S 8 KR 307/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 307/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die (rückwirkende) Heranziehung von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen zur Beitragsbemessung in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung durch das GKV-Modernisierungsgesetz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung von Kapitalleistungen aus der Lebensver-sicherung zur Beitragsbemessung in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger war ...Innungsobermeister ... Seit 01.01.2003 ist er als Rentner bei der Beklagten und Beigeladenen freiwillig versichert. Die Beitragsberechnung erfolgte auf der Grundlage seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 867,12 EUR monatlich. Auf dieser Grundlage setzte die Beklagte ab 01.07.2003 mit Be-scheid vom 06.08.2003 den Beitrag zur Krankenversicherung auf 103,19 EUR (11,9 %) und zur Pflegeversicherung auf 14,74 EUR (1,7 %), insgesamt 117,93 EUR, fest. Seit 01.01.2004 verpflichtete sie ihn zur Zahlung von 128,33 EUR, bei Beiträgen von 113,59 EUR (13,1 %) für die Kranken- und 14,74 EUR (1,7 %) für die Pflegeversicherung (Bescheid vom 09.02.2004). Durch Bescheid vom 30.09.2004 berechnete sie wegen Senkung der Beiträge zur gesetzli-chen Krankenversicherung auf 12,7 % die Beiträge neu. Ab September 2004 belief sich der Zahlbetrag auf zusammen 124,86 EUR (110,12 EUR Kranken- und 14,74 EUR Pflegeversicherung).

Nachdem ihm ab 01.12.2004 eine Kapitalleistung aus der A ... Lebensversicherung AG in Höhe von 19.582,02 EUR zugesprochen worden war, erhöhte die Beklagte den Beitrag. Der Auszahlungsbetrag müsse für die nächsten 12 Kalendermonate aufgeteilt werden, und zwar auf Einnahmen aus der Lebensversicherung von 1631,84 EUR und der gesetzlichen Renten-versicherung von 867,12 EUR. Dies ergebe Beitragssätze von 207,24 EUR und 27,74 EUR sowie 110,12 EUR und 14,74 EUR zur Kranken- und Pflegeversicherung, insgesamt 359,84 EUR (Bescheid vom 22.11.2004).

Ab 01.12.2004 zahlte die S ... Rentenanstalt dem Kläger als weitere Versiche-rungsleistung 68.022,88 EUR. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 16.12.2004 den Bescheid vom 22.11.2004 ab 01.12.2004 auf. Der Kläger müsse seitdem 230,00 EUR monat-lich zahlen. Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) habe die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen nach §§ 238 a, 229 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) neu geregelt. Ausgezahlte Kapitalleistungen seien demzufolge beitragspflichtig und auf 10 Jahre umzulegen, was 1/120 pro Kalendermonat entspreche. Der Gesetzgeber-habe ihr diesbezüglich keinen Ermessensspielraum eingeräumt. Der Betrag berechne sich folgendermaßen: gesetzliche Rente (867,12 EUR), zuzüglich Versorgungsbezug A ... (19.582,02 EUR durch 120 = 163,19 EUR), zuzüglich Versorgungsbezug S ... Rentenan-stalt (68.022,88 EUR durch 120 = 566,86 EUR), d.h. monatliche Einnahmen von insgsamt 1597,17 EUR. Auf der Grundlage des Gesamtbezuges von Rente und Versorgungsbezügen ergebe sich ein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung von 202,84 EUR (1597,17 EUR x 12,7 %) und 27,16 EUR zur Pflegeversicherung (1597,17 EUR x 12,7 % (wohl richtig: 1,7 %)).

Der Kläger legte hiergegen am 03.01.2005 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Die Rentenanwartschaft bei der S ... Rentenanstalt habe er 1991 als Privatperson erworben, so dass die Kapitalversicherung eine private Ver-sicherung und keine betriebliche Altersversorgung sei. Bei der A ... habe die ...L ... GmbH für den Kläger eine bis Dezember 2000 als Direktversicherung geführte Versiche-rung abgeschlossen. Erst seit Januar 2001 handele es sich um eine private Lebensversiche-rung.

