Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 SO 137/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 95/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 10/17 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Erstattungsanspruch zwischen zwei Sozialhilfeträgern wegen der vom Kläger im Rahmen eines persönlichen Budgets an den Leistungsempfänger C. C. im Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.08.2013 erbrachten Leistungen im Umfang von 1.500,00 EUR.
Der 1968 geborene Leistungsempfänger C. C. (LE) hatte mit Schreiben vom 16.02.2013 Eingliederungshilfeleistungen in Form eines persönlichen Budgets beim Kläger beantragt. Im Rahmen eines am 22.04.2013 geführten Budgetgesprächs stellte sich für den Kläger heraus, dass seine Leistungszuständigkeit nicht gegeben war, da der LE lediglich Hilfen für den Bereich der Hauswirtschaft und der Mobilität benötigte. Unter Annahme der Anwendbarkeit des § 14 SGB IX und der insoweit unterbliebenen Weiterleitung des Antrages des LE innerhalb der 2-Wochen-Frist an den für zuständig gehaltenen Beklagten erließ der Kläger unter dem 15.05.2013 einen Bewilligungsbescheid und gewährte dem LE für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2013 ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten als aus seiner Sicht zuständigen Leistungsträger geltend.
Mit Schreiben vom 27.10.2014 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab. Dazu führte er aus, im vorliegenden Fall habe der Kläger bereits beim Budgetgespräch festgestellt, dass die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers gegeben sei. Ohne Kontaktaufnahme mit dem Beklagten habe der Kläger sodann mit Bescheid vom 15.05.2013 das persönliche Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR bewilligt. Aus Sicht des Beklagten seien die beschriebenen praktischen Hilfen gar keine Leistungen, die durch ein persönliches Budget abzudecken seien. Darüber hinaus sei zu prüfen gewesen, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gegeben sei. So sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob der Kläger geprüft habe, ob der LE einen Anspruch auf eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe gehabt habe. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE seien ungeklärt. Der Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung Arbeitslosengeld I bezogen habe. Inzwischen erhalte er Leistungen nach dem SGB II. Die Akte enthalte keine Feststellung, dass der LE zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht arbeitsfähig im Sinne des SGB II gewesen sei. Für eine Haushaltshilfe sei dann die Zuständigkeit des Jobcenters Waldeck-Frankenberg gegeben gewesen. Vom Kläger sei nicht ausreichend ermittelt worden, ob die Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorliegen würden. Nach Auffassung des Beklagten seien seine Interessen im vorliegenden Fall nicht gewahrt worden. Eine Erstattung sei daher nicht möglich.
Mit der am 09.12.2015 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Klage verfolgt der Kläger gegenüber dem Beklagten seinen Erstattungsanspruch im Umfang von 1.500,00 EUR weiter. Dazu machte er geltend, ihm stehe wegen der erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR gegenüber dem Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch nach §§ 102ff. SGB X zu. Der Kläger habe als erstangegangener Rehabilitationsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit den Leistungsantrag nicht gemäß § 14 SGB IX weitergeleitet, so dass dies im Erstattungsverhältnis zum Beklagten als zuständigen Leistungsträger eine lediglich nachrangige Zuständigkeit begründe. Der Kläger habe zunächst davon ausgehen müssen, dass er der zuständige Leistungsträger sei, so dass eine Weiterleitung nach § 14 SGB IX nicht erfolgt sei. Selbst wenn man vorliegend davon ausgehe, dass die Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 SGB XII grundsätzlich zu beachten sei, komme nach Auffassung des Klägers die Ausnahme nach § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII (vorläufige Leistungserbringung) zum Tragen, was im Ergebnis doch zur Anwendbarkeit von § 110 SGB X führe. Mithin scheitere die erhobene Klage nicht bereits an der Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 SGB XII. Nach § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gelte die Bagatellgrenze nicht in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Diese Ausnahmeregelung sei wegen der vergleichbaren Sachlage bei Kostenerstattungsansprüchen entsprechend auf die Fälle der vorläufigen Leistung nach § 110 SGB X anzuwenden mit der Folge, dass die allgemeine Regelung des § 110 Satz 2 SGB X gelte. Daran ändere sich nichts dadurch, dass sich § 98 Abs. 2 SGB