Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AL 200/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 192/03
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 08.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 wird aufgehoben. Die Kosten des Klägers werden der Beklagten auferlegt.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 07.07.2002.
Der 1975 geborene Kläger bezieht seit dem 28.08.2001 Arbeitslosenhilfe und erkrankte ab dem 26.05.2002 schwer mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit.
In einem im Juni 2002 auf Veranlassung der Krankenkasse zur Ermittlung der Voraussetzungen des § 125 SGB III eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nach Aktenlage führte der Gutachter aus, der Kläger sei an einer Blutvergiftung mit Multiorganversagen erkrankt. Hinzugekommen sei ein akuter diabetischer Schock bei zunächst nicht erkanntem Diabetes. Der Kläger habe bis zum 13.06.2002 in der Intensivmedizin behandelt werden müssen. Er habe im Koma gelegen. Unter künstlicher Beatmung sei es zu einer bakteriellen Lungenentzündung und nachfolgend zu einem Apoplex gekommen. Im Barthel-Index erreiche der Kläger nur noch 45 Punkte. Ein solcher Wert lasse in Verbindung mit den weiteren Angaben des Krankenhauses den Schluss zu, dass mit einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Monaten zu rechnen sei. Dies folge auch aus den Hinweisen in den ärztlichen Berichten auf noch verbleibende kognitive Störungen. Der Kläger wirke hiernach noch verlangsamt, wobei die Anpassung an die neue Lebenssituation noch im Gange sei.
Die Beklagte holte daraufhin ein ärztliches Gutachten der Arbeitsamtsärztin Dr. C nach Aktenlage ein, in dem Dr. C einräumte, bei dem Kläger sei zwar eine schwerwiegende Erkrankung eingetreten. Die Prognose sei jedoch noch unklar, auch im Rahmen des MDK-Gutachtens seien keine aussagekräftigen Befunde übermittelt worden. Eine Prognose zum Krankheitsverlauf in den nächsten 6 Monaten sei daher nicht möglich. Sie könne sich dem MDK-Gutachten daher nicht anschließen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2002 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 07.07.2002 auf und führte zur Begründung aus, der Kläger habe einen Anspruch auf Krankengeld.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe unter Berufung auf die Nahtlosigkeitsregelung in § 125 SGB III.
Parallel wandte sich der Kläger auch an die Beigeladene mit dem Ziel, Krankengeld zu erhalten. Hierauf wurde ihm durch die Beigeladene die Auskunft erteilt, er müsse gegen die Beklagte vorgehen. Der Kläger unternahm im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Aussage daraufhin keine weiteren Schritte mehr gegen die Beigeladene.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, nach den Einschätzungen ihres Ärztlichen Dienstes könne man sich dem MDK-Gutachten der Beigeladenen nicht anschließen. Die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe sei daher nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III für die Zeit ab dem 07.07.2002 aufzuheben. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da er die Hinweise im überreichten Merkblatt habe zur Kenntnis nehmen können.
Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage und trug im Wesentlichen vor, es sei nicht verständlich, warum ihm angesichts des Schriftverkehrs zwischen der Beklagten und der Beigeladenen nun überhaupt keine Leistung zukomme. Er habe sich nunmehr an Verwandte wenden müssen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 08.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt ergänzend aus, es existiere eine Vereinbarung vom 27.07.1998 zwischen ihr und den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Hiernach müssten Fremdbefunde in MDK-Gutachten unter Angabe von Daten mitgeteilt werden, wobei auch wörtliche Zitate mitzuteilen seien. Daran fehle es, so dass die Beigeladene gegen die oben genannte Vereinbarung verstoßen habe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass der Ärztliche Dienst der Beklagten die ab schließende Entscheidung habe, wobei Divergenzverfahren ausgeschlossen seien. Der Ärztliche Dienst könne nur ausnahmsweise auch Befunde anfordern, wobei diese Notwendigkeit vom Ärztlichen Dienst nicht gesehen worden sei. Nach 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit sei bei dem Kläger noch nicht absehbar gewesen, dass er länger als 6 Monate lang arbeitsunfähig sein würde. Ihre Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie führt aus, die von der Beklagten zitierte Vereinbarung gelte nur im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Dem Kläger gegenüber könne sich die Beklagte hierauf nicht berufen. Eine interne Vereinbarung sei für den Leistungsanspruch unbeachtlich. Dass über die zukünftig andauernde Arbeitsunfähigkeit bereits nach 6 Wochen eine Prognose gestellt worden sei, sei notwendig, weil § 125 SGB III eine solche Vorgehensweise erfordere. Auch der Ärztliche Dienst der Beklagten habe die medizinischen Voraussetzungen des § 125 SGB III nicht verneint, sondern sich auf die Ausführung beschränkt, dass eine Prognoseentscheidung nicht habe getroffen werden können. Dies sei rechtswidrig, weil die Beklagte im Verhältnis zum Antragsteller eine eigene Entscheidung treffen müsse. Anderenfalls liefe die Rechtsauffassung der Beklagten darauf hinaus, dass nicht gesetzlich krankenversicherten Personen Ansprüche aus § 125 SGB III verwehrt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger wird durch den Bescheid vom 08.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zu Unrecht ab dem 07.07.2002 aufgehoben, weil dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe zusteht. Die Beklagte war nicht berechtigt, die ursprüngliche Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufzuheben, weil es insoweit an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt
Die Beklagte kann sich bei ihrer Entscheidung nicht auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch-Verwaltungsverfahren (SGB X) stützen. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (S. 1). An einer solchen Änderung der Verhältnisse für die Zeit ab dem 07.07.2002 fehlt es.
Zwar ist der Kläger seit dem 26.05.2002 arbeitsunfähig erkrankt. Auch bestand ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 126 SGB III nach Ablauf von 6 Wochen seit Antritt der Arbeitsunfähigkeit mit dem 06.07.2002 nicht mehr.
Der Kläger hatte aber trotz der fortdauernden Minderung seiner Leistungsfähigkeit gemäß § 125 SGB III einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 125 Abs. 1 SGB III auch derjenige, der alleine deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als 6-monatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden sind. Die Feststellung, ob Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vor liegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Falle des Klägers ist weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden. Zur Überzeugung des Gerichts war bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsunfähigkeit sowie auch zum Zeitpunkt der Erstellung des MDK-Gutachtens die Prognose einer mehr als 6-monatigen Minderung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt. Hiervon ist das Gericht unter Berücksichtigung des Gutachtens des MDK der Beigeladenen sowie der weiteren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen überzeugt.
Der MDK hat in dem Gutachten überzeugend auf die schwerwiegenden Erkrankungen des Klägers hingewiesen und sich insbesondere zu Recht auch darauf berufen, dass bei einem Barthel-Index von 45 zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus noch von einer längeren Arbeitsunfähigkeit auszugehen war. Diese Prognose hat sich auch als zutreffend herausgestellt, wie allein die Tatsache zeigt, dass der Kläger noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung arbeitsunfähig war. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass selbst derjenige, der nach dem Barthel-Index die volle Summe von 100 Punkten erreicht, nicht ohne Weiteres dazu in der Lage sein muss, sich selbst zu pflegen und zu versorgen, vielmehr besteht auch dann noch die Möglichkeit, dass die betroffene Person weiterhin von Pflege abhängig ist. Dagegen ist bei einem Barthel-Index von 45 davon auszugehen, dass der Betroffene noch weit davon entfernt ist, selbständig leben zu können. Mit dieser Auskunft hat sich die Arbeitsamtsärztin Dr. C nicht erkennbar auseinandergesetzt, so dass die Kammer in ihrem Gutachten keine hinreichende Grundlage für eine abweichende Entscheidung gesehen hat.
Dabei ist auch auffällig, dass Dr. C es vermieden hat, eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen, sondern sich vielmehr darauf beschränkt hat, Kritik an dem MDK-Gutachten zu üben. Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, warum Dr. C nicht weitere ärztliche Auskünfte eingeholt hat, wenn sie dies für erforderlich hielt.
Demgegenüber sind die Ausführungen in dem MDK-Gutachten auch angesichts der mitgeteilten Diagnosen nachvollziehbar und in sich schlüssig. War aber bereits im Juni 2002 bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Klägers die Prognose einer mehr als 6 Monate andauernden Minderung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt, sind die Voraussetzungen des § 125 SGB III erfüllt.
Hieran ändert auch die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Spitzenverbände der Krankenkassen nichts. Eine solche interne Vereinbarung verschiedener Leistungsträger kann eine gesetzlich normierte Leistungspflicht - wie die des § 125 SGB III - nicht zu Lasten der betroffenen Bürger aufheben. Ein solcher Schritt wäre allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Es kommt daher für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht darauf an, ob sich die Beigeladene im Rahmen der Vorgaben der Vereinbarung gehalten hat (vgl. Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 29.04.2002, Az.: S 33 AL 160/01).
