Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 14/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 4. April 2000 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat dem Beklagten auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen dessen Verhalten anläßlich einer Auseinandersetzung um die Vergütung von Leistungen von Mitgliedern des Beklagten im Jahre 1989.
Zwischen der klagenden Krankenkasse und dem beklagten Zentralverband der Krankengymnasten bestanden seit 1971 ein Rahmenvertrag über die Zulassung von Krankengymnasten zur Behandlung von Versicherten der Klägerin und weitere Verträge über die Vergütung der Leistungen. Diese Verträge sind von dem Beklagten gekündigt worden. Die zuletzt geschlossene Vergütungsvereinbarung lief zum 31. Dezember 1988 aus. Ein neuer Vertragsabschluß kam zunächst nicht zustande. Im Mai 1989 veröffentlichte der Beklagte ein Flugblatt, in dem er mitteilte, die Klägerin habe die Tarifverhandlungen platzen lassen. Versicherte der Klägerin könnten nicht mehr auf Kassenrezept, sondern nur noch als Privatpatienten behandelt werden. Hiergegen erwirkte die Klägerin eine einstweilige Anordnung (Urteil vom 21. Juni 1989). Zur Begründung führte das Sozialgericht (SG) ua aus, die Zulassung der Mitglieder des Beklagten bestehe nach wie vor; aufgrund der Zulassung seien sie weiterhin zur Behandlung aufgrund kassenärztlicher Verordnung verpflichtet. Daraufhin "gaben" die Mitglieder des Beklagten auf dessen Empfehlung in großer Zahl ihre Zulassung an die Klägerin "zurück" und behandelten die Versicherten gegen Privatrechnung. Die Klägerin erstattete ihren Versicherten die von ihnen bezahlten Rechnungsbeträge, die über den früher vereinbarten Vergütungssätzen lagen. Mit ihrer im November 1989 beim SG erhobenen Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz für die Mehraufwendungen, die sie durch Erstattung der höheren Rechnungsbeträge aufgrund der privaten Abrechnungen bis einschließlich Juni 1990 gehabt hat. Sie sieht das schadensersatzpflichtige Verhalten des Beklagten darin, daß er seine Mitglieder vertragswidrig, sittenwidrig und unter Ausnutzung einer Monopolstellung zu ihrem Verhalten veranlaßt habe. Sie stützt den Anspruch auf Schadensersatz in erster Linie auf positive Vertragsverletzung, ferner auf § 823 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) iVm §§ 240, 253 Strafgesetzbuch (StGB) und §§ 1, 25, 26 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie auf §§ 826 BGB, 35 GWB. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. September 1995 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 4. April 2000). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe zwar nicht schon das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art 9 Abs 3 Grundgesetz (GG) entgegen, denn hierauf könnten sich die Krankengymnasten als Selbständige nicht berufen. Auch die Tätigkeit des Beklagten als Interessenverband selbständig Tätiger unterfalle nicht dem Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung bestehe jedoch deshalb nicht, weil vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten zur fraglichen Zeit nicht mehr bestanden hätten. Eine Fortgeltung der früher abgeschlossenen Verträge könne nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 4 Abs 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgeleitet werden. Bei dieser Regelung handele es sich um eine Norm des kollektiven Arbeitsrechts, die auf Rechtsbeziehungen von Selbständigen nicht entsprechend angewendet werden könne. Spezielle Regelungen des Kassenarztrechts, die eine Fortwirkung ausgelaufener Verträge vorsehen, seien ebenfalls auf die Rechtsbeziehungen der Beklagten zur Klägerin nicht anwendbar. Einem Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs 2 bzw 826 BGB stehe entgegen, daß das Verhalten des Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden sei. Die Klägerin habe vielmehr Kostenerstattungen vorgenommen, ohne die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seinerzeit geltenden Fassung zu beachten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Bei zutreffender Auslegung des § 125 SGB V als Grundlage zum Abschluß von Normverträgen mit den Leistungserbringern müsse die Rechtsstellung des Beklagten zur Anwendung des in § 4 Abs 5 TVG enthaltenen Rechtsgedankens über die Nachwirkung von Verträgen führen. Zum gleichen Ergebnis führe die Anwendung des auch in § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V enthaltenen Rechtsgedankens. Der Beklagte habe deshalb zum Bruch bestehender Verträge aufgefordert. Das LSG habe sich zu Unrecht der Prüfung der Ansprüche aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 240, 253 StGB, §§ 1, 25 und 26 GWB sowie § 826 BGB und § 35 GWB entzogen. Das Unterlassen der Prüfung der einzelnen Anspruchsgrundlagen habe für das Revisionsverfahren zur Konsequenz, daß die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach als bestehend unterstellt werden müßten. Soweit das LSG davon ausgegangen sei, daß die "Übererlöse" unter Mißachtung der Voraussetzungen des § 13 Abs 2 SGB V aF erstattet worden seien, habe das LSG den unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin außer Acht gelassen, daß sich die Kampfmaßnahmen des Beklagten über längere Zeit hingezogen hätten und die Versorgungssituation durch zunehmende Vertragsabschlüsse einem Wandel unterworfen gewesen sei. Das LSG habe in keinem Fall davon ausgehen können, daß bei allen Erstattungsfällen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Erstattung nicht gegeben gewesen seien. Es sei deshalb verpflichtet gewesen, den Sachverhalt hinsichtlich der Versorgungslage mit zugelassenen Krankengymnasten weiter aufzuklären und den gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Selbst wenn die Klägerin bei der Erstattung gegen die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 SGB V verstoßen hätte, sei die Annahme fehlender Kausalität unzutreffend. Im Zivilrecht sei auch derjenige Vorgang adäquat-kausal, der die Ursächlichkeit lediglich psychisch vermittele. Von daher sei es ausreichend gewesen, daß sich die Klägerin deshalb zu Erstattungen veranlaßt gesehen habe, weil sie ihre Versicherten nicht habe verärgern wollen.
13 Abs 2 SGB V könne bei Versorgungsnotständen durch streikähnliche Maßnahmen nicht angewandt werden. Soweit in diesem Zusammenhang bindende Bescheide ergangen seien, habe das LSG die Rechtmäßigkeit nicht in Frage stellen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts vom 4. April 2000 und des Sozialgerichts vom 27. September 1995 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 70.119,77 DM nebst 4% Zinsen aus 15.807,38 DM seit dem 21. August 1989 und 4% Zinsen aus 54.312,39 DM ab Rechtshängigkeit zu zahlen; hilfsweise,
die Klage dem Grunde nach für begründet zu erklären,
höchsteventuell:
unter Aufhebung des Berufungsurteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben.
Das LSG hat die Notwendigkeit einer Beiladung derjenigen Krankengymnasten, die - als Mitglieder des Beklagten - an den hier streitigen Vorgängen beteiligt waren, zu Recht verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, daß im Verhältnis zu den Krankengymnasten die für die Notwendigkeit der Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes fehlt. Das Revisionsgericht wäre außerdem auch bei einer an sich notwendigen Beiladung deshalb nicht an einer Sachentscheidung gehindert, weil die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß (vgl BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 2; BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1).
Für den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen.
1. Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden aus, weil zur Zeit des von der Klägerin angeschuldigten Verhaltens (April/Mai 1989) zwischen den Beteiligten keine vertraglichen Beziehungen mehr bestanden. Der noch unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgeschlossene Rahmenvertrag (vom 27. Dezember 1971), der bezüglich der maßgebenden Vergütung auf die von den Beteiligten abzuschließende Gebührenvereinbarung verwies, war bereits zum Jahresende 1986 gekündigt worden. Danach wurde bis zu der hier streitigen Zeit ein neuer Rahmenvertrag nicht geschlossen. Die letzte auf der Grundlage des Rahmenvertrages abgeschlossene Gebührenvereinbarung war nur bis zum Jahresende 1988 wirksam.
Der Beklagte unterlag auch keinen nachwirkenden Vertragspflichten, gegen die er durch das Verhalten gegenüber seinen Mitgliedern, insbesondere durch die von ihm ausgesprochene Empfehlung, die Behandlungsberechtigung "zurück zu geben" (dh auf die Zulassung zu verzichten) und die Mitglieder der Klägerin nur noch als Privatpatienten zu behandeln, verstoßen haben könnte. Das LSG hat zu Recht eine Anwendung des in § 4 Abs 5 TVG enthaltenen Rechtsgedanken abgelehnt, wonach nach Ablauf des Tarifvertrags seine Rechtsnormen weitergelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine Regelung des kollektiven Arbeitsrechts, die auf das Verhältnis von Krankenkassen bzw Verbänden von Krankenkassen und Verbänden selbständiger Leistungserbringer nicht angewendet werden kann. Ihr liegt weder ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, daß Kollektiv- oder Rahmenverträge stets nachwirken, bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden, noch sind die Interessenlagen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse im vorliegenden Fall mit Arbeitsverhältnissen vergleichbar. Die Nachwirkung kann im übrigen im Tarifvertrag auch ausgeschlossen werden (vgl BAGE 65, 359 = BB 1991, 762).
