Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 25 R 2507/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 2.12.2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.12.2011 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 16.068,70 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem insgesamt 64.274,80 EUR im Rahmen einer Betriebsprüfung nachgefordert werden.
Die Antragstellerin - eine GmbH - betreibt ein Gewerbe im Bereich der Personaldienstleistungen. Hierzu überlässt sie Arbeitnehmer an andere Unternehmen auf Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Eine entsprechende Erlaubnis hat sie inne. Dabei zahlte die Antragstellerin im Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 ihren Arbeitnehmern, die an andere Unternehmen überlassen wurden, geringere Löhne als die nach ihrer Tätigkeit vergleichbaren Stammmitarbeiter in den entleihenden Unternehmen erhielten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.4.2010 erhob die Antragsgegnerin für den Prüfzeitraum vom 1.12.2006 bis zum 31.12.2009 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 1.415,93 EUR; die diesen Bescheid zu Grunde liegende Betriebsprüfung wurde im Zeitraum vom 12.4.2010 bis zum 14.4.2010 an drei Tagen durchgeführt.
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, JURIS) wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg vom 7.12.2009 zurück, dass in einem Verfahren nach § 97 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) festgestellt hatte.
Daraufhin führte die Antragsgegnerin am 24.10.2011 eine erneute Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 bei der Antragstellerin durch. Sie kam zu dem Ergebnis, dass durch die unterschiedliche Entlohnung der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zur Stammbelegschaft der entleihenden Unternehmen § 10 Abs. 4 AÜG verletzt sei. Beiträge zur Sozialversicherung seien daher auf Grundlage der Differenz zwischen den von der Antragstellerin gemeldeten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleiherbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer nachzuerheben. Da der hierfür anzusetzende Verwaltungsaufwand jedoch unverhältnismäßig sei, sei die Antragsgegnerin berechtigt, diese Lohndifferenz zum Teil im Schätzwege mit 24 % zu bestimmen. Auf Basis dieser Zahlen ermittelten die Antragsgegnerin einen Nachforderungsbetrag von insgesamt 64.274,80 EUR, den sie mit Bescheid vom 1.12.2011 nachforderte.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 2.12.2011 Widerspruch.
Am 29.12.2011 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid der Beklagten rechtswidrig sei. Zunächst gelte die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP im Beschluss des BAG ausdrücklich nur für die Gegenwart und Zukunft. Daneben macht sie geltend, dass sie für den Zeitraum 1.12.2006 bis 31.12.2009 bereits schon einmal geprüft worden sei. Den entsprechenden Bescheid über das Ergebnis der Betriebsprüfung habe die Antragsgegnerin zunächst aufzuheben, bevor sie einen neuen Bescheid erlassen könne.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 2.12.2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.12.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid vom 1.12.2011 rechtmäßig sei. Daneben bestehe angesichts der Rückstellungen der Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die Vollziehung des Bescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Grundlage der Entscheidung des Gerichts geworden.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 2.12.2011 gegen den Bescheid vom 1.12.2011 ist begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. nur Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de; Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER; jeweils JURIS und sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Dabei hat das Gericht zunächst keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung an sich. Die hiergegen seitens der Antragstellerin vorgebrachten Argumente greifen nach summarischer Prüfung nicht durch. Insoweit ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung aufgrund der geschuldeten Entgelte zu errechnen sind und die Differenzbeträge nachzuerheben sind. Auch der Schätzung der Lohndifferenz stehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel entgegen. Insbesondere konnte durch die Verweisung auf CGZP-Tarifverträge der sich aus § 10 Abs. 4 AÜG ergebende Anspruch auf gleiche Bezahlung der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zur Stammbelegschaft nicht abbedungen werden, da die CGZP weder tariffähig ist noch in der Vergangenheit war. Die Rechtsprechung des BAG in der oben zitierten Entscheidung steht dem nicht entgegen, soweit das Ausgangsgericht nur Gegenwart bezogen festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Denn die Feststellung der Tarifunfähigkeit durch ein Gericht nach § 97 ArbGG nur deklaratorischer und nicht konstitutiver Natur (BAG aaO, JURIS-Rz. 50). Vielmehr ergibt sich die Tarifunfähigkeit aus dem Gesetz. Die seitens des BAG dargelegten Mängel der Satzung der CGZP im Hinblick auf die Tariffähigkeit finden sich auch in den Vorgängersatzungen der CGZP.
