S 30 AL 127/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AL 127/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 95/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2002 verpflichtet, den Bescheid vom 24.01.2002 dahingehend aufzuheben, als dass die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 18.12.2001 bis zum 24.01.2002 aufgehoben wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte 1/9.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosenhilfe über den 17.12.2001 hinaus.

Der im März 1944 geborene Kläger bezog bis zum 28.10.2001 Arbeitslosengeld. Auf seinen Antrag wurde ihm mit Bescheid vom 30.10.2001 Arbeitslosenhilfe ab dem 29.10.2001 gewährt. Ab dem 06.11.2001 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig, wobei seine Arbeitsunfähigkeit nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 11.12.2001 voraussichtlich länger als sechs Monate andauern sollte, so dass die Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2001 vorläufig auch über den 17.12.2001 hinaus Arbeitslosenhilfe gewährte. Der Arbeitsamtsarzt G kam im Gutachten vom 14.01.2002 jedoch zu dem Ergebnis, dass dem MDK-Gutachten nicht zu folgen sei. Arbeitsamtsärztlicherseits könne die Prognose einer voraussichtlich länger als sechs Monate dauernden Leistungsunfähigkeit nicht gestellt werden. Daraufhin hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab dem 18.12.2001 auf. Dieser Bescheid wurde bestandkräftig. Am 04.03.2002 beantragte der Kläger die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 24.01.2002 zu überprüfen. Er verwies hierbei auf ein kurzes Attest des Allgemeinmediziners I vom selbigen Tage, dass auf die weitere (operative) Behandlungsbedürftigkeit des Klägers hinweist. Die Beklagte wies den Antrag auf Überprüfung mit Bescheid vom 06.03.2002 zurück, gegen den der Kläger am 19.03.2002 Widerspruch erhob. Davon ausgehend, dass der zu überprüfende Bescheid vom 24.01.2002 nicht zu beanstanden sei, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2002 zurück.

Mit seiner am 29.04.2002 erhobene Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, beantragt der Kläger schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2003 zu verpflichten, den Bescheid vom 24.01.2002 aufzuheben und ihm über dem 17.12.2001 hinaus Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

Das Gericht hat zur weiteren Sachverhaltsermittlung zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte Dres. I und Dr. T sowie Informationen über den Krankheitsverlauf des Klägers bei der DAK in Siegen eingeholt. Ferner hat das Gericht die Akte zu einem parallel laufenden Verfahren auf die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei dem hiesigen Gericht zum Aktenzeichen: S 2 RJ 150/00 nebst der Akte zum dazugehörigen Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht des Landes Nordrhein-Westfalen beigezogen. Die im Rahmen des Rentenverfahren eingeholten gerichtlichen Gutachten vom 16. und 23.01.2001 sowie vom 15.04.2002 attestieren dem Kläger jeweils ein durchgehendes vollschichtiges Leistungsvermögen bei gewissen qualitativen Einschränkungen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen. Diese Akten und die Rentenakte haben vorgelegen und sind mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid insofern beschwert, als dass das der Bescheid vom 24.01.2002 die Bewilligung vom Arbeitslosenhilfe auch für den Zeitraum vom 18.12.2001 bis zum 24.01.2002 aufhebt. Denn die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosenhilfe für den genannten Zeitraum lagen nicht vor. Allerdings hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 24.01.2002 die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab dem 25.01.2002 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) für die Zukunft aufgehoben.

In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des bewilligenden Verwaltungsaktes vom 30.10.2001 vorgelegen habe, ist eine wesentliche Änderung insofern eingetreten, als dass der Kläger ab dem 06.11.2001 zunächst bis zum 04.05.2002 arbeitsunfähig erkrankte und dadurch den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) nicht mehr zur Verfügung stand und damit auch nicht mehr gemäß § 118 SGB III arbeitslos war. Nach Ablauf der Leistungsfortzahlung gemäß § 126 SGB III am 17.12.2001 war ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe gemäß § 119 SGB III nicht gegeben. Denn die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Leistung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III lagen nicht vor. Bedingung hierfür wäre unter anderem eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit des Versicherten dahingehend eine mindest 15-Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht unter den üblichen Bedingungen auf dem Arbeitsamt ausüben zu können. Hinsichtlich dieser nicht nur vorübergehenden Änderung der Leistungsfähigkeit ist eine entsprechende Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. BSG SozR 3 - 4100 § 105 a Nr. 2). Die Richtigkeit dieser Prognoseentscheidung war vorliegend zu überprüfen. Bei der Prognose hat die Beklagte insbesondere zu berücksichtigen, dass bei dem Kläger gesundheitliche Beschwerden im orthopädischen und neurologisch/psychiatrischen Bereich vorlagen, deren Umfang und Qualität sich insbesondere aus den gerichtlichen Gutachten des Orthopäden Dr. O vom 23.01.2001 und Neurologen und Psychiaters Dr. S vom 16.01.2001 ergeben. Die Gutachter attestieren dem Kläger in nachvollziehbarer Weise ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen. Im Ergebnis werden sie auch vom Neurologen und Psychiater Dr. med. W im Gutachten vom 15.04.2002, das das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen auf Veranlassung des Klägers im Rentenverfahren eingeholt hat, bestätigt. Schon hieraus wird für das Gericht deutlich, dass es sich bei den ab dem 06.11.2001 auftretenden Erkrankungen um lediglich vorübergehende Akuterkrankungen gehandelt hat. Diese Einschätzung im Gutachten des Arbeitsamtsarztes G vom 14.01.2002 erfährt nicht nur durch das zusammenfassende, vorerwähnte Gutachten des Dr. med. W seine Bestätigung, sondern auch in der Tatsache, dass die seit dem 06.11.2001 währende Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 04.05.2002, mithin zwei Tage vor Ablauf der Sechsmonatsfrist gemäß Auskunft der Beigeladenen vom 17.02.2003 endete.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 330 SGB III lagen also vor. Allerdings waren die Voraussetzungen der Aufhebung einer Bewilligung rückwirkend ab dem 18.12.2001 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn.: 1 - 4 nicht gegeben, denn insbesondere kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, er hätte es unterlassen die hier relevanten Änderungen, wie den Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit, anzuzeigen. Im Weiteren kann ihm nicht unterstellt werden, dass er erkennen konnte, dass der Anspruch gegen Ende des Leistungsfortzahlungszeitraumes ab dem 18.12.2001 erloschen war. Im Ergebnis wird die Beklagte Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 24.01.2002 nachzuzahlen haben. Eine Rückforderung für den Zeitraum 18. bis 31.12.2001 macht sie entsprechend ihres Vermerkes auf Bl. 641 der Verwaltungsakte gar nicht geltend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem anteiligen Obsiegen des Klägers Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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