S 9 KR 601/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 601/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Kostenübernahme einer außervertraglichen Behandlungsmethode, der Liposuktion (Fettabsaugung).

Die am 00.00.1979 geborene Klägerin leidet seit Jahren an einem erblich bedingten schmerzhaften Lipolymphödem, das symmetrisch an den Oberschenkeln und Armen ausgeprägt ist. Nach Angaben des behandelnden Facharztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. D ist die Krankheit alimentär nicht zu beeinflussen und diätetisch nicht korrigierbar.

Bereits im Jahre 1999 hatte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme einer Liposuktion gestellt, die von Dr. D als medizinisch notwendige und klar indizierte Therapiemaßnahme befürwortet worden war. Nachdem die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2000 abgelehnt hatte, hatte die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 9 KR 116/00 vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" vom 09.08.2000 nahm die Klägerin die Klage in der Sitzung vom 19.12.2000 nach einem Hinweis der Kammer zurück.

Am 12.04.2001 beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer Liposuktion. Zur Begründung wies sie erneut darauf hin, dass diese Behandlung dringend und zwingend erforderlich sei, wobei einige gesetzliche Krankenkassen die Kosten in Einzelfällen übernommen hätten. Mit Bescheid vom 17.04.2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme erneut ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2001 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 21.12.2001 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Ergänzend trägt sie vor, die Kostenübernahme bzw. -beteiligung z.B. der DAK als auch der Bahn-BKK zeige, dass eine mögliche gesetzliche Lücke für die Übernahme der bei der Klägerin zwingend und dringend notwendigen Liposuktion bestehe. Dies könne im Verhältnis zur Beklagten nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom17.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2001 zu verurteilen, die Kosten für eine Liposuktions-Operations-Behandlung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

II.

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, denn die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten sind dazu angehört worden.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn die Bescheide sind rechtmäßig.

Gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die bestandskräftig gewordenen Bescheide der Beklagten vom 29.03.2000 und 09.05.2000 rechtswidrig gewesen sind, denn die Beklagte hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Kostenübernahme der beantragten Liposuktions-Operations-Behandlung, einer außervertraglichen Behandlungsmethode, hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden entsprechen in ihrer Qualität und Wirksamkeit nur insoweit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, als sie Eingang in die kassen- und vertragsärztliche Versorgung gefunden haben. Das Verfahren der Liposuktion ist nicht Bestandteil der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" hat in der gerichtlich eingeholten Stellungnahme vom 09.08.2000 im vorangegangenen Streitverfahren, Az: S 9 KR 116/00 mitgeteilt, dass weder im bis 1997 zuständigen Arbeitsausschuss "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" noch im damals zuständigen Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ein Antrag gestellt worden ist, diese Behandlungsmethode einer Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V zu unterziehen. Der Geschäftsführung des Arbeitsausschusses lagen auch keine Unterlagen vor, die erkennen lassen würden, ob es sich hier um eine medizinische Methode handelt, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien diagnostischer oder therapeutischer Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen würde.

Damit kommt eine Inanspruchnahme dieser Behandlung zu Lasten der Solidargemeinschaft der Versicherten als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen nicht in Betracht. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 16.09.1997 - 1 RK 14/96 - und vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R). Darin hat das BSG ausgeführt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur abgerechnet werden dürfen, wenn der dazu kraft Gesetzes berufene Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Die genannten Richtlinien haben die Qualität von Rechtsnormen. Sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Vertragsärzte als auch für die Versicherten. Hat der Bundesausschuss bereits eine (negative oder positive) Empfehlung über die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode abgegeben, so ist seine Entscheidung von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten. Hat der Bundesausschuss - wie vorliegend - noch keine Empfehlung über die streitige Behandlungsmethode abgegeben, so kann sie (noch) nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherten erbracht werden. Der Versicherte, der sich eine derart ausgeschlossene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, kann im Kostenerstattungsverfahren nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen.

Soweit die Klägerin auf die Kostenübernahme der Behandlung in Einzelfällen durch andere gesetzliche Krankenkassen verweist, handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um rechtswidrige Entscheidungen, aus denen sie keine Rechte gegenüber der Beklagten begründen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved