Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 8/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), soweit diese die Zeit ab 22. März 1997 betrifft, sowie gegen die Forderung der Beklagten auf Erstattung von in der Zeit vom 22. März bis 4. Juni 1997 gezahlter Alhi und von für die Zeit vom 22. März bis 18. April 1997 gezahlten Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen.
Der Kläger stand bei der Beklagten - mit kurzen Unterbrechungen - seit Jahren im Leistungsbezug; zuletzt war ihm vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 1998 Alhi bewilligt worden. Im Mai 1997 bemerkte die Beklagte im Rahmen eines internen Datenabgleichs, daß sie dem Kläger über den 10. März 1997 hinaus Alhi gezahlt hatte, obwohl dieser am 10. März eine Beschäftigung aufgenommen hatte, die er zuletzt am 21. März 1997 ausgeübt hat. Mit Schreiben vom 29. Juli 1997 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, sie beabsichtige die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 10. März bis 1. April 1997 und die Geltendmachung einer Erstattungsforderung für diesen Zeitraum (Alhi sowie Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge); sie gestand ihm eine Äußerungsfrist bis zum 15. August 1997 zu. Mit Bescheid vom 7. August 1997 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ab 10. März 1997 auf, weil der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen habe, ohne dies dem Arbeitsamt (ArbA) mitzuteilen, und das Arbeitsverhältnis von ihm selbst am 21. März 1997 beendet worden sei. Vom 22. März 1997 bis 13. Juni 1997 sei deshalb eine Sperrzeit eingetreten. Vom 10. März bis 4. Juni 1997 habe er 3.502,50 DM an Alhi erhalten, die er nunmehr gemäß § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten habe. Vom 22. März bis 18. April 1997 seien außerdem Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 334,36 DM bzw 44,06 DM abgeführt worden. Auch diese Beiträge seien zu erstatten (§ 157 Abs 3a Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Der Gesamterstattungsbetrag in Höhe von 3.880,92 DM werde in Höhe von 887,30 DM gegen den Alhi-Anspruch für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997 gemäß § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) aufgerechnet.
Der auf den Widerspruch des Klägers und nach Ermittlungen bei der Arbeitgeberin ergangene Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Februar 1998, in dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit wegen Nichterscheinens des Klägers zur Arbeit angenommen hat, wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 6. Februar 1998 zugestellt. Am 20. März 1998 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben, wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sich gegen den Bescheid der Beklagten gewandt, soweit er die Zeit ab 22. März 1997 betrifft. Zur Begründung der Wiedereinsetzung hat der Kläger vorgetragen, sein neunjähriger Sohn habe ihm das Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 12. Februar 1998, mit dem ihm dieser den Widerspruchsbescheid zugesandt habe, erst am 12. März 1998 ausgehändigt. Sein Sohn habe vergessen, ihm diesen Brief zu geben, nachdem er den Briefkasten geleert habe und der Brief in die ADAC-Mitgliederzeitschrift geraten sei; dort habe er ihn jetzt wiedergefunden. Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13. Mai 1998), weil der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren; der Kläger habe die Nichteinhaltung der Klagefrist verschuldet. Er habe nicht dafür Sorge getragen, daß ihm täglich - oder bei Abwesenheit unverzüglich nach Rückkehr - die für ihn bestimmte Post vorgelegt wurde. Nach Erlaß des Gerichtsbescheids hat die Beklagte einen Antrag des Klägers auf erneute Überprüfung des Bescheids vom 7. August 1997 (§ 44 SGB X) abgelehnt (Bescheid vom 3. Juni 1998).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1999). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Ermittlungen, ob dem Kläger selbst ein Verschulden entgegenzuhalten sei. Jedenfalls stelle das in dem Anschreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 12. Februar 1998 gewählte Verfahren, ohne ausdrückliche Beauftragung keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid einreichen zu wollen, aber keine Rückmeldefrist zu setzen, einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht dar. Das Vorgehen des Prozeßbevollmächtigten sei "von vornherein mit dem Risiko einer Fristversäumung behaftet". Eine Entscheidung in der Sache sei deshalb nicht möglich. Diese werde auch "nicht durch den - negativen - Rücknahmebescheid des ArbA vom 3. Juni 1998 eröffnet"; denn dieser Bescheid sei jedenfalls kraft ausdrücklicher Erklärung des Klägers nicht Gegenstand gerichtlicher Überprüfung geworden.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen § 67 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG). Er ist der Ansicht, das LSG habe überzogene Erwartungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht gestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das LSG habe zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, weil sowohl dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers als auch dem Kläger selbst ein Verschulden bei der Versäumung der Klagefrist vorzuwerfen sei.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Entscheidung des LSG beruht auf einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung des § 67 SGG. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat über die Voraussetzungen dieser Vorschrift und damit die Zulässigkeit der Klage ist jedoch untunlich, bevor das LSG weitere Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Entgegen der Auffassung des LSG kann die Klage jedenfalls zulässig sein, obwohl die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers (§ 87 Abs 2 SGG) bei Erhebung der Klage (am 20. März 1998) bereits verstrichen war.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 1998. In der Sache wehrt sich der Kläger ausdrücklich nur gegen die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit ab 22. März 1997. Zwar ist im angefochtenen Bescheid die Aufhebung zeitlich unbegrenzt ab 10. März ausgesprochen worden; jedoch läßt sich im Wege der Auslegung ermitteln, daß die Bewilligung von Alhi nur bis 13. Juni 1997 und danach ab 6. Juli 1997 aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat nämlich im angefochtenen Bescheid den Erstattungsbetrag wegen zu Unrecht gezahlter Alhi (§ 50 Abs 1 SGB X) mit einem laufenden Alhi-Anspruch für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997 aufgerechnet. Möglicherweise ist für diese Zeit auch eine erneute Bewilligung erfolgt. Da der Kläger ab 7. Juli 1997 wiederum in Arbeit war, wehrt er sich nur gegen die Aufhebung der Bewilligung für die Zeit bis 13. Juni 1997 und gegen die Anordnung der Aufrechnung (§ 51 SGB I) für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997. Darüber hinaus wendet er sich gegen die Erstattungsforderung, soweit sie die Zeit vom 22. März 1997 bis 4. Juni 1997 erfaßt, sowie gegen die Erstattungsforderung betreffend die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 22. März bis 18. April 1997 (§§ 157 Abs 3a, 166c AFG). Ob Gegenstand des Revisionsverfahrens auch der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 1998 geworden ist, mit dem sich die Beklagte geweigert hat den Bescheid vom 7. August 1997 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen, kann offenbleiben; nach der Zurückverweisung der Sache wird das LSG diesen Bescheid jedenfalls entsprechend §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG zu berücksichtigen haben, auch wenn der erkennende Senat über diesen Bescheid in der Revisionsinstanz mangels Verfahrensrüge nicht zu befinden hätte. Das gilt auch bei einer Unzulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 7. August 1997. Das LSG hat in seinem Urteil zu Unrecht ausgeführt, der Bescheid sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil der Kläger insoweit die Klage aufgrund seines Dispositionsrechts zurückgenommen habe. Aus der Erklärung des Klägers, er habe gegen den Bescheid vom 3. Juni 1998 keinen Widerspruch eingelegt, sondern wolle die Angelegenheit lediglich im Berufungsverfahren geklärt wissen, ergibt sich keinesfalls, daß der Kläger auf eine Überprüfung dieses Bescheides verzichten wollte, falls das LSG zu einer materiell-rechtlichen Entscheidung hinsichtlich des Ausgangsbescheids nicht kommen würde.
Vorrangig wird das LSG jedoch zu entscheiden haben, ob dem Kläger Wiedereinsetzung mit der Folge zu gewähren ist; dann müßte das LSG über die mit Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (§§ 143, 144 SGG) statthafte Berufung in der Sache befinden. Nach § 67 Abs 1 SGG ist nämlich demjenigen auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).
Zu Unrecht hat das LSG in seiner Entscheidung die Wiedereinsetzung mit der Begründung verneint, das in dem Anschreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 12. Februar 1998 gewählte Verfahren, ohne ausdrückliche Beauftragung durch den Kläger keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid einreichen zu wollen, verstoße gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht. Insoweit schließt sich der Senat vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) an. Danach ist ein Anwalt, der - wie vorliegend - seine Partei durch einfachen Brief über den Inhalt einer Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet und diesen aufgefordert hat, rechtzeitig mitzuteilen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, grundsätzlich trotz Schweigens des Mandanten nicht gehalten nachzufragen (vgl nur: BGH, Beschluss vom 13. November 1991 - VIII ZB 29/91 -, VersR 1992, 898 f mwN; BFH, Urteil vom 7. Dezember 1995 - III R 12/91 -, BFH NV 1996, 680 ff mwN); vom Prozeßbevollmächtigten kann deshalb auch nicht die vorsorgliche Rechtsmitteleinlegung verlangt werden. Dem steht nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entgegen, nach der in Asylverfahren die Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist grundsätzlich nicht auf (unverschuldeten) Hinderungsgründen iS des § 60 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beruht, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Asylbewerbers bei einem Verfahren, wie es auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gewählt hat, von der Einlegung des Rechtsbehelfs absieht, obwohl er nach der ihm erteilten Prozeßvollmacht auch ohne besondere Weisung zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen ermächtigt war (BVerwGE 66, 240 ff; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 137). Diese Rechtsprechung des BVerwG trägt ausdrücklich den im Asylverfahren geltenden besonderen Umständen Rechnung (so auch der BFH aaO); eine Pflicht zur Nachfrage besteht nämlich ausnahmsweise nur dann, wenn der Anwalt nach den konkreten Umständen eine Antwort seines Mandaten in jedem Falle erwarten oder mit besonderen Schwierigkeiten bei der Postzustellung rechnen mußte (BGH und BFH aaO). Derartige Umstände sind vom LSG (bislang) nicht festgestellt. Vielmehr kommt im Schreiben des Prozeßbevollmächtigten deutlich zum Ausdruck, daß die Erfolgsaussichten einer Klage - jedenfalls nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheids - zweifelhaft seien. Bei dieser Sachlage mußte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht ohne weiteres eine Antwort des Klägers erwarten.
Der erkennende Senat ist zwar revisionsrechtlich nicht gehindert, den zur Beurteilung der Wiedereinsetzung relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; er hält es jedoch für tunlich, daß die noch fehlenden Ermittlungen - etwa zu einem Verschulden des Klägers selbst - vom LSG nachgeholt werden (vgl zu diesem Vorgehen BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 11; BSGE 72, 158, 163 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Bei Zulässigkeit der Klage wäre ohnedies eine endgültige Entscheidung durch den Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG zum geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht möglich. Das LSG wird bei seiner Entscheidung ggf zu beurteilen haben, ob der Kläger ordnungsgemäß angehört (§ 24 SGB X) und eine (zwölfwöchige) Sperrzeit gemäß §§ 119, 119a AFG eingetreten ist; außerdem müßten die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit geprüft werden (§ 48 Abs 1 Satz 2 SGB X). Dabei wird das LSG für die Frage der "Bösgläubigkeit" des Klägers insbesondere zu beachten haben, daß der Kläger nach dem eigenen Vortrag der Beklagten am 2. April 1997 beim ArbA wieder vorgesprochen hat. Im übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), soweit diese die Zeit ab 22. März 1997 betrifft, sowie gegen die Forderung der Beklagten auf Erstattung von in der Zeit vom 22. März bis 4. Juni 1997 gezahlter Alhi und von für die Zeit vom 22. März bis 18. April 1997 gezahlten Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen.
Der Kläger stand bei der Beklagten - mit kurzen Unterbrechungen - seit Jahren im Leistungsbezug; zuletzt war ihm vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 1998 Alhi bewilligt worden. Im Mai 1997 bemerkte die Beklagte im Rahmen eines internen Datenabgleichs, daß sie dem Kläger über den 10. März 1997 hinaus Alhi gezahlt hatte, obwohl dieser am 10. März eine Beschäftigung aufgenommen hatte, die er zuletzt am 21. März 1997 ausgeübt hat. Mit Schreiben vom 29. Juli 1997 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, sie beabsichtige die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 10. März bis 1. April 1997 und die Geltendmachung einer Erstattungsforderung für diesen Zeitraum (Alhi sowie Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge); sie gestand ihm eine Äußerungsfrist bis zum 15. August 1997 zu. Mit Bescheid vom 7. August 1997 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ab 10. März 1997 auf, weil der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen habe, ohne dies dem Arbeitsamt (ArbA) mitzuteilen, und das Arbeitsverhältnis von ihm selbst am 21. März 1997 beendet worden sei. Vom 22. März 1997 bis 13. Juni 1997 sei deshalb eine Sperrzeit eingetreten. Vom 10. März bis 4. Juni 1997 habe er 3.502,50 DM an Alhi erhalten, die er nunmehr gemäß § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten habe. Vom 22. März bis 18. April 1997 seien außerdem Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 334,36 DM bzw 44,06 DM abgeführt worden. Auch diese Beiträge seien zu erstatten (§ 157 Abs 3a Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Der Gesamterstattungsbetrag in Höhe von 3.880,92 DM werde in Höhe von 887,30 DM gegen den Alhi-Anspruch für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997 gemäß § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) aufgerechnet.
Der auf den Widerspruch des Klägers und nach Ermittlungen bei der Arbeitgeberin ergangene Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Februar 1998, in dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit wegen Nichterscheinens des Klägers zur Arbeit angenommen hat, wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 6. Februar 1998 zugestellt. Am 20. März 1998 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben, wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sich gegen den Bescheid der Beklagten gewandt, soweit er die Zeit ab 22. März 1997 betrifft. Zur Begründung der Wiedereinsetzung hat der Kläger vorgetragen, sein neunjähriger Sohn habe ihm das Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 12. Februar 1998, mit dem ihm dieser den Widerspruchsbescheid zugesandt habe, erst am 12. März 1998 ausgehändigt. Sein Sohn habe vergessen, ihm diesen Brief zu geben, nachdem er den Briefkasten geleert habe und der Brief in die ADAC-Mitgliederzeitschrift geraten sei; dort habe er ihn jetzt wiedergefunden. Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13. Mai 1998), weil der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren; der Kläger habe die Nichteinhaltung der Klagefrist verschuldet. Er habe nicht dafür Sorge getragen, daß ihm täglich - oder bei Abwesenheit unverzüglich nach Rückkehr - die für ihn bestimmte Post vorgelegt wurde. Nach Erlaß des Gerichtsbescheids hat die Beklagte einen Antrag des Klägers auf erneute Überprüfung des Bescheids vom 7. August 1997 (§ 44 SGB X) abgelehnt (Bescheid vom 3. Juni 1998).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1999). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Ermittlungen, ob dem Kläger selbst ein Verschulden entgegenzuhalten sei. Jedenfalls stelle das in dem Anschreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 12. Februar 1998 gewählte Verfahren, ohne ausdrückliche Beauftragung keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid einreichen zu wollen, aber keine Rückmeldefrist zu setzen, einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht dar. Das Vorgehen des Prozeßbevollmächtigten sei "von vornherein mit dem Risiko einer Fristversäumung behaftet". Eine Entscheidung in der Sache sei deshalb nicht möglich. Diese werde auch "nicht durch den - negativen - Rücknahmebescheid des ArbA vom 3. Juni 1998 eröffnet"; denn dieser Bescheid sei jedenfalls kraft ausdrücklicher Erklärung des Klägers nicht Gegenstand gerichtlicher Überprüfung geworden.
Der Kläger rügt einen Verstoß gegen § 67 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG). Er ist der Ansicht, das LSG habe überzogene Erwartungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht gestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das LSG habe zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, weil sowohl dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers als auch dem Kläger selbst ein Verschulden bei der Versäumung der Klagefrist vorzuwerfen sei.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Entscheidung des LSG beruht auf einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung des § 67 SGG. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat über die Voraussetzungen dieser Vorschrift und damit die Zulässigkeit der Klage ist jedoch untunlich, bevor das LSG weitere Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Entgegen der Auffassung des LSG kann die Klage jedenfalls zulässig sein, obwohl die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers (§ 87 Abs 2 SGG) bei Erhebung der Klage (am 20. März 1998) bereits verstrichen war.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 1998. In der Sache wehrt sich der Kläger ausdrücklich nur gegen die Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeit ab 22. März 1997. Zwar ist im angefochtenen Bescheid die Aufhebung zeitlich unbegrenzt ab 10. März ausgesprochen worden; jedoch läßt sich im Wege der Auslegung ermitteln, daß die Bewilligung von Alhi nur bis 13. Juni 1997 und danach ab 6. Juli 1997 aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat nämlich im angefochtenen Bescheid den Erstattungsbetrag wegen zu Unrecht gezahlter Alhi (§ 50 Abs 1 SGB X) mit einem laufenden Alhi-Anspruch für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997 aufgerechnet. Möglicherweise ist für diese Zeit auch eine erneute Bewilligung erfolgt. Da der Kläger ab 7. Juli 1997 wiederum in Arbeit war, wehrt er sich nur gegen die Aufhebung der Bewilligung für die Zeit bis 13. Juni 1997 und gegen die Anordnung der Aufrechnung (§ 51 SGB I) für die Zeit vom 14. Juni 1997 bis 5. Juli 1997. Darüber hinaus wendet er sich gegen die Erstattungsforderung, soweit sie die Zeit vom 22. März 1997 bis 4. Juni 1997 erfaßt, sowie gegen die Erstattungsforderung betreffend die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 22. März bis 18. April 1997 (§§ 157 Abs 3a, 166c AFG). Ob Gegenstand des Revisionsverfahrens auch der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 1998 geworden ist, mit dem sich die Beklagte geweigert hat den Bescheid vom 7. August 1997 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen, kann offenbleiben; nach der Zurückverweisung der Sache wird das LSG diesen Bescheid jedenfalls entsprechend §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG zu berücksichtigen haben, auch wenn der erkennende Senat über diesen Bescheid in der Revisionsinstanz mangels Verfahrensrüge nicht zu befinden hätte. Das gilt auch bei einer Unzulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 7. August 1997. Das LSG hat in seinem Urteil zu Unrecht ausgeführt, der Bescheid sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, weil der Kläger insoweit die Klage aufgrund seines Dispositionsrechts zurückgenommen habe. Aus der Erklärung des Klägers, er habe gegen den Bescheid vom 3. Juni 1998 keinen Widerspruch eingelegt, sondern wolle die Angelegenheit lediglich im Berufungsverfahren geklärt wissen, ergibt sich keinesfalls, daß der Kläger auf eine Überprüfung dieses Bescheides verzichten wollte, falls das LSG zu einer materiell-rechtlichen Entscheidung hinsichtlich des Ausgangsbescheids nicht kommen würde.
Vorrangig wird das LSG jedoch zu entscheiden haben, ob dem Kläger Wiedereinsetzung mit der Folge zu gewähren ist; dann müßte das LSG über die mit Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (§§ 143, 144 SGG) statthafte Berufung in der Sache befinden. Nach § 67 Abs 1 SGG ist nämlich demjenigen auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGG). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs 2 Satz 4 SGG).
Zu Unrecht hat das LSG in seiner Entscheidung die Wiedereinsetzung mit der Begründung verneint, das in dem Anschreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 12. Februar 1998 gewählte Verfahren, ohne ausdrückliche Beauftragung durch den Kläger keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid einreichen zu wollen, verstoße gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht. Insoweit schließt sich der Senat vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) an. Danach ist ein Anwalt, der - wie vorliegend - seine Partei durch einfachen Brief über den Inhalt einer Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet und diesen aufgefordert hat, rechtzeitig mitzuteilen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, grundsätzlich trotz Schweigens des Mandanten nicht gehalten nachzufragen (vgl nur: BGH, Beschluss vom 13. November 1991 - VIII ZB 29/91 -, VersR 1992, 898 f mwN; BFH, Urteil vom 7. Dezember 1995 - III R 12/91 -, BFH NV 1996, 680 ff mwN); vom Prozeßbevollmächtigten kann deshalb auch nicht die vorsorgliche Rechtsmitteleinlegung verlangt werden. Dem steht nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entgegen, nach der in Asylverfahren die Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist grundsätzlich nicht auf (unverschuldeten) Hinderungsgründen iS des § 60 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beruht, wenn der Prozeßbevollmächtigte des Asylbewerbers bei einem Verfahren, wie es auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gewählt hat, von der Einlegung des Rechtsbehelfs absieht, obwohl er nach der ihm erteilten Prozeßvollmacht auch ohne besondere Weisung zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen ermächtigt war (BVerwGE 66, 240 ff; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 137). Diese Rechtsprechung des BVerwG trägt ausdrücklich den im Asylverfahren geltenden besonderen Umständen Rechnung (so auch der BFH aaO); eine Pflicht zur Nachfrage besteht nämlich ausnahmsweise nur dann, wenn der Anwalt nach den konkreten Umständen eine Antwort seines Mandaten in jedem Falle erwarten oder mit besonderen Schwierigkeiten bei der Postzustellung rechnen mußte (BGH und BFH aaO). Derartige Umstände sind vom LSG (bislang) nicht festgestellt. Vielmehr kommt im Schreiben des Prozeßbevollmächtigten deutlich zum Ausdruck, daß die Erfolgsaussichten einer Klage - jedenfalls nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheids - zweifelhaft seien. Bei dieser Sachlage mußte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht ohne weiteres eine Antwort des Klägers erwarten.
Der erkennende Senat ist zwar revisionsrechtlich nicht gehindert, den zur Beurteilung der Wiedereinsetzung relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln; er hält es jedoch für tunlich, daß die noch fehlenden Ermittlungen - etwa zu einem Verschulden des Klägers selbst - vom LSG nachgeholt werden (vgl zu diesem Vorgehen BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 11; BSGE 72, 158, 163 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Bei Zulässigkeit der Klage wäre ohnedies eine endgültige Entscheidung durch den Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG zum geltend gemachten Anspruch des Klägers nicht möglich. Das LSG wird bei seiner Entscheidung ggf zu beurteilen haben, ob der Kläger ordnungsgemäß angehört (§ 24 SGB X) und eine (zwölfwöchige) Sperrzeit gemäß §§ 119, 119a AFG eingetreten ist; außerdem müßten die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit geprüft werden (§ 48 Abs 1 Satz 2 SGB X). Dabei wird das LSG für die Frage der "Bösgläubigkeit" des Klägers insbesondere zu beachten haben, daß der Kläger nach dem eigenen Vortrag der Beklagten am 2. April 1997 beim ArbA wieder vorgesprochen hat. Im übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
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