Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 5/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. Februar 2000 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1.313,45 DM zu zahlen. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu erstat- ten.
Gründe:
I
Die klagende Kirchengemeinde ist die Trägerin des B. -Krankenhauses in S. bei A ... In diesem Krankenhaus wurde die bei der beklagten Betriebskrankenkasse versicherte O. vom 23. November bis 11. Dezember 1998 stationär behandelt (Einsetzen einer Kniegelenks-Totalendoprothese nach Gonarthrose). Indikationsspezifische Komplikationen traten nicht auf; die Wundheilung war am 6., die Rehabilitationsfähigkeit am 11. Dezember 1998 erreicht.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 stellte die Klägerin der Beklagten folgende Kosten in Rechnung: (a) Für die Zeit vom 23. November bis 5. Dezember 1998 die Fallpauschale 17.091 in Höhe von 18.846,75 DM sowie (b) für die Zeit vom 6. Dezember bis 11. Dezember 1998 den Abteilungspflegesatz Orthopädie in Höhe von 775,20 DM (fünf Tage à 155,04 DM) und (c) den Basispflegesatz in Höhe von 538,25 DM (fünf Tage à 107,65 DM). Die Beklagte zahlte lediglich den Betrag zu a) und lehnte mit Schreiben vom 8. Januar 1999 das Begleichen der Beträge zu b) und c) ab, weil die Fallpauschale 17.091 (sog A-Pauschale) die Versorgung für den gesamten stationären Aufenthalt umfasse.
Mit der Klage hat die Klägerin die Restzahlung von 1.313,45 DM geltend gemacht, weil nach dem bundesweiten "Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" nach Erbringung der von der A-Pauschale abgedeckten Leistungen, dh ab Wundheilung, zusätzlich tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze abgerechnet werden könnten, wenn die Abrechnung der Fallpauschale 17.092 (sog B-Pauschale) am Nichterreichen der dafür erforderlichen Mindestverweildauer scheitere. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 22. Februar 2000). Das SG hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst zutreffend nur die A-, nicht aber die B-Pauschale abgerechnet. Wenn aber die Berechnung einer Fallpauschale möglich sei, scheide die Abrechnung weiterer Sonderentgelte und tagesgleicher Pflegesätze aus. Hier könnten über die A-Pauschale hinaus keine tagesgleichen Pflegesätze abgerechnet werden, weil die Grenzverweildauer der A-Pauschale nicht überschritten sei. Die A-Pauschale gelte auch die Leistungen ab Wundheilung ab, die mithin nicht ohne Vergütung geblieben seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, und zwar der §§ 10 Abs 1, 11 Abs 1, 13 Abs 1, 14 Abs 1 Satz 3, Abs 4, Abs 7 Satz 1, 15 Abs 1 Nr 1 und 16 Abs 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV). Sie macht geltend, der Ausschluß des § 14 Abs 1 Satz 3 BPflV greife nicht: Weil für die Zeit nach der Wundheilung keine Pauschale abgerechnet werden könne, bleibe die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze möglich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. Februar 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 1.313,45 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
1. Die Revision ist zulässig. Die Voraussetzungen der Sprungrevision nach § 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen vor, da die Klägerin mit ihrer Revisionsschrift eine Ausfertigung der Niederschrift des SG eingereicht hat (vgl dazu BSG, Beschluss des Großen Senats vom 30. Juni 1960, GS 1/59 = BSGE 12, 230 = SozR Nr 14 zu § 161 SGG), in der ihr Antrag auf Zulassung der Sprungrevision und die Erklärung der Beklagten über die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision vermerkt sind.
2. Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des SG war abzuändern, weil die Klägerin für die stationäre Behandlung der Versicherten neben der gezahlten Fallpauschale Anspruch auf die Zahlung von Abteilungs- und Basispflegesätzen in Höhe der veranlagten 1.313,45 DM hat.