Die Beklagte nahm daraufhin Rücksprache mit der S ... Rentenanstalt am 24.01.2005. Danach lief die Rente dort bis 28.02.2001 als betriebliche Altersvorsorge, ab 01.03.2001 sei der Kläger selbst Versicherungsnehmer. Unter dem 24.01.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie bis zum Erlass des Widerspruchs-bescheides die Vollziehung aussetzen werde. Mit Schreiben vom 04.04.2005 hörte die Beklagte den Kläger zur Verbeitragung seiner Kapitalleistungen aus den Lebensversicherungen an. Am 05.04.2005 nahm die Beklagte fernmündlich Rücksprache bei der Steuerberaterin ... Danach sei die Versicherung bei der S ... Rentenanstalt keine betriebliche Altersvorsorge, sondern über die gesamte Vertragslaufzeit eine private Versicherung. Die S ... Rentenanstalt teilte unter dem 02.05.2005 mit, dass zunächst eine private Versicherung abgeschlossen, seit 23.10.1998 die Versicherungsnehmereigenschaft aber auf die GmbH übertragen worden sei, ab 05.03.2001 zurück auf den Kläger.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf §§ 223 Abs. 1, 2, 240 Abs. 1, 229 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zurück. Das GMG habe ab 01.01.2004 1/120 der Leistung als monatlichen Zahl-betrag für 120 Kalendermonate bei der Beitragsbemessung vorgesehen. Dies entspreche bei einem Gesamtzahlbetrag von 87.604,90 EUR und einer Beitragspflicht für die nächsten 10 Jahre monatlich zusätzlich zur Rente 730,05 EUR. Alle Kapitalleistungen, die der Alters- oder Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit dien-ten, seien beitragspflichtig. Die Rente bei der S ... Rentenanstalt sei bis 28.02.2001 eine betriebliche Altersversorgung gewesen. Diese und die A ...-Versicherung hätten bes-tätigt, dass die Kapitalleistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung als einma-lige Kapitalleistungen gezahlt und ihm im Rahmen der betrieblichen Altersversicherung erhalten geblieben seien. Die private Finanzierung der Beiträge sei unerheblich. Da die kompletten Auszahlungsbeträge seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmten, un-terlägen sie der Beitragspflicht.

Auf der Berechnungsgrundlage von 1597,17 EUR Einnahmen setzte die Beklagte ab 01.12.2004 den Beitrag insgesamt auf 229,99 EUR fest (Bescheid vom 30.05.2005, 202,84 EUR zur Kranken- (12,7 %) und 27,15 EUR zur Pflegeversicherung (1,7 %)). Der Differenzbetrag von 525,65 EUR werde zusätzlich zum 15.06.2005 fällig. Mit Bescheid vom 13.06.2005 lehnte sie den Antrag vom 06.06.2005 auf Aussetzung der Vollziehung ab, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwal-tungsaktes bestünden.

Am 02.06.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Vorsorge über die A ...versicherung sei am 20.01.1994 über den Betrieb abgeschlossen worden, und zwar wegen eines Gruppenversicherungsvertrages als Direktversicherung. Bis Dezember 2000 habe der Betrieb die Beiträge bezahlt. Seit Januar 2001 sei die Versicherung als pri-vate Lebensversicherung fortgeführt worden, weshalb die Beklagte nicht über die gesamte Laufzeit Beiträge erheben könne. Dies widerspreche dem verfassungsrechtlichen Rückwir-kungsverbot. Der Kläger genieße insoweit Vertrauensschutz, weil er seinen Vertrag nicht rückwirkend habe ändern können. Die Versorgung über die S ... Rentenanstalt habe er am 01.01.1991 als private Le-bensversicherung begründet, es habe sich nie um eine betriebliche Altersvorsorge gehan-delt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 16.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 und den Bescheid vom 30.05.2005 dergestalt abzuändern, dass die Ka-pitalleistungen aus der S ... Rentenanstalt und der A ...-Lebensversicherung bei der Berechnung der freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pfle-geversicherung außer Acht gelassen werden, sowie die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Der Einlegung und Zulassung der Sprungrevision werde zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 16.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 und der Bescheid vom 30.05.2005 erweisen sich als rechtmäßig. Der Kläger wird hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Beitragsbemessung durch die Beklagte unterliegt keinen rechtlichen Bedenken; denn entgegen der Rechtsansicht des Klägers waren die Ka-pitalleistungen aus der S ... Rentenanstalt und der A ...versicherung für die Bei-tragsbemessung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mit heranzuziehen.

Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung durch Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (§ 240 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gem. § 238 a SGB V werden bei freiwillig versicherten Rentnern der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Ar-beitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs. 1), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Nach Maßgabe des § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente ver-gleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.

Für die Eigenschaft als betriebliche Altersversorgung ist es unerheblich, wenn der Kläger geltend macht, die Beiträge zu den Lebensversicherungen zumindest teilweise selbst finan-ziert zu haben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der das erkennende Gericht folgt, hat diese vielmehr den Begriff der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V von Anfang an eigenständig verstanden und gegen die De-finition in § 1 Abs. 1 Betriebliches Altersvermögensgesetz (BetrAVG a.F.) abgegrenzt. Wegen der Entgeltersatzfunktion der Versorgungsbezüge sollten nur die Einnahmen unbe-rücksichtigt bleiben, die nicht unmittelbar auf früherer Erwerbstätigkeit zurückzuführen waren. Es reichte aus, wenn sie sich als Bestandteil einer betrieblichen Gesamtversorgung darstellten (BSGE 58, 10 ff). Dies galt selbst für den Fall, dass der Versicherte allein die Mittel hierfür aufgebracht hat (so: BSG, Urteil vom 11.10.2001, Az.: B 12 KR 4/00 R).

Die frühere Abgrenzung der beitragspflichtigen Renten der betrieblichen Altersversorgung nach der Institution, die sie zahlte bzw. dem Versicherungstyp, gegenüber den beitragsfrei-en sonstigen Renten aus privaten Lebensversicherungen verletzte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (BSG SozR 3-2500 § 229 Nr. 13). Dem Gesetzgeber sei vielmehr beim Erlass von Regelungen über die Finan-zierung eines Systems der Sozialen Sicherheit ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräu-men. Die Nicht-Einbeziehung "reiner" Lebensversicherungsrenten sei ebenso wenig ver-fassungswidrig (BSG SozR 3-2500 § 229 Nr. 7), wie die Ausklammerung von Einmalzah-lungen, für die rechtssystematische Gründe sprächen: der Rente als einem vom Begriff her wiederkehrenden Bezug seien nur laufende Bezüge, nicht einmalige Kapitalbeträge ver-gleichbar (BSGE 58, 10 (14)).

Nach dem bisherigen Satz 3 der Vorschrift galt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbe-trag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate, wenn an die Stelle der Ver-sorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung trat. Mit der Neufassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch das GMG hat der Gesetzgeber indes eingefügt: " oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden". Danach ist nunmehr jede Kapitalleistung, die als Versorgungsbezug zu werten ist, weil sie anstelle von Arbeitseinkommen oder -entgelt tritt, beitragspflichtig. Damit unterliegen - im Unterschied zur früheren Rechtslage (vgl. dazu auch: BSG, NZS 1995, 515) – ab 01.01.2004 auch Versicherungsleistungen, die von vornherein als einmalige Kapitalabfin-dungen vereinbart oder zugesagt worden sind, der Beitragspflicht zur Kranken- und Pfle-geversicherung (wie hier: Krauskopf, in: Krauskopf, Soziale Krankenversiche-rung/Pflegeversicherung, § 229 SGB V Rdnr. 16 EL 47). Die noch vom Bundessozialge-richt (vgl. E 58, 10 ff.) für mit dem Gleichheitssatz vereinbar gehaltene Regelung, dass von Renten der betrieblichen Altersversorgung und von den nachträglich an ihre Stelle treten-den, nicht regelmäßig wiederkehrenden, Leistungen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner erhoben worden sind, nicht dagegen von Leistungen, die von vornherein als Ein-malzahlungen vereinbart oder zugesagt waren, ist damit überholt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers erweist sich die rückwirkende Heranziehung von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen zur Beitragsbemessung der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung auch nicht als verfassungswidrig.

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) liegt hierin nicht. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er verbietet damit zugleich wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen, wesentlich Unglei-ches entsprechend der bestehenden Ungleichheit zu behandeln. Dem Gesetzgeber wird damit allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Vielmehr wird der allgemeine Gleichheitsgrundsatz nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtferti-gen könnten (st. Rspr. des BVerfG, vgl. bspw. E 87, 1 (36)). Die unterschiedliche Behand-lung müsste mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlechthin unvereinbar, weil willkürlich, sein (BVerfGE 26, 302).

Die Anwendung dieser Grundrechtsnorm beruht somit stets auf einem Vergleich von Le-bensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend dafür sind, sie recht-lich gleich oder ungleich zu behandeln, entscheidet grundsätzlich der Gesetzgeber. Dessen weiter Gestaltungsspielraum liegt darin begründet, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, dessen Wertung durch eine andere Wertung zu ersetzen und die vom Gesetzgeber gewählte Lösung auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen (BVerfGE 3, 58 (135f)). Mithin ließe sich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nur dann feststellen, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung fehlte, und der Gesetzgeber objektiv unsachgemäß gehandelt hätte.

