S 36 BA 196/18 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 36 BA 196/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 169/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2018 wird abgelehnt. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 2.058,06 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 13.08.2018 gegen den Bescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2018. Mit der Klage wendet sich die Antragstellerin gegen das Ergebnis einer von der Antragsgegnerin durchgeführten Betriebsprüfung, nach welcher eine Beitragsnachforderung in Höhe von 8.232,24 EUR festgesetzt wurde.

Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 22.05.2014 wurde die Antragstellerin in der Rechtsform einer UG gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Verkauf von Bekleidungsartikeln und Merchandise. Der Gesellschaftsvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:

"I. 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 3.000 Euro und wird wie folgt übernommen: a) Herr PC (C1) übernimmt einen Gesellschaftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von 1.000,00 Euro (Geschäftsanteil Nr. 1), b) Herr BT (T) übernimmt einen Gesellschaftsanteil mit einem Nennbetrag von 1.000,00 Euro (Geschäftsanteil Nr. 2), c) Herr NC (C2) übernimmt einen Gesellschaftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von 1.000,00 Euro (Geschäftsanteil Nr. 3). ( ) 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr PC ( ) bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit."

Am 17.07.2018 wurde die Antragstellerin ins Handelsregister eingetragen. Mit Datum vom 29.10.2015 schlossen die Antragstellerin und der Gesellschafter T einen als solchen bezeichneten "Dienstvertrag" mit auszugsweise folgenden Regelungen:

"§ 1 Beginn, Tätigkeit Das Dienstverhältnis beginnt am 01.11.2015. ( ) Der Dienstverpflichtete betreut in eigener Verantwortlichkeit die Bereiche Büroorganisation, Verwaltung und allgemeine Künstlerbetreuung. Er ist nur den Weisungen der Gesellschafterversammlung des Dienstherrn unterworfen und berichtet unmittelbar an die Gesellschafterversammlung. Den Weisungen des Geschäftsführers ist der Dienstverpflichtete nicht unterworfen. ( )

§ 2 Vergütung a) Der Dienstverpflichtete erhält ein Grundentgelt in Höhe von monatlich 2.159,88 Euro jeweils am Monatsletzten zu zahlen. ( )

§ 3 Dienstzeit, Dienstort, Ort der Leistungserbringung a) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 30 Stunden. Die Lage der Dienstzeit bestimmt der Dienstverpflichtete im Rahmen der tatsächlichen Erfordernisse nach eigenem Ermessen. b) Vertraglicher Dienstort ist der Betriebsort. c) Den Ort der jeweiligen Leistungserbringung bestimmt der Dienstverpflichtete im Rahmen der tatsächlichen Erfordernisse nach eigenem Ermessen.

§ 4 Überleistungen Der Dienstverpflichtete erklärt sich bereit, über die vereinbarte Dienstzeit hinaus Dienst zu leisten, sofern dies von der Gesellschafterversammlung des Dienstherrn angeordnet wird oder nach billigem Ermessen für erforderlich gehalten wird und gesetzlich zulässig ist. Erbrachte Überleistungen werden nach Wahl des Dienstverpflichteten durch Freizeit ausgeglichen oder ausgezahlt. ( )

§ 7 Urlaub Bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche erhält der Dienstverpflichtete 30 Tage Erholungsurlaub.

§ 8 Krankheitsfall ( ) b) Die Weiterzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. ( )

§ 13 Beendigung des Dienstverhältnisses a) Für die Kündigungsfristen gilt die jeweils gültige Fassung des § 622 BGB. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. ( )"

