S 44 AL 496/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 44 AL 496/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1.6.2017 aufheben und die Erstattung des überzahlten Betrages verlangen durfte.

Die 1978 geborene Klägerin meldete sich am 27.4.2017 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg, welches ihr durch Bescheid vom 15.6.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.6.2017 und 12.7.2017 ab dem 27.4.2017 für 180 Kalendertage unter Berücksichtigung einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung bewilligt worden war. In dem Antrag gab sie an, keine Nebenbeschäftigung auszuüben und versicherte, Änderungen unverzüglich anzuzeigen und das Merkblatt 1 erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Das Merkblatt 1 enthielt auf Seiten 64 – 68 u.a. auszugsweise folgenden Hinweise:

"8.2 Mitwirkungs- und Mitteilungspflicht ... Sie müssen alle Tatsachen angeben, die im Antrag abgefragt werden, also für die Leistung bedeutsam sind ...

Darüber hinaus sind Sie verpflichtet, Ihrer Agentur für Arbeit alle späteren Änderungen zu Angaben unaufgefordert und sofort mitzuteilen. Nur so können Leistungen in korrekter Höhe gezahlt oder Überzahlungen vermieden werden.

Sollten Sie als Bezieherin/Bezieher von Arbeitslosengeld ergänzend Arbeitslosengeld II erhalten (so genannte Aufstocker), bestehen diese Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten gegenüber beiden Leistungsträgern, das heißt, sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit als auch gegenüber dem Jobcenter.

... Auch wenn Sie im Zweifel sind, ob eine Änderung für den Leistungsanspruch bedeutsam ist, unterrichten Sie bitte Ihre Agentur für Arbeit.

Insbesondere müssen Sie Ihre Agentur für Arbeit sofort benachrichtigen, wenn ... • Sie eine berufliche Tätigkeit aufnehmen ... Eine Mitteilung des Arbeitgebers an die Krankenkasse über Ihre Arbeitsaufnahme reicht nicht aus. Verlassen Sie sich auch nicht auf eventuelle Zusagen anderer, z. B. Ihres Arbeitgebers, Ihre Beschäftigungsaufnahme Ihrer Agentur für Arbeit anzuzeigen. Hierzu sind ausschließlich Sie selbst verpflichtet. Dies gilt auch für sog. Probearbeitsverhältnisse ...

8.3 Erstattungspflicht Wer zu Unrecht Leistungen erhalten hat, muss sie zurückzahlen, soweit die Bewilligung aufgehoben wird. Nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches ist eine Leistungsbewilligung dann aufzuheben, wenn die bewilligten Leistungen der/dem Betroffenen nicht zustanden und sie/er insbesondere vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht bzw. eine Änderung ihrer/seiner Verhältnisse nicht rechtzeitig mitgeteilt hat, gewusst hat oder leicht erkennen konnte, dass sie/er keinen oder nur einen niedrigeren Leistungsanspruch hatte, oder Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Zusätzlich zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistung müssen die darauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ersetzt werden. Das sind ca. 35 Prozent der Leistung ..."

Dem Bescheid vom 15.6.2017 war u.a. folgender Hinweis zu entnehmen:

"Bitte beachten Sie auch folgende Punkte: • Teilen Sie uns bitte jede leistungserhebliche Änderung Ihrer Verhältnisse (vgl. Merkblatt 1 für Arbeitslose) unverzüglich mit. Änderungen können Sie online über www.arbeitsagentur.de ... Mitteilen oder den Vordruck "Veränderungsmitteilung" verwenden. • ..."

Gleichzeitig bezog die Klägerin Alg II vom Jobcenter. Am 8.6.2017 teilte die Klägerin dem Jobcenter ihre Arbeitsaufnahme mit und reichte dort den Arbeitsvertrag ein.

Aufgrund einer Überschneidungsmitteilung vom 17.8.2017 erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.6.2017 bis 23.6.2017 bei der Firma G. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) versicherungspflichtig beschäftigt war und ermittelte bei dem Arbeitgeber. In der Arbeitsbescheinigung vom 14.9.2017 teilte der Arbeitgeber mit, dass die Klägerin aufgrund des bis 31.12.2017 befristeten Arbeitsvertrages vom 31.5.2017 in der Zeit vom 1.6.2017 bis 23.6.2017 im Service mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 23,10 Stunden tätig gewesen sei. Das Beschäftigungsverhältnis habe durch Kündigung des Arbeitgebers vom 15.6.2017 zum 23.6.2017 geendet. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15.9.2017 zur beabsichtigten Aufhebung und Erstattung des Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Gleichzeitig forderte sie die Klägerin auf, sich sofort erneut persönlich arbeitslos zu melden, sofern die Klägerin die Beschäftigung zwischenzeitlich beendet habe. Hierzu teilte die Klägerin mit Schreiben vom 19.9.2017 mit, in dem angegebenen Zeitraum in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben, welches ohne Angaben von Gründen gekündigt worden sei.

Mit Bescheid vom 25.9.2017 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 1.6.2017 wegen der Aufnahme einer Beschäftigung auf und forderte mit weiteren Bescheiden vom 25.9.2017 die Erstattung des überzahlten Alg von 1365,60 EUR sowie für den Zeitraum vom 24.6.2017 bis 31.7.2017 die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v 280,38 EUR. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dem Jobcenter alle erforderlichen Unterlagen gegeben und davon ausgegangen zu sein, dass dieses die Unterlagen weiterleite. Hierzu reichte sie die Kündigung des Arbeitgebers vom 15.6.2017 ein, in welcher dieser u.a. darauf hinwies, dass die Klägerin sich spätestens drei Tage nach Erhalt des Kündigungsschreibens bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden habe. Der Widerspruch blieb erfolglos und wurde durch Widerspruchsbescheid vom 6.10.2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die Bewilligung von Alg sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Anspruch auf Alg habe, wer u.a. arbeitslos sei. Arbeitslos sei, wer als Arbeitnehmer beschäftigungslos sei. Die Ausübung einer Beschäftigung schließe die Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht aus, wenn die Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasse, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt blieben. Die Klägerin habe am 1.6.2017 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen, die ihre Arbeitslosigkeit beseitigt habe. Nach dem Ende dieser Erwerbstätigkeit sei sie zwar ab 24.6.2017 wieder beschäftigungslos gewesen, habe aber mangels wirksamer Arbeitslosmeldung keinen Leistungsanspruch. Die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung erlösche mit der Aufnahme der Beschäftigung, wenn die Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt habe. Die Klägerin habe die Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Agentur für Arbeit nicht mitgeteilt und sich nach dem Ende der Erwerbstätigkeit nicht mehr persönlich bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg hätten ab 1.6.2017 nicht vorgelegen. Das Vertrauen der Klägerin auf die fehlerhafte Bewilligung sei nicht schutzwürdig, da sie grob fahrlässig gehandelt habe. Sie habe die Aufnahme der Erwerbstätigkeit trotz entsprechender Verpflichtung nicht mitgeteilt. Außerdem habe sie wissen müssen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit weggefallen seien. Das Merkblatt 1 enthalte hierzu verständliche Hinweise. Auch der Bewilligungsbescheid habe unter Bezugnahme auf das Merkblatt den ausdrücklichen Hinweis enthalten, jede leistungserhebliche Änderung in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen.

Mit ihrer am 13.10.2017 eingereichten Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Sie habe dem Jobcenter die Arbeitsaufnahme mitgeteilt. Da Alg I und der Verdienst angerechnet worden seien, sei ihr kein finanzieller Vorteil entstanden. Die Beklagte habe ihr mit Schreiben vom 14.6.2017 noch mitgeteilt, dass über ihren Anspruch wegen der Prüfung einer Sperrzeit vom 19.4.2017 bis 18.6.2017 noch nicht entschieden werden könne. Zu dieser Zeit habe bereits die Kündigung ihres Arbeitgebers vorgelegen. Insoweit habe es nur einen Leistungsbezug vom Jobcenter gegeben, sodass sie auch nur diesem gegenüber mitteilungspflichtig gewesen sei. Ggf. sei zwischen den Leistungsträgern untereinander abzurechnen.