Auch aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03.05.2002 (Az.: S 58 AL 2108/00 = Info also 2002, Seite 256 f.) lässt sich nichts abweichendes herleiten. Vielmehr hat auch das Sozialgericht Berlin ausgeführt, der o.g. Verwaltungsvereinbarung komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil es sich hierbei um eine Vereinbarung zu Lasten Dritter handele, die allein deshalb unbeachtlich bleiben müsse.
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass die im Widerspruchsbescheid angenommene Bösgläubigkeit des Klägers jeglicher Grundlage entbehrt, ohne dass es jedoch hierauf streitentscheidend an kommen würde.
Zutreffend ist allerdings die Kritik der Beklagten an dem Vorgehen der Beigeladenen, soweit diese sich dem Kläger gegenüber dahingehend geäußert hat, er müsse sich ausschließlich mit der Beklagten auseinandersetzen. Denn die Gewährung von Krankengeld kann für den Arbeitslosen durchaus vorteilhaft sein, so dass eine eingehendere Beratung des Klägers durch die Beigeladene hätte stattfinden müssen. Hinzuweisen ist insoweit auf das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 19.02.2003 (Az.: L 4 KR 44/01), wonach die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V einschränkend dahin auszulegen ist, dass das Ruhen des Krankengeldes nur den Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebezug gemäß § 126 SGB III erfasst, nicht aber denjenigen nach § 125 SGB III. Es daher fraglich, ob sich die Beigeladene gegenüber dem Kläger auf die o.g. Vorschrift berufen konnte.
Auch die Beigeladene wird daher Veranlassung haben, ihre bisherige Verwaltungspraxis zu überdenken und zu einer anderen Vorgehensweise zu gelangen, insbesondere auch deshalb, weil nicht hingenommen werden kann, dass der Kläger angesichts der Zuständigkeitsstreitigkeiten der beiden beteiligten Sozialleistungsträger ohne die ihm zustehenden Sozialleistungen auskommen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 07.07.2002.
Der 1975 geborene Kläger bezieht seit dem 28.08.2001 Arbeitslosenhilfe und erkrankte ab dem 26.05.2002 schwer mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit.
In einem im Juni 2002 auf Veranlassung der Krankenkasse zur Ermittlung der Voraussetzungen des § 125 SGB III eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nach Aktenlage führte der Gutachter aus, der Kläger sei an einer Blutvergiftung mit Multiorganversagen erkrankt. Hinzugekommen sei ein akuter diabetischer Schock bei zunächst nicht erkanntem Diabetes. Der Kläger habe bis zum 13.06.2002 in der Intensivmedizin behandelt werden müssen. Er habe im Koma gelegen. Unter künstlicher Beatmung sei es zu einer bakteriellen Lungenentzündung und nachfolgend zu einem Apoplex gekommen. Im Barthel-Index erreiche der Kläger nur noch 45 Punkte. Ein solcher Wert lasse in Verbindung mit den weiteren Angaben des Krankenhauses den Schluss zu, dass mit einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Monaten zu rechnen sei. Dies folge auch aus den Hinweisen in den ärztlichen Berichten auf noch verbleibende kognitive Störungen. Der Kläger wirke hiernach noch verlangsamt, wobei die Anpassung an die neue Lebenssituation noch im Gange sei.
Die Beklagte holte daraufhin ein ärztliches Gutachten der Arbeitsamtsärztin Dr. C nach Aktenlage ein, in dem Dr. C einräumte, bei dem Kläger sei zwar eine schwerwiegende Erkrankung eingetreten. Die Prognose sei jedoch noch unklar, auch im Rahmen des MDK-Gutachtens seien keine aussagekräftigen Befunde übermittelt worden. Eine Prognose zum Krankheitsverlauf in den nächsten 6 Monaten sei daher nicht möglich. Sie könne sich dem MDK-Gutachten daher nicht anschließen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2002 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 07.07.2002 auf und führte zur Begründung aus, der Kläger habe einen Anspruch auf Krankengeld.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe unter Berufung auf die Nahtlosigkeitsregelung in § 125 SGB III.
