S 4 RA 602/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 4 RA 602/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage, ob eine Ökonompädagogin, welche als Fachdirektorin Kader/Bildung
im volkseigenen Einzelhandel tätig war, Anghörige der techn.,
wissenschaftlichen oder pädogogischen Intelligenz in der ehemaligen DDR war
und ihr diese Zeit als Zusatzversorgungszeit rentenrechtlich anerkannt
werden kann.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Zeiten der Zugehörigkeit der Klägerin zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (vgl. Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950, Gesetzblatt Seite 844) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die im Jahre 1940 geborene Klägerin ist Ökonompädagoge. Diesen Fachabschluss erlangte sie am 31.01.1979 nach Beendigung ihres Studiums am Institut zur Ausbildung von Ökonompädagogen. Im Anschluss an ihr Studium war sie als Abteilungsleiterin zunächst beim VEB O.und A. des sozialistischen Konsumgüterbinnenhandels und später bei der Bezirksdirektion des Volkseigenen Einzelhandels (HO) des Bezirks P. in unterschiedlichen Funktionen beschäftigt. Ab dem 01.01.1986 war sie durchgängig als Fachdirektorin Kader/Bildung tätig.

Die Klägerin beantragte am 08.02.2000 bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften.

Mit Bescheid vom 06.03.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 (Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen) der Anlage 1 zum AAÜG ab. Die Klägerin habe konkret keine Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 1 AAÜG ausgeübt, die ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war, also in einem der in der Anlage 1 zum AAÜG genannten Text aufgelistet ist. Voraussetzung für die Einbeziehung in die Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz sei ein Hochschulabschluss. Der Fachschulabschluss genüge dieser Voraussetzung nicht. Qualifikationen wie Ingenieurpädagoge, Ökonompädagoge und Lehrmeister hätten zur Beschäftigung in der berufspraktischen Ausbildung, jedoch nicht zur Aufnahme in ein Zusatzversorgungssystem der Pädagogen berechtigt.

Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 24.03.2002. Vor ihrer Antragstellung habe das Versicherungsamt beim Landkreis L.-Z.geprüft, ob für sie Zusatzversorgungen in Betracht kämen. Nachdem dies bejaht worden sei, habe sie den entsprechenden Antrag gestellt. Außerdem seien ihr Personen bekannt, welche ebenfalls nur einen Fachschulabschluss hätten, aber bereits Zusatzversorgung erhalten würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei weder in ein Versorgungssystem einbezogen noch hätte sie einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni 1990 hätte sie dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten nach den Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 nicht angehört. Als Ingenieurpädagoge bzw. Lehrmeister sei sie nicht berechtigt, den Titel eines Ingenieurs zu führen.

Mit der am 28.03.2003 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin unter Vertiefung ihrer bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente ihr Begehren weiter.

Die Klägerin beantragt daher sinngemäß,

den Bescheid vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Beschäftigungszeiten vom 01.01.1974 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In § 1 Abs. 3 der Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen vom 27.05.1976 sei ausdrücklich geregelt, dass die Bestimmungen nicht für leitende Kader und Lehrkräfte des Aufgabenbereiches praktische Berufsausbildung gelten. Eine Zugehörigkeit der Klägerin zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 (Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen) bzw. Nr. 18 (zusätzliche Versorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung) komme daher nicht in Betracht. Ebenfalls scheide eine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 (zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) aus. Ökonompädagogen seien keine Ingenieure im Sinne dieser Vorschriften.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem und damit auch keinen Anspruch auf die Feststellung der entsprechenden Arbeitsentgelte.

Unabhängig davon, dass bereits die Vorschriften des AAÜG auf die Klägerin keine Anwendung finden, hat sie auch vom 01.01.1974 bis 30.06.1990 keine "Zeit der Zugehörigkeit in einem Versorgungssystem" und damit auch keine gleichgestellte Pflichtbeitragszeit im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG erlangt. Sie hat in dem oben genannten Zeitraum keine Beschäftigung ausgeübt, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 (und 2) zum AAÜG aufgelistet ist.