XII auf stationäre Leistungen beziehe. Es komme lediglich darauf an, ob es sich in rechtlicher Hinsicht um eine vorläufige Leistung handele. Es würden aber auch grundsätzliche Zweifel bestehen, ob § 110 Abs. 2 SGB XII im vorliegenden Fall überhaupt einschlägig sein könne. Weil sich die Rechtsfrage, ob die Ausnahme nach § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII auch bei Kostenerstattungsansprüchen nach § 102 SGB X gelte, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine stationäre Leistung handele, nach dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres eindeutig zu beantworten sei, dürfte die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG haben. Die Berufung sei daher zuzulassen. Deswegen und aufgrund der Tatsache, dass es auch zukünftig zu entsprechenden Rechtstreitigkeiten kommen könne, bei denen diese Rechtsfragen relevant werden könnten, werde am Klageantrag festgehalten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihm die für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.08.2013 an den Leistungsempfänger C. C. für ein persönliches Budget erbrachten Leistungen in Höhe von 1.500,00 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dazu führt der Beklagte aus, der LE habe mit Schreiben vom 16.02.2013 ein persönliches Budget zur Unterstützung in den Bereichen Hauswirtschaft, Mobilität und Betreuung beantragt. Bei einem Budgetgespräch am 22.04.2013 habe der LE die pädagogische Betreuung abgelehnt. Er habe lediglich praktische Hilfe gefordert. Aufgrund einer leichten geistigen Behinderung und einer Mobilitätseinschränkung sei die Notwendigkeit von praktischer Hilfe bei der Reinigung der Wohnung, bei der Wäschepflege und beim Einkaufen sowie bei der Mobilität festgestellt worden. Bei dem Budgetgespräch sei festgestellt worden, dass die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers gegeben sei. Trotz dieser Kenntnis sei ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Beklagten mit Bescheid vom 15.05.2013 ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR bewilligt worden. Nach Auffassung des Beklagten handele es sich bei den gewährten praktischen Hilfen nicht um Leistungen, die durch ein persönliches Budget abzudecken gewesen seien. Auch sei zu prüfen gewesen, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gegeben gewesen sei. Weder habe der Kläger geprüft, ob eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe hätte beansprucht werden können, noch seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE eindeutig gewesen. Jedenfalls habe der Kläger nicht ausreichend ermittelt, ob die Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorgelegen hätten. Der Kläger begründe im Rahmen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nunmehr die Leistungsgewährung mit der Anwendung des § 14 SGB IX. Hierzu sei festzustellen, dass der Kläger die in § 14 Abs. 2 SGB IX genannte Frist von drei Wochen nicht eingehalten habe. Für den Beklagten sei nicht nachvollziehbar, warum vor der Leistungsgewährung keine Rücksprache gehalten worden sei, zumal bereits vor der Leistungsgewährung festgestellt worden sei, dass die Zuständigkeit des Beklagten gegeben sei. Bereits im Budgetgespräch am 22.04.2013 sei der LE auf die Unzuständigkeit des Klägers hingewiesen worden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass der Landkreis Waldeck-Frankenberg zuständig sei und dass ihm der zuständige Sachbearbeiter noch genannt werden würde. Zudem sei aus der dem Beklagten überlassenen Leistungsakte nicht ersichtlich, dass der Kläger die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung am 15.05.2013 überprüft habe. Es bleibe dabei, dass nach Auffassung des Beklagten seine Interessen im vorliegenden Fall nicht gewahrt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Im Übrigen weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt, soweit er für die Entscheidung relevant ist.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach den Bestimmungen der §§ 102ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheitert bereits an der Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach Satz 1 dieser im zweiten Abschnitt des Dreizehnten Kapitels des SGB XII mit dem Titel "Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe" geregelten Bestimmung sind Kosten unter 2.560,00 EUR, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungserbringung von bis zu 12 Monaten, außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs. 2 Satz 3 nicht zu erstatten. Mit der vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattung im Gesamtumfang von 1.500,00 EUR erreicht diese den in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII genannten Grenzwert nicht.
