Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 2 U 93/98
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 U 4/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 23/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. Mai 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung einer Betriebshilfe in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger ist als selbständiger Landwirt bei der Beklagten, deren örtliche Zuständigkeit sich auf die Gebiete der Bundesländer Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg erstreckt, unfallversichert. Er bewirtschaftet 14 ha Ackerland sowie 51 ha Grünland und betreibt dort Viehzucht und Milchwirtschaft. Bei einem Arbeitsunfall am 9. Februar 1998 verletzte er sich am linken Knie und wurde deswegen - bis auf die stationären Aufenthalte vom 19. bis 24. Februar, 8. bis 21. September und 29. September bis 24. Oktober 1998 - ambulant behandelt. Der Kläger war wegen der Unfallfolgen ununterbrochen arbeitsunfähig. Mit mehreren Bescheiden gewährte die Beklagte dem Kläger Betriebshilfe für bestimmte Zeitabschnitte, nämlich für die Zeiten vom 10. Februar bis 16. Mai (95 Tage) sowie vom 8. bis 21. September und vom 29. Sep-tember bis 24. Oktober 1998 (40 Tage). Auf die Zeiträume ambulanter Behandlung entfielen 90 Tage, auf die stationärer Behandlung 45 Tage. Die Betriebshilfe erfolgte durch den Einsatz eines vom Maschinenring Husum-Eiderstedt gestellten Betriebshelfers.
Mit Bescheiden vom 4. Mai 1998 und 29. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Betriebshilfe über den 16. Mai 1998 hinaus ab, da der Kläger genügend Zeit gehabt habe, sich für die weitere Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine Kraft zu besorgen. Nach den Regelungen ihrer Satzung werde bei ambulanter Behandlung die Betriebshilfe lediglich für vier Wochen gestellt. Nur in Ausnahmefällen könne die Hilfe länger dauern. Sinn und Zweck der Betriebshilfe sei es nicht, dem Versicherten einen wirtschaftlichen Schaden, der durch die Einstellung einer Arbeitskraft entstehe, zu ersetzen, sondern nur den ersten Notstand zu überbrücken. Art und Dauer seiner Erkrankung hätten dem Kläger zu der Besorgnis Anlaß geben müssen, daß die Wiederherstellung der Gesundheit wahrscheinlich länger als die bereits gewährten 90 Tage der ambulanten Behandlung in Anspruch nehmen würde. Durch die ergangenen Entscheidungen seien dem Kläger sowohl die Regeldauer der Betriebshilfe von 4 Wochen als auch der Umstand bekannt gewesen, daß die jeweils befristeten Verlängerungen nur "ausnahmsweise" erfolgt seien. Ein geschütztes Vertrauen, daß diese Ausnahmen auf unabsehbare Zeit zur Regel werden würden, bestehe angesichts der auf Eigenverantwortung ausgerichteten Ausgestaltung der Satzungsleistung grundsätzlich nicht.
Klage und Berufung des Klägers, mit denen er geltend machte, er sei zur Fortsetzung seines landwirtschaftlichen Betriebes auf die von der Beklagten zu stellende Betriebshilfe angewiesen gewesen, sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 29. Oktober 1999; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 25. Mai 2000). Zur Begründung hat das LSG nach Darstellung der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei von der Beklagten Betriebshilfe für einen Zeitraum von 19 Wochen, nämlich vom 20. Februar bis 16. Mai, 8. bis 21. September und 29. September bis 24. Oktober 1998 (insgesamt also 135 Tage) und damit über die zeitlichen Höchstgrenzen des § 27 Abs 3 der Satzung und § 54 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hinaus gewährt worden. Er könne daher eine noch darüber hinausgehende Hilfe nicht beanspruchen. Die Auffassung des Klägers, daß maßgebend allein § 27 Abs 2 der Satzung sei, würde eine grundsätzlich unbefristete Verpflichtung zur Gewährung einer Betriebshilfe bedeuten. Diese Auslegung widerspreche dem Sinn und Zweck der Betriebshilfe, nämlich - nur - die erste Not im Betrieb zu überbrücken.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 27 Abs 2 der Satzung, die iVm § 54 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) über Schleswig-Holstein hinaus Bedeutung habe. Betriebshilfe werde nach § 27 Abs 1 der Satzung in der Regel bis zur Dauer von vier Wochen bewilligt. Dieser Zeitraum sei abgelaufen, so daß sich sein Anspruch nur aus Abs 2 dieser Bestimmung ergeben könne, denn die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit dauere länger an. Insofern werde gerügt, das LSG habe Abs 3 des § 27 der Satzung mit der Maßgabe angewendet, daß die dort mitgeteilte Höchstgrenze der Bewilligung von 16 Wochen auch auf den Abs 2 dieser Bestimmung anzuwenden sei. Dies sei aber nicht so, denn dann hätte ein Abs 4 angefügt werden müssen, so daß sich dieser mögliche Abs 4 des § 27 auch auf die voranstehenden Absätze beziehe. Dies könne aber nicht gewollt sein, weil in Abs 2 des § 27 eine Höchstdauer von vier Wochen bestimmt sei. Bei richtiger Lesart des § 27 der Satzung habe er - der Kläger - also Anspruch auf Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum und damit einen Anspruch auf eine richtige Ermessensentscheidung, so daß die Verletzung des § 39 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gerügt werde. In diesem Sinne sei im Klage- und Berufungsverfahren bereits vorgetragen worden, daß hier besondere Umstände vorlägen, die das Ermessen der Beklagten auf "Null" reduziert hätten. Die Beklagte habe ihr Ermessen aber gar nicht ausgeübt, was auch der in erster Instanz gehörte Zeuge ausgeführt habe. § 27 Abs 2 der Satzung gehe auf eine Ermächtigungsgrundlage in § 54 Abs 3 SGB VII zurück. In der dortigen Nr 5 werde die Berufsgenossenschaft ermächtigt, eine Satzung zu erlassen, nach der diese Leistung auch länger als drei Monate erbracht werden könne. Dies habe das LSG verkannt, weil es insoweit von einer zeitlichen Begrenzung von drei Monaten ausgegangen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, L 5 U 4/00 (Sozialgericht Schleswig, S 2 U 93/98) abzuändern, die Bescheide der Beklagten vom 4. und 29. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten für Betriebshelfer vom 16. Mai 1998 bis zum 30. November 1998 über insgesamt 10.010,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Betriebshilfe über die von der Beklagten bewilligten Zeiträume hinaus, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 4. und 29. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998, in denen dem Kläger die Betriebshilfe während seiner ambulanten Behandlung nach einer Gewährung von 90 Tagen über den 16. Mai 1998 hinaus verweigert wird, sowie der vom Kläger erhobene und mit seinem Revisionsantrag weiter verfolgte Anspruch auf Betriebshilfe bis zum 30. November 1998. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 SGB VII erhalten landwirtschaftliche Unternehmer mit einem Unternehmen iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte während einer stationären Behandlung, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige nicht ständig beschäftigt werden, Betriebshilfe. § 54 Abs 1 Satz 2 SGB VII bestimmt, daß Betriebshilfe (nach Satz 1) für längstens drei Monate erbracht wird. Nach § 54 Abs 3 Nr 5 SGB VII kann die Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Betriebshilfe länger als drei Monate erbracht wird. Dazu regelt § 26 der Satzung, daß während einer stationären Behandlung aufgrund eines Versicherungsfalles Betriebshilfe über die Dauer von drei Monaten hinaus gewährt wird, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern. Für die Zeit einer nicht stationären Heilbehandlung kann gemäß § 54 Abs 3 Nr 2 SGB VII die Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für wie lange den landwirtschaftlichen Unternehmern und ihren Ehegatten Betriebshilfe erbracht wird. Dazu regelt § 27 Abs 1 der Satzung, daß während einer auf einem Versicherungsfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit landwirtschaftliche Unternehmer in der Regel bis zu vier Wochen Betriebshilfe erhalten, sofern die weiter im einzelnen genannten Voraussetzungen erfüllt sind. § 27 Abs 2 der Satzung bestimmt, daß, sofern eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit länger andauert, die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum gewährt werden kann, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern. Nach § 27 Abs 3 der Satzung schließlich wird Betriebshilfe für längstens 16 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des ersten Einsatzes an, bewilligt, wenn bei wiederholter Erkrankung derselbe Versicherungsfall zugrunde liegt.
Der Kläger hat in der Zeit der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit ab dem 9. Februar 1998 bis zum 16. Mai 1998 während seiner ambulanten Behandlung für 90 Tage und bis zum 24. Oktober 1998 während weiterer Zeiträume stationäre Behandlungen für 45 Tage Betriebshilfe erhalten. Es steht dahin, ob diese Bezugszeiten rechtlich voneinander zu trennen sind oder ob sie zusammengerechnet werden müssen. Denn die Beklagte hat jedenfalls in rechtmäßiger Art und Weise die Gewährung von Betriebshilfe während nicht stationärer Behandlung des Klägers nach einer Dauer von 90 Tagen abgelehnt. Es kann auch dahinstehen, ob § 54 SGB VII die Höchstgewährungsdauer der Betriebshilfe auch bei nicht stationärer Behandlung des infolge Arbeitsunfalls arbeitsunfähigen landwirtschaftlichen Unternehmers auf drei Monate begrenzt (§ 54 Abs 1 Satz 2) und ob die Ermächtigung des § 54 Abs 3 Nr 5 SGB VII, wonach die Satzung bestimmen kann, unter welchen Voraussetzungen die Betriebshilfe länger als drei Monate erbracht wird, die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sowohl bei stationärer als auch bei nicht stationärer Behandlung erfaßt. Schließlich muß auch die Frage nicht entschieden werden, ob die Beklagte in der Satzung entsprechende rechtliche Möglichkeiten für den Bezug über drei Monate hinaus auch für den Fall der ambulanten Behandlung vorgesehen hat. Während § 26 der Satzung als zu überschreitende zeitliche Grenze bei stationärer Behandlung ausdrücklich drei Monate nennt, fehlt in § 27 Abs 2 der Satzung eine solche ausdrückliche Bestimmung. Denn selbst wenn man dieser Vorschrift entnimmt, daß bei einer auf einem Versicherungsfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit, die über vier Wochen (§ 27 Abs 1) hinaus andauert, die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum als drei Monate und auch bei ambulanter Behandlung des Unternehmers gewährt werden kann, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern, erweist sich die im übrigen nicht unter Hinweis auf eine tatsächliche oder vermeintliche Höchstbezugdauer begründete Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.
27 Abs 2 der Satzung ist als Ermessensnorm formuliert. Danach "kann" die Betriebshilfe für "einen längeren Zeitraum gewährt werden". Aus dem Gebrauch des Wortes "kann" geht hervor, daß die Beklagte im Einzelfall über die Anträge auf Gewährung von Betriebshilfe über den Zeitraum von vier Wochen hinaus nach Ermessen zu entscheiden hat. Es handelt sich um ein echtes Gewährungsermessen, von dessen Einräumung durch den Normgeber regelmäßig bei Gebrauch der Worte "können", "dürfen" oder "berechtigt sein" auszugehen ist (vgl Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, § 39 RdNr 4; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 54 RdNr 25). Das bedeutet, daß die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Sinn und Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB I; § 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt hat der Kläger einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I), nicht aber auf Gewährung der streitigen Betriebshilfe, sofern nicht eine "Ermessensreduzierung auf Null" hinsichtlich der begehrten Leistung eingetreten ist.
Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte entgegen dem Revisionsvorbringen erkannt, daß ihr bei der konkreten Entscheidung ein Ermessensspielraum zustand; sie hat dieses Ermessen auch ausgeübt und in nachvollziehbarer Weise begründet. Insbesondere hat sie ausgehend von dem Sinn und Zweck der besonderen Leistung der Betriebshilfe, nämlich dem infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewordenen Unternehmers - nur - in der ersten Not bei der Aufrechterhaltung des Betriebes zu helfen, geprüft, ob nach einer Bezugsdauer von 90 Tagen besondere Verhältnisse im Unternehmen iS des § 27 Abs 2 der Satzung vorlagen, die die weitere Gewährung von Betriebshilfe von deren Sinn und Zweck her erforderlich machten. Dies hat die Beklagte verneint und darauf hingewiesen, daß der Kläger hinreichend Zeit besessen habe, für die auch von ihm selbst zu erwartende weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit selbst und auf eigene Kosten eine Lösung zur Fortführung des Betriebes zu suchen.
Angesichts des von der Beklagten zutreffend erkannten Sinn und Zwecks der Betriebshilfe nach § 54 Abs 4 SGB VII, der sich insbesondere im Zusammenwirken mit dem in § 55 SGB VII geregelten Anspruch auf Verletztengeld erschließt, hat sie ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Daß die Beklagte bei ihrer Entscheidung "besondere Verhältnisse" im Unternehmen des Klägers übersehen hätte und deshalb ausgehend von einem unvollständig ermittelten Sachverhalt die Ermessensentscheidung sachwidrig sein könnte (vgl Meyer-Ladewig, aaO § 54 RdNr 29a), oder daß sogar Umstände vorgelegen hätten, die jede andere Entscheidung als die Weiterbewilligung der Betriebshilfe im Sinne einer Ermessensreduzierung als rechtswidrig erscheinen ließen (vgl Meyer-Ladewig, aaO § 54 RdNr 31), ist nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt, der, weil diese Feststellungen vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen sind, für den Senat gemäß § 163 SGG bindend ist, nicht anzunehmen.
Die Revision des Klägers war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung einer Betriebshilfe in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1965 geborene Kläger ist als selbständiger Landwirt bei der Beklagten, deren örtliche Zuständigkeit sich auf die Gebiete der Bundesländer Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg erstreckt, unfallversichert. Er bewirtschaftet 14 ha Ackerland sowie 51 ha Grünland und betreibt dort Viehzucht und Milchwirtschaft. Bei einem Arbeitsunfall am 9. Februar 1998 verletzte er sich am linken Knie und wurde deswegen - bis auf die stationären Aufenthalte vom 19. bis 24. Februar, 8. bis 21. September und 29. September bis 24. Oktober 1998 - ambulant behandelt. Der Kläger war wegen der Unfallfolgen ununterbrochen arbeitsunfähig. Mit mehreren Bescheiden gewährte die Beklagte dem Kläger Betriebshilfe für bestimmte Zeitabschnitte, nämlich für die Zeiten vom 10. Februar bis 16. Mai (95 Tage) sowie vom 8. bis 21. September und vom 29. Sep-tember bis 24. Oktober 1998 (40 Tage). Auf die Zeiträume ambulanter Behandlung entfielen 90 Tage, auf die stationärer Behandlung 45 Tage. Die Betriebshilfe erfolgte durch den Einsatz eines vom Maschinenring Husum-Eiderstedt gestellten Betriebshelfers.
Mit Bescheiden vom 4. Mai 1998 und 29. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Betriebshilfe über den 16. Mai 1998 hinaus ab, da der Kläger genügend Zeit gehabt habe, sich für die weitere Zeit der Arbeitsunfähigkeit eine Kraft zu besorgen. Nach den Regelungen ihrer Satzung werde bei ambulanter Behandlung die Betriebshilfe lediglich für vier Wochen gestellt. Nur in Ausnahmefällen könne die Hilfe länger dauern. Sinn und Zweck der Betriebshilfe sei es nicht, dem Versicherten einen wirtschaftlichen Schaden, der durch die Einstellung einer Arbeitskraft entstehe, zu ersetzen, sondern nur den ersten Notstand zu überbrücken. Art und Dauer seiner Erkrankung hätten dem Kläger zu der Besorgnis Anlaß geben müssen, daß die Wiederherstellung der Gesundheit wahrscheinlich länger als die bereits gewährten 90 Tage der ambulanten Behandlung in Anspruch nehmen würde. Durch die ergangenen Entscheidungen seien dem Kläger sowohl die Regeldauer der Betriebshilfe von 4 Wochen als auch der Umstand bekannt gewesen, daß die jeweils befristeten Verlängerungen nur "ausnahmsweise" erfolgt seien. Ein geschütztes Vertrauen, daß diese Ausnahmen auf unabsehbare Zeit zur Regel werden würden, bestehe angesichts der auf Eigenverantwortung ausgerichteten Ausgestaltung der Satzungsleistung grundsätzlich nicht.
Klage und Berufung des Klägers, mit denen er geltend machte, er sei zur Fortsetzung seines landwirtschaftlichen Betriebes auf die von der Beklagten zu stellende Betriebshilfe angewiesen gewesen, sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 29. Oktober 1999; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 25. Mai 2000). Zur Begründung hat das LSG nach Darstellung der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei von der Beklagten Betriebshilfe für einen Zeitraum von 19 Wochen, nämlich vom 20. Februar bis 16. Mai, 8. bis 21. September und 29. September bis 24. Oktober 1998 (insgesamt also 135 Tage) und damit über die zeitlichen Höchstgrenzen des § 27 Abs 3 der Satzung und § 54 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hinaus gewährt worden. Er könne daher eine noch darüber hinausgehende Hilfe nicht beanspruchen. Die Auffassung des Klägers, daß maßgebend allein § 27 Abs 2 der Satzung sei, würde eine grundsätzlich unbefristete Verpflichtung zur Gewährung einer Betriebshilfe bedeuten. Diese Auslegung widerspreche dem Sinn und Zweck der Betriebshilfe, nämlich - nur - die erste Not im Betrieb zu überbrücken.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 27 Abs 2 der Satzung, die iVm § 54 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) über Schleswig-Holstein hinaus Bedeutung habe. Betriebshilfe werde nach § 27 Abs 1 der Satzung in der Regel bis zur Dauer von vier Wochen bewilligt. Dieser Zeitraum sei abgelaufen, so daß sich sein Anspruch nur aus Abs 2 dieser Bestimmung ergeben könne, denn die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit dauere länger an. Insofern werde gerügt, das LSG habe Abs 3 des § 27 der Satzung mit der Maßgabe angewendet, daß die dort mitgeteilte Höchstgrenze der Bewilligung von 16 Wochen auch auf den Abs 2 dieser Bestimmung anzuwenden sei. Dies sei aber nicht so, denn dann hätte ein Abs 4 angefügt werden müssen, so daß sich dieser mögliche Abs 4 des § 27 auch auf die voranstehenden Absätze beziehe. Dies könne aber nicht gewollt sein, weil in Abs 2 des § 27 eine Höchstdauer von vier Wochen bestimmt sei. Bei richtiger Lesart des § 27 der Satzung habe er - der Kläger - also Anspruch auf Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum und damit einen Anspruch auf eine richtige Ermessensentscheidung, so daß die Verletzung des § 39 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gerügt werde. In diesem Sinne sei im Klage- und Berufungsverfahren bereits vorgetragen worden, daß hier besondere Umstände vorlägen, die das Ermessen der Beklagten auf "Null" reduziert hätten. Die Beklagte habe ihr Ermessen aber gar nicht ausgeübt, was auch der in erster Instanz gehörte Zeuge ausgeführt habe. § 27 Abs 2 der Satzung gehe auf eine Ermächtigungsgrundlage in § 54 Abs 3 SGB VII zurück. In der dortigen Nr 5 werde die Berufsgenossenschaft ermächtigt, eine Satzung zu erlassen, nach der diese Leistung auch länger als drei Monate erbracht werden könne. Dies habe das LSG verkannt, weil es insoweit von einer zeitlichen Begrenzung von drei Monaten ausgegangen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, L 5 U 4/00 (Sozialgericht Schleswig, S 2 U 93/98) abzuändern, die Bescheide der Beklagten vom 4. und 29. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten für Betriebshelfer vom 16. Mai 1998 bis zum 30. November 1998 über insgesamt 10.010,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Betriebshilfe über die von der Beklagten bewilligten Zeiträume hinaus, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 4. und 29. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1998, in denen dem Kläger die Betriebshilfe während seiner ambulanten Behandlung nach einer Gewährung von 90 Tagen über den 16. Mai 1998 hinaus verweigert wird, sowie der vom Kläger erhobene und mit seinem Revisionsantrag weiter verfolgte Anspruch auf Betriebshilfe bis zum 30. November 1998. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 SGB VII erhalten landwirtschaftliche Unternehmer mit einem Unternehmen iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte während einer stationären Behandlung, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige nicht ständig beschäftigt werden, Betriebshilfe. § 54 Abs 1 Satz 2 SGB VII bestimmt, daß Betriebshilfe (nach Satz 1) für längstens drei Monate erbracht wird. Nach § 54 Abs 3 Nr 5 SGB VII kann die Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Betriebshilfe länger als drei Monate erbracht wird. Dazu regelt § 26 der Satzung, daß während einer stationären Behandlung aufgrund eines Versicherungsfalles Betriebshilfe über die Dauer von drei Monaten hinaus gewährt wird, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern. Für die Zeit einer nicht stationären Heilbehandlung kann gemäß § 54 Abs 3 Nr 2 SGB VII die Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für wie lange den landwirtschaftlichen Unternehmern und ihren Ehegatten Betriebshilfe erbracht wird. Dazu regelt § 27 Abs 1 der Satzung, daß während einer auf einem Versicherungsfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit landwirtschaftliche Unternehmer in der Regel bis zu vier Wochen Betriebshilfe erhalten, sofern die weiter im einzelnen genannten Voraussetzungen erfüllt sind. § 27 Abs 2 der Satzung bestimmt, daß, sofern eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit länger andauert, die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum gewährt werden kann, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern. Nach § 27 Abs 3 der Satzung schließlich wird Betriebshilfe für längstens 16 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des ersten Einsatzes an, bewilligt, wenn bei wiederholter Erkrankung derselbe Versicherungsfall zugrunde liegt.
Der Kläger hat in der Zeit der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit ab dem 9. Februar 1998 bis zum 16. Mai 1998 während seiner ambulanten Behandlung für 90 Tage und bis zum 24. Oktober 1998 während weiterer Zeiträume stationäre Behandlungen für 45 Tage Betriebshilfe erhalten. Es steht dahin, ob diese Bezugszeiten rechtlich voneinander zu trennen sind oder ob sie zusammengerechnet werden müssen. Denn die Beklagte hat jedenfalls in rechtmäßiger Art und Weise die Gewährung von Betriebshilfe während nicht stationärer Behandlung des Klägers nach einer Dauer von 90 Tagen abgelehnt. Es kann auch dahinstehen, ob § 54 SGB VII die Höchstgewährungsdauer der Betriebshilfe auch bei nicht stationärer Behandlung des infolge Arbeitsunfalls arbeitsunfähigen landwirtschaftlichen Unternehmers auf drei Monate begrenzt (§ 54 Abs 1 Satz 2) und ob die Ermächtigung des § 54 Abs 3 Nr 5 SGB VII, wonach die Satzung bestimmen kann, unter welchen Voraussetzungen die Betriebshilfe länger als drei Monate erbracht wird, die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sowohl bei stationärer als auch bei nicht stationärer Behandlung erfaßt. Schließlich muß auch die Frage nicht entschieden werden, ob die Beklagte in der Satzung entsprechende rechtliche Möglichkeiten für den Bezug über drei Monate hinaus auch für den Fall der ambulanten Behandlung vorgesehen hat. Während § 26 der Satzung als zu überschreitende zeitliche Grenze bei stationärer Behandlung ausdrücklich drei Monate nennt, fehlt in § 27 Abs 2 der Satzung eine solche ausdrückliche Bestimmung. Denn selbst wenn man dieser Vorschrift entnimmt, daß bei einer auf einem Versicherungsfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit, die über vier Wochen (§ 27 Abs 1) hinaus andauert, die Betriebshilfe für einen längeren Zeitraum als drei Monate und auch bei ambulanter Behandlung des Unternehmers gewährt werden kann, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen dies erfordern, erweist sich die im übrigen nicht unter Hinweis auf eine tatsächliche oder vermeintliche Höchstbezugdauer begründete Entscheidung der Beklagten als rechtmäßig.
27 Abs 2 der Satzung ist als Ermessensnorm formuliert. Danach "kann" die Betriebshilfe für "einen längeren Zeitraum gewährt werden". Aus dem Gebrauch des Wortes "kann" geht hervor, daß die Beklagte im Einzelfall über die Anträge auf Gewährung von Betriebshilfe über den Zeitraum von vier Wochen hinaus nach Ermessen zu entscheiden hat. Es handelt sich um ein echtes Gewährungsermessen, von dessen Einräumung durch den Normgeber regelmäßig bei Gebrauch der Worte "können", "dürfen" oder "berechtigt sein" auszugehen ist (vgl Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, § 39 RdNr 4; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 54 RdNr 25). Das bedeutet, daß die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Sinn und Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB I; § 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Umgekehrt hat der Kläger einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I), nicht aber auf Gewährung der streitigen Betriebshilfe, sofern nicht eine "Ermessensreduzierung auf Null" hinsichtlich der begehrten Leistung eingetreten ist.
Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat die Beklagte entgegen dem Revisionsvorbringen erkannt, daß ihr bei der konkreten Entscheidung ein Ermessensspielraum zustand; sie hat dieses Ermessen auch ausgeübt und in nachvollziehbarer Weise begründet. Insbesondere hat sie ausgehend von dem Sinn und Zweck der besonderen Leistung der Betriebshilfe, nämlich dem infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewordenen Unternehmers - nur - in der ersten Not bei der Aufrechterhaltung des Betriebes zu helfen, geprüft, ob nach einer Bezugsdauer von 90 Tagen besondere Verhältnisse im Unternehmen iS des § 27 Abs 2 der Satzung vorlagen, die die weitere Gewährung von Betriebshilfe von deren Sinn und Zweck her erforderlich machten. Dies hat die Beklagte verneint und darauf hingewiesen, daß der Kläger hinreichend Zeit besessen habe, für die auch von ihm selbst zu erwartende weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit selbst und auf eigene Kosten eine Lösung zur Fortführung des Betriebes zu suchen.
Angesichts des von der Beklagten zutreffend erkannten Sinn und Zwecks der Betriebshilfe nach § 54 Abs 4 SGB VII, der sich insbesondere im Zusammenwirken mit dem in § 55 SGB VII geregelten Anspruch auf Verletztengeld erschließt, hat sie ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Daß die Beklagte bei ihrer Entscheidung "besondere Verhältnisse" im Unternehmen des Klägers übersehen hätte und deshalb ausgehend von einem unvollständig ermittelten Sachverhalt die Ermessensentscheidung sachwidrig sein könnte (vgl Meyer-Ladewig, aaO § 54 RdNr 29a), oder daß sogar Umstände vorgelegen hätten, die jede andere Entscheidung als die Weiterbewilligung der Betriebshilfe im Sinne einer Ermessensreduzierung als rechtswidrig erscheinen ließen (vgl Meyer-Ladewig, aaO § 54 RdNr 31), ist nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt, der, weil diese Feststellungen vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen sind, für den Senat gemäß § 163 SGG bindend ist, nicht anzunehmen.
Die Revision des Klägers war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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