Eine Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer übt regelmäßig nicht aus, wer von einem Betriebshelferdienst jeweils Betrieben der Landwirtschaft als Betriebshelfer überlassen wird
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als ehemaliger landwirtschaftlicher Arbeitnehmer Anspruch auf Ausgleichsleistung zur Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat.
Der 1933 geborene Kläger bezieht seit dem 1. April 1998 Regelaltersrente. Seinen Antrag auf Ausgleichsleistung nach dem Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger die in § 12 Abs 1 Buchst b ZVALG vorgesehene Wartezeit von 180 Monaten nicht erfülle. Er sei nach Vollendung seines 40. Lebensjahres nur 142 Monate als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Zeiten als Betriebshelfer beim Betriebshilfsdienst H (vom 1. Mai 1974 bis zum 31. August 1977 (40 Monate)) und bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse ((LAK) vom 15. Mai 1986 bis zum 24. Oktober 1986 (6 Monate)) sowie die daran anschließende einjährige Zeit der Arbeitslosigkeit könnten auf die Wartezeit nicht angerechnet werden (Bescheid vom 30. März 1999; Widerspruchsbescheid vom 27. September 1999).
Das Sozialgericht Itzehoe (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. November 2000). Die Berufung hatte keinen Erfolg (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 22. Februar 2002). Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die umstrittenen Zeiten als Betriebshelfer seien auf die Wartezeit nicht anzurechnen, weil die damaligen Arbeitgeber des Klägers nicht Betriebe der Landwirtschaft iS von § 2 Abs 2 ZVALG gewesen seien. Sie hätten nicht Boden bewirtschaftet, sondern als gewerbliche Dienstleistungsbetriebe ihre Arbeitnehmer - darunter den Kläger - an andere Betriebe "ausgeliehen". Dass derartige Unternehmen unfallversicherungsrechtlich in die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften fielen, sei für das ZVALG unmaßgeblich. Es könne auch dahinstehen, wer während der umstrittenen Zeiten der Tätigkeit des Klägers als Betriebshelfer die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Zusatzversorgungskasse getragen habe. Auch wenn dies - wie vom Kläger behauptet - die Landwirte gewesen sein sollten, bei denen er jeweils als Betriebshelfer eingesetzt gewesen sei, ändere sich am Ergebnis nichts, weil das Gesetz entscheidend auf eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung in einem Betrieb der Landwirtschaft abstelle.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsgericht habe § 12 Abs 1 iVm § 2 Abs 2 ZVALG verletzt. Dazu trägt er vor: Seine Arbeitgeber seien in der Betriebshelferzeit die jeweiligen Landwirte gewesen, zumal sie das Weisungs- und Direktionsrecht gehabt hätten. Das LSG habe außerdem seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es einen vom Kläger benannten Zeugen nicht zu der Frage gehört habe, wer während der umstrittenen Zeiten die Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur Zusatzversorgungskasse gezahlt habe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 22. Februar 2002 sowie des SG Itzehoe vom 27. November 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1999 zu verurteilen, ihm ab 1. April 1998 Ausgleichsleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung, weil er die Wartezeit nicht erfüllt. § 12 Abs 1 Buchst b ZVALG fordert neben anderen - hier erfüllten - Voraussetzungen, dass in den letzten 25 Jahren vor Beginn der Altersrente mindestens 180 Kalendermonate eine Beschäftigung als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer ausgeübt worden ist. In dem danach maßgebenden Zeitraum vom 1. April 1973 bis zum 30. März 1998 war der Kläger nur 142 Monate als landwirtschaftlicher Arbeitnehmer beschäftigt. Zu Recht haben die Beklagte und die Instanzgerichte die allein als weitere Zeiten geltend gemachten Beschäftigungen bei dem Betriebshilfsdienst H und bei der LAK (sowie die anschließende Arbeitslosigkeit) nicht berücksichtigt.
Der Begriff des landwirtschaftlichen Arbeitnehmers in § 12 ZVALG erschließt sich aus § 2 Abs 2 ZVALG. Die dort gegebene Definition gilt auch für den Zweiten Abschnitt des Gesetzes (BSG SozR 5866 § 12 Nr 3; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1988 - 4/11a RZLw 1/87 -, SozSich 1989, 287). Nach § 2 Abs 2 Satz 1 ZVALG sind landwirtschaftliche Arbeitnehmer Personen, die in einem Betrieb der Land- oder der Forstwirtschaft einschließlich des landwirtschaftlichen Obst- und Gemüsebaus, des Weinbaus sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht ständig rentenversicherungspflichtig beschäftigt werden. Als Betrieb in diesem Sinne gelten auch
a) gemischte Betriebe mit überwiegend landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter sowie
b) selbstständige Nebenbetriebe und selbstständige Betriebsabteilungen gewerblicher Unternehmungen mit landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem, wein-, obst- oder gemüsebaulichem Charakter (§ 2 Abs 2 Satz 2 ZVALG).
Der Betriebshilfsdienst und die LAK gehören nicht zu diesen Betrieben.
Es handelt sich dabei insbesondere nicht um "Betriebe der Landwirtschaft". Nach allgemeiner Auffassung fallen darunter nur solche Betriebe, die Grund und Boden zur Gewinnung organischer Erzeugnisse einschließlich der Erzeugung von Pflanzen und Tieren bewirtschaften (BSG SozR 5866 § 2 Nr 1 mwN). Nach den Feststellungen des LSG betrieb der betreffende Betriebshilfsdienst als Unternehmen nicht selbst landwirtschaftliche Produktion, sondern verlieh Arbeitnehmer an einzelne Landwirte. An dieser Beurteilung würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Dienst im Sinne einer landwirtschaftlichen Selbsthilfeorganisation aus einem Zusammenschluss von Landwirten bestand (vgl dazu BSG SozR Nr 5 zu § 235 RVO). Überdies zählt der Betriebshilfsdienst nicht zu den in § 2 Abs 2 Satz 2 Buchst b ZVALG genannten Betrieben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern dieser Dienst, dessen landwirtschaftlicher Betriebscharakter ebenfalls zweifelhaft ist, als Nebenbetrieb einem gewerblichen Unternehmen zugeordnet gewesen sein könnte. Entsprechendes gilt für die LAK als damalige Arbeitgeberin des Klägers.
Ob diese Art von Arbeitgebern nach § 123 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) bzw nach dessen Vorgängervorschrift (§ 776 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO)) von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfasst wird, ist ohne Belang (BSG SozR 5866 § 2 Nr 1). Der unfallversicherungsrechtliche Unternehmens- und der zusatzversorgungsrechtliche Betriebsbegriff fallen auseinander. Dabei bleibt es im hier entscheidenden Punkt auch nach der - vom Gesetzgeber im ZVALG ohnehin nicht nachvollzogenen - Änderung des Tarifvertrages über die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft idF vom 25. Februar 1994, dessen § 1 Abs 2 Satz 2 bestimmt:
Als landwirtschaftlich gelten alle Betriebe, die Mitglied einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, mit Ausnahme der Gartenbau-Berufsgenossenschaft, iS des § 776 Abs 1 Nr 1 oder Abs 2 RVO sind.
(Vgl dazu jetzt die Tarifverträge vom 28. November 2000 mit der für die alten und die neuen Bundesländer gleich lautenden Regelung in § 1 Abs 2 Satz 2:
Als landwirtschaftlich gelten Betriebe, die als Unternehmen im Sinne des § 123 Abs 1 Nr 1 oder 2 SGB VII einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit Ausnahme der Gartenbau-Berufsgenossenschaft angehören oder nur deshalb nicht angehören, weil ein Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zuständig ist.)
Die tarifvertragliche Änderung erstreckt den Geltungsbereich danach weder auf Unternehmen, die - wie Betriebshilfsdienste - unmittelbar der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft dienen, noch auf landwirtschaftliche Sozialversicherungsträger - wie die LAK - (vgl § 776 Abs 1 Nr 4 und 5 RVO, § 123 Abs 1 Nr 7 und 8 SGB VII).
Auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen (vgl § 163 SGG) ist davon auszugehen, dass in den fraglichen Zeiträumen nur Beschäftigungsverhältnisse des Klägers mit dem Betriebshilfsdienst H und der LAK bestanden, nicht jedoch mit einzelnen Landwirten, bei denen er jeweils als Betriebshelfer eingesetzt war. Eine Arbeitnehmerüberlassung, wie sie das LSG insbesondere für die unternehmerische Tätigkeit des Betriebshilfsdienstes festgestellt hat, setzt eine Vereinbarung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und einem Dritten voraus, wonach der Arbeitnehmer auf Grund der damit eingegangenen Verpflichtung seines Arbeitgebers bei dem Dritten zur Förderung von dessen Betriebszwecken tätig wird; dabei kommt es zu einer vollständigen Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers (vgl zB BAGE 87, 186, 188 ff). Da der Entleiher seine Direktionsbefugnis gegenüber dem Leiharbeitnehmer nicht aus einer originären Arbeitgeberstellung, sondern aus einer ihm gegen Entgelt vom Verleiher (Vertragsarbeitgeber) übertragenen Rechtsposition herleitet, ist der Hinweis des Klägers, die einzelnen Landwirte hätten ihm gegenüber Weisungsrecht gehabt, nicht geeignet, um das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen zwischen ihm und jenen zu begründen. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, wer in den fraglichen Zeiträumen die Sozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstelle überwiesen hat, zumal diese Zahlungen ausweislich der vom LSG ausgewerteten Versicherungsnachweise auf das Arbeitgeberkonto des Betriebshilfsdienstes bzw der LAK erfolgt sind.
Nach dem insoweit einschlägigen Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)) vom 7. August 1972 (BGBl I 1393) wären hier - fingierte - Arbeitsverhältnisse zwischen Entleihern (landwirtschaftlichen Betrieben) und dem Kläger ausnahmsweise dann zu Stande gekommen, wenn der Betriebshilfsdienst entweder gewerbsmäßig ohne die dafür nach § 1 Abs 1 AÜG erforderliche Erlaubnis tätig gewesen (vgl § 9 Nr 1 und § 10 Abs 1 AÜG) oder wenn Arbeitsvermittlung insbesondere deshalb zu vermuten wäre, weil der Betriebshilfsdienst nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage gewesen ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen (vgl § 1 Abs 2 und § 3 Abs 1 Nr 2 AÜG). Weder für das eine noch für das andere lassen sich aus dem Vorbringen des Klägers oder aus den vom LSG festgestellten Tatsachen Anhaltspunkte entnehmen.
Es ist bereits fraglich, ob der Betriebshilfsdienst H überhaupt gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat und damit einer Erlaubnis nach § 1 Abs 1 AÜG bedurfte. Die Materialien zum AÜG nennen ausdrücklich Selbsthilfeorganisationen im Bereich der Landwirtschaft, die landwirtschaftlichen Unternehmen Betriebshelfer oder Dorfhelferinnen zur Verfügung stellen, als erlaubnisfrei, wenn sie nicht - ausnahmsweise - in Gewinnabsicht handeln (BT-Drucks VI/2303, S 10). Nach den erkennbaren Umständen handelte es sich bei dem betreffenden Betriebshilfsdienst um eine derartige nicht gewerbsmäßig tätige Organisation. Abgesehen davon fehlt jeder Hinweis, dass der Dienst nicht über eine etwa erforderliche Erlaubnis verfügte, zumal er offenbar in die Leistungserbringung der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger eingebunden war. Dies gilt erst recht für die betroffene LAK.
Ein Eingreifen des Vermutungstatbestandes des § 1 Abs 2 AÜG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere die vollständige und durchgehende Abführung der Sozialversicherungsbeiträge lässt Zweifel an einer hinreichend leistungsfähigen Betriebsorganisation des Arbeitgebers hier nicht aufkommen. Daran würde auch die vom Kläger behauptete und in das Zeugnis des damaligen Vorsitzenden des Betriebshilfsdienstes, B , gestellte Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den jeweiligen Entleiher nichts ändern. Selbst wenn die Entleiher die Beiträge eingezahlt haben sollten, so hat der Betriebshilfsdienst doch sicher gestellt, dass dies korrekt auf sein Arbeitgeberkonto bei der Einzugsstelle erfolgte.
Unter diesen Umständen liegt der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler nicht vor. Der geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) lässt sich nicht feststellen. Das LSG hat den Zeugen B zu Recht nicht vernommen. Denn auf die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme zu der Frage, wer die Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat, kam es nach der - vom Senat bestätigten - Rechtsauffassung des LSG nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.