Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aurich (NSB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 1/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 15. August 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.
Der Kläger war wegen einer Beschäftigung als Seemann bei einer Reederei in L. auf einem unter der Bundesflagge fahrenden Schiff in der Krankenversicherung versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten See-Krankenkasse.Er verlegte nach seinem Vorbringen den Wohnsitz im Herbst 1998 von Deutschland nach Argentinien. Dort hält er sich während seiner fahrfreien Zeit auf. Er beantragte im September 1998, ihn wegen dieser Wohnsitzverlegung von der Versicherungspflicht zu befreien, weil er in Argentinien keine Leistungen von der Beklagten erhalte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab und stellte gleichzeitig fest, dass ein "Anspruch auf Krankenversicherungsschutz (Kostenerstattung) während des Aufenthalts in Argentinien nicht besteht" (Bescheid vom 16. Dezember 1998). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. April 1999).
Der Kläger hat Klage auf Befreiung von der Versicherungspflicht erhoben, hilfsweise auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten während seines Aufenthalts in Argentinien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. August 2000).
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art 3 Abs 1 und des Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Er sei versicherungspflichtig, obwohl er keine Leistungen in Anspruch nehmen könne. Er verrichte entweder seine Arbeit auf Seeschiffen oder lebe in Argentinien, wo er mit einer Argentinierin verheiratet sei und eine Familie gegründet habe. Er werde finanziell doppelt belastet, weil er für die Gesundheitsversorgung in Argentinien aufkommen müsse. Darin liege eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG. Durch die Versicherungspflicht sei aber auch Art 3 Abs 1 GG verletzt, denn er werde gegenüber Seeleuten mit einem inländischen Wohnsitz ungleich behandelt. Letztere könnten Leistungen der Versicherung in Deutschland in Anspruch nehmen. Dies sei ihm verwehrt. Er sei jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) von der Versicherungspflicht zu befreien. Sinn dieser Regelung sei es, ausländische Seeleute, die ihren Wohnsitz im Ausland hätten, von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu befreien, weil sie Leistungen der Altersversorgung in ihrem Heimatland in Anspruch nehmen könnten. Er sei ebenfalls gezwungen, die medizinische Versorgung in Argentinien in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls sei der Hilfsantrag begründet. § 16 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), wonach die Leistungen ruhten, "solange sich der Versicherte im Ausland befinde", sei hier nicht einschlägig. Nach ihrem Wort "solange" dürfe die Vorschrift nur auf Versicherte angewandt werden, die zumindest einige Zeit im Jahr in Deutschland verbrächten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG vom 15. August 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn mit Wirkung vom 31. Oktober 1998 von der Versicherungspflicht zu befreien,
hilfsweise festzustellen, dass er während seines Aufenthalts in Argentinien Anspruch auf Leistungen der Beklagten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte hat dem Kläger zuletzt wegen eines Krankenhausaufenthalts in Deutschland vom 23. bis 25. Mai 1999 Leistungen gewährt. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hat am 27. Juni 1999 geendet.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.
Beklagt ist die See-Krankenkasse, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Sie führt unter diesem Namen als Abteilung der Seekasse die See-Krankenversicherung durch (§ 165 Abs 1 SGB V) und kann damit unter diesem Namen handeln sowie klagen und verklagt werden.
Die Beklagte hat es in dem angefochtenen Bescheid abgelehnt, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien, die wegen der Beschäftigung bei der Reederei bestanden hat. Zum Rechtsstreit über die Befreiung brauchte der Arbeitgeber nicht nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen zu werden. Er wird von der Entscheidung über eine Befreiung nicht in eigenen Rechten betroffen. Der Ausspruch ebenso wie die Ablehnung der Befreiung haben zwar für ihn Folgen, weil entweder seine Pflicht zur Beitragstragung und zur Beitragszahlung entfällt oder bestehen bleibt. Beides ist jedoch nur eine Auswirkung der Entscheidung über die Befreiung. Diese hat Tatbestandswirkung für den Arbeitgeber, der seinerseits kein eigenes Antragsrecht hat und den Befreiungsantrag des Arbeitnehmers nicht beeinflussen kann. Soweit der Senat bei dem Streit über die vom Arbeitnehmer zu beantragende Befreiung nach dem früheren § 173b der Reichsversicherungsordnung ((RVO); heute § 8 Abs 1 Nr 1 SGB V) die Beiladung des Arbeitgebers für notwendig gehalten hat (Urteil vom 17. März 1981 - 12 RK 33/80 in USK 8135), führt er dieses zu einer Befreiung nach neuem Recht nicht fort.
