S 2 R 1024/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 1024/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2016 wird teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Monat November 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung von Hinzuverdienst in gesetzlicher Höhe zu gewähren, wobei eine bereits von der Beklagten erbrachte Rentennachzahlung anzurechnen ist.

II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Nachzahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die am ...1960 geborene Klägerin war zuletzt als Krankenschwester in Teilzeit für eine Klinik tätig. Bei ihr bestand Arbeitsunfähigkeit seit dem 22.02.2014 mit Bezug von Krankengeld ab dem 01.04.2014 bis zum 10.08.2015 und Übergangsgeld vom 11.08.2015 bis zum 01.09.2015. Anschließend bezog die Klägerin Arbeitslosengeld I vom 02.09.2015 bis zum 16.10.2015.

Auf ihren Antrag vom 28.04.2015 wurde der Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 16.12.2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 01.04.2015 bewilligt. Die laufende Rentenzahlung wurde zum Februar 2016 aufgenommen. Für den Nachzahlungszeitraum vom 01.04.2015 bis zum 31.01.2016 berechnete die Beklagte einen Nachzahlungsbetrag von 8.493,16 Euro netto. Dabei setzte sie für den Monat November 2015 eine Nettorente von 249,16 Euro an. Der Nettozahlbetrag der vollen Rente hätte jedoch 996,66 Euro betragen.

Die Beklagte führte dazu im Rentenbescheid vom 16.12.2015 aus, die Klägerin habe im November 2015 einen Hinzuverdienst von 1.914,23 Euro gehabt, der bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sei. Die Hinzuverdienstgrenze für die Reduzierung der Rente auf ein Vierteil liege bei 1.647,53 Euro. Diese Grenze werde im November durch den Hinzuverdienst überschritten. Aufgrund der Vorschrift über die Berücksichtigung von Hinzuverdienst neben der Rente gemäß § 96a SGB VI habe die Klägerin im November 2015 nur Anspruch auf ein Viertel der Rente. Die Beklagte nahm dabei aufgrund einer Auskunft der Arbeitgeberin der Klägerin vom 09.12.2015 an, die Klägerin habe im November 2015 eine Zahlung von 1.914,23 Euro erhalten.

Tatsächlich erhielt die Klägerin im November 2015 keine Zahlung von ihrer früheren Arbeitgeberin, dafür aber im Dezember 2015 eine Zahlung von 2.330,23 Euro. Diese wurde gezahlt zur nachträglichen Vergütung von geleisteter Mehrarbeit vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Im Einzelnen wurde bei der Abrechnung des Monats Januar 2014 eine Anzahl von 53 Stunden Mehrarbeit, entsprechend einer Vergütung 753,51 Euro berechnet, bei der Abrechnung für Februar 2014 53 Stunden Mehrarbeit, einer Vergütung von 753,52 Euro entsprechend und bei der Abrechnung für März 2014 eine Mehrarbeit von 56,23 Stunden, entsprechend einer Vergütung von 823,20 Euro.

Die Vergütung der Mehrarbeit in Geld war durch den für das Arbeitsverhältnis der Klägerin geltenden Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVÖD-K) nach dessen § 8 Abs. 2 für den Fall vorgesehen, dass Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind, aus betrieblichen / dienstlichen Gründen nicht innerhalb des nach § 6 Abs. 2 S. 1 oder 2 TVÖD-K festgelegten Zeitraums mit Freizeit ausgeglichen werden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde zum 31.12.2015 beendet.

Gegen den Bescheid vom 16.12.2015 legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Sie brachte vor, die Beklagte habe zu Unrecht die Regelung über den Hinzuverdienst angewendet. Da es sich um die Vergütung von Überstunden handele, die die Klägerin vor ihrer Erkrankung geleistet habe, sei eine Berücksichtigung als Hinzuverdienst ausgeschlossen. Sie verwies zur Begründung auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.07.2012.

Die Beklagte blieb bei nochmaliger Prüfung im Widerspruchsverfahren bei ihrer Auffassung und wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2016 den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, Vergütungen für Überstunden seien als variable Entgeltbestandteile steuerpflichtig und stellten Arbeitsentgelt nach § 14, 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) dar.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht Landshut. Ziel der Klage ist die teilweise Aufhebung des Bescheids vom 16.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2016 und Verurteilung der Beklagten, der Klägerin auch für den Monat November 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes zu gewähren und an die Klägerin eine entsprechende Nachzahlung zu er-bringen.

Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten im Termin vom 17.04.2018 erörtert. Nach Aufforderung durch das Gericht hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2018 die von ihrer Arbeitgeberin für das Jahr 2014 erhaltenen Gehaltsabrechnungen vorgelegt. Das Gericht hat weiter von der Arbeitgeberin der Klägerin die Auskunft eingeholt, dass die Vergütung der geleisteten Mehrarbeit in Geld auf § 8 Abs. 2 TVÖD-K beruhte. Die Auszahlung sei an die Klägerin auf Antrag erfolgt. Gemäß den betrieblichen Gepflogenheiten sei dabei davon abgesehen worden, die nach § 37 TVÖD-K geltende Ausschlussfrist von 6 Monaten für den Antrag auf Auszahlung der Mehrarbeitsvergütung anzuwenden. Das Gericht hat ferner eine durchgeschriebene Fassung des TVÖD-K beigezogen. Im Termin vom 13.07.2018 hat das Gericht den Sachverhalt nochmals mit den Beteiligten erörtert. Die Klägerin macht weiter geltend, dass die geleisteten Zahlungen ihrer Arbeitgeberin nicht als Hinzuverdienst anzurechnen waren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2016 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat November 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung von Hinzuverdienst in gesetzlicher Höhe zu gewähren, wobei eine bereits von der Beklagten erbrachte Rentennachzahlung zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2016 ist teilweise rechtswidrig und verletzt insoweit die Klägerin in ihren Rechten.

Zu Unrecht hat die Beklagte die Rente für den Monat November 2015 unter Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes von 1.914,23 Euro berechnet.

Die Berücksichtigung von Hinzuverdienst bei einer Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich im vorliegenden Fall nach § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 01.01.2013 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 05.12.2012, BGBl. 2012 I, S. 2474. Gemäß § 96a Abs. 1 S. 1 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Gemäß Satz 2 dieser Bestimmung wird die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten, wenn insbesondere das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen die in § 96a Abs. 2 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt.

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Insoweit war für den Monat November 2015 festzustellen, dass die von der Arbeitgeberin der Klägerin eingeholte Auskunft, dass ein Entgelt von 1.914,23 Euro gezahlt werde, nicht zutraf. Sämtliche Zahlungen der Arbeitgeberin sind erst im Dezember 2015 erfolgt. Dies geht aus den vorgelegten Gehaltsabrechnungen Bl. 42 bis 54 der Gerichtsakte hervor, auf die zur Vereinfachung verwiesen wird. Bereits deshalb war die Beklagte nicht berechtigt, den Betrag von 1.914,23 Euro im Monat November 2015 als Hinzuverdienst zu berücksichtigen.

Die Beklagte wäre aber auch nicht berechtigt gewesen, bei der Berechnung der Rente für Dezember 2015 einen Hinzuverdienst zu berücksichtigen.

Bei einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung von § 96a Abs. 1 S. 2 SGB VI in der bis 30.06.2017 geltenden Fassung wäre allerdings im Dezember 2015 ein erheblicher Betrag als Hinzuverdienst anzurechnen.

Die Klägerin erhielt von ihrer Arbeitgeberin im Dezember 2015 eine Nachzahlung in Höhe von 2.330,23 Euro. Weitere Nachzahlungen oder sonstige Einmalzahlungen erhielt sie nicht.

Bei dieser Nachzahlung handelt es sich um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Auf die Frage, ob die Klägerin einen Rechtsanspruch auf die Zahlung in dieser Höhe hatte, kommt es nicht an. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist es ausreichend, dass es sich um Einnahmen handelt, die zumindest im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielt werden. Dies ist hier der Fall.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war im Dezember 2015 noch nicht beendet. Die Arbeitgeberin teilte der Beklagten mit Auskunft vom 09.12.2015 mit, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet sei. Somit löste erst die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 16.12.2015 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, entsprechend der Bestimmung des § 33 Abs. 2 TVöD-K. Danach endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers zugestellt wird, wonach eine Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung feststeht.