Anders als der Kläger meint, stellt die in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII geregelte Bagatellgrenze eine Sonderbestimmung der Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe im Sinne von § 37 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch für solche wie im vorliegenden Fall vom Kläger geltend gemachten Erstattungsansprüche nach den Bestimmungen der §§ 102ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Die in den §§ 102ff. SGB X geregelten Erstattungsansprüche beziehen sich auf solche zwischen Leistungsträgern allgemein. Insoweit stellt das Erstattungsrecht der §§ 102ff. SGB X eine abschließende Regelung dar (Roos/von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Auflage, vor §§ 102 - 114, Randnr. 18). Soweit allerdings in den besonderen Teilen des SGB hiervon abweichende Regelungen enthalten sind, gehen diese gemäß § 37 SGB I vor. Derartige spezielle Erstattungstatbestände für einzelne Sozialleistungsbereiche finden sich daher auch im Bereich der Sozialhilfe im zweiten Abschnitt des Dreizehnten Kapitels des SGB XII in den §§ 106ff. (vgl. hierzu Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe, Kommentar, 3. Auflage, § 110, Randnr. 9; Roos, a. a. O., Randnr. 18; Schoch in LPK-SGB XII-Kommentar, 9. Auflage, § 110 SGB XII, Randnr. 13ff.; Schellhorn in Schellhorn, Hohm, Scheider, SGB XII, Kommentar, 19. Auflage, § 110, Randnr. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.04.2014, L 7 SO 3090/12, zitiert nach juris, Randnr. 24). Keineswegs regelt also die Bagatellbestimmung des SGB XII nur die dort vorgesehenen Erstattungen zwischen den Sozialhilfeträgern, sondern gilt auch für die allgemeinen im SGB X geregelten Erstattungen zwischen Leistungsträgern, sofern es sich eben gerade, wie vorliegend, um Träger der Sozialhilfe handelt.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt die in § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII geregelte Nichtanwendbarkeit der Bagatellgrenze nur für vorläufig und als stationäre Behandlung erbrachte Leistungen nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Solche (vorläufig) erbrachten stationären Leistungen stehen vorliegend jedoch nicht im Streit. Die Nichtanwendbarkeit der Bagatellgrenze ist auch, anders als der Kläger meint, auf die vorläufige Leistungserbringung im Rahmen der stationären Aufnahme beschränkt. Insoweit ist die gesetzliche Bestimmung eindeutig. Eine Ausdehnung und Analoganwendung auf ambulante Leistungsfälle nach § 14 SGB IX ist nicht möglich.
Losgelöst davon, dass die vom Kläger begehrte Kostenerstattung die in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII festgelegte Bagatellgrenze nicht erreicht, ist das Gericht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten davon überzeugt, dass der Kläger bei der Bewilligung von Leistungen an den Hilfeempfänger in Form der Gewährung eines monatlichen persönlichen Budgets den so genannten Interessenwahrungsgrundsatz des § 110 Abs. 1 SGB XII nicht ausreichend berücksichtigt und sozialhilferechtliche Grundsätze unbeachtet gelassen hat. Insbesondere hinsichtlich der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen für die Leistungsgewährung unerlässliche Bedürftigkeitsfeststellung fehlt es zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung im Mai 2013 an den Hilfeempfänger an einer ausreichenden Überprüfung und Feststellung dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Darüber hinaus lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen, dass der Kläger vor Erlass der Bewilligungsentscheidung zur ausschließlichen Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers ausreichend ermittelt hätte.
Die Klage war nach alledem abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 117 VwGO und § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG bedarf die Berufung vorliegend der Zulassung, weil der Wert der Erstattungsstreitigkeit zwischen den Beteiligten unter 10.000,00 EUR liegt. Das Gericht hat die Berufung jedoch gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Denn zur Anwendbarkeit der Bagatellgrenze bei der vorliegenden Fallkonstellation liegt keine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Erstattungsanspruch zwischen zwei Sozialhilfeträgern wegen der vom Kläger im Rahmen eines persönlichen Budgets an den Leistungsempfänger C. C. im Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.08.2013 erbrachten Leistungen im Umfang von 1.500,00 EUR.
