S 27 AS 106/08 ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 27 AS 106/08 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab dem 28. Januar 2008 bis zum 31. März 2008 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 2. Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der am 1980 im Ostseebad K geborene Antragsteller ist Vater einer Tochter, die in B wohnt. Der Antragsteller studierte Wirtschaftsinformatik in B. Nach seinem Studium absolvierte der Antragsteller ein Praxissemester in K. Nach einem Vorstellungsgespräch am 15. März 2007 erhielt der Antragsteller ein Angebot der Firma K in der H Niederlassung des Unternehmens zu arbeiten. Am 1. April 2007 zog der Antragsteller zu einer Frau M nach N in deren Wohnung. Zwischen Frau H und dem Antragsteller besteht ein Untermietvertrag. Danach hat der Antragsteller Frau H monatlich eine Miete von 400,00 EUR zu entrichten. Der Antragsteller bewohnt das "Kinderzimmer" der Wohnung, welches zusammen mit einem Gäste-WC und einer kleinen Flurgarderobe vom Rest der Wohnung durch eine Tür abgetrennt ist. Die Küche und ein Teil des Wohnzimmers werden gemeinsam genutzt.

Am 3. April 2007 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei der Antragsgegnerin. Diese wurden ihm vom 1. April 2007 bis zum 31. Mai 2007 bewilligt. Die Antragsgegnerin vermutete, dass zwischen dem Antragsteller und Frau H eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Am 16. Mai 2007 sollte deshalb ein unangekündigter Hausbesuch beim Antragsteller stattfinden. Dieser wurde jedoch vom seinerzeit anwesenden Antragsteller abgelehnt, weil er "ungelegen" käme.

Vom 1. Juni 2007 bis zum 30. November 2007 arbeitete der Antragsteller bei der Firma K in H. Die Stelle wurde ihm zum Ende des Probearbeitsverhältnisses gekündigt. Da nach Beendigung dieser Arbeit die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld I nicht erfüllt waren, beantragte der Antragsteller am 21. November 2007 erneut die Bewilligung von Arbeitslosengeld II. Aus den vorgelegten Kontoauszügen des Antragstellers geht hervor, dass er am 9. Februar 2007 200,00 EUR mit dem Betreff "Miete, lieben Gruß" an Frau H überwiesen hatte. Laufend überwies er einen Betrag von monatlich 550,00 EUR. Bereits am Tag der Antragstellung ordnete die Antragsgegnerin die Durchführung eines unangekündigten Hausbesuches an. Dieser sollte am 5. Dezember 2007 durchgeführt werden. Der Antragsteller wurde indes nicht angetroffen. Daraufhin wurde der Antragsteller schriftlich aufgefordert, am 12. Dezember 2007 um 9.00 Uhr bei der Antragsgegnerin vorzusprechen. In dem Einladungsschreiben folgten Hinweise betreffend die Mitwirkungspflichten gemäß §§ 60 bis 62 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) unter weiterem Hinweis darauf, dass, sollte der Antragsteller der Aufforderung bis zum genannten Termin nicht oder nicht ausreichend nachkommen, sein Antrag als versagt gelte.