Die Klägerin beantragt mit ihrer Klageschrift vom 13.10.2017,

die Beklagte zu verurteilen, Bescheide vom 25.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom Widerspruchsbescheids vom 6.10.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 24.10.2017,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Beklagte habe durch die Überschneidungsmitteilung vom 17.8.2017 erstmals Kenntnis von der Arbeitsaufnahme erhalten. Die Information an das Jobcenter über die Arbeitsaufnahme ändere an der Rechtslage nichts. Eine interne Erstattung der Leistungsträger untereinander komme nicht in Betracht, da die Leistungszahlung an die Klägerin nicht rechtmäßig erfolgt sei. Auch habe die Klägerin die Arbeitsaufnahme gegenüber dem Jobcenter nicht rechtzeitig, sondern erst am 8.6.2017 mitgeteilt. Zahlungen seien der Klägerin am 12.7.2017 und 25.7.2017 geleistet worden, ohne dass die Beklagte von der Beschäftigungsaufnahme Kenntnis gehabt habe. An der Rechtslage ändere sich auch nichts, obwohl das Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung bereits beendet gewesen sei.

Im Erörterungstermin vom 12.6.2019 sind die Beteiligten zu dem beabsichtigten Erlass eines klageabweisenden Gerichtsbescheids angehört worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage kann im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu dieser Verfahrensweise gehört worden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Bescheide der Beklagten vom 25.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2017 sind rechtmäßig. Die Bewilligung des der Klägerin für die Zeit ab 1.6.2017 gewährten Alg ist zu Recht zurückgenommen und die Klägerin zur Erstattung des überzahlten Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen worden. Das Gericht sieht insoweit von einer vertieften Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 SGG ab. Es verweist stattdessen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2017. Der Widerspruchsbescheid ist schlüssig und nachvollziehbar. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, an seiner Richtigkeit zu zweifeln.

Insbesondere lag auch eine grobe Fahrlässigkeit vor. Grobe Fahrlässigkeit ist dann zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und deshalb nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 45 Rz. 56 f.). Dies zu Grunde gelegt ist vom Arbeitslosen zu verlangen, dass er vom Inhalt der übergebenen Merkblätter Kenntnis nimmt und, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, im Zweifelsfall bei der Beklagten nachfragt. Ebenso sind die Arbeitslosen verpflichtet, die Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8.2.2001 – B 11 AL 21/00 R – Rz. 25, juris). Die Klägerin hat das Merkblatt für Arbeitslose erhalten, in welchem Ausführungen zur Mitwirkungspflicht enthalten sind, und hat auf dem Alg-Antrag durch ihre Unterschrift versichert, Änderungen unverzüglich anzuzeigen sowie vom Inhalt des Merkblatts Kenntnis genommen zu haben. Auch der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2017 enthielt einen Hinweis zur Mitteilungspflicht jeder leistungserheblichen Änderung der Verhältnisse. Daraus ist zu folgern, dass der Klägerin bewusst war, nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt Alg erhalten zu können.

Der Umstand, dass der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bereits am 15.6.2017 zum 23.6.2017 – und damit noch vor Zugang des Alg-Bewilligungsbescheids vom 15.6.2017 und Eingang der Alg-Zahlungen bei der Klägerin am 12.7.2017 und 25.7.2017 – gekündigt hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Bewilligung und Zahlung des Alg aus den vorgenannten Gründen zu Unrecht erfolgt war. Schließlich durfte die Klägerin ihre Augen auch nicht vor den Gutschriften rechtsfehlerhafter Alg-Zahlungen auf ihrem Konto im Zeitpunkt der Kenntnisnahme verschließen. Kontoauszüge müssen überprüft werden (s.a. Landessozialgericht [LSG] Darmstadt, Urteil vom 24.4.2006 – L 9 AL 786/03 –). Da die Klägerin sich nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr persönlich bei der Agentur für Arbeit gemeldet hatte, durfte wegen des Erlöschens der früheren Arbeitslosmeldung gemäß § 141 Abs. 2 Nr. 1 SGB III auch für den Zeitraum der erneuten Beschäftigungslosigkeit ab 24.6.2017 kein Alg gezahlt werden.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass die Klägerin die Aufnahme ihrer Beschäftigung am 8.6.2017 dem Jobcenter mitgeteilt hat. Zum einen war auch diese Mitteilung nicht rechtzeitig, da die Beschäftigungsaufnahme bereits am 1.6.2017 erfolgt war und eine Mitteilung vor der Beschäftigungsaufnahme erforderlich ist. Zum anderen handelt es sich um einen anderen Leistungsträger, was der Klägerin auch bekannt war, da sie schließlich bei beiden Leistungsträgern, also sowohl bei der Beklagten als auch bei dem Jobcenter, Leistungen beantragt und von beiden erhalten hat. Also musste sie auch beiden Leistungsträgern eine Veränderung in den Verhältnissen mitteilen. Dies ergab sich auch unmissverständlich aus dem Merkblatt. Aber auch ungeachtet der Ausführungen im Merkblatt und des Antragsformulars hätte sich dies der Klägerin aufdrängen müssen. Sie hat Alg beantragt und erhalten, weil sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und kein Entgelt bezogen hat. Ihr ist also klar gewesen, dass sie diese Leistung gerade deshalb erhält, weil sie arbeitslos ist. Damit hätte es sich ihr aufdrängen müssen, dass die Aufnahme einer Beschäftigung ihren Anspruch auf Leistungen nicht unberührt lassen kann. Dafür, dass die Klägerin zu einer entsprechenden Schlussfolgerung nicht in der Lage wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch bei einfachsten Überlegungen ist für einen durchschnittlich entwickelten Menschen ohne weiteres erkennbar, dass Alg als Lohnersatzleistung nur bei Beschäftigungslosigkeit, nicht aber bei bestehendem Arbeitsverhältnis gezahlt wird.

