Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 19/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 als unzulässig verworfen wird. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug).
Der im Jahre 1959 geborene Kläger war seit 1990 als Arzt bei der Klinik-Verwaltungs-Gesellschaft M in B , über deren Vermögen am 1. März 1998 das Konkursverfahren eröffnet wurde, beschäftigt. Es war eine Grundarbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Zusätzlich leistete der Kläger durchschnittlich fünf Mal pro Monat Nacht- und Wochenenddienste.
Infolge eines erheblichen Rückgangs der Patientenzahlen schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat am 22. November 1996 eine Betriebsvereinbarung über die Beschäftigungssicherung und Einführung von Kurzarbeit. Im Dezember 1996 erstattete der Arbeitgeber eine Anzeige über den Arbeitsausfall ab 1. Januar 1997 bis voraussichtlich 30. Juni 1997. Mit Bescheid vom 2. Januar 1997 erkannte die Beklagte an, daß die Voraussetzungen der §§ 63, 64 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfüllt seien und den vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern Kug ab 1. Januar 1997 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis zum 30. Juni 1997, bewilligt werde.
Der Arbeitgeber reichte im Februar 1997 Abrechnungslisten für den Monat Januar ein, aus denen sich für den Kläger 168,5 ausgefallene Arbeitsstunden ergaben. Auf der Grundlage der Abrechnungslisten bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 1997, der dem Arbeitgeber zuging, 114.631,37 DM.
Gegen die Berechnung seines Kug legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch ein, da er neben der normalen Wochenarbeitszeit vertraglich zur Ableistung von Nacht- und Wochenenddiensten verpflichtet sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 1997 als unbegründet zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid heißt es, es ergebe sich bei einem durchschnittlichen stündlichen Arbeitsentgelt von 31,16 DM ein Anspruch auf Kug in Höhe von 10,16 DM je Ausfallstunde. Eine Berücksichtigung von Ausfallstunden, die über die tarifliche Arbeitszeit hinausreichten, sei nach § 68 Abs 1 iVm § 69 AFG ausgeschlossen. Es errechne sich für den Kläger ein Anspruch auf Kug in Höhe von 1.694,99 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 16. Oktober 1997 die auf Gewährung von Kug auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für den Monat Januar 1997 gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, nur der Arbeitgeber des Klägers sei - neben der Betriebsvertretung - Subjekt des Verwaltungsverfahrens. Dementsprechend hätten die Anspruchsberechtigten keine Befugnis, ihre Rechte zu verfolgen. Im übrigen habe das Gesetz bewußt nur diejenige Arbeitszeit berücksichtigt, die nach den Tarifverträgen dauerhaft vereinbart werden könne.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, daß - ausgehend von 230 Ausfallstunden, welche der Kläger unter Berücksichtigung seiner Bereitschaftsdienste insgesamt geltend mache - sich bei einer Ausfallentschädigung von 10,16 DM pro Stunde 2.336,80 DM ergäben. Es verbleibe deshalb unter Berücksichtigung der bereits anerkannten 168,5 Stunden lediglich ein vom Kläger geforderter Betrag in Höhe von 641,80 DM, weshalb die für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindesthöhe nicht erreicht werde.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurück- und die mit der Berufung erhobene Klage auf Gewährung höheren Kugs für die Monate Februar bis Juni 1997 abgewiesen (Urteil vom 15. Dezember 2000). Das LSG hat ausgeführt, es folge der Berechnung des Streitwertes durch die Beklagte. Dem Vortrag des Klägers, Widerspruch und Klage hätten sich auf den Kug-Anspruch als solchen bezogen, stehe schon die Tatsache entgegen, daß der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seinen Antrag auf den Monat Januar 1997 beschränkt habe. Eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung habe einlegen wollen. Jedenfalls dann, wenn Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf der Hand lägen, müsse das LSG nach Überzeugung des Senats die Berufung zulassen und in der Sache entscheiden. Insofern sei festzustellen, daß die Rechtssache in zweifacher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung aufweise. Zum einen sei die Frage der Prozeßstandschaft und der Klagebefugnis des Anspruchsinhabers selbst beim Kug äußerst strittig. Zum anderen sei die Rechtsauffassung des SG und der Beklagten zur Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten mit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht vereinbar.
Die statthafte Berufung sei jedoch unbegründet. Das SG habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Zwar sei der Kläger als Arbeitnehmer Inhaber des Kug-Anspruchs, aber der Arbeitgeber habe nach herrschender Meinung in Anlehnung an prozeßrechtliche Vorstellungen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern die Stellung eines Prozeßstandschafters, der die Rechte der Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend mache. Eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten selbst sei auch insoweit nicht anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handele. Die Prozeßführungsbefugnis könne sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als ganzes beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente und ihre Begründung. Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, das Kug als Treuhänder seiner Arbeitnehmer zu beantragen, sei jedenfalls eine mit dem Arbeitsvertrag eng verbundene Pflicht des Arbeitgebers, welche im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis auch in jedem Falle verfassungsrechtlich bedenkenfrei sei. Aus der Rechtsstellung des Arbeitgebers und der Betriebsvertretung als Prozeßstandschafter folge, daß sie gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen seien, wobei der beigeladene Konkursverwalter an die Stelle des Arbeitgebers getreten sei und im übrigen für die Betriebsvertretung des in Liquidation befindlichen Unternehmens ein Restmandat bestehe. Es werde nicht verkannt, daß diese Beschränkung der verfahrensrechtlichen Position des Arbeitnehmers in der Literatur mit beachtlichen Argumenten angegriffen werde. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die materielle Rechtsauffassung des SG kaum mit der Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten in Einklang zu bringen sei und überdies auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Beitragsäquivalenz nicht mehr als unumstritten gelten könne. Wenn der Senat gleichwohl der herrschenden Meinung folge, so habe dies zum einen den Grund in der Tatsache, daß es sich um eine Frage handele, die das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffe und deswegen der arbeitsgerichtlichen Klärung offenstehe. Sollten sich hierbei zwischen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unüberbrückbare Widersprüche zeigen, so sehe das Verfahrensrecht eine Klärung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vor. Dabei sehe der Senat die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer im übrigen durch die privilegierte Beteiligung des Betriebsrats am Kug-Verfahren als besonders geschützt an. Schließlich würden auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität für die Auffassung der herrschenden Meinung sprechen. Die während des Berufungsverfahrens erhobene Klage sei als unzulässig abzuweisen, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 63 Abs 1 Satz 1, 65 Abs 1 Satz 1, 69 AFG sowie des Art 14 Abs 1 und Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG). Die von der Rechtsprechung angenommene Prozeßstandschaft des Arbeitgebers sei vom Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet und könne insbesondere nicht ausnahmslos gelten. Der Rechtsprechung liege die Prämisse zugrunde, daß der Arbeitgeber zur Vertretung der Interessen seiner Arbeitnehmer verpflichtet sei, auch wenn er die Ansicht der Arbeitsverwaltung zu Grund und Höhe des Kug teile. Das BAG (Urteil vom 19. März 1992 - 8 AZR 301/91 -) habe indes entschieden, daß eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers gerade nicht bestehe. Es bestehe auch keine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Soweit die Verfahrensökonomie für einen Ausschluß des Arbeitnehmers vom Rechtsbehelfsverfahren angeführt werde, überzeuge diese Argumentation jedenfalls heute nicht mehr. Anders als wohl noch zu Beginn der Rechtsprechung des BSG sei die Arbeitsverwaltung heute mit allen technischen Hilfsmitteln zur Bewältigung von Massenverfahren ausgestattet. Ebensowenig überzeuge das Argument, nur durch eine Prozeßstandschaft könnten divergierende Entscheidungen vermieden werden. Denn auch bei einer Prozeßführungsbefugnis des Arbeitnehmers sei eine Beiladung von Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung möglich. Jedenfalls müsse die Prozeßstandschaft spätestens mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber enden. Ferner müsse der Arbeitgeber gegen seine eigenen Interessen argumentieren. Denn die Anerkennung von Bereitschaftsdiensten als vollwertige Arbeitszeit führe zu erheblichen finanziellen Mehraufwendungen. Der Verweis auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sei, selbst wenn diese Möglichkeit bestünde, unverständlich. Auch werde außer acht gelassen, daß der frühere Arbeitgeber Konkurs gegangen sei. Die Versagung der Prozeßführungsbefugnis verletze sein Eigentumsrecht in bezug auf seinen Anspruch auf Kug in der richtigen Höhe sowie sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 Satz 1 GG. Das LSG habe die Berufung zutreffend als zulässig behandelt. Ein schutzwürdiges Interesse der beklagten Behörde an der ausschließlichen Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde habe sich nicht bilden können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 13. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1997 zu verurteilen, ihm Kurzarbeitergeld auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für die Monate Januar 1997 bis Juni 1997 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist seine Berufung gegen das Urteil des SG nicht als unbegründet zurückzuweisen, sondern als unzulässig zu verwerfen. Das LSG durfte über die Berufung des Klägers mangels Zulässigkeit nicht sachlich entscheiden, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht und eine Zulassung nicht wirksam ausgesprochen war. Dies führt zur Verwerfung der Berufung, ohne daß es darauf ankommt, ob die Klage zulässig war und ob dem Kläger höheres Kug materiell-rechtlich zusteht.
Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000 DM nicht übersteigt, es sei denn, daß die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Bei der Frage, ob iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000 DM übersteigt, ist lediglich auf die Leistung abzustellen, zu deren Zahlung verurteilt werden soll. Folgewirkungen können nicht einbezogen werden (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 11). Dem LSG ist deshalb darin zu folgen, daß der Geldbetrag, um den im erstinstanzlichen Verfahren gestritten wurde, den in § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG genannten Wert nicht erreicht. Da der Kläger Kug lediglich für insgesamt 230 Ausfallstunden begehrt hat, übersteigt bezogen auf den Monat Januar 1997 der Wert des Beschwerdegegenstandes unter Berücksichtigung der bereits in Ansatz gebrachten 168,5 Ausfallstunden 1.000 DM nicht. Es sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit. Die Berufung des Klägers bedurfte daher der Zulassung.
Die in den Gründen des Berufungsurteils ausgesprochene Berufungszulassung ist verfahrensfehlerhaft und führt nicht zur Statthaftigkeit der Berufung. Für eine Zulassung des Rechtsmittels fehlt dem Berufungsgericht im Berufungsverfahren die Entscheidungsmacht. Dies hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19. November 1996 - 1 RK 18/95 - (SozR 3-1500 § 158 Nr 1; bestätigt durch SozR 3-1500 § 158 Nr 3) näher ausgeführt. Auf die Rechtsausführungen in diesem Urteil wird verwiesen. Der 14. Senat des BSG hat sich dieser Auffassung im Urteil vom 22. Januar 1998 - B 14/10 KG 17/96 R - und der erkennende Senat im Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11/10 AL 1/98 R - angeschlossen (vgl auch Roos NZS 1999, 182, 183). Neue rechtliche Gesichtspunkte ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers im Revisionsverfahren nicht. Soweit der 6. Senat des BSG in zwei Entscheidungen (SozR 3-2500 § 106 Nr 42; BSGE 86, 86 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1) die Zulässigkeit der Berufung angenommen hat, betrifft dies eine Zulassung aufgrund nachträglich erhobener Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss. Eine derartige Gestaltung liegt hier nicht vor.
Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die auf Gewährung höheren Kugs für die Monate Februar bis Juni 1997 gerichtete Klage als unzulässig behandelt. Allerdings kann der vom LSG gegebenen Begründung, die mit der Berufung erhobene Klage sei schon mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens unzulässig, nicht gefolgt werden. Denn das LSG hat übersehen, daß es ausgehend von seiner Rechtsauffassung dem Kläger die Möglichkeit hätte eröffnen müssen, das Vorverfahren nachzuholen (stRspr: vgl nur BSG SozR 1500 § 78 Nr 8 mwN). Die Unzulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren ergibt sich jedoch daraus, daß eine Klageänderung im Berufungsverfahren eine zulässige Berufung voraussetzt (BSGE 11, 26, 27; BGH NJW 1988, 2540, 2541 und 1999, 2118, 2119, jeweils mwN). Da die im Urteil des SG enthaltene Beschwer den maßgebenden Beschwerdewert nicht erreicht, hat eine Erweiterung des Klageanspruchs weder Einfluß auf die Zulässigkeit der Berufung noch kann dieser Anspruch im Wege der Klage zulässigerweise verfolgt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug).
Der im Jahre 1959 geborene Kläger war seit 1990 als Arzt bei der Klinik-Verwaltungs-Gesellschaft M in B , über deren Vermögen am 1. März 1998 das Konkursverfahren eröffnet wurde, beschäftigt. Es war eine Grundarbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Zusätzlich leistete der Kläger durchschnittlich fünf Mal pro Monat Nacht- und Wochenenddienste.
Infolge eines erheblichen Rückgangs der Patientenzahlen schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat am 22. November 1996 eine Betriebsvereinbarung über die Beschäftigungssicherung und Einführung von Kurzarbeit. Im Dezember 1996 erstattete der Arbeitgeber eine Anzeige über den Arbeitsausfall ab 1. Januar 1997 bis voraussichtlich 30. Juni 1997. Mit Bescheid vom 2. Januar 1997 erkannte die Beklagte an, daß die Voraussetzungen der §§ 63, 64 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfüllt seien und den vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern Kug ab 1. Januar 1997 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis zum 30. Juni 1997, bewilligt werde.
Der Arbeitgeber reichte im Februar 1997 Abrechnungslisten für den Monat Januar ein, aus denen sich für den Kläger 168,5 ausgefallene Arbeitsstunden ergaben. Auf der Grundlage der Abrechnungslisten bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 1997, der dem Arbeitgeber zuging, 114.631,37 DM.
Gegen die Berechnung seines Kug legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch ein, da er neben der normalen Wochenarbeitszeit vertraglich zur Ableistung von Nacht- und Wochenenddiensten verpflichtet sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 1997 als unbegründet zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid heißt es, es ergebe sich bei einem durchschnittlichen stündlichen Arbeitsentgelt von 31,16 DM ein Anspruch auf Kug in Höhe von 10,16 DM je Ausfallstunde. Eine Berücksichtigung von Ausfallstunden, die über die tarifliche Arbeitszeit hinausreichten, sei nach § 68 Abs 1 iVm § 69 AFG ausgeschlossen. Es errechne sich für den Kläger ein Anspruch auf Kug in Höhe von 1.694,99 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 16. Oktober 1997 die auf Gewährung von Kug auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für den Monat Januar 1997 gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, nur der Arbeitgeber des Klägers sei - neben der Betriebsvertretung - Subjekt des Verwaltungsverfahrens. Dementsprechend hätten die Anspruchsberechtigten keine Befugnis, ihre Rechte zu verfolgen. Im übrigen habe das Gesetz bewußt nur diejenige Arbeitszeit berücksichtigt, die nach den Tarifverträgen dauerhaft vereinbart werden könne.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, daß - ausgehend von 230 Ausfallstunden, welche der Kläger unter Berücksichtigung seiner Bereitschaftsdienste insgesamt geltend mache - sich bei einer Ausfallentschädigung von 10,16 DM pro Stunde 2.336,80 DM ergäben. Es verbleibe deshalb unter Berücksichtigung der bereits anerkannten 168,5 Stunden lediglich ein vom Kläger geforderter Betrag in Höhe von 641,80 DM, weshalb die für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindesthöhe nicht erreicht werde.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurück- und die mit der Berufung erhobene Klage auf Gewährung höheren Kugs für die Monate Februar bis Juni 1997 abgewiesen (Urteil vom 15. Dezember 2000). Das LSG hat ausgeführt, es folge der Berechnung des Streitwertes durch die Beklagte. Dem Vortrag des Klägers, Widerspruch und Klage hätten sich auf den Kug-Anspruch als solchen bezogen, stehe schon die Tatsache entgegen, daß der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seinen Antrag auf den Monat Januar 1997 beschränkt habe. Eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung habe einlegen wollen. Jedenfalls dann, wenn Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf der Hand lägen, müsse das LSG nach Überzeugung des Senats die Berufung zulassen und in der Sache entscheiden. Insofern sei festzustellen, daß die Rechtssache in zweifacher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung aufweise. Zum einen sei die Frage der Prozeßstandschaft und der Klagebefugnis des Anspruchsinhabers selbst beim Kug äußerst strittig. Zum anderen sei die Rechtsauffassung des SG und der Beklagten zur Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten mit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht vereinbar.
Die statthafte Berufung sei jedoch unbegründet. Das SG habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Zwar sei der Kläger als Arbeitnehmer Inhaber des Kug-Anspruchs, aber der Arbeitgeber habe nach herrschender Meinung in Anlehnung an prozeßrechtliche Vorstellungen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern die Stellung eines Prozeßstandschafters, der die Rechte der Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend mache. Eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten selbst sei auch insoweit nicht anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handele. Die Prozeßführungsbefugnis könne sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als ganzes beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente und ihre Begründung. Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, das Kug als Treuhänder seiner Arbeitnehmer zu beantragen, sei jedenfalls eine mit dem Arbeitsvertrag eng verbundene Pflicht des Arbeitgebers, welche im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis auch in jedem Falle verfassungsrechtlich bedenkenfrei sei. Aus der Rechtsstellung des Arbeitgebers und der Betriebsvertretung als Prozeßstandschafter folge, daß sie gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen seien, wobei der beigeladene Konkursverwalter an die Stelle des Arbeitgebers getreten sei und im übrigen für die Betriebsvertretung des in Liquidation befindlichen Unternehmens ein Restmandat bestehe. Es werde nicht verkannt, daß diese Beschränkung der verfahrensrechtlichen Position des Arbeitnehmers in der Literatur mit beachtlichen Argumenten angegriffen werde. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die materielle Rechtsauffassung des SG kaum mit der Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten in Einklang zu bringen sei und überdies auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Beitragsäquivalenz nicht mehr als unumstritten gelten könne. Wenn der Senat gleichwohl der herrschenden Meinung folge, so habe dies zum einen den Grund in der Tatsache, daß es sich um eine Frage handele, die das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffe und deswegen der arbeitsgerichtlichen Klärung offenstehe. Sollten sich hierbei zwischen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unüberbrückbare Widersprüche zeigen, so sehe das Verfahrensrecht eine Klärung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vor. Dabei sehe der Senat die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer im übrigen durch die privilegierte Beteiligung des Betriebsrats am Kug-Verfahren als besonders geschützt an. Schließlich würden auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität für die Auffassung der herrschenden Meinung sprechen. Die während des Berufungsverfahrens erhobene Klage sei als unzulässig abzuweisen, weil das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 63 Abs 1 Satz 1, 65 Abs 1 Satz 1, 69 AFG sowie des Art 14 Abs 1 und Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG). Die von der Rechtsprechung angenommene Prozeßstandschaft des Arbeitgebers sei vom Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet und könne insbesondere nicht ausnahmslos gelten. Der Rechtsprechung liege die Prämisse zugrunde, daß der Arbeitgeber zur Vertretung der Interessen seiner Arbeitnehmer verpflichtet sei, auch wenn er die Ansicht der Arbeitsverwaltung zu Grund und Höhe des Kug teile. Das BAG (Urteil vom 19. März 1992 - 8 AZR 301/91 -) habe indes entschieden, daß eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers gerade nicht bestehe. Es bestehe auch keine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Soweit die Verfahrensökonomie für einen Ausschluß des Arbeitnehmers vom Rechtsbehelfsverfahren angeführt werde, überzeuge diese Argumentation jedenfalls heute nicht mehr. Anders als wohl noch zu Beginn der Rechtsprechung des BSG sei die Arbeitsverwaltung heute mit allen technischen Hilfsmitteln zur Bewältigung von Massenverfahren ausgestattet. Ebensowenig überzeuge das Argument, nur durch eine Prozeßstandschaft könnten divergierende Entscheidungen vermieden werden. Denn auch bei einer Prozeßführungsbefugnis des Arbeitnehmers sei eine Beiladung von Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung möglich. Jedenfalls müsse die Prozeßstandschaft spätestens mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber enden. Ferner müsse der Arbeitgeber gegen seine eigenen Interessen argumentieren. Denn die Anerkennung von Bereitschaftsdiensten als vollwertige Arbeitszeit führe zu erheblichen finanziellen Mehraufwendungen. Der Verweis auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sei, selbst wenn diese Möglichkeit bestünde, unverständlich. Auch werde außer acht gelassen, daß der frühere Arbeitgeber Konkurs gegangen sei. Die Versagung der Prozeßführungsbefugnis verletze sein Eigentumsrecht in bezug auf seinen Anspruch auf Kug in der richtigen Höhe sowie sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 Satz 1 GG. Das LSG habe die Berufung zutreffend als zulässig behandelt. Ein schutzwürdiges Interesse der beklagten Behörde an der ausschließlichen Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde habe sich nicht bilden können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 13. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1997 zu verurteilen, ihm Kurzarbeitergeld auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für die Monate Januar 1997 bis Juni 1997 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist seine Berufung gegen das Urteil des SG nicht als unbegründet zurückzuweisen, sondern als unzulässig zu verwerfen. Das LSG durfte über die Berufung des Klägers mangels Zulässigkeit nicht sachlich entscheiden, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht erreicht und eine Zulassung nicht wirksam ausgesprochen war. Dies führt zur Verwerfung der Berufung, ohne daß es darauf ankommt, ob die Klage zulässig war und ob dem Kläger höheres Kug materiell-rechtlich zusteht.
Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000 DM nicht übersteigt, es sei denn, daß die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Bei der Frage, ob iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000 DM übersteigt, ist lediglich auf die Leistung abzustellen, zu deren Zahlung verurteilt werden soll. Folgewirkungen können nicht einbezogen werden (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 11). Dem LSG ist deshalb darin zu folgen, daß der Geldbetrag, um den im erstinstanzlichen Verfahren gestritten wurde, den in § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG genannten Wert nicht erreicht. Da der Kläger Kug lediglich für insgesamt 230 Ausfallstunden begehrt hat, übersteigt bezogen auf den Monat Januar 1997 der Wert des Beschwerdegegenstandes unter Berücksichtigung der bereits in Ansatz gebrachten 168,5 Ausfallstunden 1.000 DM nicht. Es sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit. Die Berufung des Klägers bedurfte daher der Zulassung.
Die in den Gründen des Berufungsurteils ausgesprochene Berufungszulassung ist verfahrensfehlerhaft und führt nicht zur Statthaftigkeit der Berufung. Für eine Zulassung des Rechtsmittels fehlt dem Berufungsgericht im Berufungsverfahren die Entscheidungsmacht. Dies hat der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 19. November 1996 - 1 RK 18/95 - (SozR 3-1500 § 158 Nr 1; bestätigt durch SozR 3-1500 § 158 Nr 3) näher ausgeführt. Auf die Rechtsausführungen in diesem Urteil wird verwiesen. Der 14. Senat des BSG hat sich dieser Auffassung im Urteil vom 22. Januar 1998 - B 14/10 KG 17/96 R - und der erkennende Senat im Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11/10 AL 1/98 R - angeschlossen (vgl auch Roos NZS 1999, 182, 183). Neue rechtliche Gesichtspunkte ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers im Revisionsverfahren nicht. Soweit der 6. Senat des BSG in zwei Entscheidungen (SozR 3-2500 § 106 Nr 42; BSGE 86, 86 = SozR 3-6855 Art 10d Nr 1) die Zulässigkeit der Berufung angenommen hat, betrifft dies eine Zulassung aufgrund nachträglich erhobener Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss. Eine derartige Gestaltung liegt hier nicht vor.
Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die auf Gewährung höheren Kugs für die Monate Februar bis Juni 1997 gerichtete Klage als unzulässig behandelt. Allerdings kann der vom LSG gegebenen Begründung, die mit der Berufung erhobene Klage sei schon mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens unzulässig, nicht gefolgt werden. Denn das LSG hat übersehen, daß es ausgehend von seiner Rechtsauffassung dem Kläger die Möglichkeit hätte eröffnen müssen, das Vorverfahren nachzuholen (stRspr: vgl nur BSG SozR 1500 § 78 Nr 8 mwN). Die Unzulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren ergibt sich jedoch daraus, daß eine Klageänderung im Berufungsverfahren eine zulässige Berufung voraussetzt (BSGE 11, 26, 27; BGH NJW 1988, 2540, 2541 und 1999, 2118, 2119, jeweils mwN). Da die im Urteil des SG enthaltene Beschwer den maßgebenden Beschwerdewert nicht erreicht, hat eine Erweiterung des Klageanspruchs weder Einfluß auf die Zulässigkeit der Berufung noch kann dieser Anspruch im Wege der Klage zulässigerweise verfolgt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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