabe dieses Bundesausschusses, zulassungspflichtige Arzneimittel für den Einsatz in der vertragsärztlichen Versorgung einer gesonderten Begutachtung zu unterziehen oder gar die arzneimittelrechtliche Zulassung für den Bereich in der gesetzlichen Krankenversicherung mittels Empfehlungen zu ergänzen oder zu ersetzen.
Wenn man deshalb mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 31.01.1997 (Az.: 8 U 33/96) "Lorenzo’s Öl" als Arzneimittel ansehen würde, scheitert deren Verordnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits daran, dass eine entsprechende Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG nicht vorliegt. Insoweit können die Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anwendung finden.
Da eine Zulassung als Fertigarzneimittel fehlt, können auch die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19.03.2002 (a. a. O.) die dieses zu den Voraussetzungen unter denen ein indikationsübergreifender Gebrauch eines zugelassenen Medikaments möglich ist, keine Anwendung finden. Im Falle des Klägers handelt es sich nämlich nicht um einen so genannten "Off-Label-Use", sondern um die Anwendung einer überhaupt nicht nach dem Arzneimittelrecht zugelassenen Substanz und damit eben nicht um die Erweiterung eines zugelassenen Arzneimittels für Erkrankungen, die außerhalb der Zulassungskriterien liegen.
Ein Anspruch auf vertragsärztliche Versorgung mit "Lorenzo’s Öl" lässt sich auch nicht darauf stützen, dass es sich dabei um ein Rezepturarzneimittel handelt (so aber: Urteil des SG Marburg vom 18.11.2003 – S 6 KR 626/02). Denn es handelt sich um ein Arzneimittel, das im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird, also um ein Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG). Darauf weisen im Übrigen auch die seitens der C. Gesellschaft für klinische Ernährung mbH gegenüber dem Kläger ausgestellten Rechnungen, nach denen an den Kläger Flaschen von Lorenzo’s Öl bzw. G.T.O.-Öl in Größen von 710 bzw. 1000 ml verkauft wurden. Bezeichnenderweise hatte der behandelnde Arzt, Chefarzt der Abteilung für Neurologie des Sächsischen Krankenhauses Hubertusburg Dr. E., am 21.01.2000 auch nicht eine (vertragsärztliche) Verordnung erteilt, sondern lediglich eine "Verschreibung", die er zugunsten des Klägers selbst ausgeschrieben hat. Zumal "Lorenzo´s Öl" nicht von einer Apotheke hergestellt wird, sondern von einem bestimmten Hersteller fertig geliefert wird. Allenfalls ist es notwenig, dass der Betroffene sich zwei von dem Hersteller vertriebene Substanzen selbst mischt, was jedoch nicht den Betriff eines Rezepturarzneimittels iSd. § 4 Abs. 2a AMG). Im übrigen sind die Kosten für ein selbst beschafftes Arzneimittel von der Krankenkasse nur zu erstatten, wenn sie ärztlich verordnet sind (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.1996 – 1 RK 15/96 m. w. N.).
Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht darauf stützen, dass es sich bei Lorenzo’s Öl um ein spezielles Diätnahrungsmittel handele, das verordnungsfähig sei. Denn Diätnahrungsmittel sind keine Heilmittel, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sind. Nach den für die Verordnung von Arzneimitteln durch die an die vertragsärztliche Versorgung teilnehmenden Ärzte erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien-AMR) in der Fassung vom 31.08.1993, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 16.03.2004 (BAnz. Nr. 77 Seite 8905) sind selbst apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Die Verordnung ist ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (AMR F Ziffer 16.1). Ein Arzneimittel gilt dabei als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (AMR Ziffer 16.3.). Diesbezüglich ist in Ziffer 16.4 AMR eine Liste der Standardtherapeutika zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen aufgeführt, zu denen jedoch "Lorenzo’s Öl" nicht gehört. Schließlich werden in Ziffer 20.1i AMR ausdrücklich als nicht verordnungsfähige Mittel Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes sowie Diätpräparate benannt. Die in der Verordnung festgelegten Ausnahmen gelten für die, zur Zubereitung von Lorenzo’s Öl verwendeten Spezialöle jedoch gerade nicht. Demzufolge kann Lorenzo’s Öl selbst dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es sich tatsächlich um ein Diätnahrungsmittel handeln würde.