Der Antragsteller erschien pünktlich bei der Antragsgegnerin. Dort erwarteten ihn zwei Mitarbeiter des Außendienstes, die ihm den Grund der Einladung – die Durchführung eines unangekündigten Hausbesuchs – nannten und ihn aufforderten, sie zu seiner Wohnung zu begleiten. Der Antragsteller stimmte dem Hausbesuch unter Berufung auf seine Privatsphäre und die unerlaubte Erhebung und Speicherung von Daten nicht zu. Er wollte sich mit dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter in Verbindung setzen. Dies war indes nicht möglich. Ihm wurde ein Protokoll ausgehändigt, in welchem es auszugsweise heißt: "Bezugnehmend auf Ihre Beantragung [ ] der Leistungsgewährung nach dem SGB II wurde heute zur Feststellung der bedarfsbegründeten Leistungsvoraussetzungen ein Außendiensttermin zur Klärung der leistungsrechtlichen Fragen bei ihnen beabsichtigt. [ ] Wir setzen Sie davon in Kenntnis, dass weiterer Aufklärungsbedarf zur Bewilligung der von Ihnen beantragten Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende besteht. [ ] In diesem Zusammenhang weisen wir Sie darauf hin, dass die ARGE als leistungserbringende Behörde im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einen Hausbesuch zur Feststellung der von Ihnen beantragten Leistungen vornehmen kann. Für Sie besteht jedoch keine Verpflichtung, den von uns gewünschten Hausbesuch zuzulassen. Sollten Sie jedoch den Zutritt zu Ihrer Wohnung teilweise oder vollständig verweigern, und somit die Aufklärung des Sachverhalts durch Ihr Verhalten erschwert oder unmöglich werden, können die Folgen der Unaufklärbarkeit, wegen des geltend gemachten Bedarfs, durch Zutrittsverweigerung zu Ihren Lasten gehen".

Am 20. Dezember 2007 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. In der Entscheidung heißt es: "Am 12.12.2007 sollte um 9:00 Uhr ein mit Ihnen verabredeter Hausbesuch durchgeführt werden. Zum verabredeten Termin verweigerten Sie jedoch den Hausbesuch. Die entscheidungserheblichen Umstände blieben somit ungeklärt." Weiter wurde aus einer nicht näher belegten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und die dort zum Sozialhilferecht niedergelegten Grundsätze der objektiven Beweislast zitiert. Auszugsweise heißt es weiter: "Dass es sich [ ] nur um unangekündigte Hausbesuche handeln kann, liegt in der Natur der Sache und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Sofern entscheidungserhebliche Umstände durch die Verweigerung eines Hausbesuchs ungeklärt bleiben, hat dies die Ablehnung des Antrags zu Lasten des Hilfesuchenden wegen nicht nachgewiesener Anspruchsvoraussetzungen zur Folge. Grundsätzlich trägt der Hilfesuchende die Beweislast im materiellen Sinne für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit. Lässt sich nach Ausschöpfen der erreichbaren Erkenntnisquellen nicht feststellen, ob eine Hilfebedürftigkeit vorliegt, geht dies zu Lasten der Hilfesuchenden. Bestehen Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, ist es Sache des Antragstellers, seinen Hilfebedarf klar, lückenlos und widerspruchsfrei darzulegen. Fortbestehende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten."

Hiergegen hat der Antragsteller am 3. Januar 2008 Widerspruch eingelegt, den er im Wesentlichen damit begründet, ein Hausbesuch sei mit ihm nicht verabredet worden. Ihm sei auch die Erforderlichkeit eines solchen nicht dargelegt worden. Er und Frau H bildeten keine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Vielmehr seien sie nur Bekannte. Er sei bei Frau H wegen der Arbeit bei K in H und um in der Nähe seiner Tochter in B zu sein, eingezogen. Zudem wohne er weniger als ein Jahr mit Frau H in einer Wohnung. Die monatlichen Zahlungen an Frau H in Höhe von 550,00 EUR beruhten darauf, dass 400,00 EUR davon Miete seien, 150,00 EUR dagegen Ausgaben für das Telefon. Bei dem Telefon handele es sich aber um eine ISDN-Anlage. Frau H und er hätten getrennte Telefonnummern. Am Tag des Hausbesuchs habe er keine Möglichkeit gehabt, mit der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin die Missverständnisse aufzuklären.

Über den Widerspruch wurde bislang nicht entschieden.