§ 96a Abs. 1 S. 2 SGB VI ist allerdings einschränkend dahingehend auszulegen, dass zum Zeitpunkt der Zahlung von Arbeitsentgelt nicht nur ein Arbeitsverhältnis, sondern auch eine Beschäftigung im Sinne des § 96a SGB VI bestanden haben muss. Beschäftigung ist nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat (vgl. BSG, Urt. v. 10.07.2012, B 13 R 81/11 R, Rn. 39, juris). Das Bestehen einer Beschäftigung setzt umgekehrt nicht voraus, dass tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wird, sofern nur das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die Parteien den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (BSG, Urt. v. 06.09.2017, B 13 R 21/15 R, Rn. 59, juris).

Im vorliegenden Fall bestand im Dezember 2015 das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin fort. Weder die Klägerin noch deren Arbeitgeberin hatten endgültig den Willen aufgegeben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen, da über den Rentenantrag der Klägerin noch nicht entschieden worden war und das Ausbleiben einer Arbeitsleistung weiterhin auf der seit dem 22.02.2014 bestehenden Arbeitsunfähigkeit beruhte.

Grundsätzlich war bezüglich der von der Klägerin empfangenen Nachzahlung von 2.330,23 Euro die Anwendung der Hinzuverdienstregelungen gemäß § 96a Abs. 1 S. 2, Abs. 1a und 2 SGB VI eröffnet.

Die nach § 96a Abs. 2 Nr. 3 c) SGB VI berechnete Grenze für die Reduzierung der Rente auf ein Viertel lag, wie aus dem Bescheid vom 16.12.2015 hervorgeht, für den Monat Dezember 2015 bei 2.005,69 Euro. Diese Grenze wurde mit der Nachzahlung überschritten, sodass die Klägerin keinen zahlbaren Rentenanspruch in diesem Monat hätte.

Die Klägerin kann sich nicht auf die Privilegierungsvorschrift des § 96a Abs. 1 S. 2, 2. Hs. SGB VI berufen. Zwar bleibt im Laufe eines jeden Kalenderjahres ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze in § 96a Abs. 2 SGB VI außer Betracht. Jedoch bezieht sich dies auf die jeweils im Vormonat des Hinzuverdienstes eingehaltene Hinzuverdienstgrenze (BSG, Urt. v. 09.12.2010, B 13 R 10/10 R, juris). Dies war im Monat November 2015 die Grenze für eine volle Rente gemäß § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, welche bei 450 Euro lag. Dieser Betrag wurde mit der Nachzahlung um mehr als das Doppelte überschritten.

Entscheidend ist somit, ob § 96a Abs. 1 S. 2 SGB VI im Rahmen der Auslegung weiter einzuschränken ist. Dies ist zu bejahen. Für eine Anwendung der Hinzuverdienstregelung bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit reicht es nicht aus, dass in irgendeinem Monat des Rentenbezugs an den Versicherten Arbeitsentgelt gezahlt wurde und das Beschäftigungsverhältnis noch besteht. Sondern die Zahlung muss darüber hinaus auch zeitlich dem Monat des Rentenbezugs zuzuordnen sein (BSG, Urt. v. 06.09.2017, B 13 R 21/15 R, Rn. 39, juris). Insoweit kann von einem Erfordernis der zeitlichen Kongruenz von Rentenzahlung und Hinzuverdienst gesprochen werden.

Die zeitliche Zuordnung einer Einnahme zu einem bestimmten Zeitraum des Rentenbezuges erfordert eine wertende Betrachtung von Art und Charakter der einmaligen Leistung (BSG, Urt. v. 06.09.2017, B 13 R 21/15 R, Rn. 44, juris). Während laufende Leistungen (z.B. Lohn, Gehalt, Entgeltfortzahlung) in der Regel unproblematisch zeitlich zugeordnet werden können, ist die Einordnung einer einmaligen Einnahme schwieriger.

So kann etwa eine Sonderzahlung des Arbeitgebers wie das sog. Weihnachtsgeld zeitlich keinem bestimmten Abrechnungs- und Arbeitszeitraum zugeordnet werden, da sie im Hinblick auf die gesamte während eines Jahres geleistete Arbeit gezahlt wird. In vergleichbarer Weise kann auch die Abgeltung nicht genommener Urlaubstage in Geld nicht einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden. In Ermangelung einer zeitlichen Zuordnung zu einem bestimmten Zeitraum der Arbeitsleistungen müssen derartige Einmalzahlungen dem Monat zugeordnet werden, in dem sie dem Versicherten zugeflossen sind (BSG, Urt. v. 06.09.2017, B 13 R 21/15 R, Rn. 69, juris).