Parallel wandte sich der Kläger auch an die Beigeladene mit dem Ziel, Krankengeld zu erhalten. Hierauf wurde ihm durch die Beigeladene die Auskunft erteilt, er müsse gegen die Beklagte vorgehen. Der Kläger unternahm im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Aussage daraufhin keine weiteren Schritte mehr gegen die Beigeladene.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, nach den Einschätzungen ihres Ärztlichen Dienstes könne man sich dem MDK-Gutachten der Beigeladenen nicht anschließen. Die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe sei daher nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III für die Zeit ab dem 07.07.2002 aufzuheben. Dem Kläger sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da er die Hinweise im überreichten Merkblatt habe zur Kenntnis nehmen können.
Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage und trug im Wesentlichen vor, es sei nicht verständlich, warum ihm angesichts des Schriftverkehrs zwischen der Beklagten und der Beigeladenen nun überhaupt keine Leistung zukomme. Er habe sich nunmehr an Verwandte wenden müssen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 08.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt ergänzend aus, es existiere eine Vereinbarung vom 27.07.1998 zwischen ihr und den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Hiernach müssten Fremdbefunde in MDK-Gutachten unter Angabe von Daten mitgeteilt werden, wobei auch wörtliche Zitate mitzuteilen seien. Daran fehle es, so dass die Beigeladene gegen die oben genannte Vereinbarung verstoßen habe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass der Ärztliche Dienst der Beklagten die ab schließende Entscheidung habe, wobei Divergenzverfahren ausgeschlossen seien. Der Ärztliche Dienst könne nur ausnahmsweise auch Befunde anfordern, wobei diese Notwendigkeit vom Ärztlichen Dienst nicht gesehen worden sei. Nach 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit sei bei dem Kläger noch nicht absehbar gewesen, dass er länger als 6 Monate lang arbeitsunfähig sein würde. Ihre Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie führt aus, die von der Beklagten zitierte Vereinbarung gelte nur im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Dem Kläger gegenüber könne sich die Beklagte hierauf nicht berufen. Eine interne Vereinbarung sei für den Leistungsanspruch unbeachtlich. Dass über die zukünftig andauernde Arbeitsunfähigkeit bereits nach 6 Wochen eine Prognose gestellt worden sei, sei notwendig, weil § 125 SGB III eine solche Vorgehensweise erfordere. Auch der Ärztliche Dienst der Beklagten habe die medizinischen Voraussetzungen des § 125 SGB III nicht verneint, sondern sich auf die Ausführung beschränkt, dass eine Prognoseentscheidung nicht habe getroffen werden können. Dies sei rechtswidrig, weil die Beklagte im Verhältnis zum Antragsteller eine eigene Entscheidung treffen müsse. Anderenfalls liefe die Rechtsauffassung der Beklagten darauf hinaus, dass nicht gesetzlich krankenversicherten Personen Ansprüche aus § 125 SGB III verwehrt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger wird durch den Bescheid vom 08.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2002 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zu Unrecht ab dem 07.07.2002 aufgehoben, weil dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe zusteht. Die Beklagte war nicht berechtigt, die ursprüngliche Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufzuheben, weil es insoweit an einer Ermächtigungsgrundlage fehlt
Die Beklagte kann sich bei ihrer Entscheidung nicht auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch-Verwaltungsverfahren (SGB X) stützen. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (S. 1). An einer solchen Änderung der Verhältnisse für die Zeit ab dem 07.07.2002 fehlt es.
Zwar ist der Kläger seit dem 26.05.2002 arbeitsunfähig erkrankt. Auch bestand ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 126 SGB III nach Ablauf von 6 Wochen seit Antritt der Arbeitsunfähigkeit mit dem 06.07.2002 nicht mehr.
Der Kläger hatte aber trotz der fortdauernden Minderung seiner Leistungsfähigkeit gemäß § 125 SGB III einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 125 Abs. 1 SGB III auch derjenige, der alleine deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als 6-monatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn weder Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden sind. Die Feststellung, ob Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vor liegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Falle des Klägers ist weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden. Zur Überzeugung des Gerichts war bei dem Kläger zum Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitsunfähigkeit sowie auch zum Zeitpunkt der Erstellung des MDK-Gutachtens die Prognose einer mehr als 6-monatigen Minderung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt. Hiervon ist das Gericht unter Berücksichtigung des Gutachtens des MDK der Beigeladenen sowie der weiteren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen überzeugt.
