Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 2/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. April 1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist ein Recht des Klägers auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) idF des SGB VI-Änderungsgesetzes vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1824).
Der am 1. August 1978 geborene Kläger leidet an einer progredienten Heredo-Ataxie. Er besuchte von August 1994 bis September 1995 eine Körperbehinderten-Schule und nahm anschließend vom 19. September 1995 bis August 1998 an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme der Bundesanstalt für Arbeit (BA) teil, um den Beruf einer Bürokraft zu erlernen. Für diesen Zeitraum bewilligte ihm die BA Ausbildungsgeld (Abg) in Höhe von zunächst 440,00 DM und ab Januar 1996 in Höhe von 460,00 DM monatlich.
Im Dezember 1996 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw Berufsunfähigkeit. Die Beklagte verneinte ein derartiges Recht des Klägers nach dem SGB VI, weil er die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt habe (Bescheid vom 22. April 1997, bestätigender Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1997).
Mit Bescheid vom 26. August 1997 (und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1997) lehnte die Beklagte auch ein Recht des Klägers auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 RÜG ab, weil das während der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme erzielte Einkommen, zu dem auch das Abg zähle, den in Art 2 § 10 RÜG genannten Grenzbetrag von 400,00 DM übersteige; Einkommen in diesem Sinne sei jede Einnahme, die aus oder im Zusammenhang mit der berufsfördernden Bildungsmaßnahme gezahlt werde.
Das SG hat mit Urteil vom 2. April 1998 den angefochtenen Bescheid vom 26. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 1996 eine Invalidenrente nach Art 2 § 10 RÜG zu zahlen. Es hat ausgeführt: Die Voraussetzungen des Art 2 § 10 RÜG lägen vor. Der Kläger habe das 18. Lebensjahr vollendet, er sei auch invalide, da er wegen seiner Erkrankung nur noch in der Lage sei, leichte Büroarbeiten zwei Stunden bis unterhalbschichtig auszuführen. Der Anspruch werde nicht durch das für die Dauer der beruflichen Rehabilitation bewilligte und gezahlte Abg ausgeschlossen. Denn das Abg sei keine Einnahme, die aus oder im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis erzielt werde; es handele sich insoweit vielmehr um eine modifizierte Sozialhilfe.
Durch Urteil vom 22. Oktober 1999 hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten: Dem Kläger stünden keine laufenden Leistungen nach Art 2 § 10 RÜG zu, da sein Einkommen, das er gemäß § 24 Abs 3 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ((RehaAnO) vom 31. Juli 1975 (ANBA S 994) idF vom 26. Oktober 1995 (ANBA S 1789)) während der Maßnahme bezogen habe, 400,00 DM übersteige. Auf den Begriff des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV sei hier nicht abzustellen. Die Vorschrift finde im Rahmen des Art 2 RÜG keine Anwendung. Ein Vergleich zu der "Vorgängervorschrift" dem § 11 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (1. Rentenverordnung (1. RentV-DDR)) vom 23. November 1979 (GBl I Nr 38 S 401) idF der 5. RentV-DDR vom 25. Januar 1990 (GBl I Nr 5 S 24) ergebe, daß es sich bei der Invalidenrente nach Art 2 § 10 Nr 2 RÜG um eine Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, damit um Einkommen iS des § 76 Bundessozialhilfegesetz und somit um eine der Sozialhilfe vergleichbare Leistung handele.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG und trägt vor:
Das einkommensabhängige Abg solle den Lebensunterhalt des Behinderten während der berufsfördernden Leistung decken und sei weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch einkommenssteuerrechtlich als Einkommen iS von Art 2 § 10 RÜG zu werten. Es sei auch keine "modifizierte Sozialhilfe", da es nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe diene.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. April 1998 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und weist darauf hin: Bei der Auslegung von Art 2 § 10 RÜG sei die Grundkonzeption des § 11 1. RentV-DDR zu berücksichtigen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei das Rentenrecht der ehemaligen DDR für eine Übergangszeit noch anzuwenden gewesen. Eine Invalidenrente nach § 11 1. RentV-DDR habe jedoch der (Mindest-)Sicherung des Lebensunterhaltes gedient und keine Lohnersatzfunktion gehabt. Da auch das Abg in gleicher Weise zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt sei, sei es Einkommen iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG.
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Zu Recht hat das SG auf die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) den angefochtenen Bescheid vom 26. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 1996 (Art 2 § 44 Abs 1 RÜG iVm § 99 SGB VI) eine laufende monatliche Rente aus seinem Recht auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zu zahlen.