a) Grundlage des erhobenen Vergütungsanspruchs sind die nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juni 1997 (BGBl I S 1520) erläßt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften über die Krankenhaus-Pflegesätze, die grundsätzlich die Vergütung nach der Anzahl der Behandlungstage bemessen und für alle Benutzer einheitlich zu berechnen sind (§ 17 Abs 1 Satz 1 KHG). Nach § 17 Abs 2a KHG sind für die Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen jedoch schrittweise Fallpauschalen und Sonderentgelte einzuführen, die der Abrechnung spätestens vom 1. Januar 1996 an zugrunde zu legen waren (Satz 1). Die Entgelte wurden bis zum 31. Dezember 1997 in der Rechtsverordnung bestimmt (Satz 2). Erstmals für den - hier streitbefangenen - Pflegesatzzeitraum 1998 sollten die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung vereinbaren (Satz 3); diese sind für diejenigen Krankenhausträger unmittelbar verbindlich, die Mitglieder einer Landeskrankenhausgesellschaft sind, andernfalls sind die Entgeltkataloge der Pflegesatzvereinbarung zugrunde zu legen (Satz 6). Die in der Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte galten ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart (Satz 7). Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (Satz 10). Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen oder Sonderentgelte vergütet werden, sind Abteilungspflegesätze als Entgelt für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher Basispflegesatz als Entgelt für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeit veranlaßte Leistungen vorzusehen (Satz 12).
Die aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlassene BPflV hat die gesetzlichen Vorgaben unter teilweiser Wiederholung präzisiert. Nach § 10 Abs 1 Nr 1 und 2 BPflV in der hier maßgeblichen Fassung vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874) werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen und Sonderentgelte (§ 11) bzw einen Gesamtbetrag (Budget - § 12), unter anteiliger Umlegung auf den Patienten oder seinen Kostenträger mittels tagesgleicher Pflegesätze - Abteilungs-, Basis- oder teilstationäre Pflegesätze - (§ 13), vergütet. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BPflV vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 17 BPflV die bundesweit geltenden Entgeltkataloge für Fallpauschalen und Sonderentgelte und deren Weiterentwicklung einschließlich der Abrechnungsbestimmungen. Nach § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV sind, wenn Fallpauschalen nicht berechnet werden, tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze zu berechnen. Die Höhe der Fallpauschalen und der pauschalierten Sonderentgelte nach § 17 Abs 2a KHG vereinbaren die Landeskrankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesausschuß des Verbandes der privaten Krankenversicherung auf Landesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien.
Der als Anlage zur BPflV bekannt gemachte "Bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" in der hier maßgeblichen Fassung der 5. Änderungsverordnung zur BPflV vom 9. Dezember 1997, Anhang 1, Anlage 1.1, zu § 11 Abs 1 BPflV (BGBl I, Anlageband, S 14), enthält im Bereich Orthopädie ua die Pauschale 17.091 (sog A-Pauschale): "Einbau einer Kniegelenks-Totalendoprothese, Versorgung bis Abschluß Wundheilung (zB Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluß indikationsspezifischer Komplikationen. Grenzverweildauer 21 Tage" sowie die Pauschale 17.092 (sog B-Pauschale): "Weiterbehandlung im Anschluß an die FP 17.091 bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit, Mindestaufenthalt 7 Belegungstage. Grenzverweildauer 23 Tage". Die gleichzeitig in den bisherigen Fallpauschalen-Katalog eingefügten "Abrechnungs-Bestimmungen" (ebenfalls in Anlage 1 zu § 11 Abs 1 BPflV in der Fassung vom 9. Dezember 1997), regeln dazu unter Nr 5: "Erbringt ein Krankenhaus die Leistung einer Fallpauschale zur Weiterbehandlung (B-Pauschale) in den Gruppen 9 und 17 zusätzlich zu der Operationsleistung (A-Pauschale), beginnt die B-Pauschale am Tag der Wundheilung. Die Grenz-Verweildauer der A-Pauschale wird in diesem Fall zur Grenz-Verweildauer der B-Pauschale hinzugerechnet. Als erster Belegungstag der Mindestverweildauer der B-Pauschale ist das Kalenderdatum der Wundheilung in der Rechnung anzugeben."
b) Gegen die Verbindlichkeit der genannten Fallpauschalen und Abrechnungsbestimmungen für die Beteiligten bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Mit der bereits erwähnten 5. Änderungsverordnung zur BPflV ist zwar das Ziel aufgestellt worden, den Fallpauschalenkatalog und die Abrechnungsbestimmungen der Selbstverwaltung (durch die Spitzenverbände der Krankenkassen, den Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft) "zu übertragen und somit aus der Verordnung herauszunehmen" (BR-Drucks 802/97, S 60, zu Nr 20). Mit der gesetzlichen Anweisung in § 17 Abs 2a Satz 7 KHG, daß die in der BPflV bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart zu gelten haben, hat der Gesetzgeber aber deren Fortgeltung bis zu einer vertraglichen Änderung angeordnet. Die Selbstverwaltung hat in dieser Zeit die hier einschlägigen Fallpauschalen nicht geändert und die Abrechnungsbestimmung Nr 5 nur um Regelungen über Krankenhauswechsel und Entlassungstage ergänzt.
