Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 591/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unter \"Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den zuständigen
Träger der gesetzlichen Renten-versicherung\" ist nur die rechtskräftige
Entscheidung zu verstehen. Auf Grund der Nahtlosigkeitsregelung kann bei
verneinender Feststellung die fehlende Abstimmung der zuständigen
Sozialversicherungsträger zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen (und damit seine Verfügbarkeit) nicht zu dessen Lasten gehen.
Träger der gesetzlichen Renten-versicherung\" ist nur die rechtskräftige
Entscheidung zu verstehen. Auf Grund der Nahtlosigkeitsregelung kann bei
verneinender Feststellung die fehlende Abstimmung der zuständigen
Sozialversicherungsträger zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen (und damit seine Verfügbarkeit) nicht zu dessen Lasten gehen.
I. Der Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 11.10.2005 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Arbeitslosengeld.
Der am ... geborene Kläger ist gelernter Dreher. Er war ab 01.11.1993 beschäftigt als Lagermitarbeiter und Gabelstaplerfahrer. Seit 05.02.2004 war er wegen einer Herzerkran-kung arbeitsunfähig und bezog vom 01.03.2004 bis 18.07.2005 Krankengeld. Nach 78 Wochen war er ausgesteuert. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung zum 31.05.2005 und Zahlung einer Abfindung.
Im Dezember 2004 hatte der Kläger bei der Knappschaft eine Rente wegen Erwerbsminde-rung beantragt. Gegen den Ablehnungsbescheid hat er Widerspruch eingelegt, den die Knappschaft durch Widerspruchsbescheid zurückwies. Beim Sozialgericht Chemnitz ist diesbezüglich ein Rentenverfahren anhängig. Es hat am 30.01.2007 Beweis erhoben durch ärztliches Sachverständigengutachten.
Am 22.06.2005 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2005 ab. Der Kläger sei nicht arbeitslos, weil er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Er sei auch nicht ar-beitsfähig, weil er auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage sei, mindestens 15 Stunden in der Woche eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben.
Hiergegen legte er am 15.08.2005 Widerspruch ein. Die Nahtlosigkeitsregelung greife auch gegenüber dem Rentenversicherungsträger, soweit dessen Bescheid noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Bei Vorsprache am 27.09.2005 legte er der Beklagten eine weitere Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung vor, wonach er keine Tätigkeiten ausüben dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe, sei er nicht arbeitslos. Die Nahtlosigkeitsregelung greife vorliegend nicht, weil bereits bei Antragstellung eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorgelegen habe. Auf deren Bestands- oder Rechtskraft komme es nicht an.
Der Kläger hat deswegen am 17.10.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Nahtlosigkeitsregelung finde auch auf Fälle laufender Rechtsmittelverfahren Anwendung. Ausweislich einer Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 23.11.2005 könne der Kläger bis zu 3 Stunden am Tag mit leichter Arbeit belastet werden. Durch Bescheid vom 02.02.2006 bewilligte ihm die Beklagte am 24.11.2005 Arbeitslosen-geld bis 23.01.2008 zu einem Leistungsbetrag von täglich 9,62 EUR. Nach Hinweis vom 03.03.2006 hat das Gericht noch Unterlagen der Krankenkasse des Klägers, der AOK Sachsen, weitere medizinische Unterlagen der Universität A. – Herz-zentrum – (Klinik für Innere Medizin/Kardiologie) vom 20.04.2006, sowie einen Befund-bericht von Frau Dr. J. vom 14.07.2006 beigezogen. Vom 15. bis 18.08.2006 befand sich der Kläger stationär im Herzzentrum.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 in gesetz-licher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Rechtsanspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005.
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB III). Vorliegend war der Kläger zwar auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit an der tatsächlichen Aufnahme einer Tätigkeit gehindert, sodass er – entsprechend dem Vorbringen der Beklagten – den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit tatsächlich nicht zur Verfügung stand.