Eine "Zeit der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG)" liegt nur dann vor, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt eine Beschäftigung ausgeübt worden ist, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in dem genannten System vorgesehen war. Ob dies der Fall ist, ist ausschließlich nach objektiver Auslegung des Bundesrechts unter Beachtung des Gleichheitssatzes zu ermitteln. Es kommt mithin weder auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane der DDR an noch auf deren Verwaltungspraxis. Nur in faktischer Anknüpfung an die (von der DDR erlassenen) Versorgungsordnungen ist zu klären, ob zum 30.06.1990 eine nach den jeweiligen Kriterien der Versorgungsordnungen in Verbindung mit den Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen, diese ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen eine in der Versorgungsordnung genannte Beschäftigung oder Tätigkeit individuell und konkret ausgeübt worden ist und ob die in der Versorgungsordnung als zwingende Voraussetzung für eine Einbeziehung genannte notwendige berufliche Qualifikation zur Ausübung dieser (konkreten) Beschäftigung bei der entsprechenden "Arbeitsstelle" vorgelegen hat (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichtes - BSG - vom 04.08.1998 - B 4 RA 63/97 R -).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erfüllte die Klägerin in den streitbefangenen Zeiten im Hinblick auf ihre berufliche Qualifikation als Ökonompädagoge bereits die nach der Versorgungsordnung für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der technischen Intelligenz nach § 1 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nicht. Die Klägerin hat keinen abstrakt von der Versorgungsordnung erfassten Beruf ausgeübt. Denn ein Ökonompädagoge ist in § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. Durchführungsbestimmung, die 1951 die 1. Durchführungsbestimmung abgelöst hat, und infolge dessen allein maßgebend ist, nicht aufgeführt. Ausschlaggebend ist nach der o.g. objektiven, am Wortlaut orientierten Auslegung allein die kraft berufliche Ausbildung erworbene, in der Versorgungsordnung genannte berufliche Qualifikation bzw. das Berufsbild. Hierzu zählen zwar Ingenieure und Techniker, nicht jedoch Ökonom-Pädagogen. Keinesfalls war der Abschluss eines Ökonom-Pädagogen einem Ingenieur-Abschluss gleichzustellen.

Die Klägerin hat im streitbefangenen Zeitraum auch keine entgeltlichen Beschäftigungen ausgeübt, die in der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen nach § 1 Abs. 2 AAÜG in Verbindung mit der Anlage 1 Nr. 4 als versorgungsberechtigt aufgelistet sind. Die entsprechende Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR vom 12.07.1951 (Gesetzblatt Nr. 85, 675) definierte unter § 4 als Angehörige der pädagogisch tätigen Intelligenz im Sinne dieser Verordnung

a) alle in Einrichtungen des öffentlichen Bildungs- und Erziehungswesens tätigen Lehrer und Erzieher, sofern sie eine staat

lich anerkannte abgeschlossene pädagogische Ausbildung besitzen und mindestens zwei Jahre in den genannten Einrichtungen hauptamtlich tätig gewesen sind,

b) alle an pädagogischen Instituten und sonstigen Einrichtungen der Lehrer, Lehrmeister und Erzieherbildung tätigen Leiter, Lehrer, Dozenten und pädagogischen Mitarbeiter sowie die Leiter und wissenschaftlichen Mitarbeiter des volkseigenen Verlages Volk und Wissen

c) Dozenten der Arbeiter und Bauernfakultäten und Dozenten der Fachschulen.

Zu einer dieser Personengruppen zählte die Klägerin ersichtlich nicht. Insbesondere qualifiziert sie der am 31.01.1979 abgelegte Fachschulabschluss "Ökonompädagoge" in Verbindung mit ihren nachfolgenden Tätigkeiten als Abteilungsleiterin in der Berufsausbildung beim VEB O. und A. des sozialistischen Konsumgüterbinnenhandels und ihre spätere Tätigkeit als Abteilungsleiterin Kader/Ausbildung beim Volkseigenen Einzelhandel nicht als Angehörige der pädagogischen Intelligenz. Es handele sich dabei weder um Beschäftigungen in Einrichtungen des öffentlichen Bildungs- und Erziehungswesens noch war sie damit an pädagogischen Instituten oder sonstigen Einrichtungen der Lehrer, Lehrmeister und Erzieherbildung tätig.

Schließlich verhilft auch die Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen (Versorgungsordnung) vom 27.05.1976 der Klägerin nicht zu einem Anspruch. Nach § 1 Abs. 3 dieser Verordnung gelten die Bestimmungen der Versorgungsordnung ausdrücklich nicht für leitende Kader und Lehrkräfte des Aufgabenbereiches praktische Berufsausbildung, in welchem die Klägerin tätig war.

Dem erkennenden Gericht ist es versagt, die Klägerin im Wege einer Gesetzes- bzw. Rechtsanalogie aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation den in den vorstehenden Versorgungsordnungen genannten Gruppen gleichzustellen. Ein solches Analogieverbot ergibt sich zwangsläufig aus dem Verbot der Neueinbeziehungen. Dieses Verbot würde im Falle einer Erweiterung des begünstigten Personenkreises durch Analogie unterlaufen. Auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und die Gleichbehandlung mit insoweit durch Zusatzversorgung privilegierten Personengruppen kann sich die Klägerin daher nicht berufen. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 bestehenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR ist bundesrechtlich auch insoweit nicht zulässig, als sie willkürlich sind. Das Verbot der Neueinbeziehung ist verfassungsgemäß (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10.04.2002 - B 4 RA 34/01 R -; LSG für das Saarland, Urteil vom 29.01.2004 - L 1 RA 22/00 -).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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