Schließlich ist eine Kostenübernahme auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer "neuen Behandlungsmethode" im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungen zulässig, da es an einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fehlt (unstreitig) und, entgegen den Darlegungen des Klägers auch ein Systemversagen nicht vorliegt. Zwar haben sich Qualität und Wirksamkeit der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung an dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu orientieren und dabei den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Jedoch dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine entsprechende positive Empfehlung abgegeben hat u. a. zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser neuen Methode (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ist aber - wie hier - eine "neue Methode" vom Bundesausschuss (noch) nicht in die Liste der anerkannten Methoden aufgenommen worden, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 32/95 und Urteil vom 19.03.2002 - B 1 KR 36/00 R) ein Anspruch auf Kostenübernahme für die noch nicht empfohlene Methode nur dann entstehen, wenn ein so genanntes "Systemversagen" beim Bundesausschuss vorliegen würde. Ein solches Systemversagen ist dann anzunehmen, wenn die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht erfolgt ist. Eine Untätigkeit ist darüber hinaus nur dann als rechtswidrig, mit dem Ergebnis eines Systemfehlers, anzusehen wenn eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln besteht (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2002, a. a. O, Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95). Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlaufs der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, darf darauf abgestellt werden, ob sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat. Dabei ist dem Bundesausschuss ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen (BSG, Urteil vom 19.03.2002, B 1 KR 36/00 R m. w. N.). Auch wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19.03.2004 1 BvR 131/04, der allerdings lediglich im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ergangen ist) die Anforderungen eines Systemversagens nicht allein auf Verfahrensfehler im engeren Sinn beschränken darf, muss gewährleistet sein, dass die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode sich als "Standardbehandlungsmethode" für das Vorliegen des Krankheitsbildes herausgebildet hat. Davon kann im Falle von Lorenzo’s Öl jedoch nicht gesprochen werden.
Wie Dr. E., Chefarzt des Sächsichen Krankenhauses Hubertusburg und zugleich behandelnden Arzt des Klägers, gegenüber der Beklagten am 21.01.2000 selbst einräumt, sind die Erkenntnisse über die Erkrankung, insbesondere in der hier vorliegenden - erwachsenen - Verlaufsform noch sehr jung, so dass keine größeren Forschungsergebnisse vorliegen. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des, von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels vorgelegten Ausdrucks einer Internetseite dargestellten Forschungsergebisses des wissenschaftlichen Forschungsinstituts Kennedy Krieger Institute, wonach eine internationale Studie über Lorenzo’s Öl zu grundlegenden Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild einer Adrenomyeloneuropathie gekommen sei. Denn die Bevollmächtigten räumen selbst ein, dass es sich bei dieser Studie, die aber nicht die Anforderungen einer Forschungsstudie nach dem Arzneimittelgesetz erfüllt, lediglich um eine Studie bei insgesamt 105 männlichen Kindern im Alter zwischen 16 Monaten und 6 Jahren handelt. Dies wird auch durch Dr. E. vom Sächsischen Krankenhaus Hubertusburg in einer Stellungnahme an das Sozialgericht Augsburg vom 30.01.2003 auch bestätigt, der offenbar selbst an besagter Studie teilgenommen hatte. Daraus lässt sich jedoch für den Fall des Klägers nicht ableiten, der gerade nicht an der "Kind-Form" erkrankt ist, sondern an der Erwachsenen-Form. Erst recht lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Behandlung mit Lorenzo’s Öl inzwischen zur Standardtherapie dieser Gesundheitsstörung – zumal in der Erwachsenen-Form - geworden ist.
Berücksichtigt man zudem noch die durch Dr. J., Medizinischer Dienst der Krankenkassen in Bayern am 26.08.2002 "wissenschaftlich begründete Stellungnahme auf fachärztlich nervenärztlichem Gebiet", die unter Auswertung umfangreicher Literaturstudien im Hinblick auf vermehrte, negative klinische Studien zu der Einschätzung gelangt, dass sich bislang keine Standardtherapie herausgebildet habe, lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt eines behaupteten Systemversagens kein Anspruch ableiten. Auch Dr. E. hat im Falle des Klägers einräumen müssen, dass die schweren neurologischen Komplikationen nicht durch die Therapie verhindert werden konnten, wofür im Falle des Klägers auch die von Amts wegen eingeholten Berichte der behandelnden Ärzte sprechen. Denn sowohl der Hausarzt Dr. H. wie auch der behandelnde Nervenfacharzt Dr. G. mussten feststellen, dass sich das Krankheitsbild trotz Einnahme von Lorenzo’s Öl weiter verschlechtert hatte. Soweit in den Attesten des Hausarztes Dr. H. vom 12.11.2004 und des Neurologen Dr. G. vom 04.11.2004 nunmehr erwähnt wird, dass es in der Zwischenzeit zu keiner weiteren signifikanten Verschlechterung (so Dr. G.) oder gar zu einem Stillstand der Progredienz (so Dr. H.) gekommen sein mag, kann dies nicht als Nachweis für den Erfolg der Behandlung gewertet werden. Denn selbst Dr. E. führt aus, dass lediglich rein theoretisch von einem linearen Krankheitsverlauf ausgegangen wird, ohne dass hierfür medizinische Belege vorliegen.
Unter Berücksichtigung all dieser Kriterien steht dem Kläger ein Anspruch auf Behandlung mittels "Lorenzo’s Öl" auch in Verbindung mit einer streng einzuhaltenden Diät im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu. Damit erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 im Einklang mit der Sach- und Rechtslage, sodass die hiergegen erhobene Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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