Am 28. Januar 2008 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Lübeck. Zur Begründung führte er unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags an, Frau H und er unterhielten getrennte Konten. Gegenseitige Vollmachten bestünden nicht. Er habe sich am Tag des geplanten Hausbesuchs überrumpelt gefühlt und sich – da es nicht allein seine Wohnung sei – außer Stande gesehen, ohne Zustimmung der Hauptmieterin Einlass in die Wohnung zu gewähren. Er habe lediglich von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Hausbesuch zu verweigern. Bei der aus seinen Kontoauszügen ersichtlichen "Miete" im Februar 2007 habe es sich um die Miete eines Laptops der Frau H gehandelt. Die überschüssigen 150,00 EUR monatlich seien Kosten gewesen, die gemeinsam angefallen wären, die monatlich jedoch getrennt abgerechnet worden seien. Er habe selbst eine Freundin in H. Durch die Entscheidung der Antragsgegnerin verfüge er nun über keinerlei finanzielle Mittel mehr und habe aus diesem Grund bereits die Miete für die Monate Januar und Februar nicht mehr an Frau H bezahlen können.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 1. Dezember 2007 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Bescheid. Ergänzend führt sie aus, dass aus der Vermietung eines Laptops ein besonderes Vertrauensverhältnis ersichtlich sei.

Neben der Gerichtsakte lag dem Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten vor und war Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die genannten Akten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Erforderlich für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. eines Sachverhalts, der die Notwendigkeit einer Eilentscheidung begründet, und zum anderen ein Anordnungsanspruch im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Sache bestehenden materiellen Rechts. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Ausgehend hiervon hat der Antrag in der Sache teilweise Erfolg. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung liegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch für den Zeitraum vom 28. Januar bis zum 31. März 2008 ein Anordnungsgrund vor.

Der Antragsteller hat seine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II glaubhaft gemacht. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in Bedarfgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller hier für seine Person ausweislich seiner Angaben im Verwaltungsverfahren glaubhaft nachgewiesen.

Der Anspruch des Antragstellers ist nicht wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3, Abs. 3a SGB II ausgeschlossen, denn die Antragsgegnerin hat das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht ausreichend dargelegt. Für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ergeben sich hier keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 264) hat den Begriff dergestalt ausgelegt, dass mit einer eheähnlichen Gemeinschaft eine solche Gemeinschaft gemeint ist, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Dies ist anhand von Indizien festzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.05.1995 – 5 C 16.93, BVerwGE 98, 195, 199 f.; Beaucamp/Mädler, ZfSH/SGB 2006, 323, 324). Als solche kommen z. B. die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung gemeinsamer wie auch fremder Kinder und / oder anderer Angehöriger im gleichen Haushalt sowie die Befugnis zur Verfügung über Einkommen und Vermögensgegenstände des jeweils anderen Partners in Betracht. Auch vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Partnern kann eine Bedeutung zukommen. Die Dauer des Zusammenlebens stellt das wohl wichtigste Indiz dar (BVerwG, Beschluss vom 24.06.1999 – 5 B 114/98, juris). Die soeben genannten Hinweistatsachen müssen nicht kumulativ vorliegen, um die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu rechtfertigen. Maßgeblich sind bei alledem aber auch nicht einzelne Merkmale oder Indizien (U. Winkler, info also 2005, 251, 252). Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild. Dieser Auffassung hat sich auch das Bundessozialgericht angeschlossen (BSG, Urteile vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 und 72/01, juris).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ergibt sich nach dem Gesamtbild hier nicht das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Gegen das Vorliegen einer solchen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau H spricht unter anderem die tatsächliche Dauer des Zusammenlebens. Nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wird der wechselseitige Wille von Partnern, füreinander einstehen zu wollen, dann vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenwohnen. Diese gesetzliche Vermutungswirkung des wechselseitigen Füreinandereinstehenwollens liegt dagegen nach weniger als einem Jahr des Zusammenlebens nicht vor. So liegt der Fall hier. Der Antragsteller ist am 1. April 2007 und somit vor weniger als einem Jahr bei Frau H eingezogen. Dass der Antragsteller bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Untermietverhältnis mit Frau H begründet hat, ist nicht überwiegend wahrscheinlich. Der im Februar 2007 vom Antragsteller an Frau H überwiesene und ausweislich des Kontoauszugs als "Miete" bezeichnete Betrag von 200,00 EUR weicht erheblich von dem ab April 2007 laufend überwiesenen Betrag in Höhe von 550,00 EUR ab. Zwar hat Frau H die jetzige Wohnung erst ab April 2007 angemietet, sodass ein vermuteter anderweitiger Mietzins für eine frühere gemeinsame Wohnung auch niedriger hätte ausfallen können. Dies bewegt sich indes im rein Spekulativen. Auch die Benutzung der Formulierung "Lieben Gruß" als Zusatz zum Betreff der Überweisung spricht nicht gerade deutlich für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Für den Monat März sind zudem keine Mietzahlungen des Antragstellers an Frau H ersichtlich. Auch aus anderen Umständen kann auf das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht geschlossen werden. Zwischen Frau H und dem Antragsteller besteht ein schriftlicher Untermietvertrag. Die laufenden monatlichen Zahlungen in Höhe von 550,00 EUR hat der Antragsteller nachvollziehbar damit erklären können, dass von diesem Geld die Telefonrechnung und andere, gemeinsam genutzte Haushaltsgegenstände beschafft werden. Im Haushalt existieren keine gemeinsamen Kinder, die einer Versorgung bedürften. Auch versorgt der Antragsteller nicht Angehörige von Frau Hinrichs. Weiter besteht keine Befugnis des Antragstellers, über Vermögen von Frau H zu verfügen, dies auch nicht umgekehrt. Es existieren nach der nicht widerlegten Darstellung des Antragstellers keine gemeinsamen Konten oder Vollmachten für Konten des jeweils anderen. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass auf dem Türklingelschild sowohl der Name H als auch der Name des Antragstellers angegeben sind. Dies ist auch bei reinen Wohngemeinschaften üblich und kann nicht als gewichtiger Hinweis für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gewertet werden.

