S 33 KR 306/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KR 306/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, die Höhe der festgesetzten Künstlersozialabgabe für die Jahre 2015 und 2016. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die an ausländische Künstler gezahlten Entgelte nicht abgabepflichtig sein.

Die Klägerin ist eine international tätige Galerie mit Standorten in L und C.

Nachdem die Klägerin am 23.03.2019 abgabenpflichtige Entgelte i.H.v. 609.500 EUR für das Jahr 2015 gemeldet hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 31.08.2016 fest, dass eine Künstlersozialabgabe entsprechend der gemeldeten Entgelte nach dem Satz von 5,2 % i.H.v. 31.694 EUR zu zahlen ist.

Für das Jahr 2016 meldete die Klägerin abgabenpflichtige Entgelte i.H.v. 853.330 Euro, woraufhin die Beklagte mit Abrechnungsbescheid vom 03.07.2014 für das Jahr 2016 eine Künstlersozialabgabe i.H.v. 44.393,96 EUR festsetzte.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch. Sie führte aus, ein Großteil der Entgelte werde für Künstler im Ausland gezahlt. Es handele sich um Werke, die von ausländischen Künstlern im Ausland hergestellt worden seien und durch ausländische Käufer direkt beim Künstler im Ausland angefragt oder von den Künstlern explizit für den Verkauf im Ausland produziert worden seien. Eine Verwertung dieser Kunstwerke sei in Deutschland nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2018 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Sie führte aus, das Bundessozialgericht habe wiederholt entschieden, dass der Künstlersozialabgabe auch Entgelte unterlägen, die von einem inländischen Verwerter an im Ausland ansässige Künstler für dort entstandene künstlerische Leistungen gezahlt würden. Die Abgabepflicht umfasse auch Entgeltzahlungen an selbstständige Künstler ins Ausland. Sobald wenigstens eine Verwertungsmöglichkeit im Inland bestehe und nicht ausgeschlossen sei, falle die Abgabepflicht an. Im Zusammenhang mit Kunstwerken bestehe grundsätzlich die Möglichkeit der Verwertung im Inland. Eine Einbeziehung von Entgelten an im Ausland lebende Künstler rechtfertige sich insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Erreichung gleichmäßiger Wettbewerbschancen, eine Bevorzugung der im Ausland lebenden Künstler solle verhindert werden.

Hiergegen richtet sich die am 09.03.2018 erhobene Klage.

Die Klägerin verbleibt dabei, dass die Bescheide die falsche Bemessungsgrundlage enthielten. Es werde nicht danach differenziert, ob irgendein Inlandsbezug vorliege, der über den bloßen Umstand hinausgehe, dass die Klägerin ihren Firmensitz in Deutschland unterhalte. Nicht abgabepflichtig seien insbesondere sogenannte Auftragsarbeiten, in denen beispielsweise ein Museum in R sich unmittelbar an eine in C geborene Künstlerin, die mit der Klägerin durch einen Galerievertrag verbunden sei, wandte und diese damit beauftragte, speziell für das Museum ein Kunstwerk herzustellen. Dieses Kunstwerk sei dann von der belgischen Künstlerin erstellt und von ihr nach R geliefert worden. Als Entgelt an die Künstlerin habe die Klägerin 44.000 EUR gezahlt. Dieses Kunstwerk stehe generell nicht dem Kunstmarkt zur Verfügung, sondern werde von dem Museum konserviert. Bereits aus der Vereinbarung zwischen den Parteien ergebe sich, dass keine Inlandsverwertung mehr möglich sei.