Der MDK hat in dem Gutachten überzeugend auf die schwerwiegenden Erkrankungen des Klägers hingewiesen und sich insbesondere zu Recht auch darauf berufen, dass bei einem Barthel-Index von 45 zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus noch von einer längeren Arbeitsunfähigkeit auszugehen war. Diese Prognose hat sich auch als zutreffend herausgestellt, wie allein die Tatsache zeigt, dass der Kläger noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung arbeitsunfähig war. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass selbst derjenige, der nach dem Barthel-Index die volle Summe von 100 Punkten erreicht, nicht ohne Weiteres dazu in der Lage sein muss, sich selbst zu pflegen und zu versorgen, vielmehr besteht auch dann noch die Möglichkeit, dass die betroffene Person weiterhin von Pflege abhängig ist. Dagegen ist bei einem Barthel-Index von 45 davon auszugehen, dass der Betroffene noch weit davon entfernt ist, selbständig leben zu können. Mit dieser Auskunft hat sich die Arbeitsamtsärztin Dr. C nicht erkennbar auseinandergesetzt, so dass die Kammer in ihrem Gutachten keine hinreichende Grundlage für eine abweichende Entscheidung gesehen hat.
Dabei ist auch auffällig, dass Dr. C es vermieden hat, eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen, sondern sich vielmehr darauf beschränkt hat, Kritik an dem MDK-Gutachten zu üben. Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, warum Dr. C nicht weitere ärztliche Auskünfte eingeholt hat, wenn sie dies für erforderlich hielt.
Demgegenüber sind die Ausführungen in dem MDK-Gutachten auch angesichts der mitgeteilten Diagnosen nachvollziehbar und in sich schlüssig. War aber bereits im Juni 2002 bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Klägers die Prognose einer mehr als 6 Monate andauernden Minderung der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt, sind die Voraussetzungen des § 125 SGB III erfüllt.
Hieran ändert auch die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Spitzenverbände der Krankenkassen nichts. Eine solche interne Vereinbarung verschiedener Leistungsträger kann eine gesetzlich normierte Leistungspflicht - wie die des § 125 SGB III - nicht zu Lasten der betroffenen Bürger aufheben. Ein solcher Schritt wäre allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Es kommt daher für den vorliegenden Rechtsstreit auch nicht darauf an, ob sich die Beigeladene im Rahmen der Vorgaben der Vereinbarung gehalten hat (vgl. Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 29.04.2002, Az.: S 33 AL 160/01).
Auch aus dem von der Beklagten zitierten Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03.05.2002 (Az.: S 58 AL 2108/00 = Info also 2002, Seite 256 f.) lässt sich nichts abweichendes herleiten. Vielmehr hat auch das Sozialgericht Berlin ausgeführt, der o.g. Verwaltungsvereinbarung komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil es sich hierbei um eine Vereinbarung zu Lasten Dritter handele, die allein deshalb unbeachtlich bleiben müsse.
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass die im Widerspruchsbescheid angenommene Bösgläubigkeit des Klägers jeglicher Grundlage entbehrt, ohne dass es jedoch hierauf streitentscheidend an kommen würde.
Zutreffend ist allerdings die Kritik der Beklagten an dem Vorgehen der Beigeladenen, soweit diese sich dem Kläger gegenüber dahingehend geäußert hat, er müsse sich ausschließlich mit der Beklagten auseinandersetzen. Denn die Gewährung von Krankengeld kann für den Arbeitslosen durchaus vorteilhaft sein, so dass eine eingehendere Beratung des Klägers durch die Beigeladene hätte stattfinden müssen. Hinzuweisen ist insoweit auf das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 19.02.2003 (Az.: L 4 KR 44/01), wonach die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V einschränkend dahin auszulegen ist, dass das Ruhen des Krankengeldes nur den Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebezug gemäß § 126 SGB III erfasst, nicht aber denjenigen nach § 125 SGB III. Es daher fraglich, ob sich die Beigeladene gegenüber dem Kläger auf die o.g. Vorschrift berufen konnte.
Auch die Beigeladene wird daher Veranlassung haben, ihre bisherige Verwaltungspraxis zu überdenken und zu einer anderen Vorgehensweise zu gelangen, insbesondere auch deshalb, weil nicht hingenommen werden kann, dass der Kläger angesichts der Zuständigkeitsstreitigkeiten der beiden beteiligten Sozialleistungsträger ohne die ihm zustehenden Sozialleistungen auskommen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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