S 27 KA 146/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
27
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 146/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 9.794,23 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt ein höheres Honorar für das dritte Quartal 2013.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit 28.1.2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, seit dem vierten Quartal 2012 ist er in Einzelpraxis tätig.

Mit Honorarbescheid vom 19.2.2014 berechnete die Beklagte für das dritte Quartal 2013 ein Honorar von 42.647,36 EUR bei 372 Fällen. Die Bezugsgröße des Regelleistungsvolumens (RLV) wurde mit 7.577,34 EUR und einem Zuschlag von 12.341,76 EUR zu Grunde gelegt. Angefordert hatte der Kläger im RLV Bereich 19.108,55 EUR, so dass es zu einer Unterschreitung in Höhe von 810,25 EUR kam, die mit Überschreitungen beim Qualitätsbezogenen Zusatzvolumen (QZV) verrechnet wurde. Für den QZV Bereich ergab sich folgendes: QZV Bezugsgröße angefordert Überschreitung Teilradiologie 2.160,87 EUR 8.206,83 EUR 6.045,96 EUR CT-Intervention, Schmerztherapie 7.087,52 EUR 11.556,04 EUR 4.468,52 EUR Die Überschreitung insgesamt betrug 9.704,23 EUR, hiervon wurden quotiert vergütet 558,27 EUR, so dass der Kläger im RLV / QZV Bereich insgesamt 29.723,76 EUR erhielt.

Mit seinem am 28.2.2014 eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger insbesondere gegen die Abstaffelung seiner Vergütung im QZV Bereich. Obwohl seine angeforderte Vergütung im QZV Bereich unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liege, sei sie nicht voll vergütet worden. Die Beklagte habe als Basisquartal das Quartal 3/2012 zu Grunde gelegt. Dies sei sein letztes Quartal in der BAG gewesen. Damals habe er wegen des Verhaltens der BAG Zuweisungseinbrüche gehabt und sei ab dem 1.10.2012 in einer neuen Niederlassung in Einzelpraxis tätig geworden. Wegen einer Wettbewerbsabrede habe er die neue Praxis in mindestens drei Kilometern Entfernung von der BAG eröffnen müssen. Er habe deshalb nicht seine Patienten aus der BAG behalten können. Im dritten Quartal 2012 habe er nur 228 Patienten behandelt. Er sei als Jungpraxis anzusehen, da er einen komplett neuen Patientenstamm habe aufbauen müssen. Dies sei nach § 31 des Verteilungsmaßstabs (VM) ein außergewöhnlicher Grund. Er müsse deshalb für 12 Quartale auf den Fachgruppendurchschnitt angehoben werden. Mit Honorarberichtigungsbescheid vom 16.4.2014 wegen eines Berechnungsfehlers beim RLV-Zuschlag erhielt der Kläger weitere 1.983,33 EUR für das dritte Quartal 2013 vergütet. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die quotierte Vergütung zu Recht erfolgt sei. Die Berechnung des Honorars sei in Überstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen vorgenommen worden.

Mit seiner am 22.9.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger das Ziel, weitere 9.794,23 EUR Vergütung für das dritte Quartal 2013 zu erhalten. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handelt. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von Eidelstedt nach Hohe Luft an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im vierten Quartal 2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das Individuelle Leistungsbudget (ILB) ausgebremst worden. Er müsse innerhalb von fünf Jahren in der Lage sein, den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen. Dagegen verstoße die Beklagte in der Honorarabrechnung für das dritte Quartal 2013.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 19.02.2014 (Honorarabrechnung für das dritte Quartal 2013) und den Bescheid vom 16.04.2014 beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, weitere 9.794,23 EUR an den Kläger zu zahlen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen über das Honorar des Klägers für das dritte Quartal 2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte. Ergänzend trägt sie vor, das Honorar im Bereich RLV sei voll umfänglich im dritten Quartal 2013 vergütet worden. Der Kläger habe sein QZV überschritten, weil er im dritten Quartal 2012 dieses nicht ausgeschöpft habe und es deshalb entsprechend niedriger ausgefallen sei. Im QZV CT-Intervention habe er in 3/2012 nur 4.969,45 EUR angefordert, zugewiesen waren 35.309,34 EUR. Im QZV Teilradiologie habe er nur 2.410,59 EUR angefordert bei einer Zuweisung von 10.631,40 EUR, so dass Unterschreitungen in Höhe von 30.339,89 EUR bzw. 8.220,81 EUR vorgelegen hätten. Die QZV für das dritte Quartal 2013 seien auch zutreffend ermittelt worden aus dem im Vorjahresquartal abgerechneten Fällen (44 bzw. 57 Fälle) und den Leistungen (161,08 EUR bzw. 37,91 EUR), so dass sich ein Betrag von 7.087,52 EUR bzw. 2.160,87 EUR ergeben hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere 9.794,23 EUR Honorar für das dritte Quartal 2013. Er hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung, denn der Honorarbescheid der Beklagten vom 19.2.2014 in der Fassung des Bescheides vom 16.4.2014 ist rechtmäßig. Das Honorar des Klägers im RLV / QZV Bereich für das dritte Quartal 2013 betrug insgesamt 31.707,09 EUR (29.723,76 EUR + 1.983,33 EUR), damit hat der Kläger im RLV / QZV Bereich eine Vergütungsquote von 81,57% erzielt.

Rechtsgrundlage des Honorars im RLV / QZV Bereich sind nach § 87 b Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 Sätze 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, SGB V (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes) die Regelungen des Bewertungsausschusses (insbesondere Teil F Nr. 36 des 219. Beschlusses vom 26.3.2010) in Verbindung mit den Regelungen des VM.

Diese Regelungen hat die Beklagte zutreffend umgesetzt, denn der Kläger betrieb keine Aufbaupraxis, die den Anspruch hat, im vierten Quartal ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ein RLV bzw. gegebenenfalls QZV auf der Grundlage von 100% der durchschnittlichen RLV- bzw. QZV-Fallzahlen der Arztgruppe im Vorjahresquartal (§ 27 Abs. 1 (d) des VM in der für das dritte Quartal 2013 geltenden Fassung) bzw. in den ersten zwölf Quartalen ein RLV bzw. QZV maximal in Höhe der arztgruppendurchschnittlichen Fallzahlen zu erhalten (§ 27 Abs. 3 (a) VM). Eine Aufbaupraxis in diesem Sinne ist der Kläger im dritten Quartal 2013 nicht mehr gewesen.

Der Kläger war im Bezirk der Beklagten seit dem ersten Quartal 2010, genauer seit dem 28.1.2010, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs, also hier innerhalb Hamburgs als ein und desselben Planungsbereichs, lässt seinen Zulassungsstatus unberührt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 17.7.2013, Az. B 6 KA 44/12 R, juris, Rdnr. 31). Unabhängig von den Gründen, die zu einer Standortverlegung geführt haben, handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des zugelassenen Arztes, die ihn nicht wieder in die Situation einer Neuzulassung versetzt. Ansonsten wäre mit Standortverlegung gerade in einem Planungsbereich wie Hamburg, in dem drei bzw. 7,8 Kilometer unschwer mit öffentlichen Verkehrsmittel zu überwinden sind, es möglich, sich immer wieder durch Verlegung des Standorts den Vorteil arztgruppendurchschnittlicher Fallzahlen zu erhalten. Nur für die Aufbauphase von drei Jahren soll es neu gegründeten Praxen möglich sein, den Umsatz sofort auf den Durchschnittsumsatz zu steigern (BSG, Urteil vom 3.2.2010, B 6 KA 1/09 R, juris, Rdnr. 15).

Da die vom Kläger geführte Praxis keine Aufbaupraxis mehr war, kommt in Betracht, dass sie im dritten Quartal 2013 eine (sonstige) unterdurchschnittlich abrechnende Praxis war (vgl. hierzu BSG vom 3.2.2010, a.a.O., Rdnr. 15 ff und vom 17.7.2013, a.a.O., Rdnr. 34 ff), die die Chance haben muss, auch noch nach der Aufbauphase ihren Umsatz auf den Durchschnittsumsatz zu steigern. Anders als bei Jungpraxen muss dies jedoch nicht sofort sein, sondern das BSG hat es für zulässig erachtet, erst im Folgejahr eine Erhöhung der Fallzahlen gegenüber dem Basisquartal (Vorjahresquartal) zum Tragen kommt (zu den Grundlage dieses Moratoriums, vgl. Urteil des BSG vom 17.7.2013, a.a.O., Rdnr. 36 ff), was beim Kläger auch der Fall war, obwohl für das Folgequartal (drittes Quartal 2014) schon andere Honorarverteilungsregelungen galten (Individuelle Leistungsbudgets, ILB), denn weiter ist zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet sind und welchen primären Zweck sie verfolgen, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirken (BSG, Urteil vom 3.2.2010, a.a.O., Rdnr. 16). Entscheidend ist, dass die Honorarbegrenzungsregelungen so viel Spielraum lassen müssen, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden kann (BSG, a.a.O.).

Das ist beim Kläger der Fall. Geht man zu seinen Gunsten davon aus, dass er im dritten Quartal 2013 noch zu einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis gehörte, obwohl er eine Vergütungsquote im RLV- / QZV-Bereich von 81,57% bei angeforderten Leistungen in diesem Bereich von 38.871,42 EUR (RLV: 19.108,55 EUR, QZV Teilradiologie: 8.206,83 EUR und QZV CT-Intervention: 11.556,04 EUR) und vergüteten Leistungen von 31.707,09 EUR hatte, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass zumindest seit den Änderungen in der Berechnung des ILB zum vierten Quartal 2016, also vor dem Ende des Fünf-Jahres-Zeitraums (3/2013 bis einschließlich 2/2018 bzw. 4/2012 bis 3/2017) er den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe erreicht habe. Die Vergütungsquote von 81,57 % im RLV- / QZV-Bereich und die Äußerung des Klägers haben die Kammer davon überzeugt, dass es dem Kläger durch die Vergütungsregelungen im dritten Quartal 2013 und in der Folgezeit nicht unmöglich gemacht worden ist, den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe zu erreichen.

Insofern bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen zu den Durchschnittsumsätzen der Fachgruppe und den Umsätzen des Klägers in den dem streitigen Quartal nachfolgenden Quartalen. Gleichwohl hätte es nicht geschadet, wenn die Beklagte auch ohne eine gerichtliche Aufforderung vorgetragen hätte, wie die Umsatzentwicklung in der Fachgruppe des Klägers ab dem dritten Quartal 2013 und beim Kläger ausgesehen hat. Auch in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Verfahren bleibt es den Beteiligten unbenommen, für sie günstige anspruchsbegründende oder auch anspruchsvernichtende Tatsachen vorzutragen, insbesondere dann, wenn ihnen die Grundsätze des BSG zur Honorarverteilungsgerechtigkeit und zum Wachstumsanspruch von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen vertraut sind.

Die Klage war daher sowohl in Hinblick auf den Hauptantrag als auch auf den Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger als unterlegener Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 9.794,23 EUR festgesetzt, weil in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Rechtskraft
Aus
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