S 1 AS 1991/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 1991/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Aufwendungen, für die Darlehen oder Zuschüsse nach § 16c SGB II gewährt worden sind, sind nach § 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V nicht als Betriebsausgaben oder Investitionen zu berücksichtigen; etwas Anderes gilt für Zins- und Tilgungsaufwendungen des Darlehens.
2. Denkbar ist, dass eine nähere Zweckbestimmung des Darlehens oder Zuschusses die Nichtberücksichtigung auf bestimmte Aufwendungen beschränkt (hier offen gelassen).
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die endgültige Festsetzung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1955 geborene Kläger zu 1 ist der Ehemann der 1962 geborenen Klägerin zu 2; beide sind Eltern der 2004 geborenen Klägerin zu 3. Im hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2017 lebten sie in einer Haushaltsgemeinschaft. Der Beklagte gewährte mit Bewilligungsbescheid vom 2. Januar 2017 in der Gestalt des Abänderungsbescheides vom 21. Februar 2017 den Klägern zu 1 bis 3 (Januar bis März 2017) bzw. - nach der Gewährung von Altersrente an den Kläger zu 1 - den Klägern zu 2 und 3 (April bis Juni 2017) vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 82,89 EUR (Januar bis März 2017) bzw. 119,55 EUR (April bis Juni 2017). Die Klägerin zu 2 war in dieser Zeit mit einem Geschäft für Geschenk- und Dekorationsartikel, Seidenblumengestecke und Schmuckkerzenarrangements gewerblich tätig. Bei der vorläufigen Leistungsbewilligung ging der Beklagte von Einkünften in Höhe von monatlich 0,01 EUR aus.

Der Klägerin zu 2 wurde mit Bescheid vom 10. Januar 2017 ein Darlehen über 4000 EUR als Förderung nach § 16c SGB II gewährt. Im Bewilligungsbescheid ist ausgeführt: "Ihrem Antrag vom 21.11.2016 auf Darlehen für die Beschaffung von Sachgütern, die für die Ausübung ihrer beruflichen selbständigen Tätigkeit notwendig sind, wird in vollem Umfang stattgegeben."

In der abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) vom 27. Oktober 2017 sind für den genannten Zeitraum Betriebseinnahmen i.H.v. 5052,08 EUR und Betriebsausgaben in Höhe von 6709,35 EUR, damit ein Verlust von insgesamt 1657,24 EUR angegeben worden.

Mit zwei Bewilligungsbescheiden vom 4. Dezember 2017, gerichtet an den Kläger zu 1, auch in Vertretung für die Klägerin zu 3, sowie an die Klägerin zu 2 wurden vom Kläger zu 1 ein Betrag von 34,18 EUR, von der Klägerin zu 2 ein Betrag von 402,16 EUR und von der Klägerin zu 3 ein Betrag von 201,00 EUR zurückgefordert, was den gesamten im Zeitraum Januar bis Juni 2017 gewährten Leistungen entspricht. In der Begründung wurde jeweils ausgeführt, dass über den Leistungsanspruch endgültig entschieden habe werden können. Daher sei festgestellt worden, dass sie keinen Anspruch auf Leistungen hätten. Abweichend zu den Angaben der Kläger in der EKS habe man betriebliche Ausgaben in Höhe des Darlehens von 4000 EUR nicht, hingegen die Darlehnstilgung von monatlich 182,00 EUR als Betriebsausgaben berücksichtigt. Die Berechnung sei dem beiliegenden Berechnungsbogen zu entnehmen.

Die Kläger legten hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, das Darlehen sei ein einkommensneutrales Recht, keine Betriebseinnahme und die damit getätigten Anschaffungen keine gewinnmindernden Ausgaben. Es sei für den Aufbau der Firma und nicht für die Sicherung des jeweiligen Lebensunterhaltes gewährt worden. Die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit seien wieder unmittelbar für Sachgüter (Ware) eingesetzt worden. Man habe sie auch nicht auf die von dem Beklagten vorgenommene Abrechnungsweise hingewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2018 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als weitere Ausgaben i.H.v. 40,06 EUR (gezahlte Umsatzsteuer im Mai 2017) berücksichtigt wurden. Insoweit mindere sich die Rückforderungssumme. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass nach § 3 Abs. 3 Satz 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) darlehensfinanzierte Ausgaben im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit nicht von den Einnahmen abzusetzen seien.