Entgegen der Ansicht der Revision kann eine Nachwirkung des Rahmenvertrags auch nicht aus § 125 SGB V hergeleitet werden. Dort ist von einer Nachwirkung nicht die Rede. Der Gesetzgeber hat die Frage, wie nach dem Auslaufen vertraglicher Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern bzw deren Verbänden zu verfahren ist, in anderen Bereichen aber ausdrücklich geregelt: Für das vertragsärztliche Vergütungsrecht sieht § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V vor, daß bei fehlender Einigung der Vertragsparteien der Inhalt des Vertrages durch das Schiedsamt festgesetzt wird und bis zur Entscheidung des Schiedsamtes die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig weiter gelten. Eine vergleichbare Regelung sieht § 85 Abs 6 Satz 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für die Fortgeltung von Pflegesätzen für Pflegeleistungen von Pflegeeinrichtungen und § 21 Abs 1 Satz 3 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in bezug auf die Höhe tagesgleicher Pflegesätze von Krankenhäusern vor. Eine entsprechende Anordnung der Fortgeltung ausgelaufener Vereinbarungen fehlt im Heilmittelbereich. Eine Übertragung des in den genannten Regelungen enthaltenen Rechtsgedankens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil im Heilmittelbereich eine Konfliktlösung durch die Entscheidung eines Schiedsamtes bzw einer Schiedsstelle im Gesetz nicht vorgesehen ist. Hiervon hängt die Zumutbarkeit nachwirkender Vertragspflichten auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten jedoch in entscheidendem Maße ab. Die Fortgeltung ausgelaufener Vergütungsvereinbarungen wird im Vertragsarzt-, Pflegeversicherungs- und Krankenhausfinanzierungsrecht jeweils daran gekoppelt, daß die Schiedsstelle unverzüglich anstelle der Vertragsparteien die neue Vergütung festsetzt. Dies macht deutlich, daß der Gesetzgeber in elementaren Leistungsbereichen einen vertragslosen Zustand und die damit verbundene Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten vermeiden wollte. Die im Verhältnis von Krankenkassen und Krankengymnasten durch einen vertragslosen Zustand eintretende Rechtsunsicherheit mag dem Gesetzgeber als nicht so schwerwiegend erschienen sein, daß er ein staatliches Schlichtungsverfahren für zwingend geboten hielt. Er hat insoweit auf den für beide Seiten bestehenden Einigungsdruck gesetzt, der aus der Verpflichtung der Kassen, ihre Versicherten zu versorgen, sowie der existentiellen Notwendigkeit für die Krankengymnasten, gesetzlich Krankenversicherte zu behandeln, hervorgeht. Ob das Vertrauen des Gesetzgebers auf eine einvernehmliche Regelung durch die Vertragspartner selbst berechtigt ist oder auch in diesen Rechtsbeziehungen staatliche Eingriffe erforderlich sind, ist eine rechtspolitische Entscheidung, die dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß und nicht durch die Gerichte im Wege der Lückenausfüllung ersetzt werden kann.
Ohne einen staatlichen Konfliktlösungsmechanismus läßt sich eine Nachwirkung ausgelaufener Vergütungsvereinbarungen in dem Sinne, daß die Leistungserbringer auf unabsehbare Zeit weiterhin zu den bisherigen Bedingungen arbeiten müssen, jedenfalls nicht vertreten. Da von Seiten der Kassen bei einer solchen Vertragslage kaum ein Interesse daran bestehen würde, sich auf höhere Vergütungen einzulassen, liefe dies praktisch auf eine Unkündbarkeit einmal abgeschlossener Verträge hinaus. Umgekehrt hätten auch die Kassen keine Möglichkeit, niedrigere Vergütungen gegenüber den Leistungserbringern durchzusetzen (vgl zu dieser Fallgestaltung BSG vom 26. September 2001 - B 3 KR 15/00 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Mangels einer Nachwirkung der ausgelaufenen Verträge entsprach die in dem Flugblatt vertretene Auffassung des Beklagten, seine Mitglieder seien zur Behandlung der Versicherten der Klägerin nicht mehr verpflichtet, der Rechtslage. Entgegen der Ansicht des SG im einstweiligen Anordnungsverfahren folgte eine Behandlungspflicht auch nicht aus der weiter bestehenden Zulassung der einzelnen Mitglieder des Beklagten. Da es wegen der Höhe der Vergütung an der Einigung über einen wesentlichen Punkt der Leistungserbringung fehlte, war auch die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung entfallen. Der spätere Verzicht auf die Zulassung war dazu nicht mehr erforderlich.
