S 17 U 360/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 360/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1964 geborene Kläger führt seine im Jahre 2006 diagnostizierte Meniskuserkrankung auf seine berufliche Tätigkeit als Kraftfahrzeug-Lackierer zurück. Der Kläger war vom 01.08.1981 bis 06.02.1984 in der Lackiererei E, E2, beschäftigt. Vom 01.01.1988 bis 31.12.1988 war er in E2 bei "Die M" tätig. Vom 15.02.1989 bis 15.09.1989 war er in der Autolackiererei H, E2, tätig. Vom 15.04.1993 bis 31.08.2001 übte der Kläger seine Tätigkeit in der I Autolackiererei, E2, aus. Vom 01.08.2002 bis 29.09.2006 war der Kläger in T bei T2 tätig.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten gelangte unter dem 27.02.2009 und 21.08.2009 zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Mit Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Wegen dieser Entscheidung hat der Kläger am 16.11.2009 Klage erhoben. Er behauptet, seine Meniskuserkrankung sei auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Bemerkenswert sei, dass die Beklagte lediglich eines der insgesamt fünf Unternehmen aufgesucht habe, für welche der Kläger als Kfz-Lackierer tätig gewesen sei, nämlich die Firma I in E2. Die Beklagte habe die Firma T2 in T nicht geprüft, obwohl der Kläger dort bis zum Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zu BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.

Das Gericht hat Herrn I2, Inhaber der Firma I, als Zeugen gehört. Hinsichtlich der Aussage wird auf die Niederschrift der nicht öffentlichen Sitzung vom 23.02.2012 Bezug genommen.

In der nicht öffentlichen Sitzung vom 23.02.2012 hat der Kläger erklärt, dass im Großen und Ganzen die Angaben des Zeugen zutreffend seien. Mal habe man mehr im Arbeiten unteren Bereich verrichtet und mal im oberen Bereich. Es sei ein Wechsel gewesen. Die Tätigkeit bei T2 sei im Wesentlichen mit der bei I vergleichbar gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.

Die hier streitige Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV erfasst Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.

Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus, dass zum Einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen i. S. d. Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser Berufskrankheit entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss i. S. d. unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl. BSGE 1, 72, 76; 61, 127, 129; 63, 272, 278) wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Zusammenhanges eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende oder Schadens-Kausalität).

Der erforderliche Nachweis, dass der Kläger in ausreichendem Maße den Belastungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV ausgesetzt gewesen ist, ist nicht erbracht.

Als "belastende Tätigkeit" im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 sind zu sehen - statische Belastung: Dauerzwangshaltung, vor allem bei Belastungen durch Fersensitz, Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung - dynamische Belastung: Vielfach wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage.

Nicht meniskusbelastend im Sinne der Berufskrankheit sind - knieende Positionen (rechtwinklige Beugung des Kniegelenks, da die Menisken weder stark verschoben, noch stark verformt, noch erheblich Druck belastet sind - Einzeltätigkeiten, kurzfristige Arbeiten, obwohl grundsätzlich meniskusbelastend (keine Dauerzwangshaltung).

Ein Meniskusschaden ist theoretisch bereits nach zweijähriger Exposition anerkennungsfähig. Da jedoch die Kniegelenksbelastungen bei den Übertageberufen in der Regel qualitativ bis quantitativ nicht wesentlich die des Bergmanns Untertage übertreffen dürften, ist eine Orientierung an den hier festgestellten durchschnittlichen Expositionszeiten gegeben. Sie liegen wesentlich höher als jene zwei Jahre und sind inzwischen auf über 20 Jahre angestiegen.

Der Versicherte muss während eines wesentlichen Teiles seiner täglichen Arbeitszeit in Zwangshaltungen gearbeitet haben. Ist diese zeitliche Belastung geringer als 1/3 der Schicht, haben die Menisken ausreichend Zeit sich zu erholen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 635 f.).

Hiervon ausgehend ist es nicht bewiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit 2,6 Stunden pro Schicht in Dauerzwangshaltung verbracht hat.

Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten wurde - nach den Angaben der Inhaber (Herrn T und des Zeugen I2) - seit etwa Anfang der 90er Jahre überwiegend der Austausch von zu reparierenden Teilen ausgeführt. Zur Demontage von Anbauteilen stand teilweise eine Hebebühne zur Verfügung. Die demontierten Teile wurden auf Böcke positioniert und konnten in stehender Haltung bearbeitet werden. Trotzdem kam es zu hockenden und knieenden Tätigkeiten bei der Bearbeitung. Gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienst gaben die Inhaber an, dass der Kläger während der Beschäftigung bei ihnen durchschnittlich nicht mehr als 1,5 Stunden je Schicht Tätigkeiten in verschiedenen hockenden oder knieenden Körperhaltungen ausgeführt hat. In der nicht öffentlichen Sitzung vom 23.02.2012 hat der Zeuge I2 ausgeführt, dass die Tätigkeit ein Wechsel aus Stehen, Gehen, nach vorne Beugen, aber auch Knien und Hocken ist. Gelegentlich komme es vor, dass man am Stück 5 bis 10 Minuten lang kniet. Im Vordergrund stehe allerdings der Wechsel. Die Angabe von 1,5 Stunden sei nicht so gemeint gewesen, dass man 1,5 Stunden durchgekniet habe, sondern sie hätten sich aus einem ständigen Wechsel zwischen Knien, Hocken und Stehen zusammengesetzt. Für die Bearbeitung der Teile im unteren Bereich der Autos, welche nicht hätten abgebaut werden können, hätte man Hocken und Knien müssen. Letztlich sei aber auch das immer ein Wechsel gewesen.

Nach Auffassung der Kammer ist damit eine gefährdende Belastungszeit im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV während der Tätigkeit bei I nicht gegeben.

Da der Kläger in der nicht öffentlichen Sitzung vom 23.02.2012 erklärt hat, dass die Tätigkeit bei T2 im Wesentlichen mit der bei I vergleichbar war, musste die Zeit vom 01.08.2002 bis 29.09.2006 nicht gesondert ermittelt werden.

Auch hinsichtlich der Tätigkeiten bei der Lackiererei E, der Autolackiererei H und "Die M" waren keine weiteren Ermittlungen erforderlich. Zwischen diesen Tätigkeiten und der im Jahre 2006 diagnostizierten Meniskuserkrankung lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, BK 2102, Merkblätter für die ärztliche Untersuchung, S. 11). Gegen einen Kausalzusammenhang spricht, dass der Kläger bei der Diagnose bereits 44 Jahre alt war, 17 Jahre zwischen Beendigung der Tätigkeit und der Diagnose liegen und es sich insgesamt um eine kurze Gesamtarbeitszeit von 48 Monaten handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved