Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 21/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 12.09.2000 und 11.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2001 verurteilt, an die Klägerin 1.297,20 Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Kostenerstattung für eine Transportbefestigung und eine Auffahrrampe.
Die 1988 geborene Klägerin leidet unter einer Muskeldystrophie.
Sie ist mit einem Aktivrollstuhl und einem Elektrorollstuhl versorgt. Die Klägerin wohnt in T und besucht eine integrierte Gesamtschule in C. Ihr Freundeskreis befindet sich hauptsächlich in C. Aus der Grundschulzeit hat sie noch zwei Freundinnen in T. Die Schule kann sie, von Stundenplanänderungen abgesehen, mit einem Behindertentransport erreichen. Zu ihren Freund(inn)en wird sie von den Eltern mit deren Renault Espace gebracht.
Am 13.01.2000 reichte die Klägerin einen Kostenvoranschlag der S Orthopädie- und Rehatechnik GmbH (S GmbH) über einen vertragsärztlich verordneten Elektrorollstuhl ein. Dieser Kostenvoranschlag umfasste auch eine als "Taxibefestigung" bezeichnete Transportbefestigung zum Preis von 333,00 DM zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer. Hierbei handelt es sich um zwei Ösen, die vorne und hinten an dem 125 kg schweren Rollstuhl angebracht sind und mit deren Hilfe dieser während des Transports in einem Kraftfahrzeug befestigt werden kann. Mit Bescheid vom 12.09.2000 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Transportbefestigung ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 26.09.2000 Widerspruch, mit dem sie ergänzend die Kostenübernahme für eine Transportrampe beantragte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2000 ebenfalls ab und bekräftigte zugleich ihre ablehnende Haltung gegenüber der Transportbefestigung. Am 17.11.2000 wurde der Rollstuhl ausgeliefert. Am 20.11.2000 stellte die S GmbH der Klägerin hierfür 356,31 DM in Rechnung. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2001 wies sie die gegen die Bescheide vom 26.09.2000 und 11.10.2000 gerichteten Widersprüche zurück.
Am 13.02.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Nach Klageerhebung hat ihr die F GbR für die Auffahrrampe 2.180,80 DM in Rechnung gestellt (Bl. 11 der Gerichtsakten (GA). Bei der Auffahrrampe handelt es sich ausweislich der Rechnung um eine Rampe aus Aluminium-Riffelblech, die in den Renault Espace eingebaut ist. Sie wird bei Bedarf ausgefahren. Wegen der Einzelheiten ihrer Anbringung und Benutzung wird auf die von der Klägerin überreichten Fotografien Bezug genommen (Hülle Bl. 39 GA).
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor: Sowohl beim Schulbesuch als auch beim Besuch ihrer Freundinnen und Freunde sei sie auf die Benutzung des Elektrorollstuhls angewiesen. Dieser wiederum müsse während des Transports befestigt werden und könne im Hinblick auf sein Gewicht in den Renault Espace nur über die Auffahrrampe verbracht werden. Damit dienten beide Hilfsmittel dazu, die Folgen der Behinderung zu erleichtern und ihr ein eigenständiges, möglichst unabhängiges Leben zu gewährleisten.
Die Klägerin, die die Rechnungen der S GmbH und der F GbR beglichen hat, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.09.2000 und 11.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2001 zu verurteilen, an sie 1.297,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Weder die Transportbefestigung noch die Auffahrrampe seien Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn sie dienten dazu, der Klägerin das Autofahren zu ermöglichen. Dabei handele es sich aber nicht um ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Darüber hinaus scheiterte der Anspruch in formaler Hinsicht daran, dass die Gegenstände vor dem Widerspruchsbescheid beschafft und nicht eigens vertragsärztlich verordnet worden seien.
Das Gericht hat einen Befundbericht des Kinderarztes Q eingeholt (Bl. 41 f. GA). Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 05.10.2001 Bezug genommen, in dem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Beschaffung der Transportbefestigung und der Auffahrrampe aus § 13 Abs. 3 2 Alt. Des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes.
1. Die Beklagte hat sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin die genannten Gegenstände im Wege der Sachleistung zur Verfügung zu stellen, obwohl die Klägerin hierauf aus § 33 Abs. 1 SGB V einen Anspruch hatte.
a) Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs eingesetzt werden, wird im Verhältnis zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass diese in § 1 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) nicht als mögliche Leistungsträger genannt sind. Denn durch diese Regelung soll lediglich klargestellt werden, dass sich die KfzHV nur auf die berufliche Rehabilitation bezieht, für die die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Geht dem gegenüber, wie im vorliegenden Fall, um medizinische Rehabilitation, so ist die KfzHV nicht einschlägig und der Leistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten demgemäss durch sie auch nicht eingeschränkt (vgl. Niesel in KassKomm Anh 1 § 16 SGB IV Rdnr. 4).
b) Bei der Klägerin besteht eine körperliche Behinderung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Sie ist aufgrund der Muskeldystrophie in ihrer Fortbewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Schon anlässlich der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Auftrag der Pflegekasse 1995 war sie, wie sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergibt, nur zu wenigen freien Schritten in der Lage. Darüber hinaus bestand ständige Sturgefahr. Dieser Zustand hat sich, zumal die Muskeldystrophie eine fortschreitende Erkrankung ist, seither nicht gebessert. So hat der Kinderarzt Q in seinem Befundbericht ausgeführt, dass selbst mit einem leichten Rollstuhl nur ca. 300 bis 400 m allein zurückgelegt werden können. Weitere Strecken kann die Klägerin allein nur mit dem Elektrorollstuhl bewältigen, mit dem Aktivrollstuhl nur dann, wenn sie geschoben wird.
c) Sowohl bei der Transportbefestigung als auch bei der Auffahrrampe handelt es sich um Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V und nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Diese Unterscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließt, anhand ihrer Zweckbestimmung und ihrer Verwendung durch die Verbraucher. Dabei wird ein Gegenstand, der in erster Linie für den Gebrauch durch Kranke oder Behinderte konzipiert ist, erst dann zum Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wenn er auch von Nichtbehinderten in nennenswerter Zahl genutzt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33Nr. 27 m.w.N.).
Hinsichtlich der Transportbefestigung ist offensichtlich, dass sie nur zum Gebrauch durch Behinderte bestimmt ist und auch nur von diesen benutzt wird. Denn es handelt sich dabei um unmittelbar an einem Rollstuhl angebrachtes Zubehör im Sinne von § 97 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das im Sinne dieser Vorschrift "dem Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt ist". Ebenso wie ein Elektrorollstuhl dem Ausgleich von Behinderung dient, gilt dies mithin auch für die Transportbefestigung.
Im Ergebnis nicht anders verhält es sich bei der Auffahrrampe. Diese ist allerdings von der S GmbH als Einzelstück im Auftrag der Klägerin hergestellt worden, so dass sich die Zweckbestimmung nicht wie bei vertretbaren Sachen im Sinne von § 91 BGB, zu denen Hilfsmittel regelmäßig zählen, bestimmen lässt. Insofern ist schon aus der Herstellungsgeschichte klar, dass die Rampe allein für die Klägerin und im Hinblick auf ihre Behinderung hergestellt worden ist und dementsprechend auch von ihr genutzt wird. Die Hilfsmitteleigenschaft ließe sich vor diesem Hintergrund allenfalls dann noch verneinen, wenn die Rampe von ihrer Bauart her anderen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens vergleichbar wäre. Dafür ist aber nichts ersichtlich. Auch bei Vans, zu denen der von den Eltern der Klägerin gefahrene Renault Espace gehört, werden entsprechende Auffahrvorrichtungen regelmäßig nicht als Zubehör angeboten. Nicht zuletzt hieraus erklärt sich ja auch der im vorliegenden Fall nicht unerhebliche Herstellungspreis.
Ohne Einfluss ist es schließlich, dass die Auffahrrampe am Pkw der Eltern der Klägerin angebracht ist. Denn dies nimmt ihr nicht die allein auf den Ausgleich der bei der Klägerin bestehenden Behinderung gerichtete Funktion.
d) Sowohl die Transportbefestigung als auch die Auffahrrampe sind erforderlich zum Ausgleich der bei der Klägerin bestehenden Behinderungen.
aa)Wirkt ein Hilfsmittel, wie im vorliegenden Fall, nicht unmittelbar am Körper, sondern dient es nur mittelbar dem Ausgleich einer Behinderung, so ist es hierzu nur dann "erforderlich" im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn es zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dient. Was zu diesen Grundbedürfnissen zählt, ist auch altersabhängig. Bei Kindern hat die Rechtsprechung, anders als bei Erwachsenen, den Schulbesuch (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 22) und die Integration in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) als Grundbedürfnisse des täglichen Lebens anerkannt. Dem schließt die Kammer sich an. Sie fühlt sich in dieser Auffassung nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber seit dem 01.07.2001 im Rahmen der Rehabilitation den Bedürfnissen behinderter Kinder besonderes Gewicht eingeräumt hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch SGB IX). Dass Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen seit dem 01.07.2001 nach §§ 58 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zählen, für die die Krankenkassen nicht aufkommen müssen, rechtfertigt demgegenüber keine andere Beurteilung. Denn diese Vorschrift betrifft maßgeblich die Integration erwachsener Behinderter. Dagegen ist die Integration bei behinderten Kindern bereits den Grundbedürfnissen zuzuordnen, die auch im Wege der medizinischen Rehabilitation zu befriedigen sind.
bb)Die Versorgung der Klägerin mit einer Transportbefestigung und einer Auffahrrampe ist jedenfalls zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Integration in den Kreis gleichaltriger Kinder geeignet, erforderlich und im Hinblick auf die Anschaffungskosten auch angemessen.
(1)Ohne Erfolg hält die Beklagte dem bereits im Ansatz unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) entgegen, dass das Grundbedürfnis der Mobilität nicht auch die Fortbewegung in einem Kfz erfasse. Grundsätzlich ist dies zwar richtig. Gerade im Bereich der Mobilität hat das BSG aber immer wieder darauf abgestellt, dass diese im Allgemeinen kein Selbstzweck sei, sondern der Verwirklichung anderer Bedürfnisse diene. Dementsprechend hat das BSG in der Entscheidung SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 den Anspruch des Versicherten auf behindertengerechte Ausstattung des Kfz mit der Begründung abgelehnt, es gebe kein Grundbedürfnis auf eigenständige Führung eines Kfz. Gleichzeitig hat es aber unter Bezugnahme auf die bereits zitierte Rechtsprechung ausgeführt, dass anders zu entscheiden sei, wenn eines der anerkannten Bedürfnisse "der maßgebliche Gesichtspunkt" für die Versorgung sei. Ist dies der Fall, spielt der Umstand, dass die Versorgung im Bereich der Mobilität einen über die Grundbedürfnisse hinaus gehenden Bedarf deckt, wie das BSG in der Entscheidung SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 wörtlich formuliert hat, "nur eine untergeordnete Rolle".
