Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 AY 56/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 01.09.2016 bis vorläufig 31.12.2016 weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung einer Ausbildungsvergütung in Höhe von Euro 338,- zu gewähren. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
Der Antrag vom 22.08.2016, mit dem die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller auch über den 31.08.2016 hinaus Leistungen nach dem AsylbLG zu erbringen, ist zulässig und in dem tenoriertem Umfang auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung nach § 86b Abs. 2 ist neben der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch auf die beantragte Leistung (Anordnungsanspruch) und setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, die ihm nach seinen Angaben von der Antragsgegnerin bis 31.08.2016 in analoger Anwendung der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG, zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 15.02.2016, in Höhe von monatlich Euro 724,- Euro gewährt worden sind. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dass diese Voraussetzungen für den Anspruch auf Analogleistungen in der Person des Antragstellers grundsätzlich vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und kann daher auch für das vorliegende Eilverfahren unterstellt werden
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Leistungsgewährung über den 01.09.2016 hinaus nicht die Regelung des § 22 Abs. 1 SGB XII entgegen, welche über § 2 Abs. 1 AsylbLG hier entsprechend Anwendung findet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2005 – L 23 B 1008/05 AY ER; Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 03/12, Rn. 1; Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 2 AsylbLG, Rn. 129). Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sind, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt, §§ 27 ff.) und Vierten Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 41 ff.) des SGB XII. Nach Satz 2 können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden.
Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegen aber nicht vor. Der Antragsteller absolviert zwar ausweislich des vorgelegten Berufsausbildungsvertrages der Handelskammer H. ab 01.09.2016 eine überbetriebliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz zum Verkäufer, die voraussichtlich am 31.08.2018 beendet sein wird und für die er eine monatliche Vergütung in Höhe von z.Zt. Euro 338,- erhält. Die Ausbildung ist aber weder nach dem BAföG noch nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig, da es sich um eine überbetriebliche Berufsausbildung handelt, für die der Antragsteller als geduldeter Ausländer (§ 60a Aufenthaltsgesetz) gemäß § 59 Abs. 2 SGB III keine Förderung in Form der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) von der Bundesagentur für Arbeit erhält (vgl. den ablehnenden Bescheid der Agentur für Arbeit Hamburg vom 15.08.2016, Bl. 6 PA). Zwar steht der Förderungsfähigkeit mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 22 Abs. 1 SGB XII nicht entgegen, wenn eine wie hier dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert wird, die Ausbildung aber nach den Vorschriften des SGB III oder auch des BAföG im konkreten Fall wegen individueller Versagensgründe nicht gefördert werden kann (vgl. Voelzke in jurisPK-SGB XII, § 22 Rdnr. 37f). Ein solcher individueller Versagensgrund liegt aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insbesondere dann vor, wenn eine Förderung nach dem BAföG (§§ 8-10) oder den Regelungen in §§ 60-62 SGB III nicht in Betracht kommt (vgl. BSG Urteil vom 30.09.2008 B 4 AS 28/07 R, Rdnr. 17, 18; juris). Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei der Versagung des Leistungsanspruchs des Antragstellers nach § 59 Abs. 2 SGB III nicht um einen solchen individuellen Versagensgrund, weil dieser bereits im Hinblick auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status nicht zum förderungsfähigen Personenkreis nach dem SGB III gehört. Nach der Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 16/10914, S. 11; dient die Beschränkung der Förderung auf die Aufnahme einer betrieblich durchgeführten beruflichen Ausbildung dem Ziel, Anreize für einen gezielten Zuzug zum Zweck der Duldung und Berufsausbildung zu vermeiden (vgl. Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 59 SGB III, Rn. 26) und enthält damit lediglich allgemeine politisch-fiskalische Motive für den Leistungsausschluss. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch von jenem, welcher der von dieser zitierten Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 15.04.2016 (Az.: S 10 AY 25/16 ER) zugrunde lag: Der dortige Antragsteller absolvierte eine förderungsfähige betriebliche Ausbildung und bezog auch bereits Leistungen nach dem BAB von der Agentur für Arbeit, welches den Leistungsausschluss des § 22 Abs. 1 SGB XII demnach rechtfertigte.
Damit ist aber weiter zu prüfen, ob dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in besonderen Härtefällen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen zu gewähren sind.
