S 1 KO 1232/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KO 1232/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Medizinische Sachverständigengutachten zur Feststellung der Erwerbsminderung im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung sind grundsätzlich nach der Honorargruppe M2 zu vergüten.

Allein die Begutachtung eines schweren und komplexen Erkrankungsbildes führt nicht automatisch zu einer Vergütung nach der Honorargruppe M3.

Die regelmäßig von gerichtlichen Sachverständigen geforderte Auseinandersetzung mit Vorbefunden/Vorgutachten ist generell kein Argument für die Annahme einer erhöhten Schwierigkeit des Gutachtens i.S.d. Honorargruppe M3, sondern eine typische und übliche Aufgabe eines ärztlichen Sachverständigen in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren.
Die Vergütung des Antragstellers für sein im Verfahren S 2 R 2116/18 erstelltes Gutachten vom 18. Dezember 2019 mit ergänzender Stellungnahme vom 23. Dezember 2019 wird in Übereinstimmung mit dem Kostenbeamten auf 3.279,09 EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens S X R xxxx/18 streiten um die Gewährung von Versichertenrente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Der Vorsitzende der X. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe ernannte den Antragsteller mit Schreiben vom 24.05.2019 zum gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte ihn gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes auf Antrag und im Kostenrisiko der Klägerin mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Am 20.12.2019 legte der Antragsteller sein am 18.12.2019 erstelltes Gutachten im Umfang von 43 Seiten und am 27.12.2019 eine am 23.12.2019 verfasste zweiseitige ergänzende Stellungnahme hierzu vor. Hierfür beanspruchte er eine Vergütung von insgesamt 4.341,59 EUR; dabei legte er einen Zeitaufwand von 42 Stunden und 20 Minuten und ein Honorar von 100,00 EUR (Honorargruppe M3) je Stunde zu Grunde. Außerdem machte er eine Vergütung für Schreibauslagen, Fotokopien und Portokosten geltend.

Der Kostenbeamte hat nach Prüfung der Abrechnungsunterlagen und Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin des Landessozialgerichts Baden-Württemberg die Vergütung des Antragstellers auf insgesamt 3.279,09 EUR festgesetzt. Dabei hat er einen Zeitaufwand - wie geltend gemacht - von 42,5 Stunden zu je 75,00 EUR (Honorargruppe M2) berücksichtigt. Schreibauslagen, Aufwendungen für Fotokopien und Portokosten hat er in geltend gemachter Höhe (91,59 EUR) vergütet (Schreiben vom 04.03.2020).

Mit Schriftsatz vom 06.03.2020, beim Sozialgericht Karlsruhe am 09.03.2020 eingegangen, hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung seiner Vergütung beantragt mit der Begründung, sein Gutachten habe in vielfacher Weise schwierige differenzialdiagnostische Probleme dargelegt und gutachtlich beurteilt. Für die Beurteilung ihrer körperlichen Einschränkungen sei eine umfassende körperliche Untersuchung der Klägerin erforderlich gewesen. Deren Ergebnisse habe er mit einer äußerst schwierig zu überschauenden Vielzahl medizinischer Befunde aus vielen ärztliche Untersuchungen über einen mehrjährigen Zeitraum und von Ärzten verschiedener Fachgebiete vergleichen und bewerten müssen. Die Schwere der psychischen Erkrankung der Klägerin habe aufwändige Untersuchungen einschließlich Testungen und ebenfalls einen Vergleich mit bereits vorliegenden ärztlichen Unterlagen, die zu einer gänzlich anderen Beurteilung als er selbst gekommen seien, erfordert. Für die Gesamtbeurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin habe er einen interdisziplinären Ansatz erläutern und umsetzen müssen. Daher handele es sich bei seinem Gutachten um ein solches mit hohem Schwierigkeitsgrad, was eine Vergütung nach der Honorargruppe M3 rechtfertige.

Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 28.04.2020) und sie dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens des Antragstellers wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs-, Prozess- und Kostenakten Bezug genommen.

II.