(2)Die Klägerin benötigt sowohl Transportbefestigung und Auffahrrampe zumindest zur Integration in den Kreis Gleichaltriger. Hierzu reicht es zunächst nicht aus, dass sie den Aktivrollstuhl mitführt, der auch ohne Zuhilfenahme der genannten Hilfsmittel im elterlichen Fahrzeug verstaut werden könnte. Der Kinderarzt Q hat in seinem Befundbericht ausgeführt, die Klägerin sei zwar in der Lage, mit dem Aktivrollstuhl eine Strecke von 300 bis 400 m zurückzulegen. Eine Dauerbelastung sei aber nicht möglich. Ergänzend hat die Klägerin hierzu glaubhaft vorgetragen, der Aktivrollstuhl sei nur dann geeignet, wenn sie sich auf absolut ebenen Flächen, d.h. insbesondere in behindertengerechten Einrichtungen bewege. Schon sobald geringe Steigungen oder Bordsteine zu überwinden seien, müsse sie den Elektrorollstuhl benutzen. Die möglichst vollständige Integration in den Kreis gleichaltriger Kinder setzt aber jedenfalls bei 12- bis 13jährigen voraus, dass auch längere Strecken unter Einschluss von Steigungen und vergleichbaren Hindernissen bewältigt werden können.
Die Klägerin kann zur Bewältigung dieser Strecken und Hindernissen nicht auf die Hilfe der gleichaltrigen Freundinnen und Freunde verwiesen werden. Eine möglichst vollständige Integration behinderter Kinder in den Kreis gleichaltriger Nichtbehinderter setzt nämlich gerade voraus, dass das behinderte Kind in weitest gehendem Umfang seine Eigenständigkeit wahrt und weder sich selbst ständig als hilfebedürftig erlebt noch von den anderen (gesunden) Kindern so wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang haben die Eltern der Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass Kinder dieser Altersgruppe überfordert sind, wenn ihnen auch in der Freizeit ständig gesteigerte Rücksichtnahme und Hilfeleistung abverlangt werden.
Ist demnach die Benutzung des Elektrorollstuhl in der Begegnung mit gleichaltrigen Kindern zumindest außerhalb der Schule erforderlich, so ist die Klägerin darauf angewiesen, dass dieser Elektrorollstuhl im elterlichen Pkw transportiert wird. Die Benutzung des Behindertentransports ist, wie die Eltern der Klägerin im Erörterungstermin ausgeführt haben, schon beim Schulbesuch nicht gewährleistet, wenn es zu kurzfristigen Stundenplanänderungen kommt. Erst recht steht er nicht für nachmittägliche Privatfahrten zur Verfügung. Die Klägerin ist darauf angewiesen, den Pkw ihrer Eltern zu benutzen, weil ihr Hauptfreundeskreis in C wohnt. Das rührt daher, dass die in T wohnende Klägerin in C eine integrierte Gesamtschule besucht und die Mehrzahl ihrer Freundinnen und Freunde daher in C wohnen. Anders als mit dem Pkw ist die Strecke von T nach C für die Klägerin nicht zu bewältigen. Öffentliche Verkehrsmittel kann sie nicht benutzen. Auf ihren (eingeschränkten) Freundeskreis in T braucht die Klägerin sich nicht verweisen zu lassen. Zur Integration in den Kreis Gleichaltriger gehört auch die Fortsetzung von in der Schule begründeten Freundschaften am Nachmittag.
Für den Transport im Pkw sind sowohl die Transportbefestigung als auch die Auffahrrampe zwingend erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, wie der 125 kg schwere Elektrorollstuhl anderweitig in den Renault Espace verbracht werden könnte. In diesem Fahrzeug kann er auch nicht ohne Befestigung transportiert werden. Das gilt erst recht für den Behindertentransporter, in dem die Klägerin nach den vorgelegten Fotografien sitzend in ihrem Rollstuhl transportiert wird. Dabei genügt der Betreiber seinen Verkehrssicherungs- und Bereitstellungspflichten, wenn er seinerseits eine Vorrichtung anbringt, mit der die Transportbefestigung verbunden werden kann. Die Transportbefestigung selbst, die Zubehör des Rollstuhls ist, braucht er dagegen nicht zur Verfügung zu stellen.
(3)Preisgünstigere und gleich sichere Möglichkeiten, mit denen die beschriebenen Zwecke erfüllt werden können, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte auf ausdrückliches Befragen im Erörterungstermin und danach keine wirtschaftlicheren Versorgungswege aufgezeigt.
(4)Schließlich ist die Versorgung mit beiden Hilfsmitteln auch angemessen. Die Transportbefestigung wird ohnehin werktags zweimal benutzt, nämlich auf der Fahrt von und zu der Schule. Im Übrigen reicht es nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, bei Hilfsmitteln, mit denen auch Mobilitätshindernisse überwunden werden können, aus, dass sie regelmäßig benutzt werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28). Hiervon ist auch bei der Auffahrrampe auszugehen.
e) Transportbefestigung und Auffahrrampe sind nicht in der aufgrund von § 34 Abs. 4 SGB V ergangenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt und damit auch nicht durch diese Verordnung von der Versorgung ausgeschlossen.
f) Dem Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit der Transportbefestigung und der Auffahrrampe steht nicht entgegen, dass diese Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Zwar enthält das Hilfsmittelverzeichnis in Produktgruppe 18.99.08 eine Reihe von Sonderausstattungsmerkmalen, zu denen insbesondere die Transportbefestigung nicht gehört. Das schließt den Versorgungsanspruch jedoch nicht aus. Denn zum einen wird in Produktgruppe 18.99.09 Zubehör pauschal erwähnt. Zum anderen ist das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 128 SGB V erstellte Hilfsmittelverzeichnis keine Richtlinie im Sinne von § 92 SGB V und hat daher nur Empfehlungscharakter (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 und 28 m.w.N.). Dass nach Ziffer 8 der auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V erlassenen Heil und Hilfsmittelrichtlinien (Heil- und HilfsmittelRL) ein Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nur verordnet werden darf, wenn es im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Würde man diese Vorschrift nämlich dahingehend verstehen, dass sie auch den Leistungsanspruch des Versicherten unmittelbar beeinflusst, wäre sie nichtig. Denn erstens würde es sich in diesem Fall um eine unzulässige dynamische Blankettverweisung handeln. Zweitens hätte der Richtliniengeber damit seine Befugnisse überschritten, weil in den Richtlinien nach § 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB V nur der Katalog der verordnungsfähigen Heilmittel und damit nicht auch der Hilfsmittel festgelegt werden dar. Ziff. 8 Heil- und HilfsmittelRL ist daher ebenfalls im Sinne einer Empfehlungsvorschrift zu verstehen, die im Verhältnis zum Versicherten keine Bindungswirkung hat.
g) Ohne Erfolg hält die Beklagte der Klägerin schließlich entgegen, der Versorgungsanspruch sei ausgeschlossen, weil es an einer vertragsärztlichen Verordnung fehle. Folgt man der Rechtsprechung des BSG, so bedarf es bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ohnehin keiner vertragsärztlichen Verordnung, weil der Verordnungsvorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V sich nur auf Hilfeleistungen anderer Personen, nicht aber auf andere Leistungen erstreckt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28 und 33; a.A. ohne Begründung geschweige denn Auseinandersetzung mit den genannten Entscheidungen das von der Beklagten überreichte Urteil des LSG Niedersachsen v. 16.05.2001 - L 4 KR 215/00 - Bl. 13 ff. GA). Aber auch wenn man mit der Beklagten an der Richtigkeit der Entscheidungen des BSG insoweit zweifelt (z.B. weil auch die Anpassung eines Hilfsmittels oder dessen erstmalige Erstellung als Hilfeleistung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzusehen sind), kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht auf das Fehlen einer Verordnung berufen. Denn es würde jedenfalls gegen Treu und Glauben verstoßen, einerseits dem Vertragsarzt in Ziff. 8 der Heil- und HilfsmittelRL die Verordnung von nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Hilfsmitteln zu untersagen, andererseits aber dem Anspruch auf Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung entgegenhalten. Es kann sicherlich von keinem Vertragsarzt verlangt werden, dass er die hier unter f) dargestellte Reduktion dieser Vorschrift auf eine Empfehlung im Einzelnen nachvoll zieht und sich damit über den Wortlaut hinwegsetzt.
2. Die Klägerin hat sich die Leistungen der S GmbH, eines zugelassenen Hilfsmittelerbringers (§ 126 Abs. 1 SGB V), aufgrund der Weigerung der Beklagten selbst beschafft. Dass es sich bei der F GbR, die die Rampe erstellt hat, vermutlich nicht um einen zugelassenen Hilfsmittelerbringer handelt, ist unschädlich. Denn die Beklagte hat der Klägerin keinen Weg aufgezeigt, auf welchem Weg sie die Rampe über einen zugelassenen Hilfsmittelerbringer, insbesondere einen Vertragspartner der Beklagten, beschaffen kann. Daher hat die Beklagte für die durch die Leistungen der F GbR entstandenen Kosten unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens aufzukommen. Beide Hilfsmittel sind schließlich erst angeschafft worden, nachdem zuvor eine ablehnende Verwaltungsentscheidung der Beklagten ergangen war. Der Auffassung der Beklagten, die Versicherten müssten nach der Erstentscheidung auch noch den Widerspruchsbescheid abwarten, ist demgegenüber von § 13 Abs. 3 SGB V nicht gedeckt.
3. Durch die eigenverantwortliche Beschaffung der Hilfsmittel sind der Klägerin die im Tenor bezeichneten Kosten entstanden. Dass diese notwendig waren, ist bereits dargestellt und in der Höhe von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Kostenerstattung für eine Transportbefestigung und eine Auffahrrampe.
Die 1988 geborene Klägerin leidet unter einer Muskeldystrophie.
Sie ist mit einem Aktivrollstuhl und einem Elektrorollstuhl versorgt. Die Klägerin wohnt in T und besucht eine integrierte Gesamtschule in C. Ihr Freundeskreis befindet sich hauptsächlich in C. Aus der Grundschulzeit hat sie noch zwei Freundinnen in T. Die Schule kann sie, von Stundenplanänderungen abgesehen, mit einem Behindertentransport erreichen. Zu ihren Freund(inn)en wird sie von den Eltern mit deren Renault Espace gebracht.
Am 13.01.2000 reichte die Klägerin einen Kostenvoranschlag der S Orthopädie- und Rehatechnik GmbH (S GmbH) über einen vertragsärztlich verordneten Elektrorollstuhl ein. Dieser Kostenvoranschlag umfasste auch eine als "Taxibefestigung" bezeichnete Transportbefestigung zum Preis von 333,00 DM zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer. Hierbei handelt es sich um zwei Ösen, die vorne und hinten an dem 125 kg schweren Rollstuhl angebracht sind und mit deren Hilfe dieser während des Transports in einem Kraftfahrzeug befestigt werden kann. Mit Bescheid vom 12.09.2000 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Transportbefestigung ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 26.09.2000 Widerspruch, mit dem sie ergänzend die Kostenübernahme für eine Transportrampe beantragte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2000 ebenfalls ab und bekräftigte zugleich ihre ablehnende Haltung gegenüber der Transportbefestigung. Am 17.11.2000 wurde der Rollstuhl ausgeliefert. Am 20.11.2000 stellte die S GmbH der Klägerin hierfür 356,31 DM in Rechnung. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2001 wies sie die gegen die Bescheide vom 26.09.2000 und 11.10.2000 gerichteten Widersprüche zurück.
Am 13.02.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Nach Klageerhebung hat ihr die F GbR für die Auffahrrampe 2.180,80 DM in Rechnung gestellt (Bl. 11 der Gerichtsakten (GA). Bei der Auffahrrampe handelt es sich ausweislich der Rechnung um eine Rampe aus Aluminium-Riffelblech, die in den Renault Espace eingebaut ist. Sie wird bei Bedarf ausgefahren. Wegen der Einzelheiten ihrer Anbringung und Benutzung wird auf die von der Klägerin überreichten Fotografien Bezug genommen (Hülle Bl. 39 GA).
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor: Sowohl beim Schulbesuch als auch beim Besuch ihrer Freundinnen und Freunde sei sie auf die Benutzung des Elektrorollstuhls angewiesen. Dieser wiederum müsse während des Transports befestigt werden und könne im Hinblick auf sein Gewicht in den Renault Espace nur über die Auffahrrampe verbracht werden. Damit dienten beide Hilfsmittel dazu, die Folgen der Behinderung zu erleichtern und ihr ein eigenständiges, möglichst unabhängiges Leben zu gewährleisten.
Die Klägerin, die die Rechnungen der S GmbH und der F GbR beglichen hat, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.09.2000 und 11.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2001 zu verurteilen, an sie 1.297,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Weder die Transportbefestigung noch die Auffahrrampe seien Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn sie dienten dazu, der Klägerin das Autofahren zu ermöglichen. Dabei handele es sich aber nicht um ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Darüber hinaus scheiterte der Anspruch in formaler Hinsicht daran, dass die Gegenstände vor dem Widerspruchsbescheid beschafft und nicht eigens vertragsärztlich verordnet worden seien.
Das Gericht hat einen Befundbericht des Kinderarztes Q eingeholt (Bl. 41 f. GA). Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 05.10.2001 Bezug genommen, in dem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Beschaffung der Transportbefestigung und der Auffahrrampe aus § 13 Abs. 3 2 Alt. Des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes.
1. Die Beklagte hat sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin die genannten Gegenstände im Wege der Sachleistung zur Verfügung zu stellen, obwohl die Klägerin hierauf aus § 33 Abs. 1 SGB V einen Anspruch hatte.
a) Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs eingesetzt werden, wird im Verhältnis zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass diese in § 1 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) nicht als mögliche Leistungsträger genannt sind. Denn durch diese Regelung soll lediglich klargestellt werden, dass sich die KfzHV nur auf die berufliche Rehabilitation bezieht, für die die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufzukommen hat. Geht dem gegenüber, wie im vorliegenden Fall, um medizinische Rehabilitation, so ist die KfzHV nicht einschlägig und der Leistungsanspruch der gesetzlich Krankenversicherten demgemäss durch sie auch nicht eingeschränkt (vgl. Niesel in KassKomm Anh 1 § 16 SGB IV Rdnr. 4).
b) Bei der Klägerin besteht eine körperliche Behinderung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Sie ist aufgrund der Muskeldystrophie in ihrer Fortbewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Schon anlässlich der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Auftrag der Pflegekasse 1995 war sie, wie sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergibt, nur zu wenigen freien Schritten in der Lage. Darüber hinaus bestand ständige Sturgefahr. Dieser Zustand hat sich, zumal die Muskeldystrophie eine fortschreitende Erkrankung ist, seither nicht gebessert. So hat der Kinderarzt Q in seinem Befundbericht ausgeführt, dass selbst mit einem leichten Rollstuhl nur ca. 300 bis 400 m allein zurückgelegt werden können. Weitere Strecken kann die Klägerin allein nur mit dem Elektrorollstuhl bewältigen, mit dem Aktivrollstuhl nur dann, wenn sie geschoben wird.
c) Sowohl bei der Transportbefestigung als auch bei der Auffahrrampe handelt es sich um Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V und nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Diese Unterscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließt, anhand ihrer Zweckbestimmung und ihrer Verwendung durch die Verbraucher. Dabei wird ein Gegenstand, der in erster Linie für den Gebrauch durch Kranke oder Behinderte konzipiert ist, erst dann zum Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wenn er auch von Nichtbehinderten in nennenswerter Zahl genutzt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33Nr. 27 m.w.N.).
Hinsichtlich der Transportbefestigung ist offensichtlich, dass sie nur zum Gebrauch durch Behinderte bestimmt ist und auch nur von diesen benutzt wird. Denn es handelt sich dabei um unmittelbar an einem Rollstuhl angebrachtes Zubehör im Sinne von § 97 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das im Sinne dieser Vorschrift "dem Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt ist". Ebenso wie ein Elektrorollstuhl dem Ausgleich von Behinderung dient, gilt dies mithin auch für die Transportbefestigung.
Im Ergebnis nicht anders verhält es sich bei der Auffahrrampe. Diese ist allerdings von der S GmbH als Einzelstück im Auftrag der Klägerin hergestellt worden, so dass sich die Zweckbestimmung nicht wie bei vertretbaren Sachen im Sinne von § 91 BGB, zu denen Hilfsmittel regelmäßig zählen, bestimmen lässt. Insofern ist schon aus der Herstellungsgeschichte klar, dass die Rampe allein für die Klägerin und im Hinblick auf ihre Behinderung hergestellt worden ist und dementsprechend auch von ihr genutzt wird. Die Hilfsmitteleigenschaft ließe sich vor diesem Hintergrund allenfalls dann noch verneinen, wenn die Rampe von ihrer Bauart her anderen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens vergleichbar wäre. Dafür ist aber nichts ersichtlich. Auch bei Vans, zu denen der von den Eltern der Klägerin gefahrene Renault Espace gehört, werden entsprechende Auffahrvorrichtungen regelmäßig nicht als Zubehör angeboten. Nicht zuletzt hieraus erklärt sich ja auch der im vorliegenden Fall nicht unerhebliche Herstellungspreis.
Ohne Einfluss ist es schließlich, dass die Auffahrrampe am Pkw der Eltern der Klägerin angebracht ist. Denn dies nimmt ihr nicht die allein auf den Ausgleich der bei der Klägerin bestehenden Behinderung gerichtete Funktion.
d) Sowohl die Transportbefestigung als auch die Auffahrrampe sind erforderlich zum Ausgleich der bei der Klägerin bestehenden Behinderungen.
aa)Wirkt ein Hilfsmittel, wie im vorliegenden Fall, nicht unmittelbar am Körper, sondern dient es nur mittelbar dem Ausgleich einer Behinderung, so ist es hierzu nur dann "erforderlich" im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn es zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dient. Was zu diesen Grundbedürfnissen zählt, ist auch altersabhängig. Bei Kindern hat die Rechtsprechung, anders als bei Erwachsenen, den Schulbesuch (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 22) und die Integration in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27) als Grundbedürfnisse des täglichen Lebens anerkannt. Dem schließt die Kammer sich an. Sie fühlt sich in dieser Auffassung nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber seit dem 01.07.2001 im Rahmen der Rehabilitation den Bedürfnissen behinderter Kinder besonderes Gewicht eingeräumt hat (§ 9 Abs. 1 Satz 2 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch SGB IX). Dass Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen seit dem 01.07.2001 nach §§ 58 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zählen, für die die Krankenkassen nicht aufkommen müssen, rechtfertigt demgegenüber keine andere Beurteilung. Denn diese Vorschrift betrifft maßgeblich die Integration erwachsener Behinderter. Dagegen ist die Integration bei behinderten Kindern bereits den Grundbedürfnissen zuzuordnen, die auch im Wege der medizinischen Rehabilitation zu befriedigen sind.
bb)Die Versorgung der Klägerin mit einer Transportbefestigung und einer Auffahrrampe ist jedenfalls zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Integration in den Kreis gleichaltriger Kinder geeignet, erforderlich und im Hinblick auf die Anschaffungskosten auch angemessen.
(1)Ohne Erfolg hält die Beklagte dem bereits im Ansatz unter Hinweis auf Entscheidungen des BSG (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) entgegen, dass das Grundbedürfnis der Mobilität nicht auch die Fortbewegung in einem Kfz erfasse. Grundsätzlich ist dies zwar richtig. Gerade im Bereich der Mobilität hat das BSG aber immer wieder darauf abgestellt, dass diese im Allgemeinen kein Selbstzweck sei, sondern der Verwirklichung anderer Bedürfnisse diene. Dementsprechend hat das BSG in der Entscheidung SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 den Anspruch des Versicherten auf behindertengerechte Ausstattung des Kfz mit der Begründung abgelehnt, es gebe kein Grundbedürfnis auf eigenständige Führung eines Kfz. Gleichzeitig hat es aber unter Bezugnahme auf die bereits zitierte Rechtsprechung ausgeführt, dass anders zu entscheiden sei, wenn eines der anerkannten Bedürfnisse "der maßgebliche Gesichtspunkt" für die Versorgung sei. Ist dies der Fall, spielt der Umstand, dass die Versorgung im Bereich der Mobilität einen über die Grundbedürfnisse hinaus gehenden Bedarf deckt, wie das BSG in der Entscheidung SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 wörtlich formuliert hat, "nur eine untergeordnete Rolle".
(2)Die Klägerin benötigt sowohl Transportbefestigung und Auffahrrampe zumindest zur Integration in den Kreis Gleichaltriger. Hierzu reicht es zunächst nicht aus, dass sie den Aktivrollstuhl mitführt, der auch ohne Zuhilfenahme der genannten Hilfsmittel im elterlichen Fahrzeug verstaut werden könnte. Der Kinderarzt Q hat in seinem Befundbericht ausgeführt, die Klägerin sei zwar in der Lage, mit dem Aktivrollstuhl eine Strecke von 300 bis 400 m zurückzulegen. Eine Dauerbelastung sei aber nicht möglich. Ergänzend hat die Klägerin hierzu glaubhaft vorgetragen, der Aktivrollstuhl sei nur dann geeignet, wenn sie sich auf absolut ebenen Flächen, d.h. insbesondere in behindertengerechten Einrichtungen bewege. Schon sobald geringe Steigungen oder Bordsteine zu überwinden seien, müsse sie den Elektrorollstuhl benutzen. Die möglichst vollständige Integration in den Kreis gleichaltriger Kinder setzt aber jedenfalls bei 12- bis 13jährigen voraus, dass auch längere Strecken unter Einschluss von Steigungen und vergleichbaren Hindernissen bewältigt werden können.
Die Klägerin kann zur Bewältigung dieser Strecken und Hindernissen nicht auf die Hilfe der gleichaltrigen Freundinnen und Freunde verwiesen werden. Eine möglichst vollständige Integration behinderter Kinder in den Kreis gleichaltriger Nichtbehinderter setzt nämlich gerade voraus, dass das behinderte Kind in weitest gehendem Umfang seine Eigenständigkeit wahrt und weder sich selbst ständig als hilfebedürftig erlebt noch von den anderen (gesunden) Kindern so wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang haben die Eltern der Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass Kinder dieser Altersgruppe überfordert sind, wenn ihnen auch in der Freizeit ständig gesteigerte Rücksichtnahme und Hilfeleistung abverlangt werden.
Ist demnach die Benutzung des Elektrorollstuhl in der Begegnung mit gleichaltrigen Kindern zumindest außerhalb der Schule erforderlich, so ist die Klägerin darauf angewiesen, dass dieser Elektrorollstuhl im elterlichen Pkw transportiert wird. Die Benutzung des Behindertentransports ist, wie die Eltern der Klägerin im Erörterungstermin ausgeführt haben, schon beim Schulbesuch nicht gewährleistet, wenn es zu kurzfristigen Stundenplanänderungen kommt. Erst recht steht er nicht für nachmittägliche Privatfahrten zur Verfügung. Die Klägerin ist darauf angewiesen, den Pkw ihrer Eltern zu benutzen, weil ihr Hauptfreundeskreis in C wohnt. Das rührt daher, dass die in T wohnende Klägerin in C eine integrierte Gesamtschule besucht und die Mehrzahl ihrer Freundinnen und Freunde daher in C wohnen. Anders als mit dem Pkw ist die Strecke von T nach C für die Klägerin nicht zu bewältigen. Öffentliche Verkehrsmittel kann sie nicht benutzen. Auf ihren (eingeschränkten) Freundeskreis in T braucht die Klägerin sich nicht verweisen zu lassen. Zur Integration in den Kreis Gleichaltriger gehört auch die Fortsetzung von in der Schule begründeten Freundschaften am Nachmittag.
Für den Transport im Pkw sind sowohl die Transportbefestigung als auch die Auffahrrampe zwingend erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, wie der 125 kg schwere Elektrorollstuhl anderweitig in den Renault Espace verbracht werden könnte. In diesem Fahrzeug kann er auch nicht ohne Befestigung transportiert werden. Das gilt erst recht für den Behindertentransporter, in dem die Klägerin nach den vorgelegten Fotografien sitzend in ihrem Rollstuhl transportiert wird. Dabei genügt der Betreiber seinen Verkehrssicherungs- und Bereitstellungspflichten, wenn er seinerseits eine Vorrichtung anbringt, mit der die Transportbefestigung verbunden werden kann. Die Transportbefestigung selbst, die Zubehör des Rollstuhls ist, braucht er dagegen nicht zur Verfügung zu stellen.
(3)Preisgünstigere und gleich sichere Möglichkeiten, mit denen die beschriebenen Zwecke erfüllt werden können, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte auf ausdrückliches Befragen im Erörterungstermin und danach keine wirtschaftlicheren Versorgungswege aufgezeigt.