Gleichwohl wird auch bei Minderung der Leistungsfähigkeit im Wege der Nahtlosigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zuerkannt. Gemäß § 125 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als 6-monatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen aus-üben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichti-gung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähig-keit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Fest-stellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetz-lichen Rentenversicherung. Nach Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts ist unter "Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den zuständigen Träger der gesetz-lichen Rentenversicherung" die rechtskräftige Entscheidung zu verstehen. Rechtskräftig ist die Entscheidung indes erst dann, wenn über die beim Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid, d. h. über die Ablehnung einer Zuerkennung von Rente wegen Erwerbsminderung, entschieden und die Entscheidung in Rechtskraft er-wachsen ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, zumal das Verfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz derzeit noch nicht abgeschlossen ist.
Zwar könnte für die Rechtsauffassung der Beklagten sprechen, dass der Gesetzgeber ledig-lich auf die "Feststellung" von Erwerbsminderung abstellt, nicht auf die tatsächliche Ren-tengewährung. Es könne nicht Sinn und Zweck der Nahtlosigkeitsregelung sein, bei einem nach Auffassung beider Sozialversicherungsträger objektiv nicht verfügbaren Arbeitslosen diesem einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verschaffen bis tatsächlich Rente gewährt wird (in diesem Sinne wohl: BSG, Urteil vom 14.12.1995, Az: 11 RAr 19/95). Anderer-seits soll die Fiktion eines für die Arbeitsvermittlung ausreichenden gesundheitlichen Leis-tungsvermögen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung helfen zu vermeiden, dass unterschiedliche Beurteilungen der Leis-tungsfähigkeit durch die Sozialversicherungsträger zu Lasten des Versicherten gehen (in diesem Sinne auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2003, Az: L 8 AL 4897/02). Um unterschiedliche Beurteilungen der Leistungsfähigkeit auszuschließen, sind die Sozialversicherungsträger – laut richterlichem Hinweis vom 03.03.2006 – gehalten, entsprechend der Verwaltungsvereinbarung vom 05.03.1980 unterschiedliche Beurteilun-gen der Leistungsfähigkeit und unnötige Doppeluntersuchungen des Versicherten zu ver-meiden. In § 3 ist ausdrücklich eine einvernehmliche Klärung vorgesehen, an der es hier fehlt. Für den Fall, dass ein Einvernehmen zur Beurteilung des Leistungsvermögens nicht erzielt werden kann, muss das Gutachten eines einvernehmlich zu bestimmenden Sachver-ständigen eingeholt werden. Dessen Beurteilung haben beide Leistungsträger zu Grunde zu legen. Eine entsprechende Vorgehensweise der Beklagten und der Knappschaft war hier jedoch nicht festzustellen. Deren unterschiedliche Einschätzung der Leistungsfähigkeit kann damit nicht zu Lasten des Klägers gehen (wie hier: SG Halle, Urteil vom 24.10.2006, Az: S 2 AL 701/05). Andernfalls würden ihm die, für ihn nachteiligen, Folgen fehlender Abstimmung der Sozialversicherungsträger untereinander auferlegt, die durch die Nahtlo-sigkeitsregelung und die vorgenannte Verwaltungsvereinbarung vermieden werden sollen. Nur wenn der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt hätte, verlöre die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III ihre Wirksamkeit.
Verneint der Rentenversicherungsträger hingegen Erwerbsminderung, wie im vorliegenden Fall, ist der Arbeitslose für den Arbeitsmarkt verfügbar (BSG, Urteil vom 09.09.1999, Az: B 11 AL 13/99 R; Pilz, in: Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 125 EL 22 Rdnr. 25). Die Bundesagentur für Arbeit ist damit nicht berechtigt, eine Entscheidung des Rentenversi-cherungsträgers über die Erwerbsminderung in Zweifel zu ziehen. Sie ist insoweit hinsicht-lich der Entscheidung über die objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen an dessen Ent-scheidung gebunden.
Hinsichtlich der subjektiven Verfügbarkeit, d. h. der Arbeitsbereitschaft des Klägers, hat die Kammer keine begründeten Zweifel. Vielmehr war zu berücksichtigen, dass der Ar-beitslose wegen des von ihm angestrengten Erwerbsminderungsrenten-Verfahrens sogar dazu gedrängt ist, entgegenstehende ärztliche Gutachten zu entkräften. Somit kann von einem Wegfall der subjektiven Verfügbarkeit erst dann die Rede sein, wenn sich der Ar-beitslose trotz umfassender Beratung über die Auswirkungen seines Verhaltens, sowohl in Beziehung auf das laufende Erwerbsminderungsrenten-Verfahren als auch auf das laufende Leistungsverfahren, weigert, die Verfügbarkeitserklärung abzugeben (ebenso: SG Berlin, Urteil vom 14.09.2001, Az: S 58 AL 2107/01; ebenso: SG Halle, Urteil, a.a.O.). Dies war hier nicht festzustellen.