Ferner seien auch Atelierverkäufe nicht abgabepflichtig. Dabei werde ein Werk direkt aus dem Atelier des ausländischen Künstlers verkauft. Da der Künstler mit der Klägerin durch einen Galerievertrag verbunden sei, erhalte der Künstler sein Entgelt für diesen Verkauf von der Klägerin. Auch hier wäre die Möglichkeit des Erwerbes durch einen Inländer rein theoretischer Natur, da die Werke des Künstlers bei den Atelierverkäufen keinem großen Publikum zugänglich gemacht würden. Erst in dem Moment, in dem das Werk verkauft werde, entstehe überhaupt eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines Entgeltes an den Künstler. In derselben juristischen Sekunde des Verkaufes stehe aber zugleich fest, dass der entgeltpflichtige Vorgang (hier: Verkauf an einen Ausländer) keine Berührung zum örtlichen Geltungsbereich des Künstlersozialversicherungsgesetz habe. Eine Verwertung im Inland sei daher ausgeschlossen. Das gleiche gelte auch für die dritte Fallgruppe, der sogenannten Ausstellungs- und Messeverkäufe. Hierbei würden Werke eines ausländischen Künstlers im Rahmen einer ausländischen Ausstellung oder Messe der Klägerin an ausländische Käufer verkauft. Auch diese Geschäftsvorfälle wiesen keinerlei Bezug zum Inland aus. Mit dem Verkauf bestehe keine Verwertungsmöglichkeit im Inland für die Klägerin. Allein die Möglichkeit, dass das Kunstwerk irgendwann einmal durch einen beliebigen Dritten, mit dem die Klägerin nichts zu tun habe, im Inland auf dem Zweitmarkt verwendet werden könne, löse keine Künstlersozialversicherungspflicht des Erstkaufes bei der Klägerin aus. Die Erstverwertung erfolge ohne jeden Inlandsbezug.

Die Künstlersozialversicherungspflicht würde auch deutsche Verwerter bei reinen Auslandgeschäften gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten zusätzlich belasten und benachteiligen. Hierin läge faktisch ein Zwang, den Inlandswohnsitz ins Ausland zu verlagern.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 31.08.2016 über die festgestellte Künstlersozialabgabe für das Jahr 2015 sowie den Bescheid vom 03.04.2017 über die festgestellte Künstlersozialabgabe für das Jahr 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass allen Verkäufen Verträge zugrunde lägen, die mit den Künstlern geschlossen seien. Insoweit handele es sich nicht um Auslandsgeschäfte, maßgeblich seien die Vertrags- und Geschäftsbedingungen der Klägerin. Die Abgabepflicht umfasse auch Entgeltzahlungen an ausländische Künstler für Werke, die im Ausland entstanden seien, wenn die Verwertung auch in der Bundesrepublik Deutschland erfolge oder wenigstens eine Verwertungsmöglichkeit im Inland bestehe. Dies könne bei gegenständlichen künstlerischen Werken angenommen werden, da diese jederzeit von einem Museum, einem Sammler oder einem anderen Galeristen im Inland verwertet werden könnten. Die Künstlersozialabgabe sei daher auch auf Honorare zu erheben, die an im Ausland lebende Künstler gezahlt würden, soweit die Möglichkeit der Verwertung im Inland bestehe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, denn die angefochtenen Bescheide über die Höhe der Künstlersozialabgabe für die Jahre 2015 und 2016 sind rechtmäßig.

Die Beklagte hat zu Recht die Künstlersozialabgabe auch für die Auslandshonorare erhoben. Unstreitig ist die klägerische Galerie ein abgabepflichtiges Unternehmen gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KSVG.

Die von der Klägerin an im Ausland ansässige Künstler für die dort entstandenen künstlerischen Leistungen gezahlten Entgelte (Auslandshonorare) unterliegen der Abgabepflicht nach § 25 KSVG. Danach sind Bemessungsgrundlage die Entgelte unter anderem für künstlerische Werke oder Leistungen (nachfolgend: Kunstwerke), die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten an selbständige Künstler zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind.

Entgelte in diesem Sinne ist auch der Preis, der dem Künstler aus der Veräußerung seines Werkes im Wege eines Kommissionsgeschäftes für seine eigene Leistung zusteht (§ 25 Abs. 3 S. 1 KSVG). Dies gilt entsprechend, wenn eine Galerie den Vertrag im Namen des Künstlers mit einem Dritten oder im Namen des Dritten mit dem Künstler abgeschlossen hat (§ 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 KSVG) oder den Künstler an einen Dritten vermittelt und für diesen dabei Leistungen erbringt, die über ein Gelegenheitsnachweis hinausgehen (§ 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KSVG), es sei denn, der Dritte ist selbst zur Abgabe verpflichtet (§ 25 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz KSVG).

Da die jeweiligen Künstler mit der Klägerin über den Galerievertrag verbunden sind, sind die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 KSVG erfüllt.