Die Kläger zu 1 und 2 haben am 18. September 2018 Klage erhoben und haben im Laufe des Gerichtsverfahrens (Schriftsatz vom 14. Januar 2020) darauf hingewiesen, dass ihre Tochter (Klägerin zu 3) Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Zur Begründung führen die Kläger aus, das Darlehen sei zweckgebunden erteilt worden und dürfe nur insoweit berücksichtigt werden, als es tatsächlich für den Wareneinkauf Verwendung gefunden habe. Waren seien im maßgeblichen Zeitraum insgesamt nur i.H.v. 3722,06 EUR eingekauft worden. Hiervon seien lediglich ein Teil aus dem Darlehen, das Übrige aus laufenden Betriebseinnahmen bestritten worden. Privatentnahmen seien nicht erfolgt. Die unternehmerische Entscheidung der Klägerin zu 2, mit den Betriebseinnahmen zunächst die Betriebsausgaben, die nicht Wareneinkäufe seien, zu bestreiten, und nachrangig, wenn ein Rest der Betriebseinnahmen verbliebe, die Wareneinkäufe zu bezahlen, und nur wenn der Rest der Betriebseinnahmen hierzu nicht ausreiche, auf das Darlehen zurückzugreifen, sei vernünftig und nachvollziehbar. So habe sie in Monaten, in denen die Betriebseinnahmen nicht ausreichten, um zu bestreitende Betriebsausgaben zu bezahlen, noch über Darlehensmittel zur Bezahlung der Wareneinkäufe verfügen können. Am Ende des Leistungszeitraums seien von dem Darlehen noch 1525,21 EUR übriggeblieben. Abzüglich des Freibetrages nach § 11b Abs. 2 SGB II ergebe sich monatlich lediglich ein anzurechnendes Einkommen von 24,80 EUR.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hält seine Entscheidung für zutreffend und verweist zur Begründung insbesondere auf den Widerspruchsbescheid. Er führt aus, wenn ein Darlehen nicht oder nicht vollständig für Investitionen oder Ausgaben eingesetzt werde, würden die Betriebsausgaben, um einen Betrag bis zur Höhe des aufgenommenen Darlehens vermindert. Dabei spiele es keine Rolle, ob das Darlehen vollständig ausgeschöpft werde oder nicht.

Der Sach- und Streitstand ist mit den Beteiligten am 18. Februar 2020 erörtert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

Nach gerichtlichem Hinweis auf Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Rückforderungen nach der Reduzierung der Gesamtforderung im Widerspruchsbescheid um 40,06 EUR hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben. Danach kommt der Reduzierungsbetrag nunmehr jedem einzelnen Kläger zugute. Im Falle des Klägers zu 1 ist der bisherige Rückforderungsbetrag vollständig entfallen. Bei der Klägerin zu 2 ist er auf 362,10 EUR und bei der Klägerin zu 3 auf 160,95 EUR reduziert worden. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Beklagten vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren und hierbei ein monatliches Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von 24,80 EUR statt von 228,16 EUR zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist zulässig.

Die Klage war ausdrücklich nur von den Klägern zu 1 und 2 erhoben worden, nicht aber der Klägerin zu 3. Die ausnahmsweise Heranziehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes für die Antwort auf die Frage, wer im Rahmen von Bedarfsgemeinschaften Kläger ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG auf die Zeit bis zum 30. Juni 2007 befristet (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 12/18 R), die Klage war nicht ausdrücklich nur zur Fristwahrung erhoben worden (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2019, B 14 AS 20/18 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 102) und die Kläger waren anwaltlich vertreten (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2019, B 14 AS 15/18 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 86; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019, B 14 AS 2/19 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 104). Der Hinweis, dass auch die Klägerin zu 3 Teil der Bedarfsgemeinschaft sei, ist damit als Eintritt einer neuen Klägerin in das Klageverfahren anzusehen. Hierauf hat das Gericht hingewiesen. Auf den Eintritt eines neuen Klägers in das Klageverfahren finden die Regelungen der Klageänderung Anwendung (statt aller: Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 90 Rn. 6). Diese ist nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG zulässig, nachdem sich der Beklagte hierauf eingelassen, damit in die Klageänderung eingewilligt hat.