Der Begriff des besonderen Härtefalles unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dabei ist in systematischer Hinsicht zunächst der Ausnahmecharakter der Vorschrift im Verhältnis zu dem in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich angeordneten Leistungsausschluss zu beachten, womit eine restriktive Auslegung angezeigt ist. In sprachlicher Hinsicht wird der Ausnahmecharakter durch den Zusatz "besondere" betont. Darüber hinaus ist der Zweck des angeordneten Leistungsausschlusses zu berücksichtigen, der darin besteht, die Inanspruchnahme von ergänzender Sozialhilfe zu verhindern, wenn die Notlage durch eine abstrakt förderungsfähige Ausbildung verursacht wird (vgl. Voelzke aaO., § 22 Rn. 20; auch BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R juris zur Parallelvorschrift im SGB II § 7 Abs. 5 Satz 1). Bereits mit der Vorgängervorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG sollte in Fällen, in denen eine Förderung nach dem BAföG oder dem SGB III und damit gleichsam sondergesetzlich ausgeschlossen war, eine "versteckte" Förderung auf der Ebene des Sozialhilferechts verhindert werden (OVG Hamburg, Beschluss vom 09.09.1997 – Bs IV 36/97 –, NordÖR 1998, 211; BSG 30.09.2008, aaO, Rdnr. 20 m.w.N). Mit § 22 SGB XII beabsichtigte der Gesetzgeber, den früheren § 26 BSHG "inhaltsgleich" zu übertragen (BT-Drs. 15/1514, S. 57).
Ausgehend davon ist ein besonderer Härtefall nur anzunehmen, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist und auch mit Rücksicht auf den genannten Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar und in hohem Maße unbillig erscheinen (vgl. BSG aaO, Rdnr. 20mwN). Lt. BSG müsse dabei auch dem Ziel der Grundsicherung, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, hinreichend Rechnung getragen werden. Der Zielsetzung des "Förderns" entspreche es auch, arbeitsmarktbezogene Aspekte bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der besonderen Härte zuzulassen (vgl. BSG aaO, Rdnr. 22). Der Gesetzgeber sei offenbar davon ausgegangen, dass es sich bei Auszubildenden regelmäßig um junge Menschen handelt, die einerseits ihre Lebensführung vorübergehend einschränken können und von denen andererseits erwartet werden kann, dass sie sich etwas hinzuverdienen (Voelzke aaO Rn. 58). Dazu gehöre damit auch, dass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt ggfs. durch Ausübung einer Nebenbeschäftigung finanzieren.
Der vorliegende Sachverhalt stellt sich damit als außergewöhnlich dar, denn der Antragsteller steht bei fehlender Bewilligung von Leistungen durch die Antragsgegnerin vor der Schwierigkeit, seine trotz Ausbildungsvergütung vorhandene Bedarfslücke zu schließen. Es handelt sich dabei aber gerade nicht um das typische Problem aller Auszubildenden, die eine nicht bedarfsdeckende Ausbildungsförderung erhalten, weil der Antragsteller im Hinblick auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status, der ihm aufgrund der lediglich erteilten Duldung, mit Ausnahme der begonnenen Berufsausbildung, eine Erwerbstätigkeit und Arbeitsaufnahme nicht gestattet, ohne eine solche mögliche Nebenbeschäftigung aus eigener Kraft gerade nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt allein von der Ausbildungsvergütung von Euro 338,- monatlich zu bestreiten. Dies hätte damit absehbar zur Folge, dass er die Berufsausbildung ggfs. abbrechen müsste, um dann allerdings wieder volle Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylblG zu beanspruchen, solange sein aufenthaltsrechtlicher Status dies zulässt. Demensprechend sieht die Weisungslage der Antragsgegnerin auch vor, einen Härtefall ggfs. anzunehmen, bei Personen, für deren soziale Integration bereits öffentliche Mittel aufgewandt wurden, wenn die Verweigerung einer Hilfe zum Lebensunterhalt zum Zwecke der Ausbildung dem mit dem Einsatz der öffentlichen Mittel verfolgten Ziel zuwiderliefe (vgl. Konkretisierung zu § 22 SGB XII vom 01.01.2005 (Gz.: SI 24/111.20-3-1-13 – http://www.hamburg.de/basfi/kr-sgbxii-kap02-22/). Hierbei ist zu auch berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen ehemals unbegleiteten minderjährigen Flüchtling handelt, welcher im Jahre 2013 nach Deutschland eingereist ist, hier bereits die Schule mit einem Hauptschulabschluss erfolgreich absolviert hat und die jetzt begonnene Berufsausbildung damit für den Antragsteller einen entscheidenden weiteren Meilenstein zur auch allgemeinpolitisch wünschenswerten Integration darstellt, welche durch die Nichtbewilligung der beantragten Leistungen in jedem Maß gefährdet erscheint, so dass im Ergebnis die Annahme eines Härtefalles i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gerechtfertigt erscheint.