Die Abgabenpflicht umfasst einschränkungslos auch Entgeltzahlungen an selbständige Künstler ins Ausland (vergleiche BSG Urteil vom 20.07.1994, Az. 3/12 RK 63/92). Dieses Ergebnis beruht auf dem Gesetzeszweck des Künstlersozialversicherungsgesetzes, mit dem die besondere Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen Künstlern und Verwertern realisiert werden sollte. Die Belastung der Vermarkter mit der Künstlersozialabgabe zur Finanzierung eines Teils der Kosten der Sozialversicherung selbständiger Künstler und Publizisten sollte ihre Rechtfertigung in dem besonderen kulturgeschichtlich gewachsenen Verhältnis zwischen selbständigen Künstlern und Publizisten auf der einen sowie den Vermarktern auf der anderen Seite finden. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Verhältnis eine besondere Verantwortung der Vermarkter für die soziale Sicherung der selbständigen Künstler gesehen, ähnlich die der Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer (vergleiche BVerfGE 75,100 8,159). Hierdurch sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Für die Entstehung der Abgabepflicht kommt es allein auf die Typik des Unternehmens im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KSVG an.

Das Bundessozialgericht hat allerdings die Bemessungsgrundlage von § 25 Abs. 1 S. 1 KSVG in der Entscheidung vom 18.09.2008, Aktenzeichen B 3 KS 4/07 R einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Belastung des Honorars für Künstler mit der Künstlersozialabgabe nicht für Entgelte an ausländische Künstler für im Ausland erbrachte Leistungen gilt, deren Verwertung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen ist. Denn Auswirkungen auf den inländischen Kunstmarkt haben ausschließlich im Ausland verwertete künstlerische oder publizistische Leistungen ausländischer Künstler oder Publizisten nicht; eine Verzerrung der Wettbewerbssituation im Inland finde insoweit nicht statt. Hierbei handelte es sich um solche Entgeltanteile, die eine deutsche Gastspieldirektion als professionelle Vermarkterin für Auftritte von Künstlern ausschließlich in Italien gezahlt hatte. Da diese Entgeltanteile keinen denkbaren Bezug zu einer Verwertung künstlerischer Leistungen im Inland hatten, war eine Verwertung der Kunst im Inland von vornherein ausgeschlossen.

Ein derartiger Verwertungsausschluss im Inland kann in den hier streitgegenständlichen Fall und insbesondere weder bei den sogenannten Auftragsarbeiten, noch bei Atelierverkäufen oder Ausstellungs- und Messeverkäufen angenommen werden. Vorliegend ist bereits bedeutsam, dass die Klägerin als in Deutschland ansässige Galerie national und international tätig ist und Kunstwerke und nicht etwa Dienstleistungen in Form von künstlerischen Darbietungen vermittelte. Damit bietet die Galerie die künstlerischen Werke jedenfalls auch deutschen Interessenten an. In einem solchen Fall liegt bereits kein Auslandsgeschäft vor, das Anlass zu Überlegungen für Einschränkungen zur Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe geben könnte (vergleiche BSG Urteil vom 28.03.2019, B 3 KS 1/18 R).

Vielmehr war hierdurch eine Verwertung der Werke und Leistungen ausländischer Künstler auch im Inland durchaus möglich. Soweit allein die theoretische Möglichkeit einer im Rahmen der abgabepflichtigen Tätigkeit erfolgenden Verwertung oder Nutzung – auch - im Inland besteht, sind bereits alle Aufwendungen zur Erlangung dieser Möglichkeit von der Abgabepflicht erfasst. Nicht zu prüfen ist, ob eine derartige Verwertung überwiegend wahrscheinlich ist. Künstlerische Werke können im Gegensatz zu einer künstlerischen Darbietung jederzeit von einem Museum, einem Sammler oder einem anderen Galeristen im Inland verwertet werden (vergleiche auch Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen Kommentar zum KSVG § 25 Rn. 99). Darüber hinaus handelt es sich bereits deshalb nicht um Auslandsgeschäfte, weil maßgeblich vielmehr die Vertrags- und Geschäftsbedingungen des Galeristen, d. h. der Klägerin, sind. Die Vertrags- und Geschäftsbedingungen der Klägerin, die ihren Sitz in Deutschland hat, haben Inlandsbezug (vergleiche auch Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen Kommentar zum KSVG § 25 Rn. 99).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 VwGO, § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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