S 5 U 283/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 283/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Unfallversicherungsschutz bei Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Motorradclubs.
I. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 07.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2003 und des Bescheides vom 26.08.1997 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen dem Grunde nach aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetz-lichen Unfallversicherung zustehen.

Der Ehemann der Klägerin wurde in der Nacht zum 09. Januar 1993 durch einen Pistolen-schuss auf der Wölfnitzstraße in Dresden tödlich verletzt. Der Täter wurde durch das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 02.03.1994 (Az.: 1 Ks 102 Js 1146/93 - 1 KLs 14/93 - ) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 7 Monaten verurteilt.

Dem Urteil des Landgerichtes lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 08. Januar 1993 hielt sich der Angeklagte, der damals noch Mitglied des Leipziger Motorradclubs "R. L." war, zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr zusammen mit anderen Mitgliedern dieses Clubs in der Motorradkneipe "C." in Leipzig auf. Nachdem er erfahren hatte, dass in der Kneipe ein Mitglied des Dresdner Motorradclubs "H." anwesend war, mit dem es bereits seit Frühjahr 1992 Auseinandersetzungen gegeben hatte, beschlossen der Angeklagte und die anderen Mitglieder des "R. L." den Dresdner (R.S.) erforderlichenfalls auch gegen dessen Willen, in ihr Clubhaus zu bringen, dort "mit ihm zu reden" und unter Umständen noch in derselben Nacht nach Dresden zu fahren, um von den "H." die Heraus-gabe von deren Clubemblemen und damit die Auflösung ihres Clubs zu verlangen. Nach-dem R.S. nach Mitternacht in den Keller des Clubhauses verbracht und dort geschlagen worden war, wurde er mit Handschellen gefesselt und musste die Mitglieder des Leipziger Motorradclubs auf der Fahrt nach Dresden begleiten. Gegen 5.00 Uhr morgens trafen die Beteiligten mit einem PKW Golf und einem Kleintransporter Pick up Ford in der Müller-brunnenstraße in Dresden ein, wo der Präsident des Dresdner Clubs W.E. und dessen Freundin I.F. wohnten. Als W.E. die Tür öffnete zog der Angeklagte eine Pistole und rich-tete diese gegen die Decke. Nachdem sie die Herausgabe des Clubemblems erzwungen hatten, ging die Fahrt weiter nach Dresden-Gorbitz, wo ein weiteres Mitglied des Dresdner Motorradclubs wohnte. Weil der Stadtteil zu hell beleuchtet war, ließen die Leipziger Mo-torradclubmitglieder von ihrem Vorhaben ab und fuhren weiter in die Wölfnitzstraße, wo zwischenzeitlich W.E. und I.F. die im Haus Nr. 17 anwesenden J.N. und die Klägerin ge-weckt und ihnen mitgeteilt hatten, dass die Leipziger kämen, um die "Colours" herauszu-verlangen und dass die Leipziger bewaffnet seien und R.S. als Geisel bei sich hätten. Im Anschluss waren W.E. und I.F. in die Wölfnitzstraße 11 gegangen, wo sie den Ehemann der Klägerin sowie T.T. und S.P. weckten und diese ebenfalls über das Vorhaben der Leipziger, die Geiselnahme und die Bewaffnung, unterrichteten. Zwischenzeitlich waren die Leipziger in der Wölfnitzstraße angekommen und stellten ihre beiden Fahrzeuge so ab, dass der Golf, in dem R.S. in Handschellen gefesselt auf dem Beifahrersitz saß, mit der Vorderfront an der Einfahrt zum Haus Nr. 17 stand und R.S. in Blickrichtung dieser und der Einfahrt des noch etwas weiter entfernt stehenden Hauses Nr. 11 saß. Den Pick up stellten sie einige Meter hinter dem Golf in Höhe der dortigen Wohnbaracke ab. Die Insas-sen des Pick up, zu denen auch der Angeklagte gehörte, gingen nun zu dem von der Straße abgewandt liegenden Eingang des Hauses Nr. 17. Dort kamen ihnen bereits die Klägerin und J.N. entgegen. Nachdem J.N. von den Leipzigern auf sein Clubemblem angesprochen worden war, das er aber nicht trug, kam es zu einem Handgemenge zwischen ihm und O.S., wobei J. N. mehrmals mit einem Gummiknüppel geschlagen wurde. Nachdem die Klägerin hilfeschreiend und nach der Polizei rufend auf die Straße gelaufen war und mit Steinen gegen die Fensterscheibe des gegenüberliegenden Autohauses geworfen hatte, um dessen Alarmanlage auszulösen, lief sie anschließend in die Wölfnitzstraße 11 und forderte die dort Anwesenden auf, sich zu beeilen, da J. N. zusammengeschlagen würde.