(4)Schließlich ist die Versorgung mit beiden Hilfsmitteln auch angemessen. Die Transportbefestigung wird ohnehin werktags zweimal benutzt, nämlich auf der Fahrt von und zu der Schule. Im Übrigen reicht es nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, bei Hilfsmitteln, mit denen auch Mobilitätshindernisse überwunden werden können, aus, dass sie regelmäßig benutzt werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28). Hiervon ist auch bei der Auffahrrampe auszugehen.
e) Transportbefestigung und Auffahrrampe sind nicht in der aufgrund von § 34 Abs. 4 SGB V ergangenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt und damit auch nicht durch diese Verordnung von der Versorgung ausgeschlossen.
f) Dem Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit der Transportbefestigung und der Auffahrrampe steht nicht entgegen, dass diese Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Zwar enthält das Hilfsmittelverzeichnis in Produktgruppe 18.99.08 eine Reihe von Sonderausstattungsmerkmalen, zu denen insbesondere die Transportbefestigung nicht gehört. Das schließt den Versorgungsanspruch jedoch nicht aus. Denn zum einen wird in Produktgruppe 18.99.09 Zubehör pauschal erwähnt. Zum anderen ist das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 128 SGB V erstellte Hilfsmittelverzeichnis keine Richtlinie im Sinne von § 92 SGB V und hat daher nur Empfehlungscharakter (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27 und 28 m.w.N.). Dass nach Ziffer 8 der auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V erlassenen Heil und Hilfsmittelrichtlinien (Heil- und HilfsmittelRL) ein Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse nur verordnet werden darf, wenn es im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Würde man diese Vorschrift nämlich dahingehend verstehen, dass sie auch den Leistungsanspruch des Versicherten unmittelbar beeinflusst, wäre sie nichtig. Denn erstens würde es sich in diesem Fall um eine unzulässige dynamische Blankettverweisung handeln. Zweitens hätte der Richtliniengeber damit seine Befugnisse überschritten, weil in den Richtlinien nach § 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB V nur der Katalog der verordnungsfähigen Heilmittel und damit nicht auch der Hilfsmittel festgelegt werden dar. Ziff. 8 Heil- und HilfsmittelRL ist daher ebenfalls im Sinne einer Empfehlungsvorschrift zu verstehen, die im Verhältnis zum Versicherten keine Bindungswirkung hat.
g) Ohne Erfolg hält die Beklagte der Klägerin schließlich entgegen, der Versorgungsanspruch sei ausgeschlossen, weil es an einer vertragsärztlichen Verordnung fehle. Folgt man der Rechtsprechung des BSG, so bedarf es bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ohnehin keiner vertragsärztlichen Verordnung, weil der Verordnungsvorbehalt des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V sich nur auf Hilfeleistungen anderer Personen, nicht aber auf andere Leistungen erstreckt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 28 und 33; a.A. ohne Begründung geschweige denn Auseinandersetzung mit den genannten Entscheidungen das von der Beklagten überreichte Urteil des LSG Niedersachsen v. 16.05.2001 - L 4 KR 215/00 - Bl. 13 ff. GA). Aber auch wenn man mit der Beklagten an der Richtigkeit der Entscheidungen des BSG insoweit zweifelt (z.B. weil auch die Anpassung eines Hilfsmittels oder dessen erstmalige Erstellung als Hilfeleistung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzusehen sind), kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht auf das Fehlen einer Verordnung berufen. Denn es würde jedenfalls gegen Treu und Glauben verstoßen, einerseits dem Vertragsarzt in Ziff. 8 der Heil- und HilfsmittelRL die Verordnung von nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Hilfsmitteln zu untersagen, andererseits aber dem Anspruch auf Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung entgegenhalten. Es kann sicherlich von keinem Vertragsarzt verlangt werden, dass er die hier unter f) dargestellte Reduktion dieser Vorschrift auf eine Empfehlung im Einzelnen nachvoll zieht und sich damit über den Wortlaut hinwegsetzt.
2. Die Klägerin hat sich die Leistungen der S GmbH, eines zugelassenen Hilfsmittelerbringers (§ 126 Abs. 1 SGB V), aufgrund der Weigerung der Beklagten selbst beschafft. Dass es sich bei der F GbR, die die Rampe erstellt hat, vermutlich nicht um einen zugelassenen Hilfsmittelerbringer handelt, ist unschädlich. Denn die Beklagte hat der Klägerin keinen Weg aufgezeigt, auf welchem Weg sie die Rampe über einen zugelassenen Hilfsmittelerbringer, insbesondere einen Vertragspartner der Beklagten, beschaffen kann. Daher hat die Beklagte für die durch die Leistungen der F GbR entstandenen Kosten unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens aufzukommen. Beide Hilfsmittel sind schließlich erst angeschafft worden, nachdem zuvor eine ablehnende Verwaltungsentscheidung der Beklagten ergangen war. Der Auffassung der Beklagten, die Versicherten müssten nach der Erstentscheidung auch noch den Widerspruchsbescheid abwarten, ist demgegenüber von § 13 Abs. 3 SGB V nicht gedeckt.
3. Durch die eigenverantwortliche Beschaffung der Hilfsmittel sind der Klägerin die im Tenor bezeichneten Kosten entstanden. Dass diese notwendig waren, ist bereits dargestellt und in der Höhe von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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