Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 47/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt im Rahmen eines sog Zugunstenverfahrens die Vormerkung von Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der am 9. März 1926 in B. /Rumänien geborene Kläger gehört zum Personenkreis der Verfolgten des Nationalsozialismus. Bis zum 30. Juni 1941 lebte er in seinem Geburtsort. Anschließend war er im Ghetto K. (Ukraine). Von Juni 1944 bis 1949 leistete er sodann Militärdienst in der Sowjetarmee. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Jahre 1984 war er ua als Deutschlehrer und zuletzt als Leiter eines Fotostudios tätig. Im Dezember 1989 wanderte der Kläger nach Israel aus, wo er seither lebt.
Im November 1990 stellte der Kläger ua den Antrag auf Anerkennung von Beitragszeiten nach § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (WGSVG) und nach § 17a FRG. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 1993 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1994 ebenso ab wie die Anträge auf Nachentrichtung und auf Altersrente (Bescheide vom 15. August 1994 und vom 4. Oktober 1994).
Seinen mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 gestellten Antrag ua auf Rücknahme des Bescheides vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 1995 ab, weil die Voraussetzungen des § 17a FRG nicht erfüllt seien; der Kläger habe bei Verfolgungsbeginn das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt; § 20 WGSVG greife ebenfalls nicht ein, weil sich der Kläger durch seine im Jahre 1947 geschlossene Ehe, in der nur Russisch gesprochen worden sei, vom deutschen Sprach- und Kulturkreis abgewandt habe. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend gemacht hatte, ausreichend sei nach § 17a FRG, wenn das 16. Lebensjahr während der Verfolgung vollendet worden sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1996 zurück.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Februar 1998). Das LSG hat mit Urteil vom 7. Oktober 1998 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Eine Anerkennung der im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion von 1949 bis 1984 zurückgelegten Beitragszeiten komme nicht in Betracht. Der Kläger gehöre nicht zu dem vom FRG begünstigten Personenkreis der Vertriebenen. Vertriebener sei nach § 1 Abs 2 Nr 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) nur derjenige, der nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen das Vertreibungsgebiet - hier die ehemalige Sowjetunion - verlassen habe und - ua - im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes im Jahre 1989 dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Dies sei bei dem Kläger, der mit seiner Ehefrau und den Kindern nicht Deutsch gesprochen habe, nicht mehr der Fall gewesen. Es sei nicht glaubhaft, daß er zu diesem Zeitpunkt im persönlichen Lebensbereich überwiegend die deutsche Sprache verwendet habe. Der Kläger könne sich auch nicht auf den am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 17a FRG berufen. Begünstigt würden zwar insoweit auch diejenigen, die bis zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten; auf den Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes werde insoweit nicht mehr abgestellt. Voraussetzung sei jedoch, daß die begünstigten Personen bei Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf das Heimatgebiet - hier am 6. April 1941 - das 16. Lebensjahr bereits vollendet gehabt hätten.
Mit der vom BSG im Hinblick auf § 17a Abs 1 Buchst a FRG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift und trägt vor:
Die Anwendung des § 17a Buchst a Nr 2 1. Alternative FRG setze nicht voraus, daß er das 16. Lebensjahr bereits zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses in Rumänien vollendet gehabt habe. Ausreichend sei vielmehr, daß das 16. Lebensjahr bis zum Ende des nationalsozialistischen Einflusses vollendet gewesen sei. Für diese Auslegung spreche, daß diejenigen Juden, die Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und nicht mehr in der Lage gewesen seien, ihre berufliche Entwicklung zu beginnen, einen Ausgleich für ihre Altersversorgung hätten erhalten sollen. Als Berufsbeginn werde nach den Sozialversicherungsgesetzen regelmäßig das 16. Lebensjahr zugrunde gelegt (§ 16 FRG aF). Infolgedessen hätten zwar ab diesem Zeitpunkt Fremdbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigungsfähig sein sollen. Der Ausschluß derjenigen aber, die am 6. April 1941 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten, widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 1998 und des Sozialgerichts Berlin vom 12. Februar 1998 sowie unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 17. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1996 zu verpflichten, Fremdbeitragszeiten vom 29. Dezember 1949 bis 4. April 1984 vorzumerken und insoweit den Bescheid vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994 zurückzunehmen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 17a Buchst a Nr 2 1. Alternative FRG stelle klar und eindeutig auf die Vollendung des 16. Lebensjahres bei Beginn der nationalsozialistischen Einflußnahme ab. Den Gesetzesmaterialien sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Bestätigt werde dies zudem durch die Denkschrift zum Zusatzabkommen vom 12. Februar 1995 zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen. Die Stichtagsregelung sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Ansprüche aus einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis hätten nur unter der Voraussetzung einer bereits bestehenden Bindung zur Rentenversicherung begründet werden können.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Da sie nur begrenzt zugelassen war, hatte der Senat allein zu prüfen, ob das LSG § 44 SGB X iVm § 17a FRG verletzt hat.