Der 1968 geborene Leistungsempfänger C. C. (LE) hatte mit Schreiben vom 16.02.2013 Eingliederungshilfeleistungen in Form eines persönlichen Budgets beim Kläger beantragt. Im Rahmen eines am 22.04.2013 geführten Budgetgesprächs stellte sich für den Kläger heraus, dass seine Leistungszuständigkeit nicht gegeben war, da der LE lediglich Hilfen für den Bereich der Hauswirtschaft und der Mobilität benötigte. Unter Annahme der Anwendbarkeit des § 14 SGB IX und der insoweit unterbliebenen Weiterleitung des Antrages des LE innerhalb der 2-Wochen-Frist an den für zuständig gehaltenen Beklagten erließ der Kläger unter dem 15.05.2013 einen Bewilligungsbescheid und gewährte dem LE für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2013 ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten als aus seiner Sicht zuständigen Leistungsträger geltend.
Mit Schreiben vom 27.10.2014 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab. Dazu führte er aus, im vorliegenden Fall habe der Kläger bereits beim Budgetgespräch festgestellt, dass die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers gegeben sei. Ohne Kontaktaufnahme mit dem Beklagten habe der Kläger sodann mit Bescheid vom 15.05.2013 das persönliche Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR bewilligt. Aus Sicht des Beklagten seien die beschriebenen praktischen Hilfen gar keine Leistungen, die durch ein persönliches Budget abzudecken seien. Darüber hinaus sei zu prüfen gewesen, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gegeben sei. So sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob der Kläger geprüft habe, ob der LE einen Anspruch auf eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe gehabt habe. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE seien ungeklärt. Der Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung Arbeitslosengeld I bezogen habe. Inzwischen erhalte er Leistungen nach dem SGB II. Die Akte enthalte keine Feststellung, dass der LE zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht arbeitsfähig im Sinne des SGB II gewesen sei. Für eine Haushaltshilfe sei dann die Zuständigkeit des Jobcenters Waldeck-Frankenberg gegeben gewesen. Vom Kläger sei nicht ausreichend ermittelt worden, ob die Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorliegen würden. Nach Auffassung des Beklagten seien seine Interessen im vorliegenden Fall nicht gewahrt worden. Eine Erstattung sei daher nicht möglich.
Mit der am 09.12.2015 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Klage verfolgt der Kläger gegenüber dem Beklagten seinen Erstattungsanspruch im Umfang von 1.500,00 EUR weiter. Dazu machte er geltend, ihm stehe wegen der erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR gegenüber dem Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch nach §§ 102ff. SGB X zu. Der Kläger habe als erstangegangener Rehabilitationsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit den Leistungsantrag nicht gemäß § 14 SGB IX weitergeleitet, so dass dies im Erstattungsverhältnis zum Beklagten als zuständigen Leistungsträger eine lediglich nachrangige Zuständigkeit begründe. Der Kläger habe zunächst davon ausgehen müssen, dass er der zuständige Leistungsträger sei, so dass eine Weiterleitung nach § 14 SGB IX nicht erfolgt sei. Selbst wenn man vorliegend davon ausgehe, dass die Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 SGB XII grundsätzlich zu beachten sei, komme nach Auffassung des Klägers die Ausnahme nach § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII (vorläufige Leistungserbringung) zum Tragen, was im Ergebnis doch zur Anwendbarkeit von § 110 SGB X führe. Mithin scheitere die erhobene Klage nicht bereits an der Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 SGB XII. Nach § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gelte die Bagatellgrenze nicht in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Diese Ausnahmeregelung sei wegen der vergleichbaren Sachlage bei Kostenerstattungsansprüchen entsprechend auf die Fälle der vorläufigen Leistung nach § 110 SGB X anzuwenden mit der Folge, dass die allgemeine Regelung des § 110 Satz 2 SGB X gelte. Daran ändere sich nichts dadurch, dass sich § 98 Abs. 2 SGB XII auf stationäre Leistungen beziehe. Es komme lediglich darauf an, ob es sich in rechtlicher Hinsicht um eine vorläufige Leistung handele. Es würden aber auch grundsätzliche Zweifel bestehen, ob § 110 Abs. 2 SGB XII im vorliegenden Fall überhaupt einschlägig sein könne. Weil sich die Rechtsfrage, ob