2. Die Klägerin kann Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten auch nicht aus § 823 Abs 2 BGB iVm der Verletzung von Schutzgesetzen oder aus sonstigen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen ableiten. Ihre Meinung, der Beklagte habe die Straftatbestände der §§ 240 und 253 StGB erfüllt sowie gegen die §§ 1, 25, 26 und 35 GWB (in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) verstoßen, außerdem lägen die Voraussetzungen von § 826 BGB vor, trifft schon deshalb nicht zu, weil das Verhalten des Beklagten rechtmäßig war. Es kann deshalb offen bleiben, ob die geltend gemachten Ersatzansprüche, wie das LSG angenommen hat, auch aus dem Grunde nicht bestehen, weil das Verhalten des Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden ist.
Das Verhalten des Beklagten verstieß nicht gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen. In der Empfehlung des Beklagten, die Krankengymnasten sollten ihre Zulassung zurückgeben und Versicherte der Klägerin nicht mehr innerhalb des Sachleistungssystems behandeln, um die Klägerin zu Zugeständnissen beim Abschluß einer Vergütungsvereinbarung zu bewegen, ist zwar eine Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre (sog Boykottaufruf) iS von § 26 Abs 1 GWB aF (§ 21 GWB nF) zu sehen. Nach dieser Vorschrift dürfen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen nicht ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefer- oder Bezugssperren auffordern. Das Boykottverbot des GWB wendet sich damit ausschließlich an Unternehmen und deren Vereinigungen (Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl 1999, S 220). Da unter Vereinigungen von Unternehmen alle Arten der organisatorischen Zusammenfassung von Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform zu verstehen sind (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl 1992; § 26 RdNr 9), dürften auch die in der Form eines rechtsfähigen Vereins zur Wahrung ihrer gewerblichen Interessen zusammengeschlossenen Krankengymnasten darunter fallen.
Auch im Hinblick auf die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Verbotsnormen sind die Aufforderungen der Beklagten zu "Liefer-"Sperren jedoch deshalb nicht unzulässig gewesen, weil sie nicht in der Absicht erfolgten, bestimmte Unternehmen "unbillig" zu beeinträchtigen. Als Unternehmen in diesem Sinne kann auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie die Klägerin angesehen werden, soweit sie auf dem Markt agiert und dort Güter nachfragt. Ob die von dem Beklagten hier beabsichtigte Beeinträchtigung der Klägerin aber unbillig war, kann nur aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der grundsätzlich auf Erhaltung von Wettbewerbsfreiheit gerichteten Zielsetzung des GWB beurteilt werden (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 26 RdNr 37 mwN). Dabei gilt für den Wettbewerb mit üblichen Waren und Dienstleistungen auf einem freien Markt ein Boykottaufruf regelmäßig als unbillig, weil für berücksichtigungsfähige Interessen des Auffordernden nur ein sehr geringer Spielraum gesehen wird (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO). Als Ausnahme von der regelmäßigen Unbilligkeit solcher Aufrufe kommt jedoch die Wahrnehmung berechtigter Interessen in Betracht. Bei dem hier zu beurteilenden Wettbewerb innerhalb des stark reglementierten Marktes gesundheitsfördernder Dienstleistungen gilt die Besonderheit, daß die gesetzlichen Krankenkassen als Nachfrager insgesamt, aber auch als Einzelkasse wie die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Eine wirtschaftliche Existenz des einzelnen Krankengymnasten allein durch die Behandlung von Privatpatienten ist in aller Regel nicht möglich.
Die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder durch den Beklagten bildet vor diesem Hintergrund nur ein Gegengewicht zur Marktmacht der Klägerin. Die von Aufträgen der Klägerin abhängigen Mitglieder des Beklagten hatten nur durch kollektives Handeln eine Chance, die Klägerin zu Zugeständnissen bei der Höhe der Vergütung zu bewegen. Der Hinweis der Beklagten, nach Auslaufen der Verträge bestehe keine Verpflichtung mehr zur Behandlung der Versicherten der Klägerin, war zutreffend und deshalb kein unlauteres Mittel. Die Aufforderung, darüber hinaus auch auf die Zulassung zu verzichten, war zwar überflüssig, hat aber zu keiner weiteren Beeinträchtigung geführt. Das Vorgehen des Beklagten war auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 26 RdNr 41) gerechtfertigt, weil den Krankengymnasten - wie bereits aufgezeigt - innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung kein geeignetes Konfliktlösungsinstrumentarium zur Verfügung steht, das einerseits ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt und andererseits bei den Kassen zu weniger einschneidenden Beeinträchtigungen führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen dessen Verhalten anläßlich einer Auseinandersetzung um die Vergütung von Leistungen von Mitgliedern des Beklagten im Jahre 1989.