Gegenstand des Verfahrens ist der mit der (Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG; vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 24 S 64) angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1996. In diesen hat die Beklagte im Rahmen eines sog Zugunstenverfahrens (§ 44 SGB X) die Rücknahme der Ablehnung einer Vormerkung von in der ehemaligen Sowjetunion in der Zeit von 1949 bis 1984 zurückgelegten Beitragszeiten (Bescheid vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994) abgelehnt.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rücknahme des die og Vormerkung ablehnenden Bescheides (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) ist § 44 Abs 2 SGB X. § 44 Abs 1 SGB X findet keine Anwendung, da es sich insoweit um eine Spezialregelung für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt, soweit durch sie den Betroffenen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten oder von ihnen Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 3 S 9 und 11). Mithin greift hinsichtlich des Anspruchs auf Rücknahme eines die Vormerkung von Beitragszeiten ablehnenden Bescheides die (Grund-)Regelung des § 44 Abs 2 SGB X ein (vgl Hauck, SGB X, § 44 RdNr 2). Sind Verwaltungsakte, die nicht die Ablehnung "von Sozialleistungen" betreffen oder die - wie die Ablehnung einer Vormerkung - keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind, rechtswidrig, so hat der Verwaltungsträger sie - ohne Ermessensentscheidung - zurückzunehmen. Eine Rücknahme für Vergangenheit oder Zukunft ist in diesen Fällen notwendig ausgeschlossen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung der Beitragszeiten ist - nach Aufhebung der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) am 1. Januar 1992 durch Art 41 Nr 1 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) - § 149 Abs 5 SGB VI (vgl hierzu VerbandsKomm, Anhang 2, § 1 FRG Vorbem 4). Denn neues Recht ist grundsätzlich ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die Zukunft anzuwenden, wenn es das Streitverhältnis erfaßt.
Die Beklagte hat es jedoch zu Recht abgelehnt, die og Bescheide zurückzunehmen und die in der ehemaligen Sowjetunion in der Zeit von 1949 bis 1984 zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten vorzumerken. Ein derartiger Anspruch würde dem Kläger zustehen, wenn die von ihm behaupteten Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen wären. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kläger zu dem nach § 17a Buchst a FRG begünstigten Personenkreis gehören würde (§ 17a FRG eingefügt durch Art 15 Abschnitt A Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 - RRG 1992 - vom 18. Dezember 1989, BGBl I S 2261, mit Wirkung ab 1. Juli 1990 gemäß Art 85 Abs 6 RRG 1992 und ergänzt durch Art 14 Nr 17 RÜG gemäß Art 42 Abs 3 RÜG ebenfalls rückwirkend mit Wirkung ab 1. Juli 1990). Nach dieser Vorschrift finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Bestimmungen Anwendung auch auf Personen, die bis zum Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben, das 16. Lebensjahr bereits vollendet, sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG (ua Rumänien, ehemalige Sowjetunion) verlassen haben. § 17a Buchst a FRG greift zugunsten des 1926 geborenen Klägers jedoch nicht ein, weil er zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf sein damaliges Heimatgebiet Rumänien am 6. April 1941 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
1) Mit dem 13. und dem 12. Senat des BSG (Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 63/98 R; Urteil vom 30. März 2000 - B 12 RJ 4/98 R - jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) geht der erkennende Senat davon aus, daß der nationalsozialistische Einfluß auf osteuropäische Staaten, hier auf Rumänien, entsprechend der Zeitangabe in § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) idF des BEG-Schlußgesetzes vom 14. September 1965 (BGBl I S 1315) am 6. April 1941 begonnen hat. Dem steht nicht entgegen, daß § 17a FRG einen sozialversicherungsrechtlichen Tatbestand, § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG hingegen die Entschädigung von Verfolgten regelt, denen ein ausländischer Staat auf Veranlassung der nationalsozialistischen deutschen Regierung unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat; bei der von der Regierung des Staates Rumänien aus Gründen der Rasse vorgenommenen Freiheitsentziehung gilt nach § 43 Abs 1 Satz 2 BEG der 6. April 1941 als Zeitpunkt des Beginns der deutschen Veranlassung. Die durch das BEG-Schlußgesetz geänderte Vorschrift