Der nicht fristgebundene Antrag auf richterliche Festsetzung der Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 18.12.2019 mit ergänzender Stellungnahme vom 23.12.2019 im Verfahren S 2 R 2116/18 ist statthaft und zulässig (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG)). Er führt indes zu keiner höherer Vergütung als 3.279,09 EUR, wie von dem Kostenbeamten festgesetzt.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung u. a.

1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11) 2. 3. und 4. Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12).

Vorliegend begegnet die von dem Kostenbeamten gewährte Vergütung für Schreibauslagen in Höhe von 52,2 EUR (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG), für Kopierkosten (31,00 EUR; § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG) und der Portoaufwendungen von 8,39 EUR (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG) keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat diese Festsetzung auch nicht angegriffen.

Streitig ist allein die Zuordnung seines Gutachtens zur Honorargruppe M3 anstelle der von dem Kostenbeamten gewährten Vergütung nach der Honorargruppe M2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Kostenbeamte das Gutachten indes zu Recht nach der Honorargruppe M2 mit 75,00 EUR je Stunde vergütet.

Das Honorar für die Leistung der Sachverständigen beträgt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG bei medizinischen oder psychologischen Gutachten je nach Zuordnung zu einer Honorargruppe 60,00 EUR (M1), 75,00 EUR (M2) oder 100,00 EUR EUR (M3) je Stunde. Die konkrete Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe ist dabei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG nach der Anlage 1 zum JVEG vorzunehmen; betrifft das Gutachten einen Gegenstand, der in keiner Honorargruppe genannt wird, ist nach billigem Ermessen eine Zuordnung vorzunehmen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 JVEG). In Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1 JVEG) werden die Honorargruppen M1 bis M3 wie folgt beschrieben:

&61485; M 1: Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere in Gebührenrechtsfragen, zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung, zur Haft-, Verhandlungs- oder Vernehmungsfähigkeit oder zur Verlängerung einer Betreuung.

&61485; M 2: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten

- in Verfahren nach dem SGB IX, - zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, - zu rechtsmedizinischen und toxikologischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Feststellung einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch Alkohol, Drogen, Medikamente oder Krankheiten, - zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z. B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen), - zu einfachen Fragestellungen zur Schuldfähigkeit ohne besondere Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, - zur Einrichtung einer Betreuung, - zu Unterhaltsstreitigkeiten aufgrund einer Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit oder - zu neurologisch-psychologischen Fragestellungen in Verfahren nach der FeV.

&61485; M 3: Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten - zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, - zu ärztlichen Behandlungsfehlern, - in Verfahren nach dem OEG, - in Verfahren nach dem HHG, - zur Schuldfähigkeit bei Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik, - in Verfahren zur Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung (in Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu neurologisch/psychologischen Fragestellungen), - zur Kriminalprognose, zur Aussagetüchtigkeit, - zur Widerstandsfähigkeit, - in Verfahren nach den §§ 3, 10, 17 und 105 JGG, - in Unterbringungsverfahren, - in Verfahren nach § 1905 BGB, - in Verfahren nach dem TSG, - in Verfahren zur Regelung von Sorge- oder Umgangsrechten, - zur Geschäfts-, Testier- oder Prozessfähigkeit, - zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten oder - zu rechtsmedizinischen, toxikologischen und spurenkundlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer abschließenden Todesursachenklärung, ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer Beurteilung der Schuldfähigkeit.

Anders als bei den nichtmedizinischen Sachgebieten, die der Gesetzgeber in Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1 JVEG) jeweils einer einzigen Honorargruppe zugeordnet hat, hat er auf medizinischem (und psychologischem) Gebiet drei Honorargruppen (M1 bis M3) vorgesehen, bei denen er sich zwar um eine Ausrichtung am Gegenstand des Gutachtens bemüht hat, die aber in erster Linie aufwandsbezogen ausgestaltet sind, sich also nach ihrem Schwierigkeitsgrad unterscheiden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 182; Binz in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. 2019, § 9 JVEG Rn. 2). Bei der Zuordnung der gutachtlichen Leistungen zu den Honorargruppen M1 bis M3 ist der Gesetzgeber den Vorschlägen der Bundesärztekammer gefolgt (BT-Drucks. 15/1971, S. 186), die ihrerseits lediglich die Kategorisierung vorgegeben hat, die durch die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände durch die Aufzählung von Gutachtentypen ergänzt worden sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.09.2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A - (Juris)).