Soweit auch Eilbedürftigkeit gegeben ist, weil der Antragsteller aktuell keine Leistungen von der Antragsgegnerin erhält, war diese daher entsprechend zur Leistungsgewährung in dem tenoriertem Umfang zu verpflichten. Den Bewilligungszeitraum hat das Gericht im Hinblick auf die lt. Berufsausbildungsvertrag bestehende Probezeit von 4 Monaten zunächst auf den 31.12.2016 vorläufig begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
Der Antrag vom 22.08.2016, mit dem die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller auch über den 31.08.2016 hinaus Leistungen nach dem AsylbLG zu erbringen, ist zulässig und in dem tenoriertem Umfang auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Anordnung nach § 86b Abs. 2 ist neben der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch auf die beantragte Leistung (Anordnungsanspruch) und setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, die ihm nach seinen Angaben von der Antragsgegnerin bis 31.08.2016 in analoger Anwendung der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG, zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 15.02.2016, in Höhe von monatlich Euro 724,- Euro gewährt worden sind. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dass diese Voraussetzungen für den Anspruch auf Analogleistungen in der Person des Antragstellers grundsätzlich vorliegen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und kann daher auch für das vorliegende Eilverfahren unterstellt werden
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Leistungsgewährung über den 01.09.2016 hinaus nicht die Regelung des § 22 Abs. 1 SGB XII entgegen, welche über § 2 Abs. 1 AsylbLG hier entsprechend Anwendung findet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2005 – L 23 B 1008/05 AY ER; Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 03/12, Rn. 1; Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 2 AsylbLG, Rn. 129). Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sind, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt, §§ 27 ff.) und Vierten Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, §§ 41 ff.) des SGB XII. Nach Satz 2 können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden.
Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegen aber nicht vor. Der Antragsteller absolviert zwar ausweislich des vorgelegten Berufsausbildungsvertrages der Handelskammer H. ab 01.09.2016 eine überbetriebliche Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz zum Verkäufer, die voraussichtlich am 31.08.2018 beendet sein wird und für die er eine monatliche Vergütung in Höhe von z.Zt. Euro 338,- erhält. Die Ausbildung ist aber weder nach dem BAföG noch nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig, da es sich um eine überbetriebliche Berufsausbildung handelt, für die der Antragsteller als geduldeter Ausländer (§ 60a Aufenthaltsgesetz) gemäß § 59 Abs. 2 SGB III keine Förderung in Form der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) von der Bundesagentur für Arbeit erhält (vgl. den ablehnenden Bescheid der Agentur für Arbeit Hamburg vom 15.08.2016, Bl. 6 PA). Zwar steht der Förderungsfähigkeit mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 22 Abs. 1 SGB XII nicht entgegen, wenn eine wie hier dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert wird, die Ausbildung aber nach den Vorschriften des SGB III oder auch des BAföG im konkreten Fall wegen individueller Versagensgründe nicht gefördert werden kann (vgl. Voelzke in jurisPK-SGB XII, § 22 Rdnr. 37f). Ein solcher individueller Versagensgrund liegt aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insbesondere dann vor, wenn eine Förderung nach dem BAföG (§§ 8-10) oder den Regelungen in §§ 60-62 SGB III nicht in Betracht kommt (vgl. BSG Urteil vom 30.09.2008 B 4 AS 28/07 R, Rdnr. 17, 18; juris). Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei der Versagung des Leistungsanspruchs des Antragstellers nach § 59 Abs. 2 SGB III nicht um einen solchen individuellen Versagensgrund, weil dieser bereits im Hinblick auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status nicht zum förderungsfähigen Personenkreis nach dem SGB III gehört. Nach der Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 16/10914, S. 11; dient die Beschränkung der Förderung auf die Aufnahme einer betrieblich durchgeführten beruflichen Ausbildung dem Ziel, Anreize für einen gezielten Zuzug zum Zweck der Duldung und Berufsausbildung zu vermeiden (vgl. Petzold in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 59 SGB III, Rn. 26) und enthält damit lediglich allgemeine politisch-fiskalische Motive für den Leistungsausschluss. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch von jenem, welcher der von dieser zitierten Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 15.04.2016 (Az.: S 10 AY 25/16 ER) zugrunde lag: Der dortige Antragsteller absolvierte eine förderungsfähige betriebliche Ausbildung und bezog auch bereits Leistungen nach dem BAB von der Agentur für Arbeit, welches den Leistungsausschluss des § 22 Abs. 1 SGB XII demnach rechtfertigte.
Damit ist aber weiter zu prüfen, ob dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in besonderen Härtefällen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen zu gewähren sind.