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vorliegend bestand nach früherer Rechtslage eine Un-gleichbehandlung von Beziehern einer laufenden (betrieblichen) Altersversorgung im Ver-gleich zu Beziehern einmaliger Kapitalbeträge. Eine unsachgemäße, nicht mehr nachvoll-ziehbare und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken nicht mehr vereinbare, Gleichstellung durch die gesetzliche Neu-Regelung liegt hierin nicht. Es bestand kein Anspruch auf eine weitere Differenzierung dieses Personenkreises, zumal wegen des in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidaritätsprinzips das Bundesverfassungsgericht die Einbeziehung von Versorgungsbezügen in die Beitragspflicht im Gegenteil sogar für gebo-ten erachtet hat (BVerfGE 79, 223 (237 ff.)). Dass der Gesetzgeber nunmehr auch originä-re Kapitalleistungen für die Beitragsbemessung mit erfasst, sollte vielmehr aus Gleichstel-lungsgründen verhindern, dass sich ein Personenkreis durch entsprechende Vereinbarun-gen der Beitragspflicht entzieht oder diese umgeht (ebenso: LSG Rheinland-Pfalz, Be-schluss vom 09.05.2005, Az.: L 5 KR 7/05 ER; Krauskopf, a.a.O., Rdnr. 17, unter Bezug-nahme auf Begr. BT-Drs 15/1525 S. 139).

Im Zuge der rückläufigen Einnahmeentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen im Ver-gleich zum Ausgabevolumen wurde vielmehr eine Beitragsvergünstigung lediglich abge-schafft, um die Einnahmebasis zu verbreitern. So hat bereits das Bundessozialgericht Al-tersrenten aus der Pensionskasse deswegen als beitragspflichtige Einnahmen angesehen, weil auch diese die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds bestimmten (BSG, Urteil vom 06.09.2001, Az: B 12 KR 5/01 R). Nichts anderes gilt im Prinzip für Einmalzahlungen, da diese die Einnahme- und wirtschaftliche Lebenssituation des Mit-glieds ebenfalls wesentlich mit beeinflussen (vgl. auch: § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und in der Regel für einen längeren Zeitraum die (Alters-) Einkünfte heben sollen. Dem entspricht die gesetzgeberische Aufteilung des Betrages auf monatlich Einhundertzwanzigstel (ent-sprechend 120 Kalendermonate oder 10 Jahre, vgl. § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Ein rechtfertigender Grund für die Beibehaltung der Unterscheidung von kapitalisierten zu regelmäßig gezahlten (laufenden) Versorgungsbezügen besteht demgegenüber nicht. Die Beitragsvergünstigung für eine Gruppe hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zuläs-siger Weise aufgehoben, um die Beitragslast aller gleichmäßig zu verteilen. Hiermit wurde lediglich eine Beitragsvergünstigung für eine bestimmte Personengruppe abgeschafft. Dies begründet keine höhere, sondern führt insoweit allenfalls zu einer Gleichstellung der Bei-tragslast (wie hier: SG Bayreuth, Urteil vom 25.01.2005, Az: S 9 KR 264/04).

Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot liegt hierin nicht. Wäh-rend die echte Rückwirkung voraussetzt, dass eine Rechtsnorm nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfGE 72, 175), ist von unechter Rückwirkung dann auszugehen, wenn – wie hier - die Rechtsfol-gen eines Gesetzes erst nach Verkündung einer Norm eintreten, ihr Tatbestand aber Sach-verhalte erfasst, die bereits zum Teil vor der Verkündung ins Werk gesetzt worden sind (BVerfG NJW 2002, 3009 ff.). Zwar trat vorliegend die Gesetzesänderung vor Fälligkeit der Lebensversicherung in Kraft; sie schmälert aber den Wert der Altersversorgung da-durch, dass die daraus resultierenden Kapitalleistungen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung bei der Beklagten und der Beigeladenen verbeitragt worden sind.