Die Klage richtet sich gegen die beiden Bescheide vom 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2018. Die Klage ist im Umfang des angenommenen Teilanerkenntnisses in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Ob die Klage hinsichtlich der Klägerin zu 3 schon deswegen keinen Erfolg haben kann, da die angefochtenen Bescheide ihr gegenüber bereits bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden sind, weil sie erst mit dem Schreiben vom 14. Januar 2020, damit nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG der Klage der Kläger zu 1 und zu 2 beigetreten ist, kann das Gericht offenlassen.

Nach § 41a Abs. 3 SGB II entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende - hier der Beklagte als gemeinsame Einrichtung (§ 44b SGB II) - abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 3 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen; als solches ist für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt.

Die Bescheide vom 4. Dezember 2017 sind als abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch anzusehen, auch wenn einige Formulierungen ("entschieden werden konnte", "wurde festgestellt") darauf hindeuten könnten, es gebe eine hiervon getrennte Entscheidung über die Leistungshöhe und in den Bescheiden werden lediglich die Erstattung geregelt. Dem ist aber nicht so. Zugleich wurde in den Bescheiden vom 4. Dezember 2017 ausgeführt, dass die Kläger im maßgeblichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhalts haben. Weiterhin wurde auf beiliegende Berechnungsbögen verwiesen, welche das in den einzelnen Monaten jeweils den Bedarf übersteigende Einkommen auswies. Für die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten maßgeblich, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (st. Rspr, s. nur BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 38/13 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 47). Für die Kläger war aus der Gesamtheit der Bescheide klar erkennbar, dass die Leistungen für Januar bis Juni 2017 auf Null festgesetzt wurden.

Diese Festsetzung ist auch zutreffend.

Ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II Hilfebedürftigkeit voraus. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Kläger lebten im Zeitraum Januar bis März 2017 in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II), so dass nach § 9 Abs. 2 SGB II Einkommen gegenseitig zu berücksichtigen ist. Für die Zeit von April 2017 lebten sie in einer Haushaltsgemeinschaft von Verwandten, für die nach § 9 Abs. 5 SGB II vermutet wird, dass Leistungen gewährt werden, soweit dies nach dem Einkommen erwartet werden kann.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 13 SGB II erlassene Alg II-V regelt in ihrem § 3 die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alg II-V ist bei der Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen auszugehen. Nach § 3 Abs. 2 Alg II-V sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben (mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge) ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen.

Der Beklagte hat seiner Berechnung die von den Klägern angegebenen betrieblichen Ausgaben vollständig zugrunde gelegt. Streitig ist lediglich die Berücksichtigung der Darlehensleistung. Hierzu regelt § 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V: "Ausgaben sind ferner nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind."

§ 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V stellt nicht darauf ab, ob die Ausgaben "aus dem Darlehen" getätigt worden sind, sondern ob das Darlehen "für sie" (also für die Ausgaben) gewährt worden ist. Das Darlehen ist zum Aufbau einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin zu 2 gewährt worden. Hierfür ist es auch einzusetzen und zwar in dem Umfang und zu dem Zeitpunkt, in dem die durch das Darlehen gewährte Geldleistung benötigt wird. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Darlehens, so dass es keiner gesonderten Regelung durch das Jobcenter bedarf, zu welchem Zeitpunkt es einzusetzen ist. Dieser ergibt sich vielmehr aus der betrieblichen Notwendigkeit. Hier endet auch die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung, auf die die Kläger abstellen. Sie berechtigt nicht dazu, zielgerichtet gewährte Leistungen für eine spätere Verwendung ("für schlechtere Zeiten") zurückzuhalten und so Leistungsansprüche auf Arbeitslosengeld II entstehen zu lassen.

Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2012, L 9 AS 757/11, und des SG Leipzig vom 4. September 2013, S 17 AS 3292/11, auf welche die Kläger verwiesen haben, vermögen hier schon deswegen keine Bedeutung zu erlangen, da sie Sachverhalte betreffen, die vor der Einführung des § 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V lagen. Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) mit Wirkung vom 1. April 2011 (siehe Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes) eingefügt worden. Im Übrigen ging es in den genannten Entscheidungen um die Berücksichtigung von betrieblichen Darlehen als Einkommen, nicht um eine Verminderung betriebliche Ausgaben durch Darlehensleistungen.

Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 bis 11b SGB II (Stand: 18. August 2016; hier 11.32) stellen auf die "mit dem Darlehen getätigten allgemeinen Betriebsausgaben oder Investitionen" ab. Das könnte so verstanden werden, dass lediglich die Betriebsausgaben und Investitionen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden können, die aus Mitteln des Darlehens bezahlt worden sind. Dieses Verständnis erscheint aber nach dem Wortsinn nicht zwingend und steht zudem dem dargelegten Regelungszweck entgegen. Als Verwaltungsvorschriften binden die Fachlichen Weisungen das Gericht ohnehin nicht (vgl. nur LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Januar 2016, L 31 AS 1974/15).

Ob die Bestimmung im Bescheid vom 10. Januar 2017 "für die Beschaffung von Sachgütern, die für die Ausübung ihrer beruflichen selbständigen Tätigkeit notwendig sind" als Zweckbestimmung zu sehen ist, mit der Bindung, dass hieraus nur Wareneinkäufe bestritten werden dürfen und dies entsprechend im Rahmen des § 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V ("für sie") Berücksichtigung finden muss, braucht das Gericht nicht zu entscheiden. Hierauf deuten die Ausführungen im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2014, L 12 AS 1858/13, juris-Rn. 28, hin. Dort unterschied das Gericht zwischen Ausgaben, die sich einem Investitionsplan (als Teil eines Businessplans) zuordnen ließen, der wiederum Grundlage eines zweckgebundenen Förderkredits einer Bank war, und anderen Ausgaben, die darin nicht vorgesehen waren.

Folge einer solchen Betrachtung wäre, dass lediglich die Betriebsausgaben für den Wareneinkauf um die Darlehenshöhe zu vermindern wären. Damit würden sich die gewerblichen Einnahmen im Zeitraum Januar bis Juni 2017 gegenüber der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Berechnung des Beklagten lediglich um 277,94 EUR (4000 EUR - 3722,06 EUR) verringern. Auch in diesem Fall würde sich kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ergeben.

Den nach § 41a Abs. 5 SGB II vorgegebenen Zeitraum für die endgültige Entscheidung von einem Jahr nach Ablauf des Bewilligungszeitraums hat der Beklagte ebenfalls eingehalten.

Nach § 41a Abs. 6 Satz 1 und 3 SGB II sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten. Die sich somit ergebenden Erstattungen hat der Beklagte in den Bescheiden vom 4. Dezember 2017 im Verhältnis der gewährten Leistungen auf die Kläger verteilt. Die einzelnen Erstattungsbeträge sind bei Hinzunahme der Teilabhilfe im Widerspruchsbescheid und des im Laufe des Klageverfahrens erklärten Teilanerkenntnisses hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch.

Damit hat die Klage keinen Erfolg haben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass im Widerspruchsverfahren eine Teilabhilfe sowie im Laufe des Klageverfahrens ein Teilanerkenntnis ergangen ist, die die Rückforderungen jeweils reduzieren. Zur Klarstellung weist das Gericht darauf hin, dass die gerichtliche Entscheidung über die Kosten wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung an die Stelle derjenigen im Widerspruchsverfahren (Erstattung von 10 v.H. der außergerichtlichen Kosten der Kläger im Widerspruchsverfahren) tritt, die gegenstandslos geworden ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016, B 14 AS 50/15 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 25).

Die Berufung bedarf der Zulassung, da der Beschwerdegegenstand 750,00 EUR nicht übersteigt und auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG). Bei Berücksichtigung der Berechnung der Kläger würde sich ein geringfügig geringerer Leistungsanspruch als die vorläufig gewährten Leistungen ergeben, der unter 750,00 EUR bliebe.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, so dass die Berufung zugelassen wird.
Rechtskraft
Aus
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