die Ausnahme nach § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII auch bei Kostenerstattungsansprüchen nach § 102 SGB X gelte, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine stationäre Leistung handele, nach dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres eindeutig zu beantworten sei, dürfte die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG haben. Die Berufung sei daher zuzulassen. Deswegen und aufgrund der Tatsache, dass es auch zukünftig zu entsprechenden Rechtstreitigkeiten kommen könne, bei denen diese Rechtsfragen relevant werden könnten, werde am Klageantrag festgehalten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihm die für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.08.2013 an den Leistungsempfänger C. C. für ein persönliches Budget erbrachten Leistungen in Höhe von 1.500,00 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dazu führt der Beklagte aus, der LE habe mit Schreiben vom 16.02.2013 ein persönliches Budget zur Unterstützung in den Bereichen Hauswirtschaft, Mobilität und Betreuung beantragt. Bei einem Budgetgespräch am 22.04.2013 habe der LE die pädagogische Betreuung abgelehnt. Er habe lediglich praktische Hilfe gefordert. Aufgrund einer leichten geistigen Behinderung und einer Mobilitätseinschränkung sei die Notwendigkeit von praktischer Hilfe bei der Reinigung der Wohnung, bei der Wäschepflege und beim Einkaufen sowie bei der Mobilität festgestellt worden. Bei dem Budgetgespräch sei festgestellt worden, dass die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers gegeben sei. Trotz dieser Kenntnis sei ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Beklagten mit Bescheid vom 15.05.2013 ein persönliches Budget in Höhe von monatlich 250,00 EUR bewilligt worden. Nach Auffassung des Beklagten handele es sich bei den gewährten praktischen Hilfen nicht um Leistungen, die durch ein persönliches Budget abzudecken gewesen seien. Auch sei zu prüfen gewesen, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers gegeben gewesen sei. Weder habe der Kläger geprüft, ob eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe hätte beansprucht werden können, noch seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE eindeutig gewesen. Jedenfalls habe der Kläger nicht ausreichend ermittelt, ob die Anspruchsvoraussetzungen überhaupt vorgelegen hätten. Der Kläger begründe im Rahmen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nunmehr die Leistungsgewährung mit der Anwendung des § 14 SGB IX. Hierzu sei festzustellen, dass der Kläger die in § 14 Abs. 2 SGB IX genannte Frist von drei Wochen nicht eingehalten habe. Für den Beklagten sei nicht nachvollziehbar, warum vor der Leistungsgewährung keine Rücksprache gehalten worden sei, zumal bereits vor der Leistungsgewährung festgestellt worden sei, dass die Zuständigkeit des Beklagten gegeben sei. Bereits im Budgetgespräch am 22.04.2013 sei der LE auf die Unzuständigkeit des Klägers hingewiesen worden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass der Landkreis Waldeck-Frankenberg zuständig sei und dass ihm der zuständige Sachbearbeiter noch genannt werden würde. Zudem sei aus der dem Beklagten überlassenen Leistungsakte nicht ersichtlich, dass der Kläger die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des LE zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung am 15.05.2013 überprüft habe. Es bleibe dabei, dass nach Auffassung des Beklagten seine Interessen im vorliegenden Fall nicht gewahrt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Im Übrigen weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt, soweit er für die Entscheidung relevant ist.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach den Bestimmungen der §§ 102ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheitert bereits an der Bagatellgrenze des § 110 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach Satz 1 dieser im zweiten Abschnitt des Dreizehnten Kapitels des SGB XII mit dem Titel "Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe" geregelten Bestimmung sind Kosten unter 2.560,00 EUR, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungserbringung von bis zu 12 Monaten, außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungserbringung nach § 98 Abs. 2 Satz 3 nicht zu erstatten. Mit der vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattung im Gesamtumfang von 1.500,00 EUR erreicht diese den in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII genannten Grenzwert nicht.
Anders als der Kläger meint, stellt die in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII geregelte Bagatellgrenze eine Sonderbestimmung der Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe im Sinne von § 37 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch für solche wie im vorliegenden Fall vom Kläger geltend gemachten Erstattungsansprüche nach den Bestimmungen der §§ 102ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Die in den §§ 102ff. SGB X geregelten Erstattungsansprüche beziehen sich auf solche zwischen Leistungsträgern allgemein. Insoweit stellt das Erstattungsrecht der §§ 102ff. SGB X eine abschließende Regelung dar (Roos/von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Auflage, vor §§ 102 - 114, Randnr. 18). Soweit allerdings in den besonderen Teilen des SGB hiervon abweichende Regelungen enthalten sind, gehen diese gemäß § 37 SGB I vor. Derartige spezielle Erstattungstatbestände für einzelne Sozialleistungsbereiche finden sich daher auch im Bereich der Sozialhilfe im zweiten Abschnitt des Dreizehnten Kapitels des SGB XII in den §§ 106ff. (vgl. hierzu Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe, Kommentar, 3. Auflage, § 110, Randnr. 9; Roos, a. a. O., Randnr. 18; Schoch in LPK-SGB XII-Kommentar, 9. Auflage, § 110 SGB XII, Randnr. 13ff.; Schellhorn in Schellhorn, Hohm, Scheider, SGB XII, Kommentar, 19. Auflage, § 110, Randnr. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.04.2014, L 7 SO 3090/12, zitiert nach juris, Randnr. 24). Keineswegs regelt also die Bagatellbestimmung des SGB XII nur die dort vorgesehenen Erstattungen zwischen den Sozialhilfeträgern, sondern gilt auch für die allgemeinen im SGB X geregelten Erstattungen zwischen Leistungsträgern, sofern es sich eben gerade, wie vorliegend, um Träger der Sozialhilfe handelt.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt die in § 110 Abs. 2 Satz 1 a. E. SGB XII geregelte Nichtanwendbarkeit der Bagatellgrenze nur für vorläufig und als stationäre Behandlung erbrachte Leistungen nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Solche (vorläufig) erbrachten stationären Leistungen stehen vorliegend jedoch nicht im Streit. Die Nichtanwendbarkeit der Bagatellgrenze ist auch, anders als der Kläger meint, auf die vorläufige Leistungserbringung im Rahmen der stationären Aufnahme beschränkt. Insoweit ist die gesetzliche Bestimmung eindeutig. Eine Ausdehnung und Analoganwendung auf ambulante Leistungsfälle nach § 14 SGB IX ist nicht möglich.
Losgelöst davon, dass die vom Kläger begehrte Kostenerstattung die in § 110 Abs. 2 Satz 1 SGB XII festgelegte Bagatellgrenze nicht erreicht, ist das Gericht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten davon überzeugt, dass der Kläger bei der Bewilligung von Leistungen an den Hilfeempfänger in Form der Gewährung eines monatlichen persönlichen Budgets den so genannten Interessenwahrungsgrundsatz des § 110 Abs. 1 SGB XII nicht ausreichend berücksichtigt und sozialhilferechtliche Grundsätze unbeachtet gelassen hat. Insbesondere hinsichtlich der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen für die Leistungsgewährung unerlässliche Bedürftigkeitsfeststellung fehlt es zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung im Mai 2013 an den Hilfeempfänger an einer ausreichenden Überprüfung und Feststellung dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Darüber hinaus lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen, dass der Kläger vor Erlass der Bewilligungsentscheidung zur ausschließlichen Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers ausreichend ermittelt hätte.
Die Klage war nach alledem abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 117 VwGO und § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG bedarf die Berufung vorliegend der Zulassung, weil der Wert der Erstattungsstreitigkeit zwischen den Beteiligten unter 10.000,00 EUR liegt. Das Gericht hat die Berufung jedoch gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Denn zur Anwendbarkeit der Bagatellgrenze bei der vorliegenden Fallkonstellation liegt keine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor.
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