setzt ein bestimmtes Datum als Zeitpunkt für den Beginn der Veranlassung fest; damit wird eine historisch ggf nur schwer exakt feststellbare Tatsache durch die gesetzgeberische Entscheidung ersetzt; sie ermöglicht eine Gleichbehandlung der Verfolgten in diesen Ländern (vgl hierzu Urteil des 13. Senats, aaO, und des 12. Senats, aaO). Die Übernahme dieses Zeitpunktes in dem auch aus der Perspektive des Wiedergutmachungsrechts zu wertenden § 17a FRG für die Beurteilung von Schäden, die Verfolgte in der Sozialversicherung erlitten haben (§ 138 BEG; § 1 WGSVG), bietet sich im Hinblick auf eine einheitliche Behandlung von Ansprüchen auf Entschädigung wegen nationalsozialistischen Unrechts an. Zudem dient sie der Verwaltungsvereinfachung und damit gleichzeitig auch einer zügigen Bearbeitung der Verfahren. Im übrigen ergibt sich bei einem Vergleich der beiden Bestimmungen, daß sie von denselben historischen Gegebenheiten ausgehen. Beide Vorschriften stellen nicht auf eine unmittelbare Einwirkung durch den nationalsozialistischen Staat ab, sondern auf dessen Einfluß auf den noch unabhängigen Staat; der noch selbständige Staat wird von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu Unrechtsmaßnahmen "veranlaßt", bzw dessen Einfluß erstreckt sich auf den unabhängigen Staat. Aus diesem Grunde übernimmt der deutsche Staat die Verantwortung für die Unrechtstatbestände des an sich noch selbständigen Staates und läßt sie sich ab diesem Zeitpunkt mit der Folge zurechnen, daß er sich zur Entschädigung verpflichtet. Schließlich ergibt sich der Zeitraum, ab dem nationalsozialistischer Einfluß in Rumänien Bedeutung gewann, auch aus den historischen Abläufen (vgl "Der Große Ploetz", 32. Aufl, S 1073).
2) Der Kläger hätte am 6. April 1941, zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses in Rumänien, das 16. Lebensjahr bereits vollendet gehabt haben müssen. Er ist jedoch erst im März 1942 16 Jahre alt geworden. Entgegen seiner Auffassung ist für eine Anspruchsberechtigung nach § 17a Buchst a Nr 2 FRG nicht ausreichend, daß das 16. Lebensjahr während der Dauer des nationalsozialistischen Einflusses vollendet wurde. Dies kann bereits dem Wortlaut des § 17a FRG entnommen werden. Danach finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung auf Personen, die, bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Abgestellt wird, wie sich aus der Formulierung "bis zu dem Zeitpunkt" und "das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten", ergibt, auf die Vollendung des 16. Lebensjahres zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses. Diese Interpretation entspricht der Entstehungsgeschichte. Wie sich aus den Materialien ergibt, sollte die Regelung nur für Personen gelten, die bei Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten (vgl BT-Drucks 11/5530, S 65). In Übereinstimmung hiermit wird in Art 1 Buchst a des Zusatzabkommens zum Abkommen vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit vom 12. Februar 1995 (BGBl II 1996 S 299) sowie in Art 1 Abs 7 Buchst a des 2. Zusatzabkommens zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 6. März 1995 (BGBl II 1996 S 302) den nach § 17a FRG anspruchsberechtigt gewordenen Personen ein Nachentrichtungsrecht allein dann eingeräumt, wenn sie bei Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten (vgl hierzu BT-Drucks 13/1809, S 9 und 13/1811, S 13).
3) Gegen die Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises in § 17a Buchst a Nr 2 FRG auf diejenigen, die zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten, bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
In Betracht kommen könnte ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG, weil nach § 17a Buchst a Nr 2 FRG allein denjenigen, die das 16. Lebensjahr zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses bereits vollendet hatten, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Ausgleich für einen sozialversicherungsrechtlichen Vertreibungsschaden zuerkannt werden soll, nicht jedoch denjenigen, die das 14. Lebensjahr zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet hatten und daher grundsätzlich in der Lage waren, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen (vgl zum Eintritt in das Erwerbs- und Versicherungsleben ab dem 14. Lebensjahr; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83) und auch nicht denjenigen, die während des nationalsozialistischen Einflusses das 14. bzw das 16. Lebensjahr erst vollendeten. Für diese Regelung in § 17a Buchst a FRG besteht jedoch ein hinreichend sachlicher Differenzierungsgrund.
a) Der Gleichheitssatz enthält für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart nach entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gesetzgeber ist befugt, aus einer Vielzahl von Lebenssachverhalten, die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- bzw Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl BVerfGE 71, 39, 53 mwN). Bei rechtsgewährenden Regelungen hat der Gesetzgeber eine verhältnismäßig größere Gestaltungsfreiheit als bei Eingriffen in bereits bestehende Rechte (vgl hierzu BVerfGE 49, 280, 283 mwN). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in diesen Fällen kommt mithin nur in Betracht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung für die Art der Differenzierung kein sachlich vertretbarer, einleuchtender Grund anführen ließe (vgl BVerfGE 49, 280, 283; 87, 1, 36), insoweit also Willkür iS des Art 3 Abs 1 GG vorliegen würde, die Unsachlichkeit der Differenzierung mithin evident wäre (vgl hierzu BVerfGE 89, 15, 23 mwN).
b) Der hier bei der Prüfung des Art 3 Abs 1 GG anzulegende Maßstab des Willkürverbots ergibt sich - nach den oben dargelegten Grundsätzen - im Hinblick auf die erstmalige Begünstigung des nach § 17a FRG durch das RRG 1992 anspruchsberechtigt gewordenen Personenkreises.
17a FRG ergänzt die Regelung des § 1 Buchst a FRG und des § 20 WGSVG um diejenigen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum, sich nicht zum deutschen Volkstum bekannt haben und zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses, nicht jedoch beim Verlassen der Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben. Insofern sollte durch § 17a FRG die Gleichstellung der aus den osteuropäischen Vertreibungsgebieten stammenden deutschen Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern erreicht werden (vgl BT-Drucks 11/5530, S 29). § 17a FRG ist mithin in erster Linie eine grundsätzlich Verfolgte begünstigende Regelung, die zu Beginn der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hatten. Zwar ist sowohl nach § 20 Abs 1 WGSVG als auch nach § 17a FRG Voraussetzung für die Anwendung des FRG, daß der Verfolgte "vertrieben" worden ist (vgl § 1 Buchst a FRG iVm § 1 BVFG), jedoch wegen seines fehlenden Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nicht als Vertriebener anerkannt werden kann. Auch wird durch den Hinweis in § 20 Abs 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG das Bekenntnis zum deutschen Volkstum ersetzt, durch die Zugehörigkeit des Verfolgten zum deutschen Sprach- und Kulturkreis - allerdings - bei Verlassen des Vertreibungsgebietes. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache für die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis eine "im Regelfall" ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl zum Vorstehenden: BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 2 mwN), wobei derjenige, der Deutsch als Muttersprache gesprochen hat und nach Beendigung der Verfolgungsmaßnahmen zunächst weiterhin im persönlichen Lebensbereich verwendet, die Zugehörigkeit - nach der Rechtsprechung des BSG - nicht unmittelbar mit dem Zeitpunkt verliert, von dem an der Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich nicht mehr überwiegt; sie bleibt vielmehr regelmäßig für eine Übergangszeit von bis zu 20 Jahren erhalten (vgl hierzu BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 2 aaO; Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 RA 74/90).
Legt man diese Rechtsprechung zugrunde, so zeigt sich, daß § 17a FRG die Regelungen des § 20 WGSVG ergänzt; zusätzlich begünstigt werden Personen, die zu Beginn der Verfolgung mindestens 16 Jahre alt waren, die dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört, sich aber infolge ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten, und die sich später von ihm - gleich aus welchen Gründen - distanziert und den og Übergangszeitraum von 20 Jahren überschritten hatten. Nach alledem hat § 17a FRG erstmals diesem Personenkreis Ansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung eingeräumt mit der Folge, daß die vor der Vertreibung zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten grundsätzlich gleichstehen (§§ 15, 16 FRG).
c) Nach den oben dargelegten Grundsätzen zum Willkürverbot iS von Art 3 Abs 1 GG ist § 17a Buchst a Nr 2 FRG mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Die Unterscheidung zwischen denjenigen, die zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten und denjenigen, die zu diesem Zeitpunkt - erst - das 14. Lebensjahr vollendet oder erst während der Dauer des nationalsozialistischen Einflusses das 14. oder 16. Lebensjahr vollendeten, überschreitet die oben aufgezeigte Grenze einer sachfremden Differenzierung nicht.
Zunächst ist festzuhalten, daß das FRG auf die Bestimmungen des deutschen Rentenversicherungsrechts verweist (§ 14 FRG) und §§ 15 und 16 FRG insoweit eine Gleichstellung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten mit Bundesgebietsbeitragszeiten anordnet. Infolgedessen ist es sachlich einleuchtend und vernünftig, wenn die Systematik und Grundsätze der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bei den "Zugangsvoraussetzungen" für eine Gleichstellung beachtet werden. Zu diesen Grundsätzen zählt auch die dem Gesamtprogramm des RRG 1992 - mit der Änderung des FRG und der Neukodifikation des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) - zu entnehmende Typisierung, das Eintrittsalter in das Erwerbs- und Versicherungsleben sei das vollendete 16. Lebensjahr (vgl §§ 58 Abs 1 Nr 4, 253 Abs 1 Nr 1 SGB VI; § 16 FRG aF). Damit wird unterstellt, daß Personen frühestens mit 16 Jahren Mitglied der Rentenversicherung werden und ein Schaden in der Rentenversicherung durch eine Lücke im Versicherungsverlauf deshalb und in aller Regel typischerweise erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres eintreten kann. Auf solch typische Lebensverläufe darf und muß die gesetzliche Rentenversicherung abstellen (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83). Dabei wird nicht verkannt, daß vor dem RRG 1992 grundsätzlich das 14. Lebensjahr als Eintrittsalter in die gesetzliche Rentenversicherung galt (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83; zB § 8 Abs 2 VuVO für Jahrgänge ab 1908). Allerdings war dies nicht durchgehend der Fall. So wurde auch das 16. Lebensjahr insoweit zugrunde gelegt (vgl hierzu § 16 FRG idF vom 25. Februar 1960, BGBl I S 93, § 1259 Abs 1 Nr 4 RVO; Art 2 § 52a Abs 1 ArVNG; Art 2 § 14 Abs 1 Satz 3 ArVNG).
Bei dieser Ausgangssituation ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der Gleichstellung von "FRG-Beitragszeiten" mit Bundesgebietsbeitragszeiten der parlamentarische Gesetzgeber die im Rahmen des Gesamtkomplexes "RRG 1992" vorgenommene Typisierung beibehält und auch bei der - erstmaligen - Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises in § 17a FRG an dieses Alter anknüpft als Voraussetzung für einen Ausgleich eines sozialversicherungsrechtlichen Vertreibungsschadens. Es ist mithin mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar, wenn bei demjenigen, der erstmals nach § 17a FRG anspruchsberechtigt geworden ist ebenso wie bei demjenigen, der erstmals Ansprüche nach dem SGB VI erwirbt, das vollendete 16. Lebensjahr als Eintrittsalter in das Versicherungs- und Erwerbsleben typisierend zugrunde gelegt wird. Im Einklang damit steht, daß diese Altersgrenze im Hinblick auf das "bekenntnisfähige" Alter von 16 Jahren zugleich der letztmögliche Zeitpunkt vor Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung war, zu dem ein Verfolgter ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum hätte abgeben können (vgl zu Rumänien: BVerfGE 59, 128, 152 ff; zum bekenntnisfähigen Alter von 16 Jahren: Häußer/Kapinos/Christ, Die Statusfeststellung nach dem Bundesvertriebenengesetz, § 6 RdNr 4). Infolgedessen kann nur der Verfolgte, der zu diesem Zeitpunkt das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte, überhaupt die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 17a Buchst a Nr 3 FRG erfüllen und nach § 17a Buchst a FRG anspruchsberechtigt sein.
Sofern im übrigen sozialversicherungsrechtliche Schäden durch nationalsozialistische Einflußnahme verursacht worden sind, werden diese im Gegensatz zu den im FRG geregelten Vertreibungsschäden nach dem WGSVG entschädigt. Sie haben eine vom FRG verschiedene andere Ausgestaltung erfahren; regelmäßig soll nach § 1 Abs 2 Nr 3 WGSVG der verfolgte Versicherte begünstigt werden, der zu Beginn der Verfolgung nicht aus dem Kreis der rentenversicherungspflichtig Erwerbstätigen ausgeschieden war, dessen rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aber aus Verfolgungsgründen unterbrochen oder beendet worden ist (vgl hierzu BVerfG SozR 5070 § 10a Nr 8 S 22). Hatten jugendliche Verfolgte unter 16 Jahren einen derartigen Schaden, dann wird dieser somit nach den Vorschriften des WGSVG ausgeglichen.
Nach alledem ist die in § 17a Buchst a FRG vorgenommene Differenzierung sachlich einleuchtend. Der Kläger erfüllt mithin nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 17a FRG, so daß er keinen Anspruch auf Vormerkung der in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten hat. Die Revision ist infolgedessen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt im Rahmen eines sog Zugunstenverfahrens die Vormerkung von Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Der am 9. März 1926 in B. /Rumänien geborene Kläger gehört zum Personenkreis der Verfolgten des Nationalsozialismus. Bis zum 30. Juni 1941 lebte er in seinem Geburtsort. Anschließend war er im Ghetto K. (Ukraine). Von Juni 1944 bis 1949 leistete er sodann Militärdienst in der Sowjetarmee. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Jahre 1984 war er ua als Deutschlehrer und zuletzt als Leiter eines Fotostudios tätig. Im Dezember 1989 wanderte der Kläger nach Israel aus, wo er seither lebt.
Im November 1990 stellte der Kläger ua den Antrag auf Anerkennung von Beitragszeiten nach § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (WGSVG) und nach § 17a FRG. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 1993 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1994 ebenso ab wie die Anträge auf Nachentrichtung und auf Altersrente (Bescheide vom 15. August 1994 und vom 4. Oktober 1994).
Seinen mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 gestellten Antrag ua auf Rücknahme des Bescheides vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 1995 ab, weil die Voraussetzungen des § 17a FRG nicht erfüllt seien; der Kläger habe bei Verfolgungsbeginn das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt; § 20 WGSVG greife ebenfalls nicht ein, weil sich der Kläger durch seine im Jahre 1947 geschlossene Ehe, in der nur Russisch gesprochen worden sei, vom deutschen Sprach- und Kulturkreis abgewandt habe. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend gemacht hatte, ausreichend sei nach § 17a FRG, wenn das 16. Lebensjahr während der Verfolgung vollendet worden sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1996 zurück.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Februar 1998). Das LSG hat mit Urteil vom 7. Oktober 1998 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Eine Anerkennung der im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion von 1949 bis 1984 zurückgelegten Beitragszeiten komme nicht in Betracht. Der Kläger gehöre nicht zu dem vom FRG begünstigten Personenkreis der Vertriebenen. Vertriebener sei nach § 1 Abs 2 Nr 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) nur derjenige, der nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen das Vertreibungsgebiet - hier die ehemalige Sowjetunion - verlassen habe und - ua - im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes im Jahre 1989 dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört habe. Dies sei bei dem Kläger, der mit seiner Ehefrau und den Kindern nicht Deutsch gesprochen habe, nicht mehr der Fall gewesen. Es sei nicht glaubhaft, daß er zu diesem Zeitpunkt im persönlichen Lebensbereich überwiegend die deutsche Sprache verwendet habe. Der Kläger könne sich auch nicht auf den am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 17a FRG berufen. Begünstigt würden zwar insoweit auch diejenigen, die bis zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hätten; auf den Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes werde insoweit nicht mehr abgestellt. Voraussetzung sei jedoch, daß die begünstigten Personen bei Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf das Heimatgebiet - hier am 6. April 1941 - das 16. Lebensjahr bereits vollendet gehabt hätten.
Mit der vom BSG im Hinblick auf § 17a Abs 1 Buchst a FRG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift und trägt vor:
Die Anwendung des § 17a Buchst a Nr 2 1. Alternative FRG setze nicht voraus, daß er das 16. Lebensjahr bereits zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses in Rumänien vollendet gehabt habe. Ausreichend sei vielmehr, daß das 16. Lebensjahr bis zum Ende des nationalsozialistischen Einflusses vollendet gewesen sei. Für diese Auslegung spreche, daß diejenigen Juden, die Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und nicht mehr in der Lage gewesen seien, ihre berufliche Entwicklung zu beginnen, einen Ausgleich für ihre Altersversorgung hätten erhalten sollen. Als Berufsbeginn werde nach den Sozialversicherungsgesetzen regelmäßig das 16. Lebensjahr zugrunde gelegt (§ 16 FRG aF). Infolgedessen hätten zwar ab diesem Zeitpunkt Fremdbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigungsfähig sein sollen. Der Ausschluß derjenigen aber, die am 6. April 1941 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten, widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 1998 und des Sozialgerichts Berlin vom 12. Februar 1998 sowie unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 17. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1996 zu verpflichten, Fremdbeitragszeiten vom 29. Dezember 1949 bis 4. April 1984 vorzumerken und insoweit den Bescheid vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994 zurückzunehmen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 17a Buchst a Nr 2 1. Alternative FRG stelle klar und eindeutig auf die Vollendung des 16. Lebensjahres bei Beginn der nationalsozialistischen Einflußnahme ab. Den Gesetzesmaterialien sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Bestätigt werde dies zudem durch die Denkschrift zum Zusatzabkommen vom 12. Februar 1995 zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen. Die Stichtagsregelung sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Ansprüche aus einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis hätten nur unter der Voraussetzung einer bereits bestehenden Bindung zur Rentenversicherung begründet werden können.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Da sie nur begrenzt zugelassen war, hatte der Senat allein zu prüfen, ob das LSG § 44 SGB X iVm § 17a FRG verletzt hat.
Gegenstand des Verfahrens ist der mit der (Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG; vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 24 S 64) angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1996. In diesen hat die Beklagte im Rahmen eines sog Zugunstenverfahrens (§ 44 SGB X) die Rücknahme der Ablehnung einer Vormerkung von in der ehemaligen Sowjetunion in der Zeit von 1949 bis 1984 zurückgelegten Beitragszeiten (Bescheid vom 18. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1994) abgelehnt.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rücknahme des die og Vormerkung ablehnenden Bescheides (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) ist § 44 Abs 2 SGB X. § 44 Abs 1 SGB X findet keine Anwendung, da es sich insoweit um eine Spezialregelung für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt, soweit durch sie den Betroffenen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten oder von ihnen Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 3 S 9 und 11). Mithin greift hinsichtlich des Anspruchs auf Rücknahme eines die Vormerkung von Beitragszeiten ablehnenden Bescheides die (Grund-)Regelung des § 44 Abs 2 SGB X ein (vgl Hauck, SGB X, § 44 RdNr 2). Sind Verwaltungsakte, die nicht die Ablehnung "von Sozialleistungen" betreffen oder die - wie die Ablehnung einer Vormerkung - keine Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind, rechtswidrig, so hat der Verwaltungsträger sie - ohne Ermessensentscheidung - zurückzunehmen. Eine Rücknahme für Vergangenheit oder Zukunft ist in diesen Fällen notwendig ausgeschlossen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung der Beitragszeiten ist - nach Aufhebung der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) am 1. Januar 1992 durch Art 41 Nr 1 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) - § 149 Abs 5 SGB VI (vgl hierzu VerbandsKomm, Anhang 2, § 1 FRG Vorbem 4). Denn neues Recht ist grundsätzlich ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die Zukunft anzuwenden, wenn es das Streitverhältnis erfaßt.
Die Beklagte hat es jedoch zu Recht abgelehnt, die og Bescheide zurückzunehmen und die in der ehemaligen Sowjetunion in der Zeit von 1949 bis 1984 zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten vorzumerken. Ein derartiger Anspruch würde dem Kläger zustehen, wenn die von ihm behaupteten Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten (§§ 15, 16 FRG) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen wären. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kläger zu dem nach § 17a Buchst a FRG begünstigten Personenkreis gehören würde (§ 17a FRG eingefügt durch Art 15 Abschnitt A Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 - RRG 1992 - vom 18. Dezember 1989, BGBl I S 2261, mit Wirkung ab 1. Juli 1990 gemäß Art 85 Abs 6 RRG 1992 und ergänzt durch Art 14 Nr 17 RÜG gemäß Art 42 Abs 3 RÜG ebenfalls rückwirkend mit Wirkung ab 1. Juli 1990). Nach dieser Vorschrift finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Bestimmungen Anwendung auch auf Personen, die bis zum Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben, das 16. Lebensjahr bereits vollendet, sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG (ua Rumänien, ehemalige Sowjetunion) verlassen haben. § 17a Buchst a FRG greift zugunsten des 1926 geborenen Klägers jedoch nicht ein, weil er zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf sein damaliges Heimatgebiet Rumänien am 6. April 1941 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
1) Mit dem 13. und dem 12. Senat des BSG (Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 63/98 R; Urteil vom 30. März 2000 - B 12 RJ 4/98 R - jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) geht der erkennende Senat davon aus, daß der nationalsozialistische Einfluß auf osteuropäische Staaten, hier auf Rumänien, entsprechend der Zeitangabe in § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) idF des BEG-Schlußgesetzes vom 14. September 1965 (BGBl I S 1315) am 6. April 1941 begonnen hat. Dem steht nicht entgegen, daß § 17a FRG einen sozialversicherungsrechtlichen Tatbestand, § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG hingegen die Entschädigung von Verfolgten regelt, denen ein ausländischer Staat auf Veranlassung der nationalsozialistischen deutschen Regierung unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat; bei der von der Regierung des Staates Rumänien aus Gründen der Rasse vorgenommenen Freiheitsentziehung gilt nach § 43 Abs 1 Satz 2 BEG der 6. April 1941 als Zeitpunkt des Beginns der deutschen Veranlassung. Die durch das BEG-Schlußgesetz geänderte Vorschrift setzt ein bestimmtes Datum als Zeitpunkt für den Beginn der Veranlassung fest; damit wird eine historisch ggf nur schwer exakt feststellbare Tatsache durch die gesetzgeberische Entscheidung ersetzt; sie ermöglicht eine Gleichbehandlung der Verfolgten in diesen Ländern (vgl hierzu Urteil des 13. Senats, aaO, und des 12. Senats, aaO). Die