Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Ausgleichsgeld für landwirtschaftliche Arbeitnehmer hat.
Der am 22. Dezember 1943 geborene Kläger war vom 29. April 1967 bis zum 30. Juni 1996 als landwirtschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt, zuletzt ab dem 1. Januar 1991 als Traktorist bei der Agrargenossenschaft eG E. (im folgenden: AG). Laut ihrer Bescheinigung vom 24. Mai 1996 beendigte die AG die Beschäftigung des Klägers wegen Stillegung von Ackerflächen. In der Zeit von 1993 bis 1997 nahm die AG an der konjunkturellen Flächenstillegung nach der Verordnung (EWG) Nr 1765/92 teil, wobei sich die Entwicklung der Flächen und der Beschäftigtenzahlen wie folgt darstellten:
Jahr Gesamtfl. Still.fl. Beschäftigte
1993: 519,60; 38,46; 38,61
1994: 548,87; 51,84; 34,55
1995: 552,04; 52,72; 28,45
1996: 548,27; 98,02; 26,26
1997: 547,56; 18,97
Im Zeitraum vom 15. Juli 1995 bis 14. Juli 1996 erfolgten sieben mit Flächenstillegungen begründete Kündigungen von landwirtschaftlichen Arbeitern.
Die vom Kläger am 11. Juni 1996 beantragte Zahlung von Ausgleichsgeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. August 1996 ab. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 1997), Klage (Urteil des Sozialgerichts (SG) Chemnitz vom 9. Dezember 1998) und Berufung des Klägers (Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 27. Juni 2000) blieben erfolglos. Das LSG hat offengelassen, ob bei dem bei Antragstellung 53-jährigen Kläger Berufsunfähigkeit bestand. Jedenfalls ist nach der Urteilsbegründung des LSG die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht aufgrund einer Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen erfolgt. Der Abbau der Tierbestände habe sich erst im Jahr 1997 in erheblichem Umfang ausgewirkt. Zwar sei der zeitliche Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Flächenstillegung im Jahre 1996 zu bejahen; letztere habe sich gegenüber dem Vorjahr auch annähernd verdoppelt. Jedoch rechtfertige auch diese Stillegungsfläche nur die Entlassung von weniger als drei, nicht jedoch - wie vorliegend - von sieben Arbeitnehmern. Zwar sei der Arbeitsplatz des Klägers in der Schroterei und Verteilung weggefallen, aber es fehle bei seiner Tätigkeit als Traktorist am unmittelbaren Flächenbezug. Da es bereits am inneren Zusammenhang zwischen Flächenstillegung und Entlassung fehle, komme dem vorliegenden zeitlichen Zusammenhang keine Rolle mehr zu. Nachdem auch das Proportionalitätskriterium gegen eine stillegungsbedingte Entlassung spreche, führe der tatsächliche Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes zu keinem anderen Ergebnis. Der Wegfall des Arbeitsplatzes beruhe auf veränderten Betriebsstrukturen, gesamtbetrieblichen Umständen und den Mindereinnahmen der eingeplanten Ausgleichszahlung. Auch wenn die genannten Umstände in einem weiten Zusammenhang zur Flächenstillegung stünden und auf der Grundlage der Äquivalenztheorie rechtlich erheblich seien, so scheide ihre Berücksichtigung jedoch wegen der im Sozialrecht maßgeblichen Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung aus.
Der Kläger rügt mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision, das LSG habe § 9 Abs 1 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) verletzt. Es müsse genügen, wenn die zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses führende Kündigung durch die Flächenstillegung "indiziert" gewesen sei. Davon müsse ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber die Kündigung als stillegungsbedingt bezeichne bzw bescheinige, es sei denn, dies erweise sich als nicht nachvollziehbar oder als mißbräuchlich. Dafür biete der vorliegende Sachverhalt indessen keine Anhaltspunkte. Deshalb verletze das Urteil des LSG auch § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 FELEG, wenn es unter Zuhilfenahme der Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung anhand einzelner Kriterien nachvollziehbar die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Flächenstillegung verneint habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. Dezember 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. August 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1996 Ausgleichsgeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichsgeld, weil seine Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer nicht aufgrund von Flächenstillegung geendet hat.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 FELEG in der hier maßgebenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 ((ASRG 1995) vom 29. Juli 1994, BGBl I 1890) erhalten ua Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, ein Ausgleichsgeld, wenn
1. ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stillegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
2. sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stillegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind.
Die Leistungen werden nach Satz 2 aaO frühestens ab Vollendung des 55. Lebensjahres, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit ab Vollendung des 53. Lebensjahres, gewährt; das maßgebende Lebensjahr muß vor dem 1. Januar 1997 vollendet sein. Diese Vorschrift gilt gemäß § 13 Abs 1 Nr 6 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe von sonstigen (nicht in Nr 1-5 aaO genannten) EWG-rechtlichen Vorschriften hinsichtlich einer Stillegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzflächen endet. Gemäß § 18c Abs 1 FELEG gilt § 9 FELEG für am 1. Juli 1990 im Beitrittsgebiet ansässige und rentenversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß auf die nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FELEG erforderlichen Zeiten der Tätigkeit auch Zeiten der hauptberuflichen Tätigkeit in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, einem volkseigenen Gut oder einer vergleichbaren Einrichtung angerechnet werden. Nach § 22 Abs 3 FELEG sind die durch das ASRG 1995 erweiterten Tatbestände des § 13 Abs 1 FELEG ab 1. Januar 1995 (Art 48 Abs 1 ASRG 1995) auch dann anzuwenden, wenn sie bereits vor jenem Zeitpunkt erfüllt sind.
Der Rechtsbegriff "auf Grund" beschreibt nach allgemeinem juristischem Sprachgebrauch einen kausalen Zusammenhang. Nichts anderes gilt im Regelungszusammenhang des FELEG (vgl zu §§ 9, 13 FELEG bereits den Senatsbeschluß vom 18. März 1999 - B 10 LW 11/98 B -, auszugsweise abgedruckt in Neue Landwirtschaft - Briefe zum Agrarrecht 1999, 390 f). Das Gesetz verwendet diesen Begriff nicht nur in § 9 Abs 1 Nr 1 und § 13 Abs 1, sondern an zahlreichen weiteren Stellen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4, § 3 Abs 3, § 6 Abs 3 Satz 5 Nr 1, § 16 Abs 1). Die Bedeutung ist überall dieselbe. Zu Recht hat das LSG sie in der Forderung nach einem Kausalzusammenhang nicht lediglich im philosophisch-naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) erkannt. Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn ist hier zwar notwendig, sie reicht für den Anspruch auf Ausgleichsgeld aber nicht aus.
Auf dem Gebiet der Sozialversicherung, insbesondere der Unfall- (BSGE 45, 176, 178 = SozR 2200 § 548 Nr 37), aber auch in der Kranken- (BSGE 33, 202, 204 = SozR Nr 48 zu § 182 Reichsversicherungsordnung (RVO)) und Rentenversicherung (BSGE 30, 167, 178 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO), im Recht der sozialen Entschädigung (BSGE 79, 87, 88 = SozR 3-3800 § 2 Nr 5) und im Arbeitsförderungsrecht (BSGE 69, 108, 110 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 6) sowie beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Bundessozialgericht (BSG) vom 5. Mai 1988 - 12 RK 44/86 - SozSich 1988, 382) wird in ständiger, vom Schrifttum nahezu einhellig gebilligter Rechtsprechung die Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung angewandt, die in der Rechtsprechung auch als Theorie der "wesentlich mitwirkenden Ursache" bezeichnet wird (hierzu im einzelnen mit umfangreichen Nachweisen auch: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S 480 ff, Stand: 1989 sowie Erlenkämper in: Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Aufl 1999, S 74 ff). Es gibt im Gesetz keinen Anhaltspunkt noch sonst einen sachlichen Grund, warum dies im Regelungsbereich des FELEG anders sein sollte. Die hierin geregelten Leistungen - die Produktionsaufgaberente für ältere landwirtschaftliche Unternehmer sowie das Ausgleichsgeld für ältere landwirtschaftliche Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige - mögen zwar vorwiegend agrarstrukturelle Ziele verfolgen (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 1995 auf eine parlamentarische Kleine Anfrage, BT-Drucks 13/391 S 8) - sie sind aber Sozialleistungen: § 18 Abs 1 FELEG bestimmt die entsprechende Geltung der für die Alterssicherung der Landwirte maßgebenden Vorschriften des Ersten, Vierten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; § 18 Abs 4 FELEG ordnet an, daß Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung sind und demgemäß nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen.
Daraus folgt: Bei der in § 9 Abs 1 FELEG geforderten Feststellung eines kausalen Zusammenhanges dürfen als Ursachen für das Ende der Beschäftigung eines landwirtschaftlichen Arbeitnehmers - unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes - nur die (naturwissenschaftlich wirksam gewordenen) Bedingungen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 1, 72, 76; Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 - B 9 V 5/00 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Beurteilung, ob eine Bedingung wesentlich und deshalb (auch) rechtlich Ursache oder Mitursache ist, stellt eine Wertentscheidung dar (BSGE 69, 108, 113 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). Sie richtet sich nach der Qualität der Bedingung, die nicht davon abhängt, an welcher Stelle der Kausalkette sie steht. Insbesondere ist eine Bedingung nicht erst (oder schon) deshalb wesentlich, weil sie als letzte eingetreten ist und den Erfolg sichtbar gemacht hat (vgl BSGE 13, 40, 42 = SozR Nr 9 zu § 35 Bundesversorgungsgesetz). Entscheidend kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 81). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie sämtlich wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinn (BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO); ist eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber anderen Bedingungen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene die wesentliche Bedingung und damit die Ursache im Rechtssinne der geltenden Kausalitätslehre (BSGE 12, 242, 245 f = SozR Nr 27 zu § 542 aF RVO).
Das LSG hat sich bei seiner Beurteilung, daß die geforderten Voraussetzungen beim Kläger nicht erfüllt seien, auf eingehende Ausführungen zu den Kausalitätserfordernissen der §§ 9, 13 FELEG gestützt. Es hat erkennbar unterschieden zwischen der Kausalitätsfeststellung (im naturwissenschaftlichen-philosophischen Sinn) als Tatsache und deren Subsumtion unter den Rechtsbegriff der "wesentlichen Ursache" (vgl dazu das Senatsurteil vom 9. August 2001 - B 10 LW 9/00 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mwN). Die Entlassung des Klägers und der Wegfall seines Arbeitsbereichs (Schroterei) sind auf veränderte Betriebsstrukturen, gesamtbetriebliche Umstände und Mindereinnahmen der geplanten Ausgleichszahlung zurückzuführen; gegenüber diesen Gründen tritt die Flächenstillegung als allenfalls entfernt denkbare Mitursache vollständig in den Hintergrund. Deshalb hat das LSG der Tatsache, daß die von ihm unter anderem angewendeten Kriterien des zeitlichen Zusammenhangs und des Arbeitsplatzwegfalls erfüllt waren, auch weiter keine durchgreifende Bedeutung beigemessen. Eine für den Kläger günstigere Entscheidung leitet sich entgegen seiner Auffassung nicht daraus her, daß die AG ihm einen Zusammenhang zwischen den vorgenommenen Flächenstillegungen und seiner Entlassung bescheinigt hat. Diese Bescheinigung ist zwar Anlaß zur Prüfung im Verwaltungsverfahren und Prozeß, die Feststellung eines derartigen Ursachenzusammenhangs obliegt im sozialgerichtlichen Verfahren jedoch allein den Gerichten. Bei seiner Beweiswürdigung war das LSG deshalb nicht an die Angaben der AG zur rechtlichen Beurteilung der Kausalitätsfrage gebunden, sondern im Gegenteil verpflichtet, sich mit diesen - kritisch - auseinanderzusetzen.
Die Feststellungen des LSG hat der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, so daß sie für den Senat bindend sind (§ 163 SGG). Ein Anspruch auf Ausgleichsgeld besteht danach nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Alterssicherung der Landwirte
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 27/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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