c) Die klägerische Forderung auf die Abteilungs- und Basispflegesätze für jeweils fünf Tage ist danach begründet. Durch die 5. Änderungsverordnung zur BPflV ist die frühere Fallpauschale 17.09 "Gonarthrose. Einbau einer Kniegelenks-Totalendoprothese" (Anhang 1, Anlage 1 zu § 11 Abs 2 BPflV in der Fassung der 2. Änderungsverordnung zur BPflV vom 18. Dezember 1995, BGBl I, S 2003) geteilt worden, "um unterschiedlichen Versorgungsstrukturen gerecht zu werden" (BR-Drucks 802/97, S 60, zu Nr 20): Für das Einsetzen der Kniegelenks-Totalendoprothese war die Abrechnung der A-Pauschale angezeigt, welche lediglich die operative Phase der Akutbehandlung abgelten soll (BR-Drucks aaO). Die A-Pauschale reicht nach ihrer Definition bis zu dem Tage, an dem die Wundheilung abgeschlossen und, falls eine indikationsspezifische Komplikation aufgetreten war, diese wieder beseitigt ist; längstens kann sie bis zum Erreichen der Grenzverweildauer von 21 Tagen reichen, woran sich die Abrechnung mittels tagesgleicher Abteilungs- und Basispflegesätze anschließen könnte (§ 14 Abs 7 Satz 1 BPflV) - was jedoch hier angesichts der Gesamtverweildauer der Versicherten von 19 Tagen nicht in Frage kam. Im vorliegenden Fall werden durch die A-Pauschale, mangels indikationsspezifischer Komplikationen, die Krankenhausleistungen somit nur bis zur Wundheilung, dh bis zum 5. Dezember 1998, abgegolten. Hingegen kam die Abrechnung der B-Pauschale, die Weiterbehandlungen - etwa mangels Rehabilitationsfähigkeit - abgelten soll (BR-Drucks aaO), nicht in Betracht. Die B-Pauschale rechnet nach Ziff 5 der Abrechnungsbestimmungen ab dem Tage der Wundheilung, hier dem 6. Dezember 1998 (weshalb schon dieser Tag nicht mehr als durch die A-Pauschale abgedeckt angesehen werden kann). Durch die Weiterbehandlungszeit vom 6. bis 11. Dezember 1998 wurden die mindestens erforderlichen sieben Tage nicht mehr erreicht.
Die Abrechnung der A-Pauschale und das Nichterreichen der Mindestverweildauer der B-Pauschale hindern für die nach dem - mit der A-Pauschale abgegoltenen - Zeitraum vom 23. November bis 5. Dezember 1998 liegenden Behandlungstage die Abrechnung tagesgleicher (Abteilungs- und Basis-)Pflegesätze nicht. Denn die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze ist nur unzulässig, wenn die Abrechnung einer Fallpauschale möglich ist (§ 17 Abs 2a Satz 10, 12 KHG; § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV). Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn im Rahmen der gesamten Krankenhausbehandlung die Abrechnung überhaupt irgend einer Fallpauschale oder für die in Frage stehende Leistung die Abrechnung einer Fallpauschale im Prinzip, nicht aber im konkreten Fall möglich ist (Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1, Stand Januar 2001, BPflV § 14 Anm V 2).
Für die Zeit ab dem 6. Dezember 1998 ist weder die A- noch die B-Pauschale einschlägig. Die Auffassung, die A-Pauschale decke auch die Behandlung nach der Wundheilung ab, wenn die Mindestverweildauer der B-Pauschale nicht erreicht ist, widerspricht der Definition der A-Pauschale im Fallpauschalenkatalog (vgl oben), die ausdrücklich die Behandlung nur bis zu dem Tage abgilt, an dem die Wundheilung und die Beseitigung indikationsspezifischer Komplikationen erreicht sind. Unrichtig ist daher das vom SG als Beleg gegebene Beispiel einer angeblichen "Überlappung" beider Pauschalen bei Abschluß der Wundheilung ohne Beseitigung indikationsspezifischer Komplikationen; denn nach ihrer Definition beginnt die B-Pauschale erst "im Anschluß an die FP 17.091", so daß auch bei Komplikationen eine Prüfung entfällt, "ob der Patient sich noch in der A- oder der B-Pauschale befindet" (BR-Drucks aaO). Auch das Hinzurechnen der Grenzverweildauer der A- zu derjenigen der B-Pauschale nach den Abrechnungsbestimmungen, Nr 5, soll nur tagesgleiche Pflegesätze zwischen den Pauschalen für den Fall vermeiden, daß beide Pauschalen abrechenbar sind (BR-Drucks aaO). Die Abrechnung der B-Pauschale ist aber, wie ausgeführt, mangels Erreichens der Mindestverweildauer nicht möglich. Der von der Beklagten ins Feld geführte § 14 Abs 7 Satz 1 BPflV regelt nur einen möglichen Fall der Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze, schließt aber weitere Abrechnungsfälle nicht aus, wie sich aus der allgemeineren Regelung des § 17 Abs 2a Satz 12 KHG ergibt.
Für die fünf Tage der stationären Weiterbehandlung ab Wundheilung vom 6. bis 11. Dezember 1998 - nach den Abrechnungsbestimmungen, Nr 5, zählt zwar der Wundheilungstag, nach § 14 Abs 2 Satz 1 BPflV nicht jedoch der Entlassungstag mit - kann die Klägerin somit gemäß § 17 Abs 2a Satz 12 KHG, § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV die Abteilungs- und Basispflegesätze beanspruchen (Engelke/Stapf/Rochell/Fricke, KH, 1999, 223, 229 ff; aA ohne Begründung Dietz/Bofinger, aaO, Bd 1, Hinweise zu Fallpauschalen und Sonderentgelten, RdNr 15 Anm I.7 und II.3), weil diese Leistung durch die Fallpauschale A noch nicht abgegolten ist und die Höhe der Fallpauschale B andererseits auch nicht überschritten wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Die klagende Kirchengemeinde ist die Trägerin des B. -Krankenhauses in S. bei A ... In diesem Krankenhaus wurde die bei der beklagten Betriebskrankenkasse versicherte O. vom 23. November bis 11. Dezember 1998 stationär behandelt (Einsetzen einer Kniegelenks-Totalendoprothese nach Gonarthrose). Indikationsspezifische Komplikationen traten nicht auf; die Wundheilung war am 6., die Rehabilitationsfähigkeit am 11. Dezember 1998 erreicht.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 stellte die Klägerin der Beklagten folgende Kosten in Rechnung: (a) Für die Zeit vom 23. November bis 5. Dezember 1998 die Fallpauschale 17.091 in Höhe von 18.846,75 DM sowie (b) für die Zeit vom 6. Dezember bis 11. Dezember 1998 den Abteilungspflegesatz Orthopädie in Höhe von 775,20 DM (fünf Tage à 155,04 DM) und (c) den Basispflegesatz in Höhe von 538,25 DM (fünf Tage à 107,65 DM). Die Beklagte zahlte lediglich den Betrag zu a) und lehnte mit Schreiben vom 8. Januar 1999 das Begleichen der Beträge zu b) und c) ab, weil die Fallpauschale 17.091 (sog A-Pauschale) die Versorgung für den gesamten stationären Aufenthalt umfasse.
Mit der Klage hat die Klägerin die Restzahlung von 1.313,45 DM geltend gemacht, weil nach dem bundesweiten "Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" nach Erbringung der von der A-Pauschale abgedeckten Leistungen, dh ab Wundheilung, zusätzlich tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze abgerechnet werden könnten, wenn die Abrechnung der Fallpauschale 17.092 (sog B-Pauschale) am Nichterreichen der dafür erforderlichen Mindestverweildauer scheitere. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 22. Februar 2000). Das SG hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst zutreffend nur die A-, nicht aber die B-Pauschale abgerechnet. Wenn aber die Berechnung einer Fallpauschale möglich sei, scheide die Abrechnung weiterer Sonderentgelte und tagesgleicher Pflegesätze aus. Hier könnten über die A-Pauschale hinaus keine tagesgleichen Pflegesätze abgerechnet werden, weil die Grenzverweildauer der A-Pauschale nicht überschritten sei. Die A-Pauschale gelte auch die Leistungen ab Wundheilung ab, die mithin nicht ohne Vergütung geblieben seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, und zwar der §§ 10 Abs 1, 11 Abs 1, 13 Abs 1, 14 Abs 1 Satz 3, Abs 4, Abs 7 Satz 1, 15 Abs 1 Nr 1 und 16 Abs 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV). Sie macht geltend, der Ausschluß des § 14 Abs 1 Satz 3 BPflV greife nicht: Weil für die Zeit nach der Wundheilung keine Pauschale abgerechnet werden könne, bleibe die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze möglich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. Februar 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 1.313,45 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
1. Die Revision ist zulässig. Die Voraussetzungen der Sprungrevision nach § 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen vor, da die Klägerin mit ihrer Revisionsschrift eine Ausfertigung der Niederschrift des SG eingereicht hat (vgl dazu BSG, Beschluss des Großen Senats vom 30. Juni 1960, GS 1/59 = BSGE 12, 230 = SozR Nr 14 zu § 161 SGG), in der ihr Antrag auf Zulassung der Sprungrevision und die Erklärung der Beklagten über die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision vermerkt sind.
2. Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des SG war abzuändern, weil die Klägerin für die stationäre Behandlung der Versicherten neben der gezahlten Fallpauschale Anspruch auf die Zahlung von Abteilungs- und Basispflegesätzen in Höhe der veranlagten 1.313,45 DM hat.
a) Grundlage des erhobenen Vergütungsanspruchs sind die nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der BPflV getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Nach § 16 Satz 1 Nr 1 KHG in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juni 1997 (BGBl I S 1520) erläßt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften über die Krankenhaus-Pflegesätze, die grundsätzlich die Vergütung nach der Anzahl der Behandlungstage bemessen und für alle Benutzer einheitlich zu berechnen sind (§ 17 Abs 1 Satz 1 KHG). Nach § 17 Abs 2a KHG sind für die Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen jedoch schrittweise Fallpauschalen und Sonderentgelte einzuführen, die der Abrechnung spätestens vom 1. Januar 1996 an zugrunde zu legen waren (Satz 1). Die Entgelte wurden bis zum 31. Dezember 1997 in der Rechtsverordnung bestimmt (Satz 2). Erstmals für den - hier streitbefangenen - Pflegesatzzeitraum 1998 sollten die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung vereinbaren (Satz 3); diese sind für diejenigen Krankenhausträger unmittelbar verbindlich, die Mitglieder einer Landeskrankenhausgesellschaft sind, andernfalls sind die Entgeltkataloge der Pflegesatzvereinbarung zugrunde zu legen (Satz 6). Die in der Rechtsverordnung bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte galten ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart (Satz 7). Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (Satz 10). Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen oder Sonderentgelte vergütet werden, sind Abteilungspflegesätze als Entgelt für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher Basispflegesatz als Entgelt für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeit veranlaßte Leistungen vorzusehen (Satz 12).
Die aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlassene BPflV hat die gesetzlichen Vorgaben unter teilweiser Wiederholung präzisiert. Nach § 10 Abs 1 Nr 1 und 2 BPflV in der hier maßgeblichen Fassung vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874) werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen und Sonderentgelte (§ 11) bzw einen Gesamtbetrag (Budget - § 12), unter anteiliger Umlegung auf den Patienten oder seinen Kostenträger mittels tagesgleicher Pflegesätze - Abteilungs-, Basis- oder teilstationäre Pflegesätze - (§ 13), vergütet. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BPflV vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 17 BPflV die bundesweit geltenden Entgeltkataloge für Fallpauschalen und Sonderentgelte und deren Weiterentwicklung einschließlich der Abrechnungsbestimmungen. Nach § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV sind, wenn Fallpauschalen nicht berechnet werden, tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze zu berechnen. Die Höhe der Fallpauschalen und der pauschalierten Sonderentgelte nach § 17 Abs 2a KHG vereinbaren die Landeskrankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesausschuß des Verbandes der privaten Krankenversicherung auf Landesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien.
Der als Anlage zur BPflV bekannt gemachte "Bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" in der hier maßgeblichen Fassung der 5. Änderungsverordnung zur BPflV vom 9. Dezember 1997, Anhang 1, Anlage 1.1, zu § 11 Abs 1 BPflV (BGBl I, Anlageband, S 14), enthält im Bereich Orthopädie ua die Pauschale 17.091 (sog A-Pauschale): "Einbau einer Kniegelenks-Totalendoprothese, Versorgung bis Abschluß Wundheilung (zB Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluß indikationsspezifischer Komplikationen. Grenzverweildauer 21 Tage" sowie die Pauschale 17.092 (sog B-Pauschale): "Weiterbehandlung im Anschluß an die FP 17.091 bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit, Mindestaufenthalt 7 Belegungstage. Grenzverweildauer 23 Tage". Die gleichzeitig in den bisherigen Fallpauschalen-Katalog eingefügten "Abrechnungs-Bestimmungen" (ebenfalls in Anlage 1 zu § 11 Abs 1 BPflV in der Fassung vom 9. Dezember 1997), regeln dazu unter Nr 5: "Erbringt ein Krankenhaus die Leistung einer Fallpauschale zur Weiterbehandlung (B-Pauschale) in den Gruppen 9 und 17 zusätzlich zu der Operationsleistung (A-Pauschale), beginnt die B-Pauschale am Tag der Wundheilung. Die Grenz-Verweildauer der A-Pauschale wird in diesem Fall zur Grenz-Verweildauer der B-Pauschale hinzugerechnet. Als erster Belegungstag der Mindestverweildauer der B-Pauschale ist das Kalenderdatum der Wundheilung in der Rechnung anzugeben."
b) Gegen die Verbindlichkeit der genannten Fallpauschalen und Abrechnungsbestimmungen für die Beteiligten bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken. Mit der bereits erwähnten 5. Änderungsverordnung zur BPflV ist zwar das Ziel aufgestellt worden, den Fallpauschalenkatalog und die Abrechnungsbestimmungen der Selbstverwaltung (durch die Spitzenverbände der Krankenkassen, den Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft) "zu übertragen und somit aus der Verordnung herauszunehmen" (BR-Drucks 802/97, S 60, zu Nr 20). Mit der gesetzlichen Anweisung in § 17 Abs 2a Satz 7 KHG, daß die in der BPflV bestimmten Fallpauschalen und Sonderentgelte ab 1. Januar 1998 als vertraglich vereinbart zu gelten haben, hat der Gesetzgeber aber deren Fortgeltung bis zu einer vertraglichen Änderung angeordnet. Die Selbstverwaltung hat in dieser Zeit die hier einschlägigen Fallpauschalen nicht geändert und die Abrechnungsbestimmung Nr 5 nur um Regelungen über Krankenhauswechsel und Entlassungstage ergänzt.
c) Die klägerische Forderung auf die Abteilungs- und Basispflegesätze für jeweils fünf Tage ist danach begründet. Durch die 5. Änderungsverordnung zur BPflV ist die frühere Fallpauschale 17.09 "Gonarthrose. Einbau einer Kniegelenks-Totalendoprothese" (Anhang 1, Anlage 1 zu § 11 Abs 2 BPflV in der Fassung der 2. Änderungsverordnung zur BPflV vom 18. Dezember 1995, BGBl I, S 2003) geteilt worden, "um unterschiedlichen Versorgungsstrukturen gerecht zu werden" (BR-Drucks 802/97, S 60, zu Nr 20): Für das Einsetzen der Kniegelenks-Totalendoprothese war die Abrechnung der A-Pauschale angezeigt, welche lediglich die operative Phase der Akutbehandlung abgelten soll (BR-Drucks aaO). Die A-Pauschale reicht nach ihrer Definition bis zu dem Tage, an dem die Wundheilung abgeschlossen und, falls eine indikationsspezifische Komplikation aufgetreten war, diese wieder beseitigt ist; längstens kann sie bis zum Erreichen der Grenzverweildauer von 21 Tagen reichen, woran sich die Abrechnung mittels tagesgleicher Abteilungs- und Basispflegesätze anschließen könnte (§ 14 Abs 7 Satz 1 BPflV) - was jedoch hier angesichts der Gesamtverweildauer der Versicherten von 19 Tagen nicht in Frage kam. Im vorliegenden Fall werden durch die A-Pauschale, mangels indikationsspezifischer Komplikationen, die Krankenhausleistungen somit nur bis zur Wundheilung, dh bis zum 5. Dezember 1998, abgegolten. Hingegen kam die Abrechnung der B-Pauschale, die Weiterbehandlungen - etwa mangels Rehabilitationsfähigkeit - abgelten soll (BR-Drucks aaO), nicht in Betracht. Die B-Pauschale rechnet nach Ziff 5 der Abrechnungsbestimmungen ab dem Tage der Wundheilung, hier dem 6. Dezember 1998 (weshalb schon dieser Tag nicht mehr als durch die A-Pauschale abgedeckt angesehen werden kann). Durch die Weiterbehandlungszeit vom 6. bis 11. Dezember 1998 wurden die mindestens erforderlichen sieben Tage nicht mehr erreicht.