Die Beklagte hat es in dem angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Kläger war wegen seiner Beschäftigung auf einem Schiff unter der Bundesflagge nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtig. Für ihn galten nach § 3 Nr 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht, denn Seeleute, die auf einem unter der Bundesflagge fahrenden Schiff beschäftigt werden, sind im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt. Unerheblich ist, ob das Schiff, auf dem der Kläger beschäftigt war, in das Internationale Seeschifffahrtsregister nach § 12 des Flaggenrechtsgesetzes (FlaggRG) eingetragen ist. Eine solche Eintragung hat nach § 21 Abs 4 FlaggRG nur Bedeutung für die Anwendung des Art 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch auf Arbeitsverhältnisse von Besatzungsmitgliedern. Die Geltung des deutschen Sozialversicherungsrechts für den Beschäftigungsort wird dadurch nicht aufgehoben (vgl dazu BVerfGE 92, 26 und allgemein zur Geltung des deutschen Sozialversicherungsrechts für die Beschäftigung auf Schiffen unter der Bundesflagge BSGE 64, 145, 148 ff = SozR 2100 § 5 Nr 3). Nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V (Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze) konnte für ihn als Seemann Versicherungsfreiheit nicht eintreten. Die vom Kläger behauptete Wohnsitzverlegung nach Argentinien im Herbst 1998 änderte an der Versicherungspflicht nichts. Diese ist allein vom Beschäftigungsort und nicht vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beschäftigten abhängig.
Ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht bestand ab dem Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung nach Argentinien nicht. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs 1 SGB V von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreit werden kann, lagen beim Kläger nicht vor, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Der Kläger konnte auch nicht in entsprechender Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden. Nach dieser Vorschrift können nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben, auf Antrag des Arbeitgebers von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit werden. Dieses Befreiungsrecht besteht demnach selbst in der Rentenversicherung nicht für deutsche Besatzungsmitglieder wie den Kläger. Soweit ein entsprechendes Befreiungsrecht in der Krankenversicherung fehlt, liegt keine Gesetzeslücke vor. Das Befreiungsrecht des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI bestand in der Rentenversicherung in gleicher Weise auch schon vor Inkrafttreten des SGB VI nach § 1231 Abs 2 RVO und § 8 des Angestelltenversicherungsgesetzes. In der Krankenversicherung gab es demgegenüber bereits unter Geltung der RVO kein entsprechendes Befreiungsrecht für Seeleute. Die Rechtsprechung hat die entsprechende Anwendung des § 1231 Abs 2 RVO in der Krankenversicherung selbst für nichtdeutsche Besatzungsmitglieder schon unter Geltung der RVO abgelehnt (BSGE 36, 276, 279 = SozR Nr 77 zu § 165 RVO). Nachdem mit Einführung des SGB V zum 1. Januar 1989 in der Krankenversicherung ein Befreiungsrecht selbst für ausländische Besatzungsmitglieder nicht geschaffen worden ist, kann eine Gesetzeslücke nicht angenommen werden, soweit für versicherungspflichtige deutsche Seeleute mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland kein Befreiungsrecht besteht. Das Fehlen eines dem § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI entsprechenden Befreiungsrechts im SGB V ist vielmehr als gewollt anzusehen.
Die Beklagte hat es im angefochtenen Bescheid ferner abgelehnt, hilfsweise eine Feststellung eines Leistungsrechts während des Aufenthalts in Argentinien zu bestätigen. Die hierzu erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage war schon im Zeitpunkt der Entscheidung des SG (15. August 2000) unzulässig. Der Kläger hatte insofern kein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung und iS des § 55 Abs 1 SGG kein Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses mehr. Er war im Zeitpunkt der Entscheidung des SG schon seit mehr als einem Jahr (seit Ende Juni 1999) nicht mehr Mitglied der Beklagten. Über Leistungsansprüche, die er für die vorhergehende Zeit gegen die Beklagte etwa noch geltend machen will, hat diese konkret zu entscheiden. Ein Rechtsschutzinteresse dafür, dass für eine zurückliegende Zeit abstrakt über die Leistungspflicht der Beklagten in Argentinien entschieden wird, besteht nicht.
Es ist nicht verfassungswidrig, dass der Kläger auch während seines Aufenthalts in Argentinien versicherungspflichtig geblieben ist. Allerdings konnte der Kläger Leistungen der Beklagten nur in Anspruch nehmen, soweit er sich in Deutschland aufhielt. Diese Möglichkeit hat er auch genutzt, wie der Krankenhausaufenthalt in Deutschland vom 23. bis 25. Mai 1999 zeigt. Wenn und solange der Kläger sich in seiner fahrfreien Zeit in Argentinien aufgehalten hat, hatte er hingegen keine Leistungsansprüche. Nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine solche Bestimmung fehlt. In § 16 Abs 3 SGB V ist zur Abgrenzung der Leistungspflichten des Reeders einerseits und der Krankenkasse andererseits angeordnet, dass der Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse ruht, soweit durch das Seemannsgesetz (SeemG) für den Fall der Erkrankung oder Verletzung Vorsorge getroffen ist. Soweit also nach dem SeemG der Reeder die Krankenversorgung während des Aufenthalts auf dem Schiff sicherzustellen hat, besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte und zwar unabhängig von seinem Wohnort. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 17 Abs 1 SGB V durch seinen Arbeitgeber und dieser keinen Anspruch auf Kostenerstattung solcher Leistungen nach § 17 Abs 2 SGB V. Der Kläger war nicht im Ausland, sondern im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs auf einem Seeschiff beschäftigt. Soweit er sich während seiner fahrfreien Zeit gewöhnlich im Ausland aufhielt, wurde sein Aufenthaltsort nicht zum Ort seiner Beschäftigung. Der Kläger hatte während seines Aufenthalts in Argentinien schließlich auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 18 SGB V. Die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift regeln die Leistungspflicht nur, wenn im Inland eine Behandlung nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht möglich ist, sondern sie nur im Ausland vorgenommen werden kann. Der Kläger hätte während seines Auslandsaufenthalts wegen der fortbestehenden Krankenversicherung lediglich einen gegen seinen Arbeitgeber gerichteten Anspruch auf Zahlung eines dem Krankengeld entsprechenden Betrages (§ 48 Abs 2 SeemG) gehabt. Soweit der Arbeitgeber danach zu zahlen hatte, waren ihm als Reeder nach § 17 Abs 3 SGB V diese Leistungen von der Beklagten zu erstatten.
Ein zwischenstaatliches Abkommen mit Argentinien, das in Abweichung von den genannten Vorschriften entweder die Versicherungspflicht ausschließt oder eine Leistungspflicht der Beklagten während des Aufenthalts in Argentinien begründete, besteht nicht.
Die Vorschriften über die Versicherungspflicht einerseits und über das Ruhen der Leistungsansprüche andererseits führten dazu, dass der Kläger versicherungs- und beitragspflichtig war, obwohl er von der Beklagten keine Leistungen erhalten konnte, solange er sich mit seiner Familie in Argentinien aufhielt. Die Regelungen sind gleichwohl nicht verfassungswidrig. Das Bundessozialgericht hat in der Krankenversicherung die Versicherungspflicht der Seeleute, die entsprechend dem allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatz ("Territorialitätsprinzip") an den Beschäftigungsort anknüpft, seit jeher für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten und zwar selbst dann, wenn es sich um ausländische Seeleute handelte, die in der Regel keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (vgl BSGE 36, 276 = SozR Nr 77 zu § 165 RVO; BSGE 57, 96 = SozR 2400 § 8 Nr 1 und dazu später BSGE 64, 145 = SozR 2100 § 5 Nr 3 sowie SozR 2200 § 490 Nr 1). Hier ist dazu nichts weiter auszuführen, weil der Kläger ungeachtet eines Wohnorts und Aufenthalts in Argentinien noch Ende Mai 1999 und damit fast bis zum Ende der Pflichtversicherung am 27. Juni 1999 Leistungen der Beklagten in Deutschland in Anspruch genommen hat, als er sich zu ihren Lasten in Deutschland im Krankenhaus befand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.
Der Kläger war wegen einer Beschäftigung als Seemann bei einer Reederei in L. auf einem unter der Bundesflagge fahrenden Schiff in der Krankenversicherung versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten See-Krankenkasse.Er verlegte nach seinem Vorbringen den Wohnsitz im Herbst 1998 von Deutschland nach Argentinien. Dort hält er sich während seiner fahrfreien Zeit auf. Er beantragte im September 1998, ihn wegen dieser Wohnsitzverlegung von der Versicherungspflicht zu befreien, weil er in Argentinien keine Leistungen von der Beklagten erhalte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab und stellte gleichzeitig fest, dass ein "Anspruch auf Krankenversicherungsschutz (Kostenerstattung) während des Aufenthalts in Argentinien nicht besteht" (Bescheid vom 16. Dezember 1998). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. April 1999).
Der Kläger hat Klage auf Befreiung von der Versicherungspflicht erhoben, hilfsweise auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten während seines Aufenthalts in Argentinien. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. August 2000).
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art 3 Abs 1 und des Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Er sei versicherungspflichtig, obwohl er keine Leistungen in Anspruch nehmen könne. Er verrichte entweder seine Arbeit auf Seeschiffen oder lebe in Argentinien, wo er mit einer Argentinierin verheiratet sei und eine Familie gegründet habe. Er werde finanziell doppelt belastet, weil er für die Gesundheitsversorgung in Argentinien aufkommen müsse. Darin liege eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG. Durch die Versicherungspflicht sei aber auch Art 3 Abs 1 GG verletzt, denn er werde gegenüber Seeleuten mit einem inländischen Wohnsitz ungleich behandelt. Letztere könnten Leistungen der Versicherung in Deutschland in Anspruch nehmen. Dies sei ihm verwehrt. Er sei jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) von der Versicherungspflicht zu befreien. Sinn dieser Regelung sei es, ausländische Seeleute, die ihren Wohnsitz im Ausland hätten, von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu befreien, weil sie Leistungen der Altersversorgung in ihrem Heimatland in Anspruch nehmen könnten. Er sei ebenfalls gezwungen, die medizinische Versorgung in Argentinien in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls sei der Hilfsantrag begründet. § 16 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), wonach die Leistungen ruhten, "solange sich der Versicherte im Ausland befinde", sei hier nicht einschlägig. Nach ihrem Wort "solange" dürfe die Vorschrift nur auf Versicherte angewandt werden, die zumindest einige Zeit im Jahr in Deutschland verbrächten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG vom 15. August 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn mit Wirkung vom 31. Oktober 1998 von der Versicherungspflicht zu befreien,
hilfsweise festzustellen, dass er während seines Aufenthalts in Argentinien Anspruch auf Leistungen der Beklagten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte hat dem Kläger zuletzt wegen eines Krankenhausaufenthalts in Deutschland vom 23. bis 25. Mai 1999 Leistungen gewährt. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hat am 27. Juni 1999 geendet.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.
Beklagt ist die See-Krankenkasse, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Sie führt unter diesem Namen als Abteilung der Seekasse die See-Krankenversicherung durch (§ 165 Abs 1 SGB V) und kann damit unter diesem Namen handeln sowie klagen und verklagt werden.
Die Beklagte hat es in dem angefochtenen Bescheid abgelehnt, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien, die wegen der Beschäftigung bei der Reederei bestanden hat. Zum Rechtsstreit über die Befreiung brauchte der Arbeitgeber nicht nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen zu werden. Er wird von der Entscheidung über eine Befreiung nicht in eigenen Rechten betroffen. Der Ausspruch ebenso wie die Ablehnung der Befreiung haben zwar für ihn Folgen, weil entweder seine Pflicht zur Beitragstragung und zur Beitragszahlung entfällt oder bestehen bleibt. Beides ist jedoch nur eine Auswirkung der Entscheidung über die Befreiung. Diese hat Tatbestandswirkung für den Arbeitgeber, der seinerseits kein eigenes Antragsrecht hat und den Befreiungsantrag des Arbeitnehmers nicht beeinflussen kann. Soweit der Senat bei dem Streit über die vom Arbeitnehmer zu beantragende Befreiung nach dem früheren § 173b der Reichsversicherungsordnung ((RVO); heute § 8 Abs 1 Nr 1 SGB V) die Beiladung des Arbeitgebers für notwendig gehalten hat (Urteil vom 17. März 1981 - 12 RK 33/80 in USK 8135), führt er dieses zu einer Befreiung nach neuem Recht nicht fort.