Die Antragsgegnerin führte vom 05.10.2017 bis 16.02.2018 eine Beitragsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV bei der Antragstellerin durch. Nach Anhörung stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29.03.2018 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.08.2014 bis 31.07.2016 in Höhe von insgesamt 8.232,24 EUR fest. Die im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe ergeben, dass Herr BT seine Tätigkeit als Gesellschafter bei der Antragstellerin in der Zeit vom 01.11.2015 bis 31.07.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Es bestünde Versicherungspflicht in der Kranken-/Pflegeversicherung, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Herr T besitze aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft (33,33 %) keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Insbesondere könne er ihm unliebsame Entscheidungen nicht verhindern. Am 29.03.2014 legte die Antragstellerin einen als "Treuhandvertrag" zwischen dem Gesellschafter C2 als Treuhänder und dem Gesellschafter T als Treugeber, datiert vom 05.05.2014, bei der Antragsgegnerin vor. Darin beauftragte der Treugeber den Treuhänder, einen Geschäftsanteil von 33,34 % bei der neu zu gründenden Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zu übernehmen und treuhänderisch für den Treugeber zu halten. Der Vertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"§ 2 Pflichten des Treuhänders Der Treuhänder verpflichtet sich, 1. über den Geschäftsanteil nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Treugebers zu verfügen, 2. bei Beschlussfassungen der Gesellschaft – sei es in Gesellschafterversammlungen, sei es bei schriftlichen Abstimmungen – nur entsprechend den Weisungen des Treugebers zu stimmen, 3. die ihm nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zukommenden Mitgliedschaftsrechte, u.a. das Recht auf Kündigung, Abtretung, Erhebung der Auflösungsklage sowie die Mitgliedschaftsrechte in einem von einem Mitgesellschafter angestrengten Auflösungsprozess, nur nach den vom Treugeber erteilten Weisungen und in Wahrung von dessen Interessen auszuüben, 4. den ihm aufgrund des Geschäftsanteils zukommenden Gewinn unverzüglich an den Treugeber auszuzahlen bzw. nach dessen Weisung zu verwenden, 5. dem Treugeber alle Benachrichtigungen, die ihm als Gesellschafter von der Gesellschaft zukommen, insbesondere die Einladung zu einer Gesellschafterversammlung, und die Tagesordnung, unverzüglich zuzuleiten, 6. den Treugeber überhaupt von allen dem Treuhänder zur Kenntnis gelangten Ereignissen zu unterrichten, die geeignet sind, die Interessen der Gesellschaft zu beeinflussen, 7. dem Treugeber oder einem von diesem zu benennenden Dritten jederzeit eine mit dem Recht auf Erteilung von Untervollmachten versehene unwiderrufliche Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts zu erteilen, 8. den Geschäftsanteil ganz oder in Teilen jederzeit unentgeltlich an den Treugeber oder an einen oder mehrere von diesem zu benennende/n Dritte/n durch Notariatsakt abzutreten, und zwar unter Verzicht auf alle Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte, 9. einem etwaigen Nachfolger in der Treuhandschaft alle Auskünfte in Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen, die zur Übernahme und Ausübung der Treuhandschaft erforderlich und nützlich sind, 10. den Namen des Treugebers ohne dessen ausdrückliche Zustimmung nicht preiszugeben, sofern er nicht gesetzlich zur Offenlegung verpflichtet ist. ( )

§ 4 Abtretung, Stimmrechtsvollmacht ( ) 2. Der Treuhänder erteilt hiermit gemäß § 2 g) dem Treugeber unwiderruflich Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts aus dem Geschäftsanteil. ( )

§ 5 Kündigung 1. Der Treuhänder wie auch der Treugeber sind berechtigt, dieses Treuhandverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist ´durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Vertragspartner zu kündigen. ( )"

Gegen den Bescheid vom 29.03.2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie aus, aus dem Treuhandvertrag vom 05.05.2014 sei ersichtlich, dass der Gesellschafter T zu 66,67 % an der Antragstellerin beteiligt und somit sozialversicherungsfrei sei. Den auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.04.2018 ab. Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2018 mit der Begründung zurück, der Treuhandvertrag führe zu keiner Änderung der Rechtslage, da die Regelungen nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten seien bzw. nicht im Handelsregister gemeldet worden seien. Vereinbarungen, die außerhalb des Gesellschaftsvertrages lägen und nur schuldrechtlicher Natur seien, seien nicht geeignet, die gesellschaftsvertraglichen Festlegungen zu durchbrechen. Sie könnten die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht begründen. Treuhänderisch gehaltene Gesellschaftsanteile müssten im Gesellschaftsvertrag oder im Handelsregister (z.B. in der Gesellschafterliste) dokumentiert sein. Ansonsten sei das Treuhandverhältnis für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung irrelevant. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der mitarbeitende Gesellschafter Herr T auch kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko.

