B 13 RJ 7/02 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 7/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger der Beklagten einen Betrag von 650 DM zu erstatten hat, der ihm nach dem Tode der Rentnerin E. R. (im Folgenden: E. R.) in Ausführung eines noch von dieser erteilten Dauerauftrages als Miete von deren Konto bei der Sparkasse M. zugeflossen ist.

Die am 12. September 1996 verstorbene E. R. bezog von der Beklagten eine Witwenrente mit einem Zahlbetrag von zuletzt monatlich 1.277,09 DM. In dieser Höhe wurde die Rente auch nach ihrem Tod noch für die Monate Oktober und November 1996 auf ihr Konto bei der Sparkasse M. überwiesen. Auf das Rückforderungsersuchen des Postrentendienstzentrums Hamburg vom 28. Oktober 1996 teilte die Sparkasse M. am 31. Oktober 1996 mit, die Überweisung könne nicht ausgeführt werden, weil der Betrag schon verfügt worden sei. Auf weitere Nachfragen der Beklagten vom 8. November und 12. Dezember 1996, jeweils unter Bezugnahme auf die Auskunftspflicht gemäß § 118 Abs 4 des Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (SGB VI), teilte die Sparkasse Mittelholstein am 9. Dezember 1996, 6. und 31. Januar 1997 mit, dass zwei Rentenrückrufe vom 28. Oktober 1996 - zu unterschiedlichen Renten-Nummern - über 866,70 DM und 1.277,09 DM eingegangen seien; der Rückruf über 1277,09 DM habe mangels Deckung nicht ausgeführt werden können und sei an das Postrentendienstzentrum Hamburg zurückgeschickt worden. Das Guthaben sei zu diesem Zeitpunkt durch laufende Daueraufträge und Lastschriften aufgebraucht gewesen, weil nicht bekannt gewesen sei, dass E. R. verstorben sei. Rentenrückrufe per 30. Oktober 1996 (1.277,09 DM und 911,36 DM) seien mit Buchung vom 31. Oktober 1996 ausgeführt worden. Erben seien nicht bekannt; Barverfügungen seien nicht getroffen worden.

Einen Restbetrag von 290,43 DM vor Schließung des Girokontos überwies die Sparkasse M. auf ein Konto der Beklagten. Hiernach verblieb ausweislich der Akten eine Rentenüberzahlung der Beklagten in Höhe von 849,50 DM. Die Sparkasse teilte mit, dass Kontobelastungen zu Gunsten der Stadtwerke R. , der M. OHG-Versicherung sowie des Klägers (Mietzahlungen) Anfang Oktober 1996 ausgeführt worden seien, die allesamt vor dem Tod der E. R. in Auftrag gegeben worden seien. Hinzu kämen angefallene Kosten für die Kontoführung.

Nachdem die Sparkasse M. der Beklagten im letzten Schreiben vom 31. Januar 1997 Namen und Anschrift des Klägers als Vermieter der E. R. mitgeteilt hatte und Rückforderungsversuche bei der Tochter der E. R. wegen Ausschlagung der Erbschaft ergebnislos verlaufen waren, forderte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 1998 vom Kläger 650 DM unter Bezugnahme auf § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI zurück.

Nach einem Hinweis des Sozialgerichts (SG) im nachfolgenden Klageverfahren, dass Bedenken gegen die Handlungsform durch Verwaltungsakt bestünden, hat die Beklagte am 26. April 2000 Leistungsklage auf Zahlung von 650 DM in Form der Widerklage erhoben.

Das SG hat mit Urteil vom 19. September 2000 den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 1998 aufgehoben und die Widerklage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat gemäß § 155 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch seinen Vorsitzenden mit Urteil vom 6. Dezember 2001 das erstinstanzliche Urteil geändert und den Kläger verurteilt, der Beklagten 650 DM zu erstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Erstattungspflicht des Klägers ergebe sich aus § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI. Die Sparkasse M. habe die Überzahlung Ende Oktober 1996 nicht mehr zurück überweisen können (§ 118 Abs 3 SGB VI). Der Kläger sei auch Empfänger der Leistung iS des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI gewesen. Es komme nicht darauf an, ob er das Geld "als Rentenleistung" erhalten habe, sondern allein darauf, dass aus der auf ein bestimmtes Konto überwiesenen und zu Unrecht erbrachten Geldleistung der Beklagten Teile an ihn weitergeleitet worden seien.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI. Er ist der Ansicht: Er habe die Rentenzahlung der Beklagten oder einen Teil derselben nicht empfangen iS des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI. Die entgegenstehende Auslegung dieser Vorschrift durch das Berufungsgericht widerspreche deren Wortlaut, deren innerer Systematik und auch deren Sinn und Zweck. Würde man den Kreis der Empfänger gemäß § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI - wie das Berufungsgericht - ausufernd weit fassen, so würde die gesetzliche Vorschrift jeglicher Konturen entbehren. Zudem verliere die Rentenzahlung als Geldleistung ihre rechtliche Selbstständigkeit mit der Gutschrift auf dem Kontokorrentkonto der Rentenberechtigten. Er, der Kläger, habe auch über die Geldleistung der Beklagten nicht iS des § 118 Abs 4 Satz 1 2. Alternative SGB VI "verfügt". Eine solche Verfügungsberechtigung habe ihm nicht zugestanden, sondern lediglich den Erben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Dezember 2001 aufzuheben und die Widerklage der Beklagten abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. November 2002 entscheiden, weil der Kläger zu dem Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Revision des Klägers ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 SGG). Derzeit kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob LSG und SG zu Recht die Zulässigkeit der Klage bejaht haben und daher zu einer Sachentscheidung kommen durften.

Bei dem Anspruch auf Erstattung von Geldleistungen nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in der bis zum 28. Juni 2002 geltenden Fassung (insoweit unverändert aber auch für die Neufassung ab 29. Juni 2002) handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung iS des § 51 Abs 1 SGG. Die Vorschrift regelt besondere öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche des Rentenversicherungsträgers wegen Geldleistungen, die - bedingt durch den Tod des Überweisungsadressaten - fehlgegangen sind (vgl BSG Urteile vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 37/01 R, B 4 RA 44/01 R und B 4 RA 53/01 R - sowie vom 9. April 2002 - B 4 RA 64/01 R - die beiden letztgenannten zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSGE 82, 239 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3).

Der Senat vermag nicht zu beurteilen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die bis zum 28. Juni 2002 geboten gewesene Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG; erst die Neufassung des § 118 Abs 4 Satz 2 SGB VI sieht die Geltendmachung durch Verwaltungsakt vor) als Widerklage gegen den Kläger als angeblichen Zahlungsempfänger besteht, oder ob insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, weil der Beklagten bereits auf der Grundlage des § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI ein Anspruch auf Rückzahlung des fehlgegangenen Rentenbetrags gegen die kontoführende Sparkasse M. zusteht, den sie im Wege der Zahlungsklage (nunmehr durch Verwaltungsakt) gegen diese vorrangig hätte durchsetzen können. Die insoweit noch festzustellenden Tatsachen sind nicht nur für das Rechtsschutzbedürfnis erheblich, sondern auch - materiell - für die Begründetheit des gegen den Kläger mit der Zahlungs(wider)klage geltend gemachten Anspruchs.

Für eine Leistungsklage (nach der bis zum 28. Juni 2002 bestehenden Rechtslage), mit der der Rentenversicherungsträger einen Erstattungsanspruch gegen denjenigen geltend macht, der die Geldleistung als Ergebnis einer wirksamen Verfügung zu Lasten des Kontos des verstorbenen Rentenbeziehers in Empfang genommen hat (§ 118 Abs 4 Satz 1 Alternative 1 SGB VI aF), besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur und erst dann, wenn feststeht, dass ein Erstattungsanspruch in der entsprechenden Höhe gegen das Geldinstitut nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann (vgl BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 3; SozR 3-1500 § 54 Nr 45; Urteile vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 37, 44 und 53/01 R; Pflüger, DAngVers 2002, 293 ff, 294). Erst wenn das Geldinstitut begründet den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung dem Rentenversicherungsträger entgegenhalten kann (§ 118 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB VI), kommt der - weitere - Erstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 Alternative 1 SGB VI aF überhaupt in Betracht.

Nach der Systematik des § 118 Abs 3 und Abs 4 SGB VI aF ist der Anspruch gegen das Geldinstitut auf Rückerstattung der Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf dessen Konto bei dem Geldinstitut überwiesen wurden, vorrangig (vgl § 118 Abs 3 Satz 2, Abs 4 Satz 1 SGB VI aF (" ... so dass dieser nicht nach Absatz 3 von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird ...")). Insoweit hat der Rentenversicherungsträger dem Geldinstitut die Voraussetzungen für diesen Anspruch darzulegen; der Rentenversicherungsträger muss den Zeitpunkt der Überweisung der Geldleistung, das Konto, den Namen des Zahlungsadressaten, dessen Todeszeitpunkt, die bezeichnete Art der Geldleistung, deren Höhe sowie deren Bezugszeitraum nennen und das ernstliche Verlangen (§ 118 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI) aussprechen, dass der Wert der Geldleistung im Hinblick darauf zu erstatten ist, dass die Vermögensverschiebung wegen des Todes des Versicherten zu Unrecht erfolgt sei (BSG Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 64/01 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Der Kläger kann mithin als "Empfänger" (vgl zu diesem Begriff BSG Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 53/01 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Pflüger, DAngVers 2002, 293 ff, 296) erst dann auf Erstattung des ihm zugeflossenen Betrages in Anspruch genommen werden, wenn feststeht, dass kein Anspruch gegen das Geldinstitut auf "Rücküberweisung" durchgesetzt werden kann. Prozessrechtlich bedeutet dies, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Zahlungsklage des Rentenversicherungsträgers gegen den Empfänger nur dann besteht, wenn die Zahlungsklage gegen das Geldinstitut abgewiesen worden ist oder wenn der Rentenversicherungsträger schlüssig dargelegt und ggf hierzu Beweis angeboten hat (BSG Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 64/01 R -), dass das Geldinstitut ihm gegenüber die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI verneint hat.

Entsprechend diesen Grundsätzen hätte die Beklagte im gerichtlichen Verfahren zu folgenden Tatsachen schlüssig vortragen müssen: Datum des Eingangs des Rückforderungsverlangens bei der Sparkasse M. ; Kontostand bei Eingang des Rückforderungsverlangens; ggf Rechtshandlungen des Geldinstituts nach Gutschrift, welche den Schutzbetrag gemindert oder aufgehoben haben; Mitteilung von Namen und Anschriften der Personen, die - im Verhältnis zum Geldinstitut rechtswirksam - den Schutzbetrag ganz oder teilweise abgehoben oder überwiesen haben; die jeweiligen Verfügungszeitpunkte und der jeweils verbliebene Rest des Schutzbetrages.

Die Beklagte hat den vorgenannten Erfordernissen lediglich insoweit entsprochen, als sie die Sparkasse M. unter dem 8. November und dem 12. Dezember 1996 jeweils angeschrieben und die Höhe der Überzahlungen für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 1996 mitgeteilt hat. Dieser Zahlbetrag wurde dann mit "Rücküberweisungen" auf Grund der maschinellen Rückforderungen des Postrentendienstzentrums Hamburg saldiert und der Restbetrag als "Forderung" ausgewiesen. In den Schreiben heißt es weiter, dass nach Auskunft der Sparkasse M. an den Postrentendienst dieser Betrag nicht zurücküberwiesen werden konnte, weil über ihn bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt gewesen sei. Im Antwortschreiben der Sparkasse M. vom 9. Dezember 1996 ist zudem der Zeitpunkt der "Rückrufe der Renten" vom Postrentendienstzentrum Hamburg vermerkt, allerdings in Absatz 2 des Schreibens mit dem 28. Oktober 1996, in Absatz 3 dagegen mit dem 30. Oktober 1996.

Die Beklagte hat damit jedoch nach den vorliegenden Unterlagen gegenüber der Sparkasse M. kein ausdrückliches und auf § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI basierendes Rückforderungsverlangen ausgesprochen. Es ist auch nicht festgehalten, welches Guthaben auf dem Konto zum Zeitpunkt der "Rückrufe der Renten" am 28. bzw. 30. Oktober 1996 bestand und welche Rechtshandlungen des Geldinstituts ggf nach der Gutschrift der Renten den Schutzbetrag gemindert oder aufgehoben haben. Nicht hinreichend aufgeklärt ist ferner, inwieweit durch andere berechtigte Personen in den Schutzbetrag durch Abhebungen und Überweisungen eingegriffen worden ist. Vielmehr hat sich die Beklagte im Wortlaut der Anschreiben vom 8. November und 12. Dezember 1996 ausdrücklich allein auf § 118 Abs 4 SGB VI aF bezogen und Auskunft über Namen und Anschriften an Personen, die nach dem Tode der Berechtigten über das Konto verfügt hätten, und Art, Datum und Betrag der Verfügungen sowie ggf Name und Anschrift eines neuen Kontoinhabers begehrt.

Das LSG wird daher die Beklagte zunächst aufzufordern haben darzulegen, ob sie - über den vorhandenen Schriftwechsel hinaus - Ansprüche bei der Sparkasse M. nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI angemeldet und wie sie diese ggf verfolgt hat. Danach wird auch zu entscheiden sein, ob die Sparkasse M. dem Verfahren beizuladen ist. Denn ggf müsste außer der Beklagten auch die Sparkasse M. ihre Ausführungen zu dem genauen Zugang eines Rückforderungsverlangens, zu den Kontobewegungen im Hinblick auf einen möglichen vorrangigen Anspruch der Beklagten ihr gegenüber sowie zu den jeweiligen Kontoständen in Bezug auf einen vorhandenen Schutzbetrag ergänzen. Damit wäre die Sparkasse M. an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass eine Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könnte (§ 75 Abs 2 1. Alternative SGG).

Das Urteil des LSG war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Rechtskraft
Aus
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