Die in Anlage 1 (zu § 9 Abs. 1 JVEG) getroffene Regelung ist für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit unvollständig, widersprüchlich und wenig praktikabel. So werden nur sehr selten vorkommende Gutachtensgegenstände ausdrücklich erwähnt – wie etwa die Verfahren nach dem HHG und dem OEG. Dagegen tauchen praktisch sehr bedeutsame Gegenstände überhaupt nicht auf – wie etwa Gutachten über die Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI oder über die Erwerbsminderung nach dem SGB VI. Letztere fallen insbesondere nicht unter die Gutachten "zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität", die bei der Honorargruppe M2 erwähnt werden. Denn im Sozialrecht ist "Minderung der Erwerbsfähigkeit" ein terminus technicus aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. § 56 SGB VII) und des sozialen Entschädigungsrechts (vgl. § 30 BVG, den § 4 HHG, § 60 IfSG und § 1 OEG jeweils in Bezug nehmen), der aber die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 33 Abs. 3 SGB VI nicht erfasst (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.09.2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A –; Sächs. LSG, Beschlüsse vom 26.04.2010 – L 6 AS 118/10 B KO – und vom 21.01.2015 - L 8 SF 21/12 E - und Thür. LSG, Beschluss vom 19.05.2014 - L 6 SF 1614/13 E - (jeweils Juris)). Und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung hängen schon seit langem nicht mehr vom Bestehen von "Invalidität" ab, sondern von heute als "voller" oder "teilweiser Erwerbsminderung" (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI) bezeichneten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit (LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Folglich müssen gerade die in der Sozialgerichtsbarkeit mit am häufigsten vorkommenden Gutachten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 JVEG nach billigem Ermessen einer Honorargruppe zugeordnet werden.

Ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI – so genannte Rentengutachten –, wie es vorliegend auch der Antragsteller erstellt hat, ist grundsätzlich der Honorargruppe M 2 zuzuordnen.

Solche Gutachten sind regelmäßig durchschnittlich schwierig und rechtfertigen daher grundsätzlich (nur) eine Vergütung nach der Honorargruppe M2 (h. M., Thür. LSG, Beschlüsse vom 03.09.2012 – L 6 SF 958/12 B – und vom 19.05.2014 - L 6 SF 1614/13 E -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.09.2011 – L 2 SF 254/11 –; Hess. LSG, Beschluss vom 03.02.2011 – L 2 R 490/10 –; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.07.2010 – L 3 RJ 154/05 –; Bay. LSG, Beschluss vom 23.09.2009 – L 15 SF 188/09 –; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.05.2015 – L 12 SF 1072/14 E – sowie Sächs. LSG, Beschluss vom 21.01.2015 - L 8 SF 21/12 E (jeweils Juris); vgl. auch Reyels, jurisPR-SozR 18/2010 Anm. 6). Es handelt sich bei ihnen nämlich regelmäßig um so genannte Zustandsgutachten, wie sie die Honorargruppe M2 umfasst ("Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung"). Vor dem Hintergrund des Begriffs der verminderten Erwerbsfähigkeit (§ 43 SGB VI) erfordern sie – ausgehend von festgestellten medizinischer Diagnosen – die Feststellung und Beurteilung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens des jeweiligen Klägers sowie die Bewertung, inwieweit das Leistungsbild mit dem Anforderungsprofil konkreter Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt übereinstimmt. Über die Feststellung des Gesundheitszustands hinausgehende Fragen des Kausalzusammenhangs zwischen den einzelnen festgestellten Gesundheitsstörungen und schädigenden Ereignissen oder Einwirkungen, die typisierend Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad begründen können, sind dagegen nicht zu erörtern. Die Ätiologie der Gesundheitsstörungen ist rentenrechtlich nicht bedeutsam. Maßgeblich sind vorrangig die mit der Gesundheitsstörung einhergehenden Funktionseinschränkungen. Daher sind ebenso regelmäßig keine umfassenden Prognoseentscheidungen zu treffen.