Der Begriff des besonderen Härtefalles unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dabei ist in systematischer Hinsicht zunächst der Ausnahmecharakter der Vorschrift im Verhältnis zu dem in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich angeordneten Leistungsausschluss zu beachten, womit eine restriktive Auslegung angezeigt ist. In sprachlicher Hinsicht wird der Ausnahmecharakter durch den Zusatz "besondere" betont. Darüber hinaus ist der Zweck des angeordneten Leistungsausschlusses zu berücksichtigen, der darin besteht, die Inanspruchnahme von ergänzender Sozialhilfe zu verhindern, wenn die Notlage durch eine abstrakt förderungsfähige Ausbildung verursacht wird (vgl. Voelzke aaO., § 22 Rn. 20; auch BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R juris zur Parallelvorschrift im SGB II § 7 Abs. 5 Satz 1). Bereits mit der Vorgängervorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG sollte in Fällen, in denen eine Förderung nach dem BAföG oder dem SGB III und damit gleichsam sondergesetzlich ausgeschlossen war, eine "versteckte" Förderung auf der Ebene des Sozialhilferechts verhindert werden (OVG Hamburg, Beschluss vom 09.09.1997 – Bs IV 36/97 –, NordÖR 1998, 211; BSG 30.09.2008, aaO, Rdnr. 20 m.w.N). Mit § 22 SGB XII beabsichtigte der Gesetzgeber, den früheren § 26 BSHG "inhaltsgleich" zu übertragen (BT-Drs. 15/1514, S. 57).
Ausgehend davon ist ein besonderer Härtefall nur anzunehmen, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist und auch mit Rücksicht auf den genannten Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar und in hohem Maße unbillig erscheinen (vgl. BSG aaO, Rdnr. 20mwN). Lt. BSG müsse dabei auch dem Ziel der Grundsicherung, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, hinreichend Rechnung getragen werden. Der Zielsetzung des "Förderns" entspreche es auch, arbeitsmarktbezogene Aspekte bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der besonderen Härte zuzulassen (vgl. BSG aaO, Rdnr. 22). Der Gesetzgeber sei offenbar davon ausgegangen, dass es sich bei Auszubildenden regelmäßig um junge Menschen handelt, die einerseits ihre Lebensführung vorübergehend einschränken können und von denen andererseits erwartet werden kann, dass sie sich etwas hinzuverdienen (Voelzke aaO Rn. 58). Dazu gehöre damit auch, dass die Betroffenen ihren Lebensunterhalt ggfs. durch Ausübung einer Nebenbeschäftigung finanzieren.
Der vorliegende Sachverhalt stellt sich damit als außergewöhnlich dar, denn der Antragsteller steht bei fehlender Bewilligung von Leistungen durch die Antragsgegnerin vor der Schwierigkeit, seine trotz Ausbildungsvergütung vorhandene Bedarfslücke zu schließen. Es handelt sich dabei aber gerade nicht um das typische Problem aller Auszubildenden, die eine nicht bedarfsdeckende Ausbildungsförderung erhalten, weil der Antragsteller im Hinblick auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status, der ihm aufgrund der lediglich erteilten Duldung, mit Ausnahme der begonnenen Berufsausbildung, eine Erwerbstätigkeit und Arbeitsaufnahme nicht gestattet, ohne eine solche mögliche Nebenbeschäftigung aus eigener Kraft gerade nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt allein von der Ausbildungsvergütung von Euro 338,- monatlich zu bestreiten. Dies hätte damit absehbar zur Folge, dass er die Berufsausbildung ggfs. abbrechen müsste, um dann allerdings wieder volle Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylblG zu beanspruchen, solange sein aufenthaltsrechtlicher Status dies zulässt. Demensprechend sieht die Weisungslage der Antragsgegnerin auch vor, einen Härtefall ggfs. anzunehmen, bei Personen, für deren soziale Integration bereits öffentliche Mittel aufgewandt wurden, wenn die Verweigerung einer Hilfe zum Lebensunterhalt zum Zwecke der Ausbildung dem mit dem Einsatz der öffentlichen Mittel verfolgten Ziel zuwiderliefe (vgl. Konkretisierung zu § 22 SGB XII vom 01.01.2005 (Gz.: SI 24/111.20-3-1-13 – http://www.hamburg.de/basfi/kr-sgbxii-kap02-22/). Hierbei ist zu auch berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen ehemals unbegleiteten minderjährigen Flüchtling handelt, welcher im Jahre 2013 nach Deutschland eingereist ist, hier bereits die Schule mit einem Hauptschulabschluss erfolgreich absolviert hat und die jetzt begonnene Berufsausbildung damit für den Antragsteller einen entscheidenden weiteren Meilenstein zur auch allgemeinpolitisch wünschenswerten Integration darstellt, welche durch die Nichtbewilligung der beantragten Leistungen in jedem Maß gefährdet erscheint, so dass im Ergebnis die Annahme eines Härtefalles i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gerechtfertigt erscheint.
Soweit auch Eilbedürftigkeit gegeben ist, weil der Antragsteller aktuell keine Leistungen von der Antragsgegnerin erhält, war diese daher entsprechend zur Leistungsgewährung in dem tenoriertem Umfang zu verpflichten. Den Bewilligungszeitraum hat das Gericht im Hinblick auf die lt. Berufsausbildungsvertrag bestehende Probezeit von 4 Monaten zunächst auf den 31.12.2016 vorläufig begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
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