Die vollständige Versagung von Leistungen nach dem SGB II konnte auch nicht auf den ablehnenden Bescheid vom 20. Dezember 2007 gestützt werden, als dieser damit begründet wird, der Antragsteller habe den Hausbesuch nicht geduldet.

Durch einen Hausbesuch werden grundrechtlich geschützte Positionen des Bürgers mehr als nur unerheblich berührt, nämlich zum einen die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und zum anderen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als besondere Ausprägung des so genannten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). In diese Positionen darf nur auf Grund einer gesetzlich normierten Grundlage eingegriffen werden, wenn der Betroffene dem Verwaltungshandeln nicht von sich aus zustimmt (vgl. Art. 13 Abs. 7, 2 Abs. 1 GG). Verweigert der Grundrechtsbetroffene die Zustimmung zur Durchführung eines (unangekündigten) Hausbesuchs, so kann hieran für den Hilfebedürftigen nur dann eine negative Rechtsfolge geknüpft werden, wenn und soweit eine Rechtsgrundlage hierfür ersichtlich wäre.

Eine Rechtsgrundlage im Sinne einer Befugnisnorm für die Durchführung eines (unangekündigten) Hausbesuches durch die Antragsgegnerin existiert nach geltender Gesetzeslage jedoch nicht.

Im SGB II selbst fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, Hausbesuche vornehmen zu können.

Eine solche ergibt sich nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift soll ein Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch eingerichtet werden. Eine Befugnis zur Durchführung eines (unangekündigten) Hausbesuchs kann hieraus indes nicht abgeleitet werden, denn es handelt sich nicht um eine Eingriffsermächtigung, sondern lediglich um eine Kompetenz- bzw. Organisationsnorm. Diese Art der Norm lässt bereits ihrem Wortlaut nach keine Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen eines Bürgers zu. Auch aus ihrer Existenz kann ein Recht der Behörde zum Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hergeleitet werden, denn der Schluss von einer Kompetenznorm auf eine behördliche Befugnis verletzt den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes als besondere Ausprägung des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) in eklatanter Art und Weise. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26.02.2002 – 1 BvR 558/91 u. a., BVerfGE 105, 252 ff. = NJW 2002, 2621 ff. "Glykolwein") hat Ausnahmen von diesem Grundsatz nur insoweit gebilligt, als es um das nicht wahrheitswidrige Informationshandeln der Bundesregierung in der Öffentlichkeit als verfassungsimmanente Aufgabe der Staatsleitung (vgl. Art. 65 GG) geht. Ein solcher Fall ist hier jedoch offensichtlich nicht gegeben.