Die Anforderungen an die gutachtliche Tätigkeit des Antragstellers im vorliegenden Rechtsstreit in der Beweisanordnung des Vorsitzenden der X. Kammer vom 24.05.2019 entsprachen einem Standard-Rentengutachten und stellten keine besonderen Schwierigkeiten dar, die eine Einordnung in die Honorargruppe M3 gebieten würden. Denn nach dem Gutachtensauftrag hatte der Antragsteller ein Gutachten zu den Gesundheitsstörungen der Klägerin zu erstatten und hierbei insbesondere das positive und negative Leistungsbild in zeitlicher Hinsicht sowie bezogen auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einschließlich der rentenrechtlichen Wegefähigkeit zu ermitteln. Allein die Begutachtung eines schweren und komplexen Erkrankungsbildes führt für sich genommen nicht zur Einstufung in die Honorargruppe M3. Im Fall der begutachteten Klägerin war die Frage, welche konkrete Gesundheitsstörung auf anästhesiologischem und/oder psychiatrischem Fachgebiet bei ihr vorliegt, als solche auch nicht entscheidungserheblich. Problematisch stellte sich vielmehr allein die Beurteilung der Auswirkungen der Gesundheitsstörung auf ihr berufliches Leistungsvermögen dar. Die Ätiologie des Erkrankungsbildes oder etwaige differentialdiagnostische Betrachtungen waren von vornherein nicht nachgefragt.

Die regelmäßig von gerichtlichen Sachverständigen geforderte Auseinandersetzung mit Vorbefunden und Vorgutachten als solche, auch wenn es sich um eine "äußerst schwierig zu überschauenden Vielzahl von medizinischen Befunden aus vielen ärztlichen Untersuchungen" "während mehrerer Jahre von Ärzten verschiedener Fachgebiete" handelt, ist generell kein Argument für die Annahme einer erhöhten Schwierigkeit des Gutachtens, sondern eine typische und übliche Aufgabe eines ärztlichen Sachverständigen in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2011 – L 2 SF 254/11 -; Thür. LSG vom 17.04.2014 – L 6 SF 433713 E -; Sächs. LSG vom 21.01.2015 – L 8 SF 21/12 E -; Bay. LSG vom 04.08.2016 – L 15 RF 15/16 – und LSG Baden-Württemberg vom 19.12.2014 – L 12 SF 3290/14 E-B - und vom 31.05.2017 – L 12 SF 3137/15 E - (jeweils juris)). Diese Tätigkeit schlägt sich überdies in erster Linie in einem – wie auch hier – erhöhten Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens nieder, den der Kostenbeamte in vollem Umfang berücksichtigt hat.

Soweit der Antragsteller ausführt, er habe für die Beurteilung der körperlichen Einschränkungen "eine umfassende körperliche Untersuchung" und für die Beurteilung der Schwere der Depressionserkrankung "eine aufwändige Untersuchung einschließlich Testung" durchführen müssen, führt auch dies nicht zu einem erhöhten Schwierigkeitsgrad seiner gutachtlichen Tätigkeit und damit einer Einstufung in die Honorargruppe M3. Denn auch diese Leistungen schlagen sich ausschließlich in dem für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Zeitaufwand einschließlich desjenigen für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen nieder.

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass der Antragsteller in der Gesamtbeurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin zu einer gänzlich anderen Beurteilung als die vor beurteilenden Ärzte gekommen ist, keine besondere oder hohe Schwierigkeit seines Gutachtens.

Damit ist die von dem Kostenbeamten vorgenommene Zuordnung des Gutachtens des Antragstellers vom 18.12.2019 mit ergänzender Stellungnahme vom 23.12.2019 zur Honorargruppe M2 und die Vergütung des reinen Zeitaufwands für 42,5 Zeitstunden zu je 75,00 EUR, das sind 3.187,50 EUR, nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der vorliegend nicht streitigen weiteren Abrechnungspositionen (Schreibgebühren, Kopien und Porto) in Höhe von insgesamt 91,59 EUR ist deshalb die Vergütung des Antragstellers insgesamt auf 3.279,09 EUR festzusetzen.

Dieses Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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