Der Ehemann der Klägerin nahm daraufhin ein Gewehr und trat mit der Klägerin auf die Wölfnitzstraße, wobei ihr knapp mittelgroßer Mischlingshund zwischen ihnen herum sprang. Ihnen folgten W. E. und T.T. und dahinter I. F. Nachdem der Ehemann der Kläge-rin auf der Straßenmitte in Höhe etwa der Beifahrertür des PKW Golf angelangt war, rief er: "Halt, hinlegen" und hielt dabei, das Gewehr sichtbar in Augenhöhe haltend und gleich-zeitig durch dessen Zielfernrohr zielend, S. P. und die übrigen Leipziger in Schach. In diesem Moment kam der Angeklagte aus der Einfahrt der Wölfnitzstraße 17 und schrie: "Lass doch den Scheiß", woraufhin der Ehemann der Klägerin das Gewehr in Richtung auf den Angeklagten schwenkte. Daraufhin zog dieser seine Pistole aus dem Hosenbund und feuerte in Richtung auf den Ehemann der Klägerin einen Schuss ab, welcher diesen tödlich im Kopfbereich verletzte.

Mit Bescheid vom 17.06.2003 stellte das Amt für Familie und Soziales Dresden - Versor-gungsamt - fest, dass der Ehemann der Klägerin am 09.01.1993 an den Folgen einer Schä-digung im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz verstorben sei.

Nach Beiziehung der Akten des Landgerichtes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.1997 die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe am 09.01.1993 keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten. Von einer ver-sicherten Tätigkeit im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9a, 2. Alternative, Nr. 9c, 2. Alternative Reichsversicherungsordnung (RVO) sei nicht auszugehen. Weder den im Rahmen des Er-eignisherganges vom Ehemann der Klägerin getroffenen Äußerungen, noch seinen Hand-lungen bis zum Eintritt des Todes sei zu entnehmen, dass das Handlungsmotiv, welches er verfolgte, darauf abzielte, andere Personen aus einer oben näher bezeichnenden Gefahren-lage zu retten oder sich zum Schutze eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einzu-setzen. Das "In-Schach-halten" von Personen mit einer Waffe stelle keine versicherte Tä-tigkeit im oben bezeichneten Sinne dar. Handlungen, welche Ausfluss von Rivalitäten ein-zelner Gruppen oder Ausfluss des Eigenschutzes seien, würden vom gesetzlichen Unfall-versicherungsschutz nicht erfasst. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Dezember 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Rücknahme des Be-scheides vom August 1997. Ihr Ehemann sei als Nothelfer tätig geworden, um sie und ihre Kinder zu beschützen. Zum Zeitpunkt seines Todes habe er keinem der beiden Motorrad-clubs angehört. Nach Beiziehung weiterer Auszüge aus den Akten des Landgerichtes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2003 die Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 26.08.1997 ab. Auch die erneute Überprüfung habe ergeben, dass man sich der Sichtweise des Landesver-sorgungsamtes nicht anschließen könne.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2003 Widerspruch. Dass ihr Ehemann als Nothelfer tätig geworden sei, gehe doch aus den Gerichtsakten eindeutig hervor.

Mit Bescheid vom 12.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Um den Tatbe-stand des § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO annehmen zu können, müsse ein aktives Handeln zu-gunsten eines Dritten und zwar eine auf Rettung abzielende Unternehmung vorgelegen haben. Nach wie vor sei nicht erkennbar, dass das Verhalten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin am Unfalltag von dieser Absicht bestimmt gewesen war. Auch habe Versi-cherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9c RVO nicht bestanden. Entscheidend für die An-wendung dieser Vorschrift sei, dass der sich für die Abwehr eines widerrechtlichen Angrif-fes Einsetzende nach den Umständen zu der Überzeugung kommen durfte, dass er zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen tätig werde. Dass der verstorbene Ehemann der Klägerin diese Absicht gehabt habe, habe sich aus den Beweisergebnissen im Strafverfah-ren nicht ergeben.

Mit der am 14.10.2003 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach wie vor ist sie der Auffassung, dass ihr Ehemann nachweislich und ohne begründete Zweifel Nothilfe im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO geleistet habe. Für sie sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu einem gegenüber der Entscheidung der Versorgungs-verwaltung und dem Urteil des Landgerichtes Dresden abweichenden Ergebnis habe ge-langen können. Auch wenn keine Bindungswirkung an andere Entscheidungen bestehe, könnte das Beweisergebnis nur einheitlich beurteilt werden.

Die Klägerin beantragt daher sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 12.09.2003 sowie den Bescheid vom 26.08.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen dem Grunde nach zu gewäh-ren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie geht auch nach Neuauswertung des Beweisergebnisses beim Landgericht Dresden davon aus, dass ungeklärt bleibe, aus welchen tatsächlichen Motiven und vor allem unter welcher Zielsetzung der verstorbene Ehemann der Klägerin auf die Straße getreten sei und die gegnerischen Gruppen in Schach gehalten habe. Der Beigeladene beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 07.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 12.09.2003 sowie den Bescheid vom 26.08.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen dem Grunde nach zu gewähren.

Er trägt vor: Durch die Argumentation der Beklagten würden praktisch alle Motorradclubs als gewaltbereit hingestellt. Dies sei mit Sicherheit falsch. Das Landgericht Dresden habe ausgeurteilt, dass sich der verstorbene Ehemann der Klägerin in einer Nothilfelage befun-den habe, so dass es letztlich auch nicht darauf ankomme, ob und welcher Gruppierung der Nothilfeleistende angehört habe. Der Verstorbene habe nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Frau und seiner Kinder bedroht gesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Amtes für Familie und Soziales, welche beigezogen waren, Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Todes ihres Ehemannes am 09.01.1993.

Der von der Klägerin erhobene Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der geltend gemachte Arbeitsunfall ihres verstorbenen Ehemannes vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 einge-treten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Nach § 589 Abs. 1 Ziff. 3 ist bei Tod durch Arbeitsfall vom Todestage an den Hinterblie-benen eine Rente nach den §§ 590 bis 599 RVO zu gewähren. Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (Bundessozialgericht - BSG - , BSGE 61, 127, 128). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der so genannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversiche-rung reicht (BSGE 58, 76, 77). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Ver-sicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Maßgeb-lich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objekti-ven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung dieses Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicher-ten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83).

Unter Beachtung dieser Anforderungen hat der verstorbene Ehemann der Klägerin am 09.01.1993 einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9a und 9c RVO erlitten. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO sind in der Unfallversicherung Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus ge-genwärtiger Lebensgefahr oder erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesund-heit zu retten unternehmen, gegen Arbeitsunfall versichert. Das Vorliegen der nach dieser Vorschrift vorausgesetzten "erheblichen gegenwärtigen Gefahr für Körper oder Gesund-heit" beurteilt sich nach der Rechtsprechung des BSG danach, ob der Hilfeleistende nach den Umständen das Vorliegen einer solchen Gefahr annehmen durfte (BSG HV-Info 89, 501). Das ist in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Landgerichtes zu bejahen, denn aufgrund der gegebenen Sachlage musste der Ehemann der Klägerin befürchten, dass bei einer Fortsetzung des Konflikts Angehörige des Motorradclubs "H." erhebliche Verlet-zungen davontragen würden. Dafür spricht, dass der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt seines Eingreifens wusste, dass unmittelbar zuvor J.N. mit einem Gummiknüppel zusam-mengeschlagen worden war und zumindest einer der Angehörigen des Leipziger Motor-radclubs eine Schusswaffe mit sich führte. Nach alledem durfte er zu Recht das Vorliegen einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für Körper und Gesundheit der Angehörigen des Motorradclubs Dresden als gegeben ansehen.

Mithin kommt es für die Bejahung eines Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO nurmehr darauf an, dass der Ehemann der Klägerin es im Sinne dieser Vorschrift "unternommen" hat, einen der angegriffenen Mitglieder des Motorradclubs "H." zu "ret-ten". Diese "Rettungsunternehmung" setzt, wie auch die gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9c RVO versicherte Tätigkeit des "persönlichen Einsatzes" begrifflich ein Tätigwerden zugunsten eines Dritten voraus. Der Helfer muss als positiv Handelnder im Interesse eines Dritten tätig geworden und ursächlich bei dieser Tätigkeit zu Schaden gekommen sein. Denn es besteht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach jeder, der sich in wohlgemeinter Ab-sicht um fremde Angelegenheiten kümmert, dabei unter Versicherungsschutz steht (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. August 1996 - L 7 U 290/95 - ). Für Schlichtungsbemü-hungen bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen anderen Personen bedeutet dies, dass nicht schlechthin jede gut gemeinte Einmischung als eine "Rettungsunternehmung" quali-fiziert werden kann.

Dass vorliegend der Ehemann der Klägerin eine aktive Beistandstandsleistung geleistet hat, als er bewaffnet mit einem Gewehr auf die Straße trat und die Angreifer in Schach hielt, kann nicht bezweifelt werden. Nach dem aktenkundigen Ergebnis der Ermittlungen des Landgerichtes steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass der Verstorbene auch die Absicht hatte, ernstlich und zweckbestimmt Hilfe zu leisten und nicht nur an einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Motorradclubs "mitmischen" wollte. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit in vollem Umfange nach eigener Prüfung den Ausführungen des Landgerichtes Dresden im Urteil vom 02.03.1994 an. Danach steht fest, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin die gegnerische Angreiferschar aufgefordert hatte, ihren Angriff aufzugeben. Zudem hatte er sich erst in das Geschehen eingemischt, als er von seiner Ehefrau um Hilfe und Unterstützung gebeten worden war. Dass er aus-schließlich deshalb mit dem Gewehr auf die Angreifer gezielt hätte, weil er sich als ehema-liges Mitglied des Dresdner Motorradclubs habe an den Auseinandersetzungen beteiligen wollen, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im landgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werden. Wie das Landgericht bereits ausgeführt hat, war der verstorbene Ehemann der Klägerin daher berechtigt, zum Zwecke einer sofortigen und endgültigen Beseitigung der Gefahr für die übrigen Dresdner und auch für sich selbst mit einem Ge-wehr die Angreifer in Schach zu halten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist daher mit der erforderlichen Gewissheit fest-gestellt, dass der Ehemann der Klägerin am 09.01.1993 eine Rettungshandlung zugunsten Dritter unternommen hat.

Es liegen auch die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9c vor, wonach u. a. auch derje-nige gegen Arbeitsunfall versichert ist, der sich zum Schutze eines widerrechtlich Ange-griffenen persönlich einsetzt. Nähere Ausführungen bedarf es hierzu nicht mehr.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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