Die Vergütung geleisteter Mehrarbeit eines Teilzeitbeschäftigten in Geld kann allerdings nicht nach diesen Grundsätzen dem Monat des Zuflusses zugeordnet werden. Eine derartige Leistung unterscheidet sich von den genannten Einmalzahlungen dadurch, dass ihr eine konkrete Arbeitsleistung zugrunde liegt, die der Arbeitnehmer zu einem früheren Zeitpunkt erbracht hat. Dies ist entscheidend, weil sie damit zeitlich dem Kalendermonat zugeordnet werden kann, in welchem die Mehrarbeit erbracht wurde.

Im Arbeitsverhältnis stellt die Vergütung geleisteter Arbeit in Geld den Regelfall dar. Der tarifvertraglich vorgesehene Ausgleich geleisteter Mehrarbeit durch Freizeit innerhalb eines Jahres hängt davon ab, dass keine betrieblichen oder dienstlichen Gründe entgegenstehen, vgl. § 8 Abs. 2 TVÖD-K. Somit ist zwar der Ausgleich durch Freizeit vorrangig. Scheitert dieser jedoch, so kommt gemäß § 8 Abs. 2 TVÖD-K wieder die Vergütungsverpflichtung des Arbeitgebers zur Anwendung. Eine arbeitsvertragliche Regelung, die den Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme von Freizeitausgleich verweist und für den Fall, dass dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, eine Vergütung der Mehrarbeit ausschließt, ist unzulässig (vgl. Thüsing, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, § 611a BGB, Rn. 290). Anders als die Abgeltung nicht genommenen Urlaubs durch eine Geldzahlung stellt somit die Vergütung von Mehrarbeit eines Teilzeitbeschäftigten in Geld keinen Fall der Leistungsstörung dar, sondern die Erfüllung einer Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, die vorher durch die Möglichkeit des Freizeitausgleichs bloß suspendiert war.

Auf Grundlage dieser Überlegungen war die von der Klägerin empfangene Nachzahlung von 2.330,23 Euro den Monaten zeitlich zuzuordnen, in denen die Mehrarbeit konkret geleistet wurde, und somit Monaten vor Rentenbeginn; sie war dagegen zeitlich nicht dem Dezember 2015 zuzuordnen.

Diese Betrachtungsweise führt auch nicht zu einer Aushöhlung der Lohnersatzfunktion der Rente wegen Erwerbsminderung. Vielmehr besteht Vergleichbarkeit zu dem Fall einer Gehaltszahlung des Arbeitgebers, die durch eine diesem zuzurechnende Verzögerung erst in einem Monat des Rentenbezugs ausgezahlt wird. In diesem Fall wäre bei "ordnungsgemäßem" Ablauf der Gehaltszahlungen eine Anrechnung auf die Erwerbsminderungsrente unterblieben. Der Arbeitnehmer und Versicherte sollte in derartigen Fällen nicht darauf verwiesen werden, den Arbeitgeber auf Schadenersatz in Anspruch nehmen zu müssen, zumal eine zeitliche Zuordnung der Zahlung leicht möglich ist.

Bei dieser Sachlage konnte die von der Klägerin bezogene Vergütung von Mehrarbeit nicht dem Monat des Rentenbezuges Dezember 2015 zugeordnet werden.

Die Berücksichtigung als Hinzuverdienst war nicht möglich. Die Klage war begründet, die angegriffene Entscheidung der Beklagten konnte insoweit keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Eine Klärung der Frage, ob eine Mehrarbeitsvergütung als rentenschädlicher Hinzuverdienst im Sinne von § 96a SGB VI auch dann anzusehen ist, wenn die vergütete Arbeitsleistung vor Rentenbeginn erbracht wurde, liegt im allgemeinen Interesse und ist bisher - soweit ersichtlich - nicht erfolgt. Die Zulassung der Berufung war erforderlich, weil die Beschwer der Beklagten durch die Gewährung einer vollen Rente (996,66 Euro) anstelle einer Viertel-Rente (249,16 Euro) auf 747,50 Euro zu beziffern war.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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