Gleichwohl liegt hierin keine Verletzung von Verfassungsrecht. Denn die unechte Rück-wirkung ist grundsätzlich zulässig. Ebenso wie im Steuerrecht ist im Sozialversicherungs-recht die allgemeine Erwartung auf fortbestehende Regelungen nicht geschützt. Nur soweit Betroffene nicht damit zu rechnen brauchten, ist ihnen ein schutzwürdiges Vertrauen zuzu-sprechen (wie hier, vgl. auch: LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).

Hier erwies sich ein Vertrauen in den Fortbestand der für den betroffenen Personenkreis günstigen Regelung jedoch nicht als geschützt und kann von diesem billigerweise weiter-hin nicht beansprucht werden. Gerade im Hinblick auf die durch die Reformdiskussion in der gesetzlichen Krankenversicherung und deren prekäre Finanzlage bestehende Unsicher-heit, was künftige Leistungen und Ansprüche betrifft, war ein diesbezügliches Vertrauen nicht schützenswert (vgl. auch SG Bayreuth, a.a.O.). Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass für die vergangene Rechtslage die Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit nicht unumstritten war. Der das Sozialversicherungsrecht bestimmende Solidar-Gedanke sprach vielmehr dafür, Rentner und Erwerbstätige nicht ungleich zu belasten. Die demographische Entwicklung ließ es darüber hinaus angezeigt erscheinen, Erwerbstätige im Vergleich zu Rentnern nicht übermäßig zu belasten. In Abwägung der Belange des Gemeinwohles be-stand vielmehr ein erhebliches öffentliches Interesse, die finanziellen Grundlagen der ge-setzlichen Krankenversicherung durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu stärken. Wegen der dramatischen Entwicklung der Beitragseinnahmen der gesetzlichen Kranken-versicherung, die auf die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland und dem Rückgang sozial-versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zurückzuführen sind, und die zu einer erheblichen Verschuldung der Krankenkassen geführt haben, bestand auch keine Ver-pflichtung zum Erlass einer Übergangsregelung, zumal diese die umgehend erforderliche Entlastung der Krankenkassen erschwert hätte (vgl dazu bspw.: BSG Urteil vom 26.06.1996, Az: 12 RK 12/94).

Der Kläger kann dem nicht mit Erfolg die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes entgegen-halten. Nach Art. 14 Abs. 1 GG wird das Eigentum gewährleistet. Unter "Eigentum" im Sinne der Vorschrift gelten nicht nur private Rechte und Rechtsstellungen, sondern auch im öffentlichen Recht wurzelnde Rechtspositionen, wenn diese ihrer Funktion nach dem privaten Eigentum entsprechen. Dies gilt auch für Rechtspositionen aus dem Recht der Sozialversicherung (so auch: SG Bayreuth, Urteil vom 25.01.2005, Az: S 9 KR 264/04). Eine Enteignung oder enteignungsgleiche Wirkung nach Art. 14 Abs. 3 GG liegt nicht vor; denn die Verbeitragung von Einmalzahlungen beeinträchtigt weder grundlegend Vermö-genswerte des Klägers, noch bewirkt sie einen Eingriff in die Kapitalsubstanz. Die Eigen-tumsgarantie wäre verletzt, wenn die Beitragspflichten den Betroffenen übermäßig belaste-ten. Dessen Vermögensverhältnisse müssten so grundlegend beeinträchtigt werden, dass sie erdrosselnde Wirkung haben (BVerfGE 95, 267 (300)).

Eine "Erdrosselungswirkung" kommt der Verbeitragung seiner Zahlungen aus der Lebens-versicherung der A ... und der S ... Rentenanstalt indes nicht zu, denn der Gesetzge-ber hat die Verbeitragung auf insgesamt 10 Jahre (1/120) begrenzt. Zudem steht dem Klä-ger bei einem Beitragssatz zum damaligen Zeitpunkt von 12,7 % zur Kranken- und 1,7 % zur Pflegeversicherung das gesamte Leistungsspektrum beider Versicherungszweige voll-umfänglich zur Verfügung. Ob Beitragslast und Leistungen hierbei in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen, bedurfte keiner näheren Erörterung. Das Solidaritätsprinzip und das vom Grundsatz sozialen Ausgleichs beherrschte Recht der gesetzlichen Kranken-versicherung setzen eine Gleichwertigkeit nicht voraus (wie hier: SG München, Urteil vom 30.09.2004, Az.: S 2 KR 321/04, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 18.12. 1984, Az.: 12 RK 42/83).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Sprungrevision war auf Antrag der Beteiligten zuzulassen, da nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 Satz 1 SGG die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegen. Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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