Die Abrechnung der A-Pauschale und das Nichterreichen der Mindestverweildauer der B-Pauschale hindern für die nach dem - mit der A-Pauschale abgegoltenen - Zeitraum vom 23. November bis 5. Dezember 1998 liegenden Behandlungstage die Abrechnung tagesgleicher (Abteilungs- und Basis-)Pflegesätze nicht. Denn die Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze ist nur unzulässig, wenn die Abrechnung einer Fallpauschale möglich ist (§ 17 Abs 2a Satz 10, 12 KHG; § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV). Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn im Rahmen der gesamten Krankenhausbehandlung die Abrechnung überhaupt irgend einer Fallpauschale oder für die in Frage stehende Leistung die Abrechnung einer Fallpauschale im Prinzip, nicht aber im konkreten Fall möglich ist (Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht, Bd 1, Stand Januar 2001, BPflV § 14 Anm V 2).
Für die Zeit ab dem 6. Dezember 1998 ist weder die A- noch die B-Pauschale einschlägig. Die Auffassung, die A-Pauschale decke auch die Behandlung nach der Wundheilung ab, wenn die Mindestverweildauer der B-Pauschale nicht erreicht ist, widerspricht der Definition der A-Pauschale im Fallpauschalenkatalog (vgl oben), die ausdrücklich die Behandlung nur bis zu dem Tage abgilt, an dem die Wundheilung und die Beseitigung indikationsspezifischer Komplikationen erreicht sind. Unrichtig ist daher das vom SG als Beleg gegebene Beispiel einer angeblichen "Überlappung" beider Pauschalen bei Abschluß der Wundheilung ohne Beseitigung indikationsspezifischer Komplikationen; denn nach ihrer Definition beginnt die B-Pauschale erst "im Anschluß an die FP 17.091", so daß auch bei Komplikationen eine Prüfung entfällt, "ob der Patient sich noch in der A- oder der B-Pauschale befindet" (BR-Drucks aaO). Auch das Hinzurechnen der Grenzverweildauer der A- zu derjenigen der B-Pauschale nach den Abrechnungsbestimmungen, Nr 5, soll nur tagesgleiche Pflegesätze zwischen den Pauschalen für den Fall vermeiden, daß beide Pauschalen abrechenbar sind (BR-Drucks aaO). Die Abrechnung der B-Pauschale ist aber, wie ausgeführt, mangels Erreichens der Mindestverweildauer nicht möglich. Der von der Beklagten ins Feld geführte § 14 Abs 7 Satz 1 BPflV regelt nur einen möglichen Fall der Abrechnung tagesgleicher Pflegesätze, schließt aber weitere Abrechnungsfälle nicht aus, wie sich aus der allgemeineren Regelung des § 17 Abs 2a Satz 12 KHG ergibt.
Für die fünf Tage der stationären Weiterbehandlung ab Wundheilung vom 6. bis 11. Dezember 1998 - nach den Abrechnungsbestimmungen, Nr 5, zählt zwar der Wundheilungstag, nach § 14 Abs 2 Satz 1 BPflV nicht jedoch der Entlassungstag mit - kann die Klägerin somit gemäß § 17 Abs 2a Satz 12 KHG, § 14 Abs 5 Satz 3 BPflV die Abteilungs- und Basispflegesätze beanspruchen (Engelke/Stapf/Rochell/Fricke, KH, 1999, 223, 229 ff; aA ohne Begründung Dietz/Bofinger, aaO, Bd 1, Hinweise zu Fallpauschalen und Sonderentgelten, RdNr 15 Anm I.7 und II.3), weil diese Leistung durch die Fallpauschale A noch nicht abgegolten ist und die Höhe der Fallpauschale B andererseits auch nicht überschritten wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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