Die Beklagte hat es in dem angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Kläger war wegen seiner Beschäftigung auf einem Schiff unter der Bundesflagge nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtig. Für ihn galten nach § 3 Nr 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht, denn Seeleute, die auf einem unter der Bundesflagge fahrenden Schiff beschäftigt werden, sind im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt. Unerheblich ist, ob das Schiff, auf dem der Kläger beschäftigt war, in das Internationale Seeschifffahrtsregister nach § 12 des Flaggenrechtsgesetzes (FlaggRG) eingetragen ist. Eine solche Eintragung hat nach § 21 Abs 4 FlaggRG nur Bedeutung für die Anwendung des Art 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch auf Arbeitsverhältnisse von Besatzungsmitgliedern. Die Geltung des deutschen Sozialversicherungsrechts für den Beschäftigungsort wird dadurch nicht aufgehoben (vgl dazu BVerfGE 92, 26 und allgemein zur Geltung des deutschen Sozialversicherungsrechts für die Beschäftigung auf Schiffen unter der Bundesflagge BSGE 64, 145, 148 ff = SozR 2100 § 5 Nr 3). Nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V (Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze) konnte für ihn als Seemann Versicherungsfreiheit nicht eintreten. Die vom Kläger behauptete Wohnsitzverlegung nach Argentinien im Herbst 1998 änderte an der Versicherungspflicht nichts. Diese ist allein vom Beschäftigungsort und nicht vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beschäftigten abhängig.
Ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht bestand ab dem Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung nach Argentinien nicht. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs 1 SGB V von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreit werden kann, lagen beim Kläger nicht vor, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Der Kläger konnte auch nicht in entsprechender Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden. Nach dieser Vorschrift können nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben, auf Antrag des Arbeitgebers von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit werden. Dieses Befreiungsrecht besteht demnach selbst in der Rentenversicherung nicht für deutsche Besatzungsmitglieder wie den Kläger. Soweit ein entsprechendes Befreiungsrecht in der Krankenversicherung fehlt, liegt keine Gesetzeslücke vor. Das Befreiungsrecht des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI bestand in der Rentenversicherung in gleicher Weise auch schon vor Inkrafttreten des SGB VI nach § 1231 Abs 2 RVO und § 8 des Angestelltenversicherungsgesetzes. In der Krankenversicherung gab es demgegenüber bereits unter Geltung der RVO kein entsprechendes Befreiungsrecht für Seeleute. Die Rechtsprechung hat die entsprechende Anwendung des § 1231 Abs 2 RVO in der Krankenversicherung selbst für nichtdeutsche Besatzungsmitglieder schon unter Geltung der RVO abgelehnt (BSGE 36, 276, 279 = SozR Nr 77 zu § 165 RVO). Nachdem mit Einführung des SGB V zum 1. Januar 1989 in der Krankenversicherung ein Befreiungsrecht selbst für ausländische Besatzungsmitglieder nicht geschaffen worden ist, kann eine Gesetzeslücke nicht angenommen werden, soweit für versicherungspflichtige deutsche Seeleute mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland kein Befreiungsrecht besteht. Das Fehlen eines dem § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI entsprechenden Befreiungsrechts im SGB V ist vielmehr als gewollt anzusehen.
Die Beklagte hat es im angefochtenen Bescheid ferner abgelehnt, hilfsweise eine Feststellung eines Leistungsrechts während des Aufenthalts in Argentinien zu bestätigen. Die hierzu erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage war schon im Zeitpunkt der Entscheidung des SG (15. August 2000) unzulässig. Der Kläger hatte insofern kein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung und iS des § 55 Abs 1 SGG kein Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses mehr. Er war im Zeitpunkt der Entscheidung des SG schon seit mehr als einem Jahr (seit Ende Juni 1999) nicht mehr Mitglied der Beklagten. Über Leistungsansprüche, die er für die vorhergehende Zeit gegen die Beklagte etwa noch geltend machen will, hat diese konkret zu entscheiden. Ein Rechtsschutzinteresse dafür, dass für eine zurückliegende Zeit abstrakt über die Leistungspflicht der Beklagten in Argentinien entschieden wird, besteht nicht.
Es ist nicht verfassungswidrig, dass der Kläger auch während seines Aufenthalts in Argentinien versicherungspflichtig geblieben ist. Allerdings konnte der Kläger Leistungen der Beklagten nur in Anspruch nehmen, soweit er sich in Deutschland aufhielt. Diese Möglichkeit hat er auch genutzt, wie der Krankenhausaufenthalt in Deutschland vom 23. bis 25. Mai 1999 zeigt. Wenn und solange der Kläger sich in seiner fahrfreien Zeit in Argentinien aufgehalten hat, hatte er hingegen keine Leistungsansprüche. Nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine solche Bestimmung fehlt. In § 16 Abs 3 SGB V ist zur Abgrenzung der Leistungspflichten des Reeders einerseits und der Krankenkasse andererseits angeordnet, dass der Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse ruht, soweit durch das Seemannsgesetz (SeemG) für den Fall der Erkrankung oder Verletzung Vorsorge getroffen ist. Soweit also nach dem SeemG der Reeder die Krankenversorgung während des Aufenthalts auf dem Schiff sicherzustellen hat, besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte und zwar unabhängig von seinem Wohnort. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 17 Abs 1 SGB V durch seinen Arbeitgeber und dieser keinen Anspruch auf Kostenerstattung solcher Leistungen nach § 17 Abs 2 SGB V. Der Kläger war nicht im Ausland, sondern im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs auf einem Seeschiff beschäftigt. Soweit er sich während seiner fahrfreien Zeit gewöhnlich im Ausland aufhielt, wurde sein Aufenthaltsort nicht zum Ort seiner Beschäftigung. Der Kläger hatte während seines Aufenthalts in Argentinien schließlich auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 18 SGB V. Die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift regeln die Leistungspflicht nur, wenn im Inland eine Behandlung nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht möglich ist, sondern sie nur im Ausland vorgenommen werden kann. Der Kläger hätte während seines Auslandsaufenthalts wegen der fortbestehenden Krankenversicherung lediglich einen gegen seinen Arbeitgeber gerichteten Anspruch auf Zahlung eines dem Krankengeld entsprechenden Betrages (§ 48 Abs 2 SeemG) gehabt. Soweit der Arbeitgeber danach zu zahlen hatte, waren ihm als Reeder nach § 17 Abs 3 SGB V diese Leistungen von der Beklagten zu erstatten.
Ein zwischenstaatliches Abkommen mit Argentinien, das in Abweichung von den genannten Vorschriften entweder die Versicherungspflicht ausschließt oder eine Leistungspflicht der Beklagten während des Aufenthalts in Argentinien begründete, besteht nicht.
Die Vorschriften über die Versicherungspflicht einerseits und über das Ruhen der Leistungsansprüche andererseits führten dazu, dass der Kläger versicherungs- und beitragspflichtig war, obwohl er von der Beklagten keine Leistungen erhalten konnte, solange er sich mit seiner Familie in Argentinien aufhielt. Die Regelungen sind gleichwohl nicht verfassungswidrig. Das Bundessozialgericht hat in der Krankenversicherung die Versicherungspflicht der Seeleute, die entsprechend dem allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatz ("Territorialitätsprinzip") an den Beschäftigungsort anknüpft, seit jeher für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten und zwar selbst dann, wenn es sich um ausländische Seeleute handelte, die in der Regel keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (vgl BSGE 36, 276 = SozR Nr 77 zu § 165 RVO; BSGE 57, 96 = SozR 2400 § 8 Nr 1 und dazu später BSGE 64, 145 = SozR 2100 § 5 Nr 3 sowie SozR 2200 § 490 Nr 1). Hier ist dazu nichts weiter auszuführen, weil der Kläger ungeachtet eines Wohnorts und Aufenthalts in Argentinien noch Ende Mai 1999 und damit fast bis zum Ende der Pflichtversicherung am 27. Juni 1999 Leistungen der Beklagten in Deutschland in Anspruch genommen hat, als er sich zu ihren Lasten in Deutschland im Krankenhaus befand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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