Da die Aufhebungsvoraussetzungen vorlagen, war die Beklagte gemäß § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) verpflichtet, den Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an, also ab 1.6.2017, aufzuheben. Aus diesem Grunde können auch keine Härtefallgesichtspunkte berücksichtigt werden, mal abgesehen davon, dass die von der Klägerin vorgetragenen Gründe keinen Härtefall erkennen lassen. Ebenso wenig kann sich die Klägerin auf den Verbrauch des Erstattungsbetrages berufen, da der Beklagten kein Ermessensspielraum zusteht (vgl. zur Frage der Entreicherung u.a. Landessozialgericht [LSG] Hamburg, Urteil vom 19.3.2015 – L 4 AS 354/12 –; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.2.2009 – L 12 AL 45/07 Rz. 18, zitiert nach juris; Bundessozialgericht, Urteil vom 15.2.1979 –7 RAr 63/67 – Rz. 17, zitiert nach juris).

Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dies betrifft vorwiegend das Alg ab 1.6.2017 und die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 24.6.2017 bis 31.7.2017.

Gegen die Erstattungsforderung spricht auch nicht, dass gezahltes Alg vom Jobcenter auf die Alg II-Leistung angerechnet und entsprechend geringer ausgezahlt worden ist. Die von der Klägerin gewünschte Rückabwicklung zwischen den Leistungsträgern (Jobcenter und Beklagte) untereinander kommt nicht in Betracht, da hierfür erforderlich wäre, dass der Klägerin rechtmäßig Alg gezahlt worden wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat für einen Zeitraum Alg erhalten, für den kein Anspruch bestand. Dass eine Rückabwicklung aus Vertrauensschutzgründen nicht ausgeschlossen ist, ist auf das eigene Fehlverhalten der Klägerin zurückzuführen. Dass die Klägerin möglicherweise einen höheren Alg II-Anspruch gehabt hätte, wenn sie sich korrekt verhalten und die Arbeitsaufnahme gegenüber der Beklagten mitgeteilt hätte, kann als fiktiver Geschehensablauf nicht berücksichtigt werden. Bei der Frage der Erstattung ist ausschließlich das zweiseitige Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu betrachten (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 7.11.2018 – L 2 AL 19/18 – Rz. 29, juris).

Raum für eine teleologische Reduktion der Erstattungsvorschrift des § 50 Abs. 1 SGB X besteht in Fällen, in denen das von der Beklagten zu Unrecht geleistete Alg vom Jobcenter auf die Höhe der Alg II-Leistungen angerechnet worden ist, nicht. Der anderslautenden Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 21.2.2018 (S 14 AL 21/15) ist das LSG Hamburg nicht gefolgt. Insoweit wird aus den zuvor genannten Gründen Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des LSG Hamburg in seinem Urteil vom 7.11.2018 (a.a.O.), denen sich die erkennende Kammer nach eigener Prüfung anschließt (L 2 AL 19/18, Rz. 29 – 32, juris). Eine Korrektur unbillig erscheinender Erstattungsforderungen kommt danach ausschließlich im Rahmen des Einziehungsverfahrens durch (Teil-) Erlass der Forderung (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV) oder durch Niederschlagung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV in Betracht (LSG Hamburg, a.a.O., Rz. 33).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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