Zwischen der klagenden Krankenkasse und dem beklagten Zentralverband der Krankengymnasten bestanden seit 1971 ein Rahmenvertrag über die Zulassung von Krankengymnasten zur Behandlung von Versicherten der Klägerin und weitere Verträge über die Vergütung der Leistungen. Diese Verträge sind von dem Beklagten gekündigt worden. Die zuletzt geschlossene Vergütungsvereinbarung lief zum 31. Dezember 1988 aus. Ein neuer Vertragsabschluß kam zunächst nicht zustande. Im Mai 1989 veröffentlichte der Beklagte ein Flugblatt, in dem er mitteilte, die Klägerin habe die Tarifverhandlungen platzen lassen. Versicherte der Klägerin könnten nicht mehr auf Kassenrezept, sondern nur noch als Privatpatienten behandelt werden. Hiergegen erwirkte die Klägerin eine einstweilige Anordnung (Urteil vom 21. Juni 1989). Zur Begründung führte das Sozialgericht (SG) ua aus, die Zulassung der Mitglieder des Beklagten bestehe nach wie vor; aufgrund der Zulassung seien sie weiterhin zur Behandlung aufgrund kassenärztlicher Verordnung verpflichtet. Daraufhin "gaben" die Mitglieder des Beklagten auf dessen Empfehlung in großer Zahl ihre Zulassung an die Klägerin "zurück" und behandelten die Versicherten gegen Privatrechnung. Die Klägerin erstattete ihren Versicherten die von ihnen bezahlten Rechnungsbeträge, die über den früher vereinbarten Vergütungssätzen lagen. Mit ihrer im November 1989 beim SG erhobenen Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz für die Mehraufwendungen, die sie durch Erstattung der höheren Rechnungsbeträge aufgrund der privaten Abrechnungen bis einschließlich Juni 1990 gehabt hat. Sie sieht das schadensersatzpflichtige Verhalten des Beklagten darin, daß er seine Mitglieder vertragswidrig, sittenwidrig und unter Ausnutzung einer Monopolstellung zu ihrem Verhalten veranlaßt habe. Sie stützt den Anspruch auf Schadensersatz in erster Linie auf positive Vertragsverletzung, ferner auf § 823 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) iVm §§ 240, 253 Strafgesetzbuch (StGB) und §§ 1, 25, 26 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie auf §§ 826 BGB, 35 GWB. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. September 1995 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 4. April 2000). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe zwar nicht schon das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art 9 Abs 3 Grundgesetz (GG) entgegen, denn hierauf könnten sich die Krankengymnasten als Selbständige nicht berufen. Auch die Tätigkeit des Beklagten als Interessenverband selbständig Tätiger unterfalle nicht dem Schutzbereich des Art 9 Abs 3 GG. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung bestehe jedoch deshalb nicht, weil vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten zur fraglichen Zeit nicht mehr bestanden hätten. Eine Fortgeltung der früher abgeschlossenen Verträge könne nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 4 Abs 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgeleitet werden. Bei dieser Regelung handele es sich um eine Norm des kollektiven Arbeitsrechts, die auf Rechtsbeziehungen von Selbständigen nicht entsprechend angewendet werden könne. Spezielle Regelungen des Kassenarztrechts, die eine Fortwirkung ausgelaufener Verträge vorsehen, seien ebenfalls auf die Rechtsbeziehungen der Beklagten zur Klägerin nicht anwendbar. Einem Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs 2 bzw 826 BGB stehe entgegen, daß das Verhalten des Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden sei. Die Klägerin habe vielmehr Kostenerstattungen vorgenommen, ohne die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seinerzeit geltenden Fassung zu beachten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Bei zutreffender Auslegung des § 125 SGB V als Grundlage zum Abschluß von Normverträgen mit den Leistungserbringern müsse die Rechtsstellung des Beklagten zur Anwendung des in § 4 Abs 5 TVG enthaltenen Rechtsgedankens über die Nachwirkung von Verträgen führen. Zum gleichen Ergebnis führe die Anwendung des auch in § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V enthaltenen Rechtsgedankens. Der Beklagte habe deshalb zum Bruch bestehender Verträge aufgefordert. Das LSG habe sich zu Unrecht der Prüfung der Ansprüche aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 240, 253 StGB, §§ 1, 25 und 26 GWB sowie § 826 BGB und § 35 GWB entzogen. Das Unterlassen der Prüfung der einzelnen Anspruchsgrundlagen habe für das Revisionsverfahren zur Konsequenz, daß die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach als bestehend unterstellt werden müßten. Soweit das LSG davon ausgegangen sei, daß die "Übererlöse" unter Mißachtung der Voraussetzungen des § 13 Abs 2 SGB V aF erstattet worden seien, habe das LSG den unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin außer Acht gelassen, daß sich die Kampfmaßnahmen des Beklagten über längere Zeit hingezogen hätten und die Versorgungssituation durch zunehmende Vertragsabschlüsse einem Wandel unterworfen gewesen sei. Das LSG habe in keinem Fall davon ausgehen können, daß bei allen Erstattungsfällen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Erstattung nicht gegeben gewesen seien. Es sei deshalb verpflichtet gewesen, den Sachverhalt hinsichtlich der Versorgungslage mit zugelassenen Krankengymnasten weiter aufzuklären und den gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Selbst wenn die Klägerin bei der Erstattung gegen die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 SGB V verstoßen hätte, sei die Annahme fehlender Kausalität unzutreffend. Im Zivilrecht sei auch derjenige Vorgang adäquat-kausal, der die Ursächlichkeit lediglich psychisch vermittele. Von daher sei es ausreichend gewesen, daß sich die Klägerin deshalb zu Erstattungen veranlaßt gesehen habe, weil sie ihre Versicherten nicht habe verärgern wollen.