Allerdings hat das Gericht nach gebotener summarischer Prüfung deshalb ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, da die die Antragsgegnerin es versäumt hat, zunächst den bestandskräftigen Bescheid vom 14.4.2010 gemäß § 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufzuheben.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) und der rechtswidrig ist, nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Mit Bescheid vom 14.4.2010 hatte die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 1.12.2006 bis 31.12.2009 einen Beitragsbescheid auf der Rechtsgrundlage des § 28 p SGB IV erlassen, der eine Regelung hinsichtlich der in diesem Zeitraum bestehenden Beitragspflichten beinhaltet hatte. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Er war gegebenenfalls von Anfang an rechtswidrig, weil er die Beitragsnachzahlungspflicht im Hinblick auf die tatsächlich geschuldeten Entgelte nicht beinhaltet hatte. Insoweit lag ein die Antragsstellerin begünstigender Verwaltungsakt vor, der nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden kann (vgl. Bayerisches LSG, Urteil v. 18.1.2011, L 5 R 752/08, JURIS; Werhahn in: Kasseler Kommentar, 71. Ergänzungslieferung, SGB IV, § 28 p, Rn 10; Jochim in: JURIS-PK, SGB IV, § 28 p, Rn 154). Die entgegenstehende Auffassung der Antragsgegnerin, es läge zu den hier strittigen Fragen kein Verwaltungsakt vor, der zurückgenommen werden könnte, geht fehl.
Die Antragsgegnerin hat die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht beachtet. Denn sie hat jedenfalls nicht das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt. Daneben lässt der Bescheid vom 1.12.2011 nicht erkennen, dass der Bescheid vom 14.4.2010 aufgehoben werden soll.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Streitwert beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass hier nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Streit steht, mit dem Ansatz von ¼ der Hauptforderung.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem insgesamt 64.274,80 EUR im Rahmen einer Betriebsprüfung nachgefordert werden.
Die Antragstellerin - eine GmbH - betreibt ein Gewerbe im Bereich der Personaldienstleistungen. Hierzu überlässt sie Arbeitnehmer an andere Unternehmen auf Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Eine entsprechende Erlaubnis hat sie inne. Dabei zahlte die Antragstellerin im Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 ihren Arbeitnehmern, die an andere Unternehmen überlassen wurden, geringere Löhne als die nach ihrer Tätigkeit vergleichbaren Stammmitarbeiter in den entleihenden Unternehmen erhielten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.4.2010 erhob die Antragsgegnerin für den Prüfzeitraum vom 1.12.2006 bis zum 31.12.2009 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 1.415,93 EUR; die diesen Bescheid zu Grunde liegende Betriebsprüfung wurde im Zeitraum vom 12.4.2010 bis zum 14.4.2010 an drei Tagen durchgeführt.
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, JURIS) wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg vom 7.12.2009 zurück, dass in einem Verfahren nach § 97 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) festgestellt hatte.
Daraufhin führte die Antragsgegnerin am 24.10.2011 eine erneute Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 bei der Antragstellerin durch. Sie kam zu dem Ergebnis, dass durch die unterschiedliche Entlohnung der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zur Stammbelegschaft der entleihenden Unternehmen § 10 Abs. 4 AÜG verletzt sei. Beiträge zur Sozialversicherung seien daher auf Grundlage der Differenz zwischen den von der Antragstellerin gemeldeten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleiherbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer nachzuerheben. Da der hierfür anzusetzende Verwaltungsaufwand jedoch unverhältnismäßig sei, sei die Antragsgegnerin berechtigt, diese Lohndifferenz zum Teil im Schätzwege mit 24 % zu bestimmen. Auf Basis dieser Zahlen ermittelten die Antragsgegnerin einen Nachforderungsbetrag von insgesamt 64.274,80 EUR, den sie mit Bescheid vom 1.12.2011 nachforderte.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 2.12.2011 Widerspruch.