Der Klage war mithin aus der sich aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Kostenfolge stattzugeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Arbeitslosengeld.
Der am ... geborene Kläger ist gelernter Dreher. Er war ab 01.11.1993 beschäftigt als Lagermitarbeiter und Gabelstaplerfahrer. Seit 05.02.2004 war er wegen einer Herzerkran-kung arbeitsunfähig und bezog vom 01.03.2004 bis 18.07.2005 Krankengeld. Nach 78 Wochen war er ausgesteuert. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung zum 31.05.2005 und Zahlung einer Abfindung.
Im Dezember 2004 hatte der Kläger bei der Knappschaft eine Rente wegen Erwerbsminde-rung beantragt. Gegen den Ablehnungsbescheid hat er Widerspruch eingelegt, den die Knappschaft durch Widerspruchsbescheid zurückwies. Beim Sozialgericht Chemnitz ist diesbezüglich ein Rentenverfahren anhängig. Es hat am 30.01.2007 Beweis erhoben durch ärztliches Sachverständigengutachten.
Am 22.06.2005 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2005 ab. Der Kläger sei nicht arbeitslos, weil er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Er sei auch nicht ar-beitsfähig, weil er auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage sei, mindestens 15 Stunden in der Woche eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben.
Hiergegen legte er am 15.08.2005 Widerspruch ein. Die Nahtlosigkeitsregelung greife auch gegenüber dem Rentenversicherungsträger, soweit dessen Bescheid noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Bei Vorsprache am 27.09.2005 legte er der Beklagten eine weitere Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung vor, wonach er keine Tätigkeiten ausüben dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe, sei er nicht arbeitslos. Die Nahtlosigkeitsregelung greife vorliegend nicht, weil bereits bei Antragstellung eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorgelegen habe. Auf deren Bestands- oder Rechtskraft komme es nicht an.
Der Kläger hat deswegen am 17.10.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Nahtlosigkeitsregelung finde auch auf Fälle laufender Rechtsmittelverfahren Anwendung. Ausweislich einer Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 23.11.2005 könne der Kläger bis zu 3 Stunden am Tag mit leichter Arbeit belastet werden. Durch Bescheid vom 02.02.2006 bewilligte ihm die Beklagte am 24.11.2005 Arbeitslosen-geld bis 23.01.2008 zu einem Leistungsbetrag von täglich 9,62 EUR. Nach Hinweis vom 03.03.2006 hat das Gericht noch Unterlagen der Krankenkasse des Klägers, der AOK Sachsen, weitere medizinische Unterlagen der Universität A. – Herz-zentrum – (Klinik für Innere Medizin/Kardiologie) vom 20.04.2006, sowie einen Befund-bericht von Frau Dr. J. vom 14.07.2006 beigezogen. Vom 15. bis 18.08.2006 befand sich der Kläger stationär im Herzzentrum.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 in gesetz-licher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Rechtsanspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005.
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB III). Vorliegend war der Kläger zwar auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit an der tatsächlichen Aufnahme einer Tätigkeit gehindert, sodass er – entsprechend dem Vorbringen der Beklagten – den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit tatsächlich nicht zur Verfügung stand.
Gleichwohl wird auch bei Minderung der Leistungsfähigkeit im Wege der Nahtlosigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zuerkannt. Gemäß § 125 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als 6-monatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen aus-üben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichti-gung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähig-keit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Fest-stellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetz-lichen Rentenversicherung. Nach Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts ist unter "Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den zuständigen Träger der gesetz-lichen Rentenversicherung" die rechtskräftige Entscheidung zu verstehen. Rechtskräftig ist die Entscheidung indes erst dann, wenn über die beim Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid, d. h. über die Ablehnung einer Zuerkennung von Rente wegen Erwerbsminderung, entschieden und die Entscheidung in Rechtskraft er-wachsen ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, zumal das Verfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz derzeit noch nicht abgeschlossen ist.