Ob dem Kläger ein subjektives Recht auf Invalidenrente zusteht, beurteilt sich - wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen - im Hinblick darauf, daß der Kläger die Wartezeit nicht erfüllt hat (Art 2 § 7 Abs 1 Nr 3 RÜG) allein nach dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Art 2 § 10 Nr 2 RÜG. Nach diesem Gesetz sind gemäß Art 2 § 1 Abs 1 RÜG anspruchsberechtigt Personen, die - wie der Kläger - am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten (Abs 1 Nr 2 aaO) und deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 beginnt (Abs 1 Nr 3 aaO iVm Art 2 § 44 Abs 1 RÜG). Ein Recht auf eine Invalidenrente nach der Spezialvorschrift des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG haben diejenigen, die bis zum 31. Dezember 1996 das 18. Lebensjahr vollendet haben, wegen Invalidität eine Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen konnten, angebotene berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation genutzt, jedoch dabei kein Einkommen von über 400,00 DM erzielt haben. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor.
Der im August 1978 geborene Kläger hatte im Dezember 1996 das 18. Lebensjahr vollendet, war nach den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des LSG - im Hinblick auf seine Erkrankung - auch invalide iS von Art 2 § 7 Abs 3 RÜG und hatte während der Dauer der beruflichen Rehabilitation entgegen der Auffassung des LSG kein Einkommen iS dieser Vorschrift erzielt. Denn das dem Kläger bewilligte und gezahlte Abg (§ 56 Arbeitsförderungsgesetz iVm § 24 Abs 3 RehaAnO) ist kein Einkommen iS von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG, das "bei" Teilnahme an berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation "erzielt" wurde.
Streit zwischen den Beteiligten besteht allein über die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Einkommen" in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG. Handelt es sich nämlich bei dem Abg um Einkommen iS dieser Vorschrift, so stünde dem Kläger kein Recht auf eine Invalidenrente zu, weil das ihm gezahlte Abg den in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG genannten Grenzbetrag von 400,00 DM überschritten hätte. War das Abg hingegen kein Einkommen iS dieser Vorschrift, so hätte der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Welche Bedeutung dem Merkmal "Einkommen" in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zukommt, ist hier im Hinblick auf den in Art 30 Abs 5 Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) zugesagten Vertrauensschutz in Anknüpfung an die sekundär-bundesrechtliche Norm des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR zu ermitteln. Denn mit den Vorschriften des Art 2 RÜG hat der Deutsche Bundestag den im EV zugesagten Vertrauensschutz für die Anwartschaften der rentennahen Versicherten (BT-Drucks 12/405, S 139) ausgestaltet. Nach Art 30 Abs 5 EV sollte Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 begann, eine Rente (in DM) mindestens in Höhe des Betrages geleistet werden, der sich am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin in der ehemaligen DDR geltenden Rentenrecht (ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen) in Mark der DDR ergeben hätte; ferner sollte - hier in Betracht kommend - eine Rente auch den Personen bewilligt werden, die nach dem bis zum 30. Juni 1990 geltenden Recht der ehemaligen DDR einen Anspruch auf eine Rente gehabt hätten. In Erfüllung der übernommenen Verpflichtung hat der Deutsche Bundestag durch Art 2 RÜG für eine Übergangszeit ein eigenständiges Gesetz neben dem SGB VI geschaffen (vgl hierzu BSG SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1 S 5). Art 2 RÜG stellt somit erkennbar auf das Rentenrecht der ehemaligen DDR ab. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind mithin vor dem Hintergrund ua der sog 1. RentV-DDR auszulegen. Inhaltlich entsprechen sie weitgehend dem früheren Rentenrecht der ehemaligen DDR, sind jedoch terminologisch an bundesdeutsches Recht angepaßt (BT-Drucks 12/405, S 140). Dabei geht Art 2 RÜG allerdings über den im EV garantierten Vertrauensschutz in zweifacher Weise hinaus. Zum einen erweitert er den Kreis der begünstigten rentennahen Jahrgänge, indem er nicht nur Personen einbezieht, deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, sondern die zeitliche Grenze bis zum 31. Dezember 1996 erstreckt. Zum anderen bezieht er auch solche Personen - wie den Kläger - in den Kreis der anspruchsberechtigten Begünstigten ein, die weder bis zum 30. Juni 1990 noch bis zum 31. Dezember 1991 rentenrechtliche Zeiten in der ehemaligen DDR zurückgelegt und deshalb - aus bundesrechtlicher Sicht - keine Rentenanwartschaften erworben hatten.
Bei der Auslegung des Einkommensbegriffs in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist somit die entsprechende Vorschrift des - ehemaligen - DDR-Rechts, nämlich § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR heranzuziehen. Insoweit stellt sich die Frage, welcher Personenkreis aus welchen Gründen nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigt war, insbesondere, wer auf welche Weise und mit welchen Mitteln durch die Vorschrift materiell gesichert werden sollte. Erst wenn sich nach dieser teleologischen und historischen Auslegung (vgl hierzu BSG SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1 S 4) der (sekundär-bundesrechtliche) Sinn der Vorschrift erschließt, kann auch beurteilt werden, welche Bedeutung die Formulierung in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG hat, wonach ein Anspruch auf Invalidenrente ausgeschlossen ist, wenn "das bei der angebotenen berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation erzielte Einkommen 400,00 DM übersteigt".
Bei der Gegenüberstellung der beiden Vorschriften wird ersichtlich, daß (mit Ausnahme der Ersetzung des Ausdrucks "Berufstätigkeit" durch "Erwerbstätigkeit") die Formulierung "der dabei erzielte Verdienst den monatlichen Mindestbruttolohn nicht übersteigt" (§ 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR) in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ausgewechselt wird durch "das dabei erzielte Einkommen 400,00 DM nicht übersteigt". Damit wird deutlich, daß der Gesetzgeber möglichst nah an den Vorstellungen des DDR-Rentenrechts bleiben wollte.
Aus dem Gesamtzusammenhang des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR iVm der zugrundeliegenden Konzeption des "DDR-Arbeitsrechts" ergibt sich, daß anspruchsberechtigt nur derjenige Behinderte war, der keine "Berufstätigkeit" aufnehmen konnte und der - darüber hinaus - infolgedessen nicht in der Lage war, einen über dem Mindestbruttolohn liegenden durchschnittlichen Verdienst zu erzielen. Dies war zum einen der Fall bei Behinderten, bei denen eine berufliche Rehabilitation ständig oder vorübergehend nicht möglich war (Buchst a) oder - zum anderen - bei Behinderten, die die angebotene Möglichkeit einer beruflichen Rehabilitation genutzt haben und die "dabei" einen Verdienst erzielten, der den monatlichen Mindestbruttolohn nicht überstieg (Buchst b). Lag der Verdienst über dem Mindestbruttolohn, so wurde damit inzidenter unterstellt, daß der Behinderte trotz seiner Behinderung im Rahmen eines für "Rehabilitanden" geschaffenen Arbeitsplatzes in der Lage war, seinen Lebensunterhalt - ohne die Invalidenrente - zu bestreiten.
Dieser Mindestbruttolohn betrug für vollbeschäftigte Arbeiter und Angestellte ab 1. Oktober 1976 400,00 Mark (§ 1 der Verordnung über die Erhöhungen des monatlichen Mindestbruttolohns von 350,00 Mark auf 400,00 Mark und die differenzierte Erhöhung der monatlichen Bruttolöhne bis 500,00 Mark vom 29. Juli 1976, GBl I Nr 28 S 377). Er galt nach Abs 2 der Verordnung für alle in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeiter und Angestellte, somit auch für diejenigen, die sich in einer beruflichen Rehabilitation befanden. Denn § 5 der Verordnung zur weiteren Verbesserung der gesellschaftlichen Unterstützung schwerst- und schwergeschädigter Bürger vom 29. Juli 1976 (GBl I Nr 33 S 411) verpflichtete die Betriebe, Möglichkeiten zur Einbeziehung von schwerst- und schwergeschädigten Bürgern (Rehabilitanden) in den Arbeitsprozeß zu schaffen; der Einsatz dieser Rehabilitanden war sodann entsprechend ihrem Leistungsvermögen im Arbeitskräfteplan und im Lohnfonds zu planen und im Betriebsplan besonders auszuweisen. Gemäß § 4 Nr 1 der Anordnung über die Bildung und Tätigkeit von Betriebsrehabilitationskommissionen vom 7. Juni 1978 (GBl I Nr 18 S 229) hatte die Kommission demgemäß ua die Aufgabe, den Arbeitseinsatz von leistungsgeminderten Werktätigen, insbesondere ihre Eingliederung in das Arbeitskollektiv, vorzubereiten; Veränderungen der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung zwischen Betrieb und Werktätigen waren auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuches vorzunehmen (§ 6 Abs 1 aaO). Demnach erfolgte die in § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR angesprochene berufliche Rehabilitation ausschließlich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so daß folgerichtig der Rehabilitand für seine "Tätigkeit" einen "Verdienst" erhielt. Dieser war nur solange rentenunschädlich, solange er den Mindestbruttolohn nicht überstieg. Lag er allerdings über dem Mindestbruttolohn, so führte dies zum Wegfall der Invalidenrente (vgl auch § 8 Abs 1 und Abs 2 1. RentV-DDR).
Hieraus folgt, daß nur derjenige nach § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR eine Invalidenrente erhalten sollte, der trotz einer erfolgreichen beruflichen Rehabilitation (im og Sinne) weiterhin invalide war und einen Verdienst für einen Arbeitseinsatz erzielte, der 400,00 Mark nicht überstieg (vgl hierzu entsprechend VerbandsKomm, Art 2 § 10 RÜG RdNr 7), so daß er - nach den damaligen Vorstellungen des DDR-Rechts - nicht in der Lage war, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Begriff "Verdienst" in § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR, der dem in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG genannten Begriff "Einkommen" gleichzustellen ist, knüpft somit an eine Beschäftigung des Behinderten in einem Arbeitsverhältnis und an das "dabei erzielte" Arbeitsentgelt an.
Diese Rechtslage hat der Deutsche Bundestag durch Art 9 Abs 2 EV iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 6 für Bezugszeiten bis zum Inkrafttreten des SGB VI im Beitrittsgebiet (1. Januar 1992) übergangsrechtlich als sekundäres Recht aufrechterhalten. Er hat den nach dem Recht der ehemaligen DDR rentenunschädlichen Höchstbetrag übernommen und ihn auch in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zugrunde gelegt. Da es aber im originären Bundesrecht keinen "Mindestbruttolohn" gibt, hat er diese Bezeichnung ohne inhaltliche Änderung durch den Ausdruck "Einkommen" ersetzt. Einkommen iS von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist nach alledem nicht der als Hilfe zum Lebensunterhalt gedachte, speziell Ausbildungszwecken dienende Betrag des Abg (§ 24 RehaAnO), sondern nur ein Arbeitsentgelt ("Verdienst") für einen - wie auch immer zu qualifizierenden - Wert der Arbeit (Arbeitsergebnis). Entgegen der Auffassung des LSG ist hier keiner der bundesdeutschen Rechtsbegriffe "Einkommen" entscheidend; einen einheitlichen Rechtsbegriff mit identischer Bedeutung gibt es insoweit in den verschiedenen Bereichen des Bundesrechts nicht. Vielmehr ist auf das Konzept des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR abzustellen, das einen untrennbaren Zusammenhang herstellt zwischen dem Arbeitseinsatz des Behinderten und dem dabei erzielten Arbeitsentgelt. Die Stellung des Invaliden iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist insoweit vergleichbar mit derjenigen eines Behinderten im Bundesrecht, der im Arbeitsbereich - und nicht im Eingangsverfahren oder im Arbeitstrainingsbereich - einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt ist (§ 54b Schwerbehindertengesetz (SchwbG)) und der je nach seinem Leistungsvermögen für seine Arbeitsleistung ein angemessenes Arbeitsentgelt erhält (§ 54b Abs 2 SchwbG). Hingegen ist das Abg, das dem Behinderten während der Dauer der Eingliederungsmaßnahme gezahlt wird, gerade kein Arbeitsentgelt; denn die Eingliederungsmaßnahme soll den Behinderten erst befähigen, eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen; erst bei der im Anschluß an die Maßnahme im Arbeitsbereich erbrachten Arbeitsleistung in der Werkstatt handelt es sich um eine "entlohnte Beschäftigung" (vgl hierzu BSGE 73, 83, 88 = SozR 3-4100 § 58 Nr 5; Urteil des 1. Senats vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 1/00 R).
Nach alledem hat der Kläger während der Dauer der beruflichen Rehabilitation zwecks Ausbildung zur Bürokraft kein Arbeitsentgelt, sondern ein leistungsunabhängiges Abg und demnach kein Einkommen iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG bezogen. Er erfüllt demnach die Anspruchsvoraussetzungen für ein Recht auf Invalidenrente nach dieser Vorschrift, so daß die Revision Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Streitig ist ein Recht des Klägers auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) idF des SGB VI-Änderungsgesetzes vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1824).
Der am 1. August 1978 geborene Kläger leidet an einer progredienten Heredo-Ataxie. Er besuchte von August 1994 bis September 1995 eine Körperbehinderten-Schule und nahm anschließend vom 19. September 1995 bis August 1998 an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme der Bundesanstalt für Arbeit (BA) teil, um den Beruf einer Bürokraft zu erlernen. Für diesen Zeitraum bewilligte ihm die BA Ausbildungsgeld (Abg) in Höhe von zunächst 440,00 DM und ab Januar 1996 in Höhe von 460,00 DM monatlich.
Im Dezember 1996 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw Berufsunfähigkeit. Die Beklagte verneinte ein derartiges Recht des Klägers nach dem SGB VI, weil er die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt habe (Bescheid vom 22. April 1997, bestätigender Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1997).
Mit Bescheid vom 26. August 1997 (und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1997) lehnte die Beklagte auch ein Recht des Klägers auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 RÜG ab, weil das während der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme erzielte Einkommen, zu dem auch das Abg zähle, den in Art 2 § 10 RÜG genannten Grenzbetrag von 400,00 DM übersteige; Einkommen in diesem Sinne sei jede Einnahme, die aus oder im Zusammenhang mit der berufsfördernden Bildungsmaßnahme gezahlt werde.
Das SG hat mit Urteil vom 2. April 1998 den angefochtenen Bescheid vom 26. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 1996 eine Invalidenrente nach Art 2 § 10 RÜG zu zahlen. Es hat ausgeführt: Die Voraussetzungen des Art 2 § 10 RÜG lägen vor. Der Kläger habe das 18. Lebensjahr vollendet, er sei auch invalide, da er wegen seiner Erkrankung nur noch in der Lage sei, leichte Büroarbeiten zwei Stunden bis unterhalbschichtig auszuführen. Der Anspruch werde nicht durch das für die Dauer der beruflichen Rehabilitation bewilligte und gezahlte Abg ausgeschlossen. Denn das Abg sei keine Einnahme, die aus oder im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis erzielt werde; es handele sich insoweit vielmehr um eine modifizierte Sozialhilfe.
Durch Urteil vom 22. Oktober 1999 hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten: Dem Kläger stünden keine laufenden Leistungen nach Art 2 § 10 RÜG zu, da sein Einkommen, das er gemäß § 24 Abs 3 Satz 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ((RehaAnO) vom 31. Juli 1975 (ANBA S 994) idF vom 26. Oktober 1995 (ANBA S 1789)) während der Maßnahme bezogen habe, 400,00 DM übersteige. Auf den Begriff des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV sei hier nicht abzustellen. Die Vorschrift finde im Rahmen des Art 2 RÜG keine Anwendung. Ein Vergleich zu der "Vorgängervorschrift" dem § 11 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (1. Rentenverordnung (1. RentV-DDR)) vom 23. November 1979 (GBl I Nr 38 S 401) idF der 5. RentV-DDR vom 25. Januar 1990 (GBl I Nr 5 S 24) ergebe, daß es sich bei der Invalidenrente nach Art 2 § 10 Nr 2 RÜG um eine Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, damit um Einkommen iS des § 76 Bundessozialhilfegesetz und somit um eine der Sozialhilfe vergleichbare Leistung handele.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG und trägt vor:
Das einkommensabhängige Abg solle den Lebensunterhalt des Behinderten während der berufsfördernden Leistung decken und sei weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch einkommenssteuerrechtlich als Einkommen iS von Art 2 § 10 RÜG zu werten. Es sei auch keine "modifizierte Sozialhilfe", da es nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe diene.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. April 1998 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und weist darauf hin: Bei der Auslegung von Art 2 § 10 RÜG sei die Grundkonzeption des § 11 1. RentV-DDR zu berücksichtigen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei das Rentenrecht der ehemaligen DDR für eine Übergangszeit noch anzuwenden gewesen. Eine Invalidenrente nach § 11 1. RentV-DDR habe jedoch der (Mindest-)Sicherung des Lebensunterhaltes gedient und keine Lohnersatzfunktion gehabt. Da auch das Abg in gleicher Weise zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt sei, sei es Einkommen iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG.
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Zu Recht hat das SG auf die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) den angefochtenen Bescheid vom 26. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 1996 (Art 2 § 44 Abs 1 RÜG iVm § 99 SGB VI) eine laufende monatliche Rente aus seinem Recht auf Invalidenrente nach Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zu zahlen.
Ob dem Kläger ein subjektives Recht auf Invalidenrente zusteht, beurteilt sich - wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen - im Hinblick darauf, daß der Kläger die Wartezeit nicht erfüllt hat (Art 2 § 7 Abs 1 Nr 3 RÜG) allein nach dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Art 2 § 10 Nr 2 RÜG. Nach diesem Gesetz sind gemäß Art 2 § 1 Abs 1 RÜG anspruchsberechtigt Personen, die - wie der Kläger - am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten (Abs 1 Nr 2 aaO) und deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 beginnt (Abs 1 Nr 3 aaO iVm Art 2 § 44 Abs 1 RÜG). Ein Recht auf eine Invalidenrente nach der Spezialvorschrift des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG haben diejenigen, die bis zum 31. Dezember 1996 das 18. Lebensjahr vollendet haben, wegen Invalidität eine Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen konnten, angebotene berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation genutzt, jedoch dabei kein Einkommen von über 400,00 DM erzielt haben. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor.
Der im August 1978 geborene Kläger hatte im Dezember 1996 das 18. Lebensjahr vollendet, war nach den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des LSG - im Hinblick auf seine Erkrankung - auch invalide iS von Art 2 § 7 Abs 3 RÜG und hatte während der Dauer der beruflichen Rehabilitation entgegen der Auffassung des LSG kein Einkommen iS dieser Vorschrift erzielt. Denn das dem Kläger bewilligte und gezahlte Abg (§ 56 Arbeitsförderungsgesetz iVm § 24 Abs 3 RehaAnO) ist kein Einkommen iS von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG, das "bei" Teilnahme an berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation "erzielt" wurde.
Streit zwischen den Beteiligten besteht allein über die rechtliche Bedeutung des Ausdrucks "Einkommen" in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG. Handelt es sich nämlich bei dem Abg um Einkommen iS dieser Vorschrift, so stünde dem Kläger kein Recht auf eine Invalidenrente zu, weil das ihm gezahlte Abg den in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG genannten Grenzbetrag von 400,00 DM überschritten hätte. War das Abg hingegen kein Einkommen iS dieser Vorschrift, so hätte der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Welche Bedeutung dem Merkmal "Einkommen" in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zukommt, ist hier im Hinblick auf den in Art 30 Abs 5 Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) zugesagten Vertrauensschutz in Anknüpfung an die sekundär-bundesrechtliche Norm des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR zu ermitteln. Denn mit den Vorschriften des Art 2 RÜG hat der Deutsche Bundestag den im EV zugesagten Vertrauensschutz für die Anwartschaften der rentennahen Versicherten (BT-Drucks 12/405, S 139) ausgestaltet. Nach Art 30 Abs 5 EV sollte Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 begann, eine Rente (in DM) mindestens in Höhe des Betrages geleistet werden, der sich am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin in der ehemaligen DDR geltenden Rentenrecht (ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen) in Mark der DDR ergeben hätte; ferner sollte - hier in Betracht kommend - eine Rente auch den Personen bewilligt werden, die nach dem bis zum 30. Juni 1990 geltenden Recht der ehemaligen DDR einen Anspruch auf eine Rente gehabt hätten. In Erfüllung der übernommenen Verpflichtung hat der Deutsche Bundestag durch Art 2 RÜG für eine Übergangszeit ein eigenständiges Gesetz neben dem SGB VI geschaffen (vgl hierzu BSG SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1 S 5). Art 2 RÜG stellt somit erkennbar auf das Rentenrecht der ehemaligen DDR ab. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind mithin vor dem Hintergrund ua der sog 1. RentV-DDR auszulegen. Inhaltlich entsprechen sie weitgehend dem früheren Rentenrecht der ehemaligen DDR, sind jedoch terminologisch an bundesdeutsches Recht angepaßt (BT-Drucks 12/405, S 140). Dabei geht Art 2 RÜG allerdings über den im EV garantierten Vertrauensschutz in zweifacher Weise hinaus. Zum einen erweitert er den Kreis der begünstigten rentennahen Jahrgänge, indem er nicht nur Personen einbezieht, deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, sondern die zeitliche Grenze bis zum 31. Dezember 1996 erstreckt. Zum anderen bezieht er auch solche Personen - wie den Kläger - in den Kreis der anspruchsberechtigten Begünstigten ein, die weder bis zum 30. Juni 1990 noch bis zum 31. Dezember 1991 rentenrechtliche Zeiten in der ehemaligen DDR zurückgelegt und deshalb - aus bundesrechtlicher Sicht - keine Rentenanwartschaften erworben hatten.
Bei der Auslegung des Einkommensbegriffs in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist somit die entsprechende Vorschrift des - ehemaligen - DDR-Rechts, nämlich § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR heranzuziehen. Insoweit stellt sich die Frage, welcher Personenkreis aus welchen Gründen nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigt war, insbesondere, wer auf welche Weise und mit welchen Mitteln durch die Vorschrift materiell gesichert werden sollte. Erst wenn sich nach dieser teleologischen und historischen Auslegung (vgl hierzu BSG SozR 3-8575 Art 2 § 31 Nr 1 S 4) der (sekundär-bundesrechtliche) Sinn der Vorschrift erschließt, kann auch beurteilt werden, welche Bedeutung die Formulierung in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG hat, wonach ein Anspruch auf Invalidenrente ausgeschlossen ist, wenn "das bei der angebotenen berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation erzielte Einkommen 400,00 DM übersteigt".
Bei der Gegenüberstellung der beiden Vorschriften wird ersichtlich, daß (mit Ausnahme der Ersetzung des Ausdrucks "Berufstätigkeit" durch "Erwerbstätigkeit") die Formulierung "der dabei erzielte Verdienst den monatlichen Mindestbruttolohn nicht übersteigt" (§ 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR) in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ausgewechselt wird durch "das dabei erzielte Einkommen 400,00 DM nicht übersteigt". Damit wird deutlich, daß der Gesetzgeber möglichst nah an den Vorstellungen des DDR-Rentenrechts bleiben wollte.
Aus dem Gesamtzusammenhang des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR iVm der zugrundeliegenden Konzeption des "DDR-Arbeitsrechts" ergibt sich, daß anspruchsberechtigt nur derjenige Behinderte war, der keine "Berufstätigkeit" aufnehmen konnte und der - darüber hinaus - infolgedessen nicht in der Lage war, einen über dem Mindestbruttolohn liegenden durchschnittlichen Verdienst zu erzielen. Dies war zum einen der Fall bei Behinderten, bei denen eine berufliche Rehabilitation ständig oder vorübergehend nicht möglich war (Buchst a) oder - zum anderen - bei Behinderten, die die angebotene Möglichkeit einer beruflichen Rehabilitation genutzt haben und die "dabei" einen Verdienst erzielten, der den monatlichen Mindestbruttolohn nicht überstieg (Buchst b). Lag der Verdienst über dem Mindestbruttolohn, so wurde damit inzidenter unterstellt, daß der Behinderte trotz seiner Behinderung im Rahmen eines für "Rehabilitanden" geschaffenen Arbeitsplatzes in der Lage war, seinen Lebensunterhalt - ohne die Invalidenrente - zu bestreiten.
Dieser Mindestbruttolohn betrug für vollbeschäftigte Arbeiter und Angestellte ab 1. Oktober 1976 400,00 Mark (§ 1 der Verordnung über die Erhöhungen des monatlichen Mindestbruttolohns von 350,00 Mark auf 400,00 Mark und die differenzierte Erhöhung der monatlichen Bruttolöhne bis 500,00 Mark vom 29. Juli 1976, GBl I Nr 28 S 377). Er galt nach Abs 2 der Verordnung für alle in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeiter und Angestellte, somit auch für diejenigen, die sich in einer beruflichen Rehabilitation befanden. Denn § 5 der Verordnung zur weiteren Verbesserung der gesellschaftlichen Unterstützung schwerst- und schwergeschädigter Bürger vom 29. Juli 1976 (GBl I Nr 33 S 411) verpflichtete die Betriebe, Möglichkeiten zur Einbeziehung von schwerst- und schwergeschädigten Bürgern (Rehabilitanden) in den Arbeitsprozeß zu schaffen; der Einsatz dieser Rehabilitanden war sodann entsprechend ihrem Leistungsvermögen im Arbeitskräfteplan und im Lohnfonds zu planen und im Betriebsplan besonders auszuweisen. Gemäß § 4 Nr 1 der Anordnung über die Bildung und Tätigkeit von Betriebsrehabilitationskommissionen vom 7. Juni 1978 (GBl I Nr 18 S 229) hatte die Kommission demgemäß ua die Aufgabe, den Arbeitseinsatz von leistungsgeminderten Werktätigen, insbesondere ihre Eingliederung in das Arbeitskollektiv, vorzubereiten; Veränderungen der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung zwischen Betrieb und Werktätigen waren auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuches vorzunehmen (§ 6 Abs 1 aaO). Demnach erfolgte die in § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR angesprochene berufliche Rehabilitation ausschließlich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so daß folgerichtig der Rehabilitand für seine "Tätigkeit" einen "Verdienst" erhielt. Dieser war nur solange rentenunschädlich, solange er den Mindestbruttolohn nicht überstieg. Lag er allerdings über dem Mindestbruttolohn, so führte dies zum Wegfall der Invalidenrente (vgl auch § 8 Abs 1 und Abs 2 1. RentV-DDR).
Hieraus folgt, daß nur derjenige nach § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR eine Invalidenrente erhalten sollte, der trotz einer erfolgreichen beruflichen Rehabilitation (im og Sinne) weiterhin invalide war und einen Verdienst für einen Arbeitseinsatz erzielte, der 400,00 Mark nicht überstieg (vgl hierzu entsprechend VerbandsKomm, Art 2 § 10 RÜG RdNr 7), so daß er - nach den damaligen Vorstellungen des DDR-Rechts - nicht in der Lage war, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Begriff "Verdienst" in § 11 Abs 1 Buchst b der 1. RentV-DDR, der dem in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG genannten Begriff "Einkommen" gleichzustellen ist, knüpft somit an eine Beschäftigung des Behinderten in einem Arbeitsverhältnis und an das "dabei erzielte" Arbeitsentgelt an.
Diese Rechtslage hat der Deutsche Bundestag durch Art 9 Abs 2 EV iVm Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 6 für Bezugszeiten bis zum Inkrafttreten des SGB VI im Beitrittsgebiet (1. Januar 1992) übergangsrechtlich als sekundäres Recht aufrechterhalten. Er hat den nach dem Recht der ehemaligen DDR rentenunschädlichen Höchstbetrag übernommen und ihn auch in Art 2 § 10 Nr 2 RÜG zugrunde gelegt. Da es aber im originären Bundesrecht keinen "Mindestbruttolohn" gibt, hat er diese Bezeichnung ohne inhaltliche Änderung durch den Ausdruck "Einkommen" ersetzt. Einkommen iS von Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist nach alledem nicht der als Hilfe zum Lebensunterhalt gedachte, speziell Ausbildungszwecken dienende Betrag des Abg (§ 24 RehaAnO), sondern nur ein Arbeitsentgelt ("Verdienst") für einen - wie auch immer zu qualifizierenden - Wert der Arbeit (Arbeitsergebnis). Entgegen der Auffassung des LSG ist hier keiner der bundesdeutschen Rechtsbegriffe "Einkommen" entscheidend; einen einheitlichen Rechtsbegriff mit identischer Bedeutung gibt es insoweit in den verschiedenen Bereichen des Bundesrechts nicht. Vielmehr ist auf das Konzept des § 11 Abs 1 Buchst b 1. RentV-DDR abzustellen, das einen untrennbaren Zusammenhang herstellt zwischen dem Arbeitseinsatz des Behinderten und dem dabei erzielten Arbeitsentgelt. Die Stellung des Invaliden iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG ist insoweit vergleichbar mit derjenigen eines Behinderten im Bundesrecht, der im Arbeitsbereich - und nicht im Eingangsverfahren oder im Arbeitstrainingsbereich - einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt ist (§ 54b Schwerbehindertengesetz (SchwbG)) und der je nach seinem Leistungsvermögen für seine Arbeitsleistung ein angemessenes Arbeitsentgelt erhält (§ 54b Abs 2 SchwbG). Hingegen ist das Abg, das dem Behinderten während der Dauer der Eingliederungsmaßnahme gezahlt wird, gerade kein Arbeitsentgelt; denn die Eingliederungsmaßnahme soll den Behinderten erst befähigen, eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen; erst bei der im Anschluß an die Maßnahme im Arbeitsbereich erbrachten Arbeitsleistung in der Werkstatt handelt es sich um eine "entlohnte Beschäftigung" (vgl hierzu BSGE 73, 83, 88 = SozR 3-4100 § 58 Nr 5; Urteil des 1. Senats vom 14. Februar 2001 - B 1 KR 1/00 R).
Nach alledem hat der Kläger während der Dauer der beruflichen Rehabilitation zwecks Ausbildung zur Bürokraft kein Arbeitsentgelt, sondern ein leistungsunabhängiges Abg und demnach kein Einkommen iS des Art 2 § 10 Nr 2 RÜG bezogen. Er erfüllt demnach die Anspruchsvoraussetzungen für ein Recht auf Invalidenrente nach dieser Vorschrift, so daß die Revision Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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