S 11 AL 1211/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1211/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Das Bemessungsentgelt ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III auf Tagesbasis zu errechnen. Hierbei ist das im Bemessungszeitraum erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt durch die Anzahl der Tage des Bemessungszeitraums zu dividieren. Der Monat wird entgegen § 339 Satz 1 SGB III nicht mit 30 Tagen berechnet.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes I für den Zeitraum 06. März 2019 bis 04. September 2020, insbesondere die Berechnung des Bemessungsentgelts, streitig.

Die am XXX geborene Klägerin war zuletzt als kaufmännische Angestellte bei der XXX versicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist seit dem 04. September 2017 arbeitsunfähig erkrankt. Sie bezog nach Ende der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber Krankengeld bis zur Aussteuerung am XXX 2019.

Die Klägerin meldete sich mit Wirkung zum 06. März 2019 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 11. März 2019 Arbeitslosengeld für 540 Tage für die Zeit vom 06. März 2019 bis 04. September 2020 in Höhe von kalendertäglich 38,02 EUR unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts von 96,42 EUR. Bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts berücksichtigte sie im erweiterten Bemessungsrahmen vom 06. März 2017 bis zum 05. März 2019 ein Entgelt von insgesamt 20.536,99 EUR. Das tägliche Bemessungsentgelt berechnete sie, indem sie das Bemessungsentgelt im Bemessungsrahmen durch 205 Kalendertage dividierte.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Ihr Arbeitslosengeldanspruch sei unzutreffend berechnet worden. Es sei ein Bemessungsentgelt von kalendertäglich 101,33 EUR brutto zugrunde zu legen. Zur Begründung ihres Widerspruchs fügte sie einen Nachweis der Deutschen Rentenversicherung vom 19. Januar 2018 über den Bezug von Übergangsgeld (23.-30. Oktober 2017) sowie eine eigene Berechnung über die Höhe des ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Arbeitslosengeldes bei. Danach ergebe sich ein tägliches Bemessungsentgelt i.H.v. kalendertäglich 101,33 EUR. Die Beklagte habe fehlerhaft die Verdienste im Zeitraum April bis Oktober 2017 zugrunde gelegt, obwohl aus der Verdienstbescheinigung ihres Arbeitgebers klar zu ersehen gewesen sei, dass es sich bei Oktober 2017 nur um Entgelt für einen Teil-Monat gehandelt habe.

Mit Änderungsbescheid vom 18. März 2018 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum 06. März 2019 bis 04. September 2020 kalendertäglich Arbeitslosengeld i.H.v. 39,22 EUR unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts i.H.v. 100,18 EUR.

Durch Widerspruchsbescheid vom 19. März 2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück. Der erweiterte Bemessungsrahmen (06. März 2017 bis 05. März 2019) umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 1. April 2017 bis 20. Oktober 2017. Mit Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. Juli 2009, B 11 AL 14/08 R, gehöre der Entgeltabrechnungszeitraum März 2017 nicht zum Bemessungszeitraum, weil er nicht vollständig im Bemessungsrahmen liege. Im Bemessungszeitraum sei an 205 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 20.536,99 EUR erzielt worden, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 100,18 EUR ergebe. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ergebe dies ein Leistungsentgelt i.H.v. 65,36 EUR und ein tägliches Arbeitslosengeld i.H.v. 39,22 EUR bei einem allgemeinen Leistungssatz von 60 % des Leistungsentgelts.

Aus diesem Grund hat die Klägerin am 3. April 2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren auf höheres Arbeitslosengeld weiter begehrt. Zur Klagebegründung trägt sie vor, die Beklagte habe zwar zutreffend den Bemessungszeitraum mit den Entgeltabrechnungszeiträumen 01. April bis 22. Oktober 2017 (20.536,99 EUR) angegeben, aber fehlerhaft zur Berechnung des täglichen Bemessungsentgelts durch 205 Tage und nicht korrekt durch 202 Tage dividiert. Bei der Berechnung sei nicht der Gregorianische Kalender mit 365 Tagen im Jahr zugrunde zu legen, sondern der Monat nach § 339 SGB III. Dies ergebe ein tägliches Brutto-Bemessungsentgelt von 101,67 EUR gerundet und ein kalendertäglicher Arbeitslosengeldanspruch i.H.v. 39,70 EUR.

Die Klägerin beantragt -sinngemäß gefasst-,

die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 11. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2019 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 06. März 2019 bis 04. September 2020 Arbeitslosengeld i.H.v. kalendertäglich 39,70 EUR unter Berücksichtigung eines täglichen Bemessungsentgelts i.H.v. 101,67 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und verweist zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Höhe des bewilligten Arbeitslosengeldes sei zutreffend berechnet. Nach ihrer Ansicht sei das Entgelt durch die Anzahl der Kalendertage im Bemessungszeitraum zu dividieren. Hierzu verwies sie u.a. auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06. Mai 2009, Az. B 11 AL 7/08 R; Beschluss vom 16. Februar 2011, Az. B 7 AL 156/10 B).

Die Beteiligten sind zur Absicht des Gerichts, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bewilligungsbescheid vom 11. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von höherem Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 06. März 2019 bis 04. September 2020.

Das Gericht hat vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden können, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Das bewilligte Arbeitslosengeld für den Zeitraum 6. März 2019 bis 4. September 2020 ist nicht zu niedrig, insbesondere nicht das Bemessungsentgelt in Höhe von kalendertäglich 39,22 EUR, dass die Beklagte ihrer Berechnung zugrunde gelegt hat. Dies ergibt sich aus folgenden rechtlichen Erwägungen:

1. Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Abs. 1 S. 1 SGB III). Um den Durchschnittswert zu ermitteln, ist das gesamte beitragspflichtige Arbeitsentgelt durch die Zahl der Tage Bemessungszeitraum zu teilen. Wie die Beklagte zutreffend umgesetzt, kommt es hierbei auf die tatsächliche Zahl der Tage an; der Monat wird also entgegen § 339 S. 1 SGB III nicht mit 30 Tagen berechnet (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 11 AL 7/08 R –, SozR 4-4300 § 130 Nr 5, Rn. 19). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs, § 150 Abs. 1 SGB III. Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält.

Daran orientiert hat die Beklagte zutreffend ein Bemessungsentgelt in Höhe von kalendertäglich 39,22 EUR zugrundegelegt.

Da bei der Klägerin im einjährigen Bemessungsrahmen vom 06. März 2018 bis 5. März 2019 weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten sind, hat die Beklagte zu Recht den Bemessungsrahmen auf die Zeit vom 6. März 2017 bis 5. März 2019 erstreckt. Der Bemessungszeitraum umfasst vorliegend die Entgeltabrechnungszeiträume vom 1. April 2017 bis 22. Oktober 2017. Der Entgeltabrechnungszeitraum März 2017 war hingegen nicht zum Bemessungszeitraum hinzu zu nehmen, weil er nicht vollständig im Bemessungsrahmen liegt (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 – B 11 AL 7/08 R –, SozR 4-4300 § 130 Nr 5, Rn. 19). Im Bemessungszeitraum wurde in 205 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 20.536,99 EUR erzielt, woraus sich unter Zugrundelegung der aufgezeigten Berechnung (Teilung des gesamten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts durch die tatsächliche Zahl der Tage im Bemessungszeitraum) ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 100,18 EUR ergibt. Dass hierbei das im Bemessungszeitraum erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt durch die Anzahl der Tage des Bemessungszeitraums zu dividieren ist, ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch aus dem eindeutigen Wortlaut des § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Der Monat wird entgegen § 339 Satz 1 SGB III nicht mit 30 Tagen berechnet. Auch § 154 Satz 2 SGB III ist nicht anzuwenden, da er lediglich eine Zahlungsmodalität des Arbeitslosengelds I regelt (vgl. BSG ,Urteil vom 06.05.2009, a.a.O, Rn. 19; BSG, Beschluss vom 16.02.2011, B 7 AL 156/10 B, Rn. 6; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfahlen, Urteil vom 23.11.2010, L 1 AL 174/10, Rn. 26 - jeweils nach juris; Michalla-Munsche, in: BeckOK-SGB III, Stand: 01.12.2019, § 151 SGB III, Rn. 14a). Dies ergibt sich auch eindeutig aus dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich darauf hinwies, dass das Bemessungsentgelt künftig auf Tagesbasis ermittelt werde (vgl. BT-Drs. 15/1515, 85 zu § 131 Abs.1). Danach wird das Bemessungsentgelt seit dem 01. Januar 2005 im Gegensatz zum vorherigen Recht auf Tagesbasis errechnet (Brand/Brand, 8. Aufl. 2018, SGB III § 151 Rn. 2).

Aus diesen Gründen hat die Klage keinen Erfolg haben können.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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