Am 29.12.2011 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid der Beklagten rechtswidrig sei. Zunächst gelte die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP im Beschluss des BAG ausdrücklich nur für die Gegenwart und Zukunft. Daneben macht sie geltend, dass sie für den Zeitraum 1.12.2006 bis 31.12.2009 bereits schon einmal geprüft worden sei. Den entsprechenden Bescheid über das Ergebnis der Betriebsprüfung habe die Antragsgegnerin zunächst aufzuheben, bevor sie einen neuen Bescheid erlassen könne.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 2.12.2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.12.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid vom 1.12.2011 rechtmäßig sei. Daneben bestehe angesichts der Rückstellungen der Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die Vollziehung des Bescheids.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Grundlage der Entscheidung des Gerichts geworden.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 2.12.2011 gegen den Bescheid vom 1.12.2011 ist begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. nur Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de; Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER; jeweils JURIS und sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Dabei hat das Gericht zunächst keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung an sich. Die hiergegen seitens der Antragstellerin vorgebrachten Argumente greifen nach summarischer Prüfung nicht durch. Insoweit ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung aufgrund der geschuldeten Entgelte zu errechnen sind und die Differenzbeträge nachzuerheben sind. Auch der Schätzung der Lohndifferenz stehen jedenfalls bei summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel entgegen. Insbesondere konnte durch die Verweisung auf CGZP-Tarifverträge der sich aus § 10 Abs. 4 AÜG ergebende Anspruch auf gleiche Bezahlung der Leiharbeitnehmer im Verhältnis zur Stammbelegschaft nicht abbedungen werden, da die CGZP weder tariffähig ist noch in der Vergangenheit war. Die Rechtsprechung des BAG in der oben zitierten Entscheidung steht dem nicht entgegen, soweit das Ausgangsgericht nur Gegenwart bezogen festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Denn die Feststellung der Tarifunfähigkeit durch ein Gericht nach § 97 ArbGG nur deklaratorischer und nicht konstitutiver Natur (BAG aaO, JURIS-Rz. 50). Vielmehr ergibt sich die Tarifunfähigkeit aus dem Gesetz. Die seitens des BAG dargelegten Mängel der Satzung der CGZP im Hinblick auf die Tariffähigkeit finden sich auch in den Vorgängersatzungen der CGZP.
Allerdings hat das Gericht nach gebotener summarischer Prüfung deshalb ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, da die die Antragsgegnerin es versäumt hat, zunächst den bestandskräftigen Bescheid vom 14.4.2010 gemäß § 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufzuheben.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) und der rechtswidrig ist, nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Mit Bescheid vom 14.4.2010 hatte die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 1.12.2006 bis 31.12.2009 einen Beitragsbescheid auf der Rechtsgrundlage des § 28 p SGB IV erlassen, der eine Regelung hinsichtlich der in diesem Zeitraum bestehenden Beitragspflichten beinhaltet hatte. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Er war gegebenenfalls von Anfang an rechtswidrig, weil er die Beitragsnachzahlungspflicht im Hinblick auf die tatsächlich geschuldeten Entgelte nicht beinhaltet hatte. Insoweit lag ein die Antragsstellerin begünstigender Verwaltungsakt vor, der nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden kann (vgl. Bayerisches LSG, Urteil v. 18.1.2011, L 5 R 752/08, JURIS; Werhahn in: Kasseler Kommentar, 71. Ergänzungslieferung, SGB IV, § 28 p, Rn 10; Jochim in: JURIS-PK, SGB IV, § 28 p, Rn 154). Die entgegenstehende Auffassung der Antragsgegnerin, es läge zu den hier strittigen Fragen kein Verwaltungsakt vor, der zurückgenommen werden könnte, geht fehl.
Die Antragsgegnerin hat die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht beachtet. Denn sie hat jedenfalls nicht das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt. Daneben lässt der Bescheid vom 1.12.2011 nicht erkennen, dass der Bescheid vom 14.4.2010 aufgehoben werden soll.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Streitwert beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass hier nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Streit steht, mit dem Ansatz von ¼ der Hauptforderung.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved