Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 89/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. September 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 29. Januar bis 22. April 1997; die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger das Beschäftigungsverhältnis durch Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers gelöst hat.
Der Kläger war seit November 1995 bei der K. GmbH als Fliesenleger beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Januar 1997 teilte diese dem Kläger unter dem Betreff "Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Winterkündigung" mit:
"Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass das für Sie vorgesehene Bauvorhaben noch nicht begonnen werden kann. Wir kündigen das bestehende Arbeitsverhältnis somit zum Ablauf des 28.1.1997. Sobald die Baustelle begonnen werden kann, werden wir Sie wieder zu unveränderten Bedingungen und unter Aufrechterhaltung der Rechte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis einstellen. Wir sagen Ihnen hiermit zu, dass dies spätestens am 1.4.1997 der Fall sein wird."
In einem Schreiben des Arbeitgebers vom 17. März 1998 heißt es, die Kündigung sei wegen witterungsbedingten Arbeitsmangels erfolgt. Vor der Kündigung habe eine Absprache nicht stattgefunden. Bei Nichtzustandekommen der fristlosen Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis fristgemäß gekündigt werden müssen.
Der Kläger meldete sich am 28. Januar 1997 arbeitslos. In der Arbeitsbescheinigung vom 31. Januar 1997 teilte die GmbH ua mit, das Arbeitsverhältnis sei nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers beendet worden. Im April 1997 zeigte der Kläger dem Arbeitsamt an, er nehme ab 2. Mai 1997 die Arbeit wieder bei dem früheren Arbeitgeber auf.
Die beklagte Bundesanstalt (BA) bewilligte dem Kläger Alg vom 23. April bis 1. Mai 1997; für die Zeit vom 29. Januar bis 22. April 1997 lehnte sie den Antrag auf Alg wegen Eintritts einer Sperrzeit ab (Bescheide vom 16. Mai und 11. Juni 1997, Widerspruchsbescheid vom 27. August 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat den ablehnenden Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum vom 29. Januar 1997 bis 22. April 1997 Alg in gesetzlicher Höhe zu zahlen (Urteil vom 25. Juni 1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der BA zurückgewiesen (Urteil vom 7. September 2001). Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG habe mit überzeugender Begründung dargelegt, dass die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nicht erfüllt seien. Insbesondere liege ein Aufhebungsvertrag - auch in konkludenter Form - nicht vor, denn in dem Verhalten des Klägers sei eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zu erkennen. Der Arbeitgeber habe erklärt, dass eine Absprache vor der Kündigung nicht stattgefunden habe. Bei dieser Sachlage führe die Handhabung der Beklagten letztlich dazu, den Kläger für rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers eintreten zu lassen, obwohl er keinerlei Vorteile aus der Hinnahme der rechtswidrigen Kündigung, sondern deutliche Einkommenseinbußen gehabt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Sie meint, der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis gelöst. Die bloße Hinnahme einer Kündigung begründe zwar grundsätzlich nicht den Eintritt einer Sperrzeit. Im Falle einer offensichtlich rechtswidrigen fristlosen Kündigung, die der Kläger wegen der Wiedereinstellungszusage nicht angefochten habe, sei jedoch abweichend zu entscheiden. Ohne den Willen des Klägers wäre die Kündigung nicht zum gleichen Zeitpunkt erfolgt. Die Erklärung des Arbeitgebers, bei Nichtzustandekommen der fristlosen Kündigung hätte er fristgerecht gekündigt, belege die Mitwirkung des Klägers an der Beendigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) löse der Arbeitnehmer auch durch eine Vereinbarung über eine noch auszusprechende Arbeitgeberkündigung und ihre Folgen das Arbeitsverhältnis. Eine Vereinbarung liege hier darin, dass der Kläger die offensichtlich rechtswidrige Kündigung hingenommen und dafür eine Wiedereinstellungszusage erhalten habe. Damit beteilige sich der Kläger konkludent an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, weil er sich der Möglichkeit begebe, die Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend zu machen. Dem Kläger sei nach den Umständen des Falles und bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zuzumuten. Es sei nicht Sache der Versichertengemeinschaft, die Kosten für einen Arbeitsausfall aus Witterungsgründen zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 1999 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. September 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, einen Aufhebungsvertrag habe er auch nicht in konkludenter Form geschlossen. Ein anderes Verhalten sei ihm nicht zuzumuten gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet; die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger vom 29. Januar bis 22. April 1997 Alg beanspruchen kann.
Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Diese Voraussetzungen sind dem unstreitigen Tatbestand des LSG-Urteils zu entnehmen. Zur Frage der Verfügbarkeit (§ 103 AFG) hat das LSG zwar ausdrückliche Feststellungen nicht getroffen; Anhaltspunkte zu Zweifeln ergeben sich jedoch auch insoweit nicht, weil die Beklagte dem Kläger ab 23. April 1997 Alg bewilligt hat.
Eine Sperrzeit steht dem Anspruch auf Alg vom 29. Januar bis 22. April 1997 nicht entgegen, denn der Kläger hat keinen Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 AFG erfüllt. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers hat durch die fristlose Kündigung des Arbeitgebers am 28. Januar 1997 geendet. Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG - die anderen Sperrzeittatbestände sind hier nicht einschlägig - tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis löst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger sich nicht arbeitsvertragswidrig verhalten. Er hat das Beschäftigungsverhältnis auch nicht im Sinne des Sperrzeittatbestandes gelöst. Nach der Rechtsprechung des BSG löst ein Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis, wenn er selbst kündigt, was hier nicht geschehen ist, oder einen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Vertrag schließt (SozR 4100 § 119 Nr 28 und 33; BSGE 66, 94, 96 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSGE 77, 48, 50 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). Die Frage, ob ein Arbeitsloser das Beschäftigungsverhältnis durch Vertrag gelöst hat, ist abhängig von rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Deren Feststellung fällt in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte. Die Überprüfung des Revisionsgerichts bezieht sich darauf, ob die Feststellung des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze verletzt (BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10; BSGE 77, 48, 50 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 9; Urteil des Senats vom 20. September 2001 - B 11 AL 30/01 R -).
Die Ausführungen des LSG, der Kläger habe eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber auch nicht durch schlüssiges Verhalten geschlossen, lässt eine Verletzung von Auslegungsregeln (§§ 133, 157 Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)) oder der Denkgesetze nicht erkennen. Insoweit hat das LSG eine tatsächliche Feststellung getroffen, deren Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) die BA nur durch eine begründete Prozessrüge beseitigen könnte. Dazu müsste sie die verletzte Verfahrensrechtsnorm und die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Solches ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen. Sie erhebt lediglich eine Sachrüge, indem sie § 119 Abs 1 Nr 1 AFG als verletzte Rechtsnorm nennt. Das Vorbringen, der Kläger habe mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung dahin geschlossen, er nehme die rechtswidrige Kündigung hin und erhalte dafür im Gegenzug eine Wiedereinstellungszusage, enthält lediglich ein von den tatsächlichen Feststellungen des LSG abweichendes tatsächliches Vorbringen, nicht aber eine Revisionsrüge. Abweichenden Sachvortrag in der Revisionsinstanz kann der Senat nicht berücksichtigen (BSGE 31, 63, 65 = SozR Nr 17 zu § 3 AVG).
Allerdings hat der Senat ausgesprochen, mit der Kündigung des Arbeitgebers verbundene Begünstigungen und das vorausgehende oder nachgehende Verhalten des Klägers könnten Anzeichen dafür sein, dass die angebliche Kündigung einen Aufhebungsvertrag und mithin eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verdecke (BSGE 77, 48, 51 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). Für solche Zusammenhänge, die eine Kündigung des Arbeitgebers als Scheingeschäft (§ 117 Abs 2 BGB) erscheinen lassen, bestehen jedoch hier keine Anhaltspunkte. Die in der Kündigung ausgesprochene Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers hat das LSG ohne Rechtsverstoß nicht als Anhaltspunkt für eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gewürdigt. Es hat darauf hingewiesen, dass der Kläger durch diese Zusage nicht Vorteile erlangt, sondern durch die Arbeitslosigkeit finanzielle Nachteile habe hinnehmen müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger das Arbeitsverhältnis nicht einverständlich gelöst und seine Arbeitslosigkeit vom 29. Januar bis 1. Mai 1997 herbeigeführt, sondern eine rechtswidrige Kündigung des Arbeitgebers hingenommen. Dieses Verhalten löst eine Sperrzeit nach ständiger Rechtsprechung nicht aus (BSG DBlR Nr 2226a zu § 117 AFG; BSG DBlR Nr 2959 zu § 119 AFG; BSGE 77, 48, 53 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9).
Die in der letztgenannten Entscheidung des Senats aufgeworfene Frage, ob das Recht fortzubilden sei und eine Sperrzeit jedenfalls dann eintrete, wenn der Arbeitnehmer eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte finanzielle Vergünstigung hinnehme, ist zu verneinen. Einen Grund für eine "Rechtsfortbildung im Sinne eines offeneren Lösungsbegriffs" (BSGE 77, 48, 53 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9) sieht der Senat nicht mehr. Gegen eine Rechtsfortbildung spricht auch die Entstehungsgeschichte des AFG. Ein § 107 des Regierungsentwurfs (BT-Drucks V/2291) sah im Anschluss an § 97 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ein Ruhen des Anspruchs auf Alg vor, "wenn der Arbeitslose ohne triftigen Grund einen ihm zustehenden Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis aufgibt oder nicht geltend macht". Der Ausschuss für Arbeit hat jedoch beschlossen, § 107 des Regierungsentwurfs zu streichen, weil § 97 AVAVG in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt habe. Die Vorschrift habe wegen der geringen Häufigkeit und der Eigenart der möglichen Anwendungsfälle nur geringe Bedeutung, sodass auf sie verzichtet werden könne (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit zu Drucks V/4110 S 20). Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und sich auf die Gesetz gewordenen Sperrzeittatbestände beschränkt. Danach tritt eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nur ein, wenn der Arbeitslose sich arbeitsvertragswidrig verhalten oder an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mitgewirkt und dadurch die Arbeitslosigkeit verursacht hat. Die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe knüpft also an aktives Verhalten des Versicherten, nicht bloße Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung an (ebenso Gagel/Winkler, SGB III, § 144 RdNr 58 f - Stand: März 2001).
Außerdem ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei Erlass des § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung (SGB III) die Voraussetzungen der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht abweichend von der Rechtsprechung des BSG zu § 119 Abs 1 Nr 1 AFG geregelt hat. Soweit ersichtlich, eröffnet diese Rechtsprechung der Praxis auch bei der Vereinbarung von Vergünstigungen, die mit einer Kündigung des Arbeitgebers einhergehen (Abwicklungsverträgen), die im Hinblick auf den Sinn der Sperrzeit erforderlichen Feststellungen und Folgerungen (vgl auch Urteil des Senats vom 25. April 2002 - B 11 AL 65/01 R -).
Da die Voraussetzungen des § 119 Abs 1 Nr 1 AFG nicht vorliegen, kommt es auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage eines wichtigen Grundes nicht an. Die Revision der Beklagten muss erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 29. Januar bis 22. April 1997; die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger das Beschäftigungsverhältnis durch Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung des Arbeitgebers gelöst hat.
Der Kläger war seit November 1995 bei der K. GmbH als Fliesenleger beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Januar 1997 teilte diese dem Kläger unter dem Betreff "Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Winterkündigung" mit:
"Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass das für Sie vorgesehene Bauvorhaben noch nicht begonnen werden kann. Wir kündigen das bestehende Arbeitsverhältnis somit zum Ablauf des 28.1.1997. Sobald die Baustelle begonnen werden kann, werden wir Sie wieder zu unveränderten Bedingungen und unter Aufrechterhaltung der Rechte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis einstellen. Wir sagen Ihnen hiermit zu, dass dies spätestens am 1.4.1997 der Fall sein wird."
In einem Schreiben des Arbeitgebers vom 17. März 1998 heißt es, die Kündigung sei wegen witterungsbedingten Arbeitsmangels erfolgt. Vor der Kündigung habe eine Absprache nicht stattgefunden. Bei Nichtzustandekommen der fristlosen Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis fristgemäß gekündigt werden müssen.
Der Kläger meldete sich am 28. Januar 1997 arbeitslos. In der Arbeitsbescheinigung vom 31. Januar 1997 teilte die GmbH ua mit, das Arbeitsverhältnis sei nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers beendet worden. Im April 1997 zeigte der Kläger dem Arbeitsamt an, er nehme ab 2. Mai 1997 die Arbeit wieder bei dem früheren Arbeitgeber auf.
Die beklagte Bundesanstalt (BA) bewilligte dem Kläger Alg vom 23. April bis 1. Mai 1997; für die Zeit vom 29. Januar bis 22. April 1997 lehnte sie den Antrag auf Alg wegen Eintritts einer Sperrzeit ab (Bescheide vom 16. Mai und 11. Juni 1997, Widerspruchsbescheid vom 27. August 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat den ablehnenden Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum vom 29. Januar 1997 bis 22. April 1997 Alg in gesetzlicher Höhe zu zahlen (Urteil vom 25. Juni 1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der BA zurückgewiesen (Urteil vom 7. September 2001). Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG habe mit überzeugender Begründung dargelegt, dass die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nicht erfüllt seien. Insbesondere liege ein Aufhebungsvertrag - auch in konkludenter Form - nicht vor, denn in dem Verhalten des Klägers sei eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zu erkennen. Der Arbeitgeber habe erklärt, dass eine Absprache vor der Kündigung nicht stattgefunden habe. Bei dieser Sachlage führe die Handhabung der Beklagten letztlich dazu, den Kläger für rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers eintreten zu lassen, obwohl er keinerlei Vorteile aus der Hinnahme der rechtswidrigen Kündigung, sondern deutliche Einkommenseinbußen gehabt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Sie meint, der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis gelöst. Die bloße Hinnahme einer Kündigung begründe zwar grundsätzlich nicht den Eintritt einer Sperrzeit. Im Falle einer offensichtlich rechtswidrigen fristlosen Kündigung, die der Kläger wegen der Wiedereinstellungszusage nicht angefochten habe, sei jedoch abweichend zu entscheiden. Ohne den Willen des Klägers wäre die Kündigung nicht zum gleichen Zeitpunkt erfolgt. Die Erklärung des Arbeitgebers, bei Nichtzustandekommen der fristlosen Kündigung hätte er fristgerecht gekündigt, belege die Mitwirkung des Klägers an der Beendigung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) löse der Arbeitnehmer auch durch eine Vereinbarung über eine noch auszusprechende Arbeitgeberkündigung und ihre Folgen das Arbeitsverhältnis. Eine Vereinbarung liege hier darin, dass der Kläger die offensichtlich rechtswidrige Kündigung hingenommen und dafür eine Wiedereinstellungszusage erhalten habe. Damit beteilige sich der Kläger konkludent an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, weil er sich der Möglichkeit begebe, die Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend zu machen. Dem Kläger sei nach den Umständen des Falles und bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zuzumuten. Es sei nicht Sache der Versichertengemeinschaft, die Kosten für einen Arbeitsausfall aus Witterungsgründen zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 1999 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. September 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, einen Aufhebungsvertrag habe er auch nicht in konkludenter Form geschlossen. Ein anderes Verhalten sei ihm nicht zuzumuten gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet; die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger vom 29. Januar bis 22. April 1997 Alg beanspruchen kann.
Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Diese Voraussetzungen sind dem unstreitigen Tatbestand des LSG-Urteils zu entnehmen. Zur Frage der Verfügbarkeit (§ 103 AFG) hat das LSG zwar ausdrückliche Feststellungen nicht getroffen; Anhaltspunkte zu Zweifeln ergeben sich jedoch auch insoweit nicht, weil die Beklagte dem Kläger ab 23. April 1997 Alg bewilligt hat.
Eine Sperrzeit steht dem Anspruch auf Alg vom 29. Januar bis 22. April 1997 nicht entgegen, denn der Kläger hat keinen Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 AFG erfüllt. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers hat durch die fristlose Kündigung des Arbeitgebers am 28. Januar 1997 geendet. Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG - die anderen Sperrzeittatbestände sind hier nicht einschlägig - tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis löst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger sich nicht arbeitsvertragswidrig verhalten. Er hat das Beschäftigungsverhältnis auch nicht im Sinne des Sperrzeittatbestandes gelöst. Nach der Rechtsprechung des BSG löst ein Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis, wenn er selbst kündigt, was hier nicht geschehen ist, oder einen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Vertrag schließt (SozR 4100 § 119 Nr 28 und 33; BSGE 66, 94, 96 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSGE 77, 48, 50 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). Die Frage, ob ein Arbeitsloser das Beschäftigungsverhältnis durch Vertrag gelöst hat, ist abhängig von rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Deren Feststellung fällt in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte. Die Überprüfung des Revisionsgerichts bezieht sich darauf, ob die Feststellung des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze oder die Denkgesetze verletzt (BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10; BSGE 77, 48, 50 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 9; Urteil des Senats vom 20. September 2001 - B 11 AL 30/01 R -).
Die Ausführungen des LSG, der Kläger habe eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber auch nicht durch schlüssiges Verhalten geschlossen, lässt eine Verletzung von Auslegungsregeln (§§ 133, 157 Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)) oder der Denkgesetze nicht erkennen. Insoweit hat das LSG eine tatsächliche Feststellung getroffen, deren Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) die BA nur durch eine begründete Prozessrüge beseitigen könnte. Dazu müsste sie die verletzte Verfahrensrechtsnorm und die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Solches ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen. Sie erhebt lediglich eine Sachrüge, indem sie § 119 Abs 1 Nr 1 AFG als verletzte Rechtsnorm nennt. Das Vorbringen, der Kläger habe mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung dahin geschlossen, er nehme die rechtswidrige Kündigung hin und erhalte dafür im Gegenzug eine Wiedereinstellungszusage, enthält lediglich ein von den tatsächlichen Feststellungen des LSG abweichendes tatsächliches Vorbringen, nicht aber eine Revisionsrüge. Abweichenden Sachvortrag in der Revisionsinstanz kann der Senat nicht berücksichtigen (BSGE 31, 63, 65 = SozR Nr 17 zu § 3 AVG).
Allerdings hat der Senat ausgesprochen, mit der Kündigung des Arbeitgebers verbundene Begünstigungen und das vorausgehende oder nachgehende Verhalten des Klägers könnten Anzeichen dafür sein, dass die angebliche Kündigung einen Aufhebungsvertrag und mithin eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verdecke (BSGE 77, 48, 51 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). Für solche Zusammenhänge, die eine Kündigung des Arbeitgebers als Scheingeschäft (§ 117 Abs 2 BGB) erscheinen lassen, bestehen jedoch hier keine Anhaltspunkte. Die in der Kündigung ausgesprochene Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers hat das LSG ohne Rechtsverstoß nicht als Anhaltspunkt für eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gewürdigt. Es hat darauf hingewiesen, dass der Kläger durch diese Zusage nicht Vorteile erlangt, sondern durch die Arbeitslosigkeit finanzielle Nachteile habe hinnehmen müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger das Arbeitsverhältnis nicht einverständlich gelöst und seine Arbeitslosigkeit vom 29. Januar bis 1. Mai 1997 herbeigeführt, sondern eine rechtswidrige Kündigung des Arbeitgebers hingenommen. Dieses Verhalten löst eine Sperrzeit nach ständiger Rechtsprechung nicht aus (BSG DBlR Nr 2226a zu § 117 AFG; BSG DBlR Nr 2959 zu § 119 AFG; BSGE 77, 48, 53 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9).
Die in der letztgenannten Entscheidung des Senats aufgeworfene Frage, ob das Recht fortzubilden sei und eine Sperrzeit jedenfalls dann eintrete, wenn der Arbeitnehmer eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte finanzielle Vergünstigung hinnehme, ist zu verneinen. Einen Grund für eine "Rechtsfortbildung im Sinne eines offeneren Lösungsbegriffs" (BSGE 77, 48, 53 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9) sieht der Senat nicht mehr. Gegen eine Rechtsfortbildung spricht auch die Entstehungsgeschichte des AFG. Ein § 107 des Regierungsentwurfs (BT-Drucks V/2291) sah im Anschluss an § 97 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ein Ruhen des Anspruchs auf Alg vor, "wenn der Arbeitslose ohne triftigen Grund einen ihm zustehenden Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis aufgibt oder nicht geltend macht". Der Ausschuss für Arbeit hat jedoch beschlossen, § 107 des Regierungsentwurfs zu streichen, weil § 97 AVAVG in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt habe. Die Vorschrift habe wegen der geringen Häufigkeit und der Eigenart der möglichen Anwendungsfälle nur geringe Bedeutung, sodass auf sie verzichtet werden könne (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit zu Drucks V/4110 S 20). Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und sich auf die Gesetz gewordenen Sperrzeittatbestände beschränkt. Danach tritt eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nur ein, wenn der Arbeitslose sich arbeitsvertragswidrig verhalten oder an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mitgewirkt und dadurch die Arbeitslosigkeit verursacht hat. Die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe knüpft also an aktives Verhalten des Versicherten, nicht bloße Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung an (ebenso Gagel/Winkler, SGB III, § 144 RdNr 58 f - Stand: März 2001).
Außerdem ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei Erlass des § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung (SGB III) die Voraussetzungen der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht abweichend von der Rechtsprechung des BSG zu § 119 Abs 1 Nr 1 AFG geregelt hat. Soweit ersichtlich, eröffnet diese Rechtsprechung der Praxis auch bei der Vereinbarung von Vergünstigungen, die mit einer Kündigung des Arbeitgebers einhergehen (Abwicklungsverträgen), die im Hinblick auf den Sinn der Sperrzeit erforderlichen Feststellungen und Folgerungen (vgl auch Urteil des Senats vom 25. April 2002 - B 11 AL 65/01 R -).
Da die Voraussetzungen des § 119 Abs 1 Nr 1 AFG nicht vorliegen, kommt es auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage eines wichtigen Grundes nicht an. Die Revision der Beklagten muss erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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