Zwar könnte für die Rechtsauffassung der Beklagten sprechen, dass der Gesetzgeber ledig-lich auf die "Feststellung" von Erwerbsminderung abstellt, nicht auf die tatsächliche Ren-tengewährung. Es könne nicht Sinn und Zweck der Nahtlosigkeitsregelung sein, bei einem nach Auffassung beider Sozialversicherungsträger objektiv nicht verfügbaren Arbeitslosen diesem einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verschaffen bis tatsächlich Rente gewährt wird (in diesem Sinne wohl: BSG, Urteil vom 14.12.1995, Az: 11 RAr 19/95). Anderer-seits soll die Fiktion eines für die Arbeitsvermittlung ausreichenden gesundheitlichen Leis-tungsvermögen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung helfen zu vermeiden, dass unterschiedliche Beurteilungen der Leis-tungsfähigkeit durch die Sozialversicherungsträger zu Lasten des Versicherten gehen (in diesem Sinne auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2003, Az: L 8 AL 4897/02). Um unterschiedliche Beurteilungen der Leistungsfähigkeit auszuschließen, sind die Sozialversicherungsträger – laut richterlichem Hinweis vom 03.03.2006 – gehalten, entsprechend der Verwaltungsvereinbarung vom 05.03.1980 unterschiedliche Beurteilun-gen der Leistungsfähigkeit und unnötige Doppeluntersuchungen des Versicherten zu ver-meiden. In § 3 ist ausdrücklich eine einvernehmliche Klärung vorgesehen, an der es hier fehlt. Für den Fall, dass ein Einvernehmen zur Beurteilung des Leistungsvermögens nicht erzielt werden kann, muss das Gutachten eines einvernehmlich zu bestimmenden Sachver-ständigen eingeholt werden. Dessen Beurteilung haben beide Leistungsträger zu Grunde zu legen. Eine entsprechende Vorgehensweise der Beklagten und der Knappschaft war hier jedoch nicht festzustellen. Deren unterschiedliche Einschätzung der Leistungsfähigkeit kann damit nicht zu Lasten des Klägers gehen (wie hier: SG Halle, Urteil vom 24.10.2006, Az: S 2 AL 701/05). Andernfalls würden ihm die, für ihn nachteiligen, Folgen fehlender Abstimmung der Sozialversicherungsträger untereinander auferlegt, die durch die Nahtlo-sigkeitsregelung und die vorgenannte Verwaltungsvereinbarung vermieden werden sollen. Nur wenn der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt hätte, verlöre die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III ihre Wirksamkeit.
Verneint der Rentenversicherungsträger hingegen Erwerbsminderung, wie im vorliegenden Fall, ist der Arbeitslose für den Arbeitsmarkt verfügbar (BSG, Urteil vom 09.09.1999, Az: B 11 AL 13/99 R; Pilz, in: Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 125 EL 22 Rdnr. 25). Die Bundesagentur für Arbeit ist damit nicht berechtigt, eine Entscheidung des Rentenversi-cherungsträgers über die Erwerbsminderung in Zweifel zu ziehen. Sie ist insoweit hinsicht-lich der Entscheidung über die objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen an dessen Ent-scheidung gebunden.
Hinsichtlich der subjektiven Verfügbarkeit, d. h. der Arbeitsbereitschaft des Klägers, hat die Kammer keine begründeten Zweifel. Vielmehr war zu berücksichtigen, dass der Ar-beitslose wegen des von ihm angestrengten Erwerbsminderungsrenten-Verfahrens sogar dazu gedrängt ist, entgegenstehende ärztliche Gutachten zu entkräften. Somit kann von einem Wegfall der subjektiven Verfügbarkeit erst dann die Rede sein, wenn sich der Ar-beitslose trotz umfassender Beratung über die Auswirkungen seines Verhaltens, sowohl in Beziehung auf das laufende Erwerbsminderungsrenten-Verfahren als auch auf das laufende Leistungsverfahren, weigert, die Verfügbarkeitserklärung abzugeben (ebenso: SG Berlin, Urteil vom 14.09.2001, Az: S 58 AL 2107/01; ebenso: SG Halle, Urteil, a.a.O.). Dies war hier nicht festzustellen.
Der Klage war mithin aus der sich aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Kostenfolge stattzugeben.
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