Am 13.08.2018 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Köln gestellt und gleichzeitig Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Ausgangs- und Widerspruchsverfahren. Der mitarbeitende Gesellschafter T übe tatsächlich durchgehend und ausschließlich das Stimmrecht aus seinem eigenen und dem vom Treuhänder für ihn gehaltenen Geschäftsanteil aus. Der Treuhandvertrag sei wirksam, da er vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages geschlossen worden sei. Eine formwirksame Treuhandabrede begründe nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der Obergerichte einen sozialversicherungserheblichen Einfluss auf den treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil und die Stimmausübung aus diesem. Das operative Geschäft der Antragstellerin sei derzeit völlig eingestellt. Über liquide oder liquidierbare Mittel verfüge die Antragstellerin nicht. Die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid stelle daher auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar und sei unverhältnismäßig.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 29.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2018 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Sie verweist auf den streitgegenständlichen Bescheid. Ergänzend führt sie aus, dass der Treuhandvertrag unwirksam sei, da er nicht gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG beurkundet worden sei. Zudem habe der Vertrag inhaltliche Mängel.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER m.w.N.). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER m.w.N.).

Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Ausgehend hiervon bestehen im vorliegenden Fall derzeit keine überwiegenden Zweifel daran, dass zwischen der Antragstellerin und dem mitarbeitenden Gesellschafter T im Streitzeitraum ein die Versicherungs- und Beitragspflicht auslösendes Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV bestanden hat.

Eine Beschäftigung setzt nach dieser Vorschrift voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74; Urteil vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97; Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Urteil vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R; Urteil vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R; Urteil vom 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die (schriftlichen) vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den (schriftlichen) Vereinbarungen abweichen.

Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung, ob die Tätigkeit des mitarbeitenden Gesellschafters T im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, ist der zwischen der Antragstellerin und Herrn T geschlossene "Dienstvertrag" vom 29.10.2015. Dieser hat sowohl nach seiner äußeren Vertragsbezeichnung, als auch seinem Regelungsinhalt nach ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. So erhält Herr T gem. § 2 des Dienstvertrages eine gewinnunabhängige regelmäßige monatliche Vergütung in Höhe von 2.159,88 EUR, und genießt im Fall der Erkrankung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 8 Dienstvertrag). Auch § 7 des Dienstvertrages, kraft dessen Herr T über einen Anspruch auf Jahresurlaub im Umfang von 30 Kalendertagen verfügt, spiegelt ein arbeitsvertragstypisches Element wider. Auf dieser vertraglichen Grundlage ist Herr T ab dem 01.11.2015 in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Antragstellerin, tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er umfassend in den Betrieb und folglich in eine ihm vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Die regelmäßige wöchentliche Dienstzeit betrug 30 Stunden und Überstunden wurden nach Wahl von Herrn T durch Freizeit ausgeglichen oder ausbezahlt (vgl. § 3, 4 Dienstvertrag). Hieran anknüpfend unterlag der Beigeladene zu 1) einem Weisungsrecht der Klägerin bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da ihr allein die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand. Innerhalb der Gesellschaft stand die abstrakte Rechtsmacht zur Ausübung das Dienstverhältnis des Herrn T betreffenden Weisungen deren Geschäftsführer Herrn PC zu. So oblag etwa die Kündigung des Herrn T allein dem Geschäftsführer. Nach § 46 Nr. 5 GmbHG unterliegen die Beststellung und die Abberufung von Geschäftsführern der Bestimmung durch die Gesellschafter. Die hiernach bestehende ausschließliche interne Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung erfasst alle das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers betreffenden Vereinbarungen sowie - vorbehaltlich abweichender individueller Satzungsregelungen - auch andere Rechtsgeschäfte, die mit der Organstellung des Geschäftsführers in Zusammenhang stehen (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil v. 21.1.1991, II ZR 144/90, NJW 1991, 1680; Urteil v. 25.3.1991, II ZR 169/90, BGHZ 113, 237 = NJW 1991, 1727). Demgegenüber ist vor dem Hintergrund der fehlenden Betroffenheit der Organstellung eines Geschäftsführers vorbehaltlich - hier nicht verabredeter - anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH demgegenüber Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil v. 17.5.2001, B 12 KR 34/00 R; BSG, Urteil v. 23.6.1994, 12 RK 72/92, USK 9448 S. 253 = NJW 1994, 2974, 2975). Bei einem Gesellschafter ohne Bestellung zum Geschäftsführer schließt gleichwohl ein maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund einer Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis aus (BSG, Urteil v. 23.6.1994, 12 RK 72/92, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, Urteil v. 17.5.2001 - B 12 KR 34/00 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.5.2013, L 11 KR 257/12). Entgegen der Ausführungen der Antragstellerin war der mitarbeitende Gesellschafter T allerdings in dem streitbefangenen Zeitraum nicht in dem insoweit maßgeblichen rechtlichen Sinne Gesellschafter der Antragstellerin, weshalb ihm die gesellschaftsrechtlichen Steuerungs- und Stimmrechtsbefugnisse nicht zustanden. Die für die Ausgestaltung der abstrakten Rechtsmacht maßgeblich rechtliche Gesellschafterstellung vermittelte Herrn T insbesondere der zwischen ihm und den Gesellschafter C2 geschlossene Treuhandvertrag vom 05.05.2014 nicht. Ein Treuhandverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber Vermögenswerte überträgt, ihn aber in Ausübung des sich hieraus ergebenden Außenverhältnisses (des Treuhänders zu Dritten) ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis (Treuhänder zu Treugeber) nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BGH, Urteil v. 11.10.1976, II ZR 119/75, BB 1977,10 ff.; BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R unter Hinweis auf Bassenge, in Palandt, Kommentar zum BGB, 65. Aufl., § 903 Rn. 33 und BFH, Urteil v. 20.1.1999, I R 69/97). Dem Vortrag der Antragsgegnerin zur Formunwirksamkeit des Treuhandvertrages kann nicht gefolgt werden, denn eine Beurkundungspflicht bestand vorliegend nicht, da sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Abschlusses des Treuhandvertrages im Vorgründungsstadium befand (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19.04.1999 – II ZR 365/97, juris). Aufgrund des Treuhandverhältnisses ist jedoch allein der Treuhänder, mithin der Gesellschafter C2, vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter, dem alle Mitgliedschaftsrechte aus dem Geschäftsanteil zustehen und den alle Pflichten aus dem Geschäftsanteil treffen. Eine maßgebende abstrakte Rechtsmacht zugunsten des mitarbeitenden Gesellschafters T vermittelt der Treuhandvertrag vom 05.05.2014 auch nicht etwa deshalb, weil der Gesellschafter C2 nach dessen § 2 bei Beschlussfassungen der Gesellschaft nur entsprechend den Weisungen des Treugebers zu stimmen hat, seinen Geschäftsanteil jederzeit unentgeltlich an den Treugeber durch Notariatsakt abzutreten hat und dem Treugeber eine unwiderrufliche Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts aus dem Geschäftsanteil erteilt hat (§ 4 Ziffer 2 des Treuhandvertrages). Diese schuldrechtliche Vereinbarung betrifft ausschließlich das Gesellschafterverhältnis und ermöglicht es dem mitarbeitenden Gesellschafter T nicht, ihm unangenehme Weisungen im Rahmen seines Dienstverhältnisses jederzeit abzuwehren. Etwaige an Herrn T gerichtete dienstaufsichtliche Weisungen sind als Angelegenheit der laufenden Geschäftsführung Sache des Geschäftsführers (§ 35 GmbHG) und - mangels abweichender satzungsrechtlicher Bestimmungen - der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung (§ 47 Abs. 1 GmbHG) der Antragstellerin entzogen. Die diesbezüglich getroffene Regelung im Dienstvertrag ist unbeachtlich, da ein entsprechender Gesellschafterbeschluss nicht gefasst wurde. Der Umstand, dass Herr T unter Umständen tatsächlich keinen dienstaufsichtlichen Weisungen unterworfen war, schließt die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus.

Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass Herr T ein wesentliches eigenes unternehmerisches Risiko getragen hat. Typisch für ein Unternehmerrisiko ist es gerade, das Wagnis des Kapitaleinsatzes mit Gewinnmöglichkeiten zu verbinden. Ein echtes unternehmerisches Risiko wird erst dann angenommen, wenn bei wirtschaftlicher schlechter Lage ein vereinbartes Entgelt entfällt und der Betroffene stattdessen für ausstehende Gehälter und Investitionen der Gesellschaft eintreten muss. Vorliegend wurde Herr T ein festes Monatsgehalt 2.159,88 Euro bezahlt. Die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos würde jedoch bedeuten, dass die Arbeitskraft mit ungewissem Resultat eingesetzt wird (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.12.2010, Az. L 1 R 315/07). Für Herrn T bestand jedoch die Sicherheit, für die abgeleisteten Arbeitsstunden auch das vereinbarte Gehalt zu erhalten.

Auch hinsichtlich der Höhe der Nachforderung bestehen nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens keine Bedenken. Die Antragsgegnerin hat die Nachzahlung zutreffend berechnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf ein Viertel der streitgegenständlichen Forderung nebst den geltend gemachten Zinsen festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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