Auch eine systematische Auslegung ergibt, dass der Antragsgegnerin als Leistungsträger nicht über eine Befugnis zur Durchführung eines Hausbesuchs verfügt. Eine solche Befugnis ist in anderen Bereichen des Sozialgesetzbuchs durchaus bekannt. So findet sich eine spezielle Regelung in § 18 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Den an der Gesetzgebung beteiligten Organen war das Instrument des Hausbesuchs auch bei Erlass des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I, S. 1706) bekannt, wie sich u. a. aus den Antworten auf die Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kipping, Ernst, Binder und weiterer Abgeordneter (vgl. BT-Drucksache 16/4978, S. 1 ff.) ergibt. Dennoch hat er es unterlassen, eine spezielle Regelung in das – historisch betrachtet gegenüber dem SGB XI jüngere – SGB II einzufügen. Vielmehr hat er sich auf die Einfügung einer Organisations- bzw. Kompetenznorm beschränkt. Hätte der Gesetzgeber den Leistungsträgern oder Dritten eine solche Befugnis auch im Rahmen des SGB II einräumen wollen, hätte er hierfür eine Rechtsgrundlage vorsehen können. Dies hat er jedoch nicht getan.

Eine analoge Anwendung der Befugnis aus § 18 Abs. 2 SGB XI im Rahmen des SGB II kommt ebenso wenig in Betracht, denn die Vorschrift ist auf die besonderen Gegebenheiten der gesetzlichen Pflegeversicherung zugeschnitten (vgl. Hirschboeck, ZfSH/SGB 2004, 463). Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Das Schweigen des SGB II zu einer Befugnis zur Durchführung von Hausbesuchen stellt sich angesichts der Existenz des § 18 Abs. 2 SGB XI als ein beredtes Schweigen des Gesetzes dar.

Die Antragsgegnerin konnte den Antrag des Antragsstellers auch nicht wegen fehlender bzw. nicht nachgewiesener materieller Voraussetzungen (hier der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II) ablehnen. Insoweit ist festzustellen, dass die Aufklärung des Sachverhalts nach dem sogenannten Amtsermittlungsprinzip erfolgt (§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)). Die Beteiligten sind bei der Ermittlung des Sachverhalts zur Mitwirkung verpflichtet. Sie sind insbesondere verpflichtet, ihnen bekannte Tatsachen oder Beweismittel anzugeben (§ 21 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Weitergehende Pflichten bedürfen jedoch einer gesetzlichen Regelung (§ 21 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Eine Rechtsvorschrift, die dem Hilfebedürftigen auferlegt, eine Besichtigung seiner Wohnung zu dulden, existiert nicht (Blüggel, SGb 2007, 336, 338; U. Winkler, info also 2005, 251, 253). Im Rahmen der Beweiswürdigung darf es keine Rolle spielen, dass sich der Hilfebedürftige geweigert hat, das Betreten seiner Wohnung zu dulden. Da es an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Durchführung von Hausbesuchen fehlt, kann ihm dies auch nicht innerhalb der Beweiswürdigung zu seinen Lasten entgegengehalten werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.04.2005 – L 2 B 9/05 AS ER, juris = NZS 2006, 262; U. Winkler, info also 2005, 251, 253; Blüggel, SGb 2007, 336, 338; vgl. auch Krodel, NZS 2006, 637, 640). Die Berechtigung des Hilfebedürftigen, die Besichtigung seiner Wohnung zu verweigern, ändert grundsätzlich nichts an der Anwendung der allgemeinen Beweislastregeln. Lässt sich ein Sachverhalt nicht aufklären, darf sich der Leistungsträger nicht einer Entscheidung entziehen, denn die Verweigerung, eine Entscheidung in der Sache zu treffen, kommt einer Kompetenzüberschreitung gleich. Hierbei ist jedoch folgendes zu berücksichtigen: Die Beweislastregeln sind nach allgemeinen Grundsätzen so verteilt, dass der Arbeitsuchende die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen muss, während der Leistungsträger die Voraussetzungen von anspruchshindernden und anspruchsvernichtenden Einwendungen sowie von dauerhaften oder vorübergehenden Einreden nachweisen muss (Ganz h. M., vgl. z. B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer (Hrsg.), SGG, 8. Aufl. 2005, § 103 Rdnr. 19a, 19c; Krasney, Die BG 1967, 312). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft und damit auch das einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist im Anwendungsbereich des SGB II als anspruchsvernichtende Einwendung ausgestaltet (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2006 – L 7 AS 5532/05 ER-B, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.04.2005 – L 2 B 9/05 AS ER; Blüggel, SGb 2007, 336, 339). Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgesichte des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1706). Hinsichtlich der mit diesem Gesetz eingeführten Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a SGB II wird in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt, dass die Vorschrift eine "Änderung" bezüglich der Frage, wer das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu beweisen hat, herbeiführen soll; die Vorschrift solle eine "Beweislastumkehr" bewirken (siehe BT-Drucksache 16/1410, S. 19). Handelt es sich aber um eine Änderung der bisherigen Beweislastverteilung, gar eine Beweislastumkehr, verdeutlich dies umso mehr, dass der Gesetzgeber davon ausging und auch aktuell ausgeht, dass das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft und damit auch einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft als Unterfall grundsätzlich vom Leistungsträger und nicht vom Hilfebedürftigen nachzuweisen ist (vgl. Blüggel, SGb 2007, 336, 339). Erst wenn die Tatsachenvermutung (so Spellbrink, NZS 2007, 121, 126) des § 7 Abs. 3a SGB II vorliegt, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Erst dann muss der Arbeitsuchende den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i. V. m. § 292 ZPO). Auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05, juris = NVwZ 2005, 927 ff.; ebenso SG Düsseldorf, Beschluss vom 26.01.2005 – S 35 AS 6/05 ER, juris), dem sich das erkennende Gericht nach eigener Prüfung anschließt, dürfen existenzsichernde Leistungen, wie die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht auf bloße Vermutungen hin versagt werden. Eine Darlegungslast kann den Antragsteller nur insoweit treffen, als er plausible Gründe vortragen muss, wenn gewichtige Tatsachen für eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegen (BayLSG, Beschluss vom 14.06.2005 – L 11 B 226/05 AS ER, juris; U. Winkler, info also 2005, 251, 253). Dies ist hier indes nicht der Fall. Im hier zu beurteilenden Fall trifft die Antragsgegnerin die objektive Beweislast für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau Hinrichs. Die Voraussetzungen der Tatsachenvermutung des § 7 Abs. 3a SGB II, insbesondere ein über einjähriges Zusammenleben des Antragstellers mit Frau Hinrichs, sind – wie bereits aufgezeigt – nicht erfüllt. Darüber hinaus bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine derart konkreten und gewichtigen Anhaltspunkte für die Existenz einer Bedarfsgemeinschaft, die dazu führen könnten, dass statt der Antragsgegnerin der Antragsteller nach den Grundsätzen der objektiven Beweislastverteilung das Nichtvorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft belegen müsste. Die Versagung der Leistungen beruht derzeit vielmehr auf nicht näher belegbaren Vermutungen der Antragsgegnerin.

Ein Anordnungsgrund liegt für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht ebenfalls vor. Der Antragsteller verfügt auf Grund der vollständigen Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht mehr über die finanziellen Mittel, um seinen Lebensunterhalt angemessen zu sichern.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war bezogen auf den Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht im Übrigen abzulehnen, da es insoweit an einem Anordnungsgrund fehlt. Leistungen für Zeiträume vor Antragstellung bei Gericht können grundsätzlich nicht mit Erfolg im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden. Insoweit ist es zumutbar, ein entsprechendes Hauptsacheverfahren durchzuführen.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie entspricht dem Erfolg im Verhältnis zur Zurückverweisung.
Rechtskraft
Aus
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