13 Abs 2 SGB V könne bei Versorgungsnotständen durch streikähnliche Maßnahmen nicht angewandt werden. Soweit in diesem Zusammenhang bindende Bescheide ergangen seien, habe das LSG die Rechtmäßigkeit nicht in Frage stellen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts vom 4. April 2000 und des Sozialgerichts vom 27. September 1995 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 70.119,77 DM nebst 4% Zinsen aus 15.807,38 DM seit dem 21. August 1989 und 4% Zinsen aus 54.312,39 DM ab Rechtshängigkeit zu zahlen; hilfsweise,
die Klage dem Grunde nach für begründet zu erklären,
höchsteventuell:
unter Aufhebung des Berufungsurteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben.
Das LSG hat die Notwendigkeit einer Beiladung derjenigen Krankengymnasten, die - als Mitglieder des Beklagten - an den hier streitigen Vorgängen beteiligt waren, zu Recht verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, daß im Verhältnis zu den Krankengymnasten die für die Notwendigkeit der Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes fehlt. Das Revisionsgericht wäre außerdem auch bei einer an sich notwendigen Beiladung deshalb nicht an einer Sachentscheidung gehindert, weil die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß (vgl BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 2; BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1).
Für den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen.
1. Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden aus, weil zur Zeit des von der Klägerin angeschuldigten Verhaltens (April/Mai 1989) zwischen den Beteiligten keine vertraglichen Beziehungen mehr bestanden. Der noch unter Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgeschlossene Rahmenvertrag (vom 27. Dezember 1971), der bezüglich der maßgebenden Vergütung auf die von den Beteiligten abzuschließende Gebührenvereinbarung verwies, war bereits zum Jahresende 1986 gekündigt worden. Danach wurde bis zu der hier streitigen Zeit ein neuer Rahmenvertrag nicht geschlossen. Die letzte auf der Grundlage des Rahmenvertrages abgeschlossene Gebührenvereinbarung war nur bis zum Jahresende 1988 wirksam.
Der Beklagte unterlag auch keinen nachwirkenden Vertragspflichten, gegen die er durch das Verhalten gegenüber seinen Mitgliedern, insbesondere durch die von ihm ausgesprochene Empfehlung, die Behandlungsberechtigung "zurück zu geben" (dh auf die Zulassung zu verzichten) und die Mitglieder der Klägerin nur noch als Privatpatienten zu behandeln, verstoßen haben könnte. Das LSG hat zu Recht eine Anwendung des in § 4 Abs 5 TVG enthaltenen Rechtsgedanken abgelehnt, wonach nach Ablauf des Tarifvertrags seine Rechtsnormen weitergelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine Regelung des kollektiven Arbeitsrechts, die auf das Verhältnis von Krankenkassen bzw Verbänden von Krankenkassen und Verbänden selbständiger Leistungserbringer nicht angewendet werden kann. Ihr liegt weder ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, daß Kollektiv- oder Rahmenverträge stets nachwirken, bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden, noch sind die Interessenlagen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse im vorliegenden Fall mit Arbeitsverhältnissen vergleichbar. Die Nachwirkung kann im übrigen im Tarifvertrag auch ausgeschlossen werden (vgl BAGE 65, 359 = BB 1991, 762).
Entgegen der Ansicht der Revision kann eine Nachwirkung des Rahmenvertrags auch nicht aus § 125 SGB V hergeleitet werden. Dort ist von einer Nachwirkung nicht die Rede. Der Gesetzgeber hat die Frage, wie nach dem Auslaufen vertraglicher Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern bzw deren Verbänden zu verfahren ist, in anderen Bereichen aber ausdrücklich geregelt: Für das vertragsärztliche Vergütungsrecht sieht § 89 Abs 1 Satz 4 SGB V vor, daß bei fehlender Einigung der Vertragsparteien der Inhalt des Vertrages durch das Schiedsamt festgesetzt wird und bis zur Entscheidung des Schiedsamtes die Bestimmungen des bisherigen Vertrages vorläufig weiter gelten. Eine vergleichbare Regelung sieht § 85 Abs 6 Satz 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für die Fortgeltung von Pflegesätzen für Pflegeleistungen von Pflegeeinrichtungen und § 21 Abs 1 Satz 3 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in bezug auf die Höhe tagesgleicher Pflegesätze von Krankenhäusern vor. Eine entsprechende Anordnung der Fortgeltung ausgelaufener Vereinbarungen fehlt im Heilmittelbereich. Eine Übertragung des in den genannten Regelungen enthaltenen Rechtsgedankens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil im Heilmittelbereich eine Konfliktlösung durch die Entscheidung eines Schiedsamtes bzw einer Schiedsstelle im Gesetz nicht vorgesehen ist. Hiervon hängt die Zumutbarkeit nachwirkender Vertragspflichten auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten jedoch in entscheidendem Maße ab. Die Fortgeltung ausgelaufener Vergütungsvereinbarungen wird im Vertragsarzt-, Pflegeversicherungs- und Krankenhausfinanzierungsrecht jeweils daran gekoppelt, daß die Schiedsstelle unverzüglich anstelle der Vertragsparteien die neue Vergütung festsetzt. Dies macht deutlich, daß der Gesetzgeber in elementaren Leistungsbereichen einen vertragslosen Zustand und die damit verbundene Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten vermeiden wollte. Die im Verhältnis von Krankenkassen und Krankengymnasten durch einen vertragslosen Zustand eintretende Rechtsunsicherheit mag dem Gesetzgeber als nicht so schwerwiegend erschienen sein, daß er ein staatliches Schlichtungsverfahren für zwingend geboten hielt. Er hat insoweit auf den für beide Seiten bestehenden Einigungsdruck gesetzt, der aus der Verpflichtung der Kassen, ihre Versicherten zu versorgen, sowie der existentiellen Notwendigkeit für die Krankengymnasten, gesetzlich Krankenversicherte zu behandeln, hervorgeht. Ob das Vertrauen des Gesetzgebers auf eine einvernehmliche Regelung durch die Vertragspartner selbst berechtigt ist oder auch in diesen Rechtsbeziehungen staatliche Eingriffe erforderlich sind, ist eine rechtspolitische Entscheidung, die dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß und nicht durch die Gerichte im Wege der Lückenausfüllung ersetzt werden kann.
Ohne einen staatlichen Konfliktlösungsmechanismus läßt sich eine Nachwirkung ausgelaufener Vergütungsvereinbarungen in dem Sinne, daß die Leistungserbringer auf unabsehbare Zeit weiterhin zu den bisherigen Bedingungen arbeiten müssen, jedenfalls nicht vertreten. Da von Seiten der Kassen bei einer solchen Vertragslage kaum ein Interesse daran bestehen würde, sich auf höhere Vergütungen einzulassen, liefe dies praktisch auf eine Unkündbarkeit einmal abgeschlossener Verträge hinaus. Umgekehrt hätten auch die Kassen keine Möglichkeit, niedrigere Vergütungen gegenüber den Leistungserbringern durchzusetzen (vgl zu dieser Fallgestaltung BSG vom 26. September 2001 - B 3 KR 15/00 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Mangels einer Nachwirkung der ausgelaufenen Verträge entsprach die in dem Flugblatt vertretene Auffassung des Beklagten, seine Mitglieder seien zur Behandlung der Versicherten der Klägerin nicht mehr verpflichtet, der Rechtslage. Entgegen der Ansicht des SG im einstweiligen Anordnungsverfahren folgte eine Behandlungspflicht auch nicht aus der weiter bestehenden Zulassung der einzelnen Mitglieder des Beklagten. Da es wegen der Höhe der Vergütung an der Einigung über einen wesentlichen Punkt der Leistungserbringung fehlte, war auch die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung entfallen. Der spätere Verzicht auf die Zulassung war dazu nicht mehr erforderlich.
2. Die Klägerin kann Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten auch nicht aus § 823 Abs 2 BGB iVm der Verletzung von Schutzgesetzen oder aus sonstigen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen ableiten. Ihre Meinung, der Beklagte habe die Straftatbestände der §§ 240 und 253 StGB erfüllt sowie gegen die §§ 1, 25, 26 und 35 GWB (in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) verstoßen, außerdem lägen die Voraussetzungen von § 826 BGB vor, trifft schon deshalb nicht zu, weil das Verhalten des Beklagten rechtmäßig war. Es kann deshalb offen bleiben, ob die geltend gemachten Ersatzansprüche, wie das LSG angenommen hat, auch aus dem Grunde nicht bestehen, weil das Verhalten des Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden ist.
Das Verhalten des Beklagten verstieß nicht gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen. In der Empfehlung des Beklagten, die Krankengymnasten sollten ihre Zulassung zurückgeben und Versicherte der Klägerin nicht mehr innerhalb des Sachleistungssystems behandeln, um die Klägerin zu Zugeständnissen beim Abschluß einer Vergütungsvereinbarung zu bewegen, ist zwar eine Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre (sog Boykottaufruf) iS von § 26 Abs 1 GWB aF (§ 21 GWB nF) zu sehen. Nach dieser Vorschrift dürfen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen nicht ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefer- oder Bezugssperren auffordern. Das Boykottverbot des GWB wendet sich damit ausschließlich an Unternehmen und deren Vereinigungen (Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl 1999, S 220). Da unter Vereinigungen von Unternehmen alle Arten der organisatorischen Zusammenfassung von Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform zu verstehen sind (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl 1992; § 26 RdNr 9), dürften auch die in der Form eines rechtsfähigen Vereins zur Wahrung ihrer gewerblichen Interessen zusammengeschlossenen Krankengymnasten darunter fallen.
Auch im Hinblick auf die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Verbotsnormen sind die Aufforderungen der Beklagten zu "Liefer-"Sperren jedoch deshalb nicht unzulässig gewesen, weil sie nicht in der Absicht erfolgten, bestimmte Unternehmen "unbillig" zu beeinträchtigen. Als Unternehmen in diesem Sinne kann auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie die Klägerin angesehen werden, soweit sie auf dem Markt agiert und dort Güter nachfragt. Ob die von dem Beklagten hier beabsichtigte Beeinträchtigung der Klägerin aber unbillig war, kann nur aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der grundsätzlich auf Erhaltung von Wettbewerbsfreiheit gerichteten Zielsetzung des GWB beurteilt werden (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 26 RdNr 37 mwN). Dabei gilt für den Wettbewerb mit üblichen Waren und Dienstleistungen auf einem freien Markt ein Boykottaufruf regelmäßig als unbillig, weil für berücksichtigungsfähige Interessen des Auffordernden nur ein sehr geringer Spielraum gesehen wird (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO). Als Ausnahme von der regelmäßigen Unbilligkeit solcher Aufrufe kommt jedoch die Wahrnehmung berechtigter Interessen in Betracht. Bei dem hier zu beurteilenden Wettbewerb innerhalb des stark reglementierten Marktes gesundheitsfördernder Dienstleistungen gilt die Besonderheit, daß die gesetzlichen Krankenkassen als Nachfrager insgesamt, aber auch als Einzelkasse wie die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Eine wirtschaftliche Existenz des einzelnen Krankengymnasten allein durch die Behandlung von Privatpatienten ist in aller Regel nicht möglich.
Die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder durch den Beklagten bildet vor diesem Hintergrund nur ein Gegengewicht zur Marktmacht der Klägerin. Die von Aufträgen der Klägerin abhängigen Mitglieder des Beklagten hatten nur durch kollektives Handeln eine Chance, die Klägerin zu Zugeständnissen bei der Höhe der Vergütung zu bewegen. Der Hinweis der Beklagten, nach Auslaufen der Verträge bestehe keine Verpflichtung mehr zur Behandlung der Versicherten der Klägerin, war zutreffend und deshalb kein unlauteres Mittel. Die Aufforderung, darüber hinaus auch auf die Zulassung zu verzichten, war zwar überflüssig, hat aber zu keiner weiteren Beeinträchtigung geführt. Das Vorgehen des Beklagten war auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (vgl Markert, in: Immenga/Mestmäcker, aaO, § 26 RdNr 41) gerechtfertigt, weil den Krankengymnasten - wie bereits aufgezeigt - innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung kein geeignetes Konfliktlösungsinstrumentarium zur Verfügung steht, das einerseits ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt und andererseits bei den Kassen zu weniger einschneidenden Beeinträchtigungen führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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