Übernahme dieses Zeitpunktes in dem auch aus der Perspektive des Wiedergutmachungsrechts zu wertenden § 17a FRG für die Beurteilung von Schäden, die Verfolgte in der Sozialversicherung erlitten haben (§ 138 BEG; § 1 WGSVG), bietet sich im Hinblick auf eine einheitliche Behandlung von Ansprüchen auf Entschädigung wegen nationalsozialistischen Unrechts an. Zudem dient sie der Verwaltungsvereinfachung und damit gleichzeitig auch einer zügigen Bearbeitung der Verfahren. Im übrigen ergibt sich bei einem Vergleich der beiden Bestimmungen, daß sie von denselben historischen Gegebenheiten ausgehen. Beide Vorschriften stellen nicht auf eine unmittelbare Einwirkung durch den nationalsozialistischen Staat ab, sondern auf dessen Einfluß auf den noch unabhängigen Staat; der noch selbständige Staat wird von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu Unrechtsmaßnahmen "veranlaßt", bzw dessen Einfluß erstreckt sich auf den unabhängigen Staat. Aus diesem Grunde übernimmt der deutsche Staat die Verantwortung für die Unrechtstatbestände des an sich noch selbständigen Staates und läßt sie sich ab diesem Zeitpunkt mit der Folge zurechnen, daß er sich zur Entschädigung verpflichtet. Schließlich ergibt sich der Zeitraum, ab dem nationalsozialistischer Einfluß in Rumänien Bedeutung gewann, auch aus den historischen Abläufen (vgl "Der Große Ploetz", 32. Aufl, S 1073).
2) Der Kläger hätte am 6. April 1941, zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses in Rumänien, das 16. Lebensjahr bereits vollendet gehabt haben müssen. Er ist jedoch erst im März 1942 16 Jahre alt geworden. Entgegen seiner Auffassung ist für eine Anspruchsberechtigung nach § 17a Buchst a Nr 2 FRG nicht ausreichend, daß das 16. Lebensjahr während der Dauer des nationalsozialistischen Einflusses vollendet wurde. Dies kann bereits dem Wortlaut des § 17a FRG entnommen werden. Danach finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung auf Personen, die, bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Abgestellt wird, wie sich aus der Formulierung "bis zu dem Zeitpunkt" und "das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten", ergibt, auf die Vollendung des 16. Lebensjahres zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses. Diese Interpretation entspricht der Entstehungsgeschichte. Wie sich aus den Materialien ergibt, sollte die Regelung nur für Personen gelten, die bei Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten (vgl BT-Drucks 11/5530, S 65). In Übereinstimmung hiermit wird in Art 1 Buchst a des Zusatzabkommens zum Abkommen vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit vom 12. Februar 1995 (BGBl II 1996 S 299) sowie in Art 1 Abs 7 Buchst a des 2. Zusatzabkommens zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 6. März 1995 (BGBl II 1996 S 302) den nach § 17a FRG anspruchsberechtigt gewordenen Personen ein Nachentrichtungsrecht allein dann eingeräumt, wenn sie bei Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten (vgl hierzu BT-Drucks 13/1809, S 9 und 13/1811, S 13).
3) Gegen die Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises in § 17a Buchst a Nr 2 FRG auf diejenigen, die zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten, bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
In Betracht kommen könnte ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG, weil nach § 17a Buchst a Nr 2 FRG allein denjenigen, die das 16. Lebensjahr zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses bereits vollendet hatten, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Ausgleich für einen sozialversicherungsrechtlichen Vertreibungsschaden zuerkannt werden soll, nicht jedoch denjenigen, die das 14. Lebensjahr zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet hatten und daher grundsätzlich in der Lage waren, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen (vgl zum Eintritt in das Erwerbs- und Versicherungsleben ab dem 14. Lebensjahr; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83) und auch nicht denjenigen, die während des nationalsozialistischen Einflusses das 14. bzw das 16. Lebensjahr erst vollendeten. Für diese Regelung in § 17a Buchst a FRG besteht jedoch ein hinreichend sachlicher Differenzierungsgrund.
a) Der Gleichheitssatz enthält für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart nach entsprechend verschieden zu behandeln. Der Gesetzgeber ist befugt, aus einer Vielzahl von Lebenssachverhalten, die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- bzw Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl BVerfGE 71, 39, 53 mwN). Bei rechtsgewährenden Regelungen hat der Gesetzgeber eine verhältnismäßig größere Gestaltungsfreiheit als bei Eingriffen in bereits bestehende Rechte (vgl hierzu BVerfGE 49, 280, 283 mwN). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in diesen Fällen kommt mithin nur in Betracht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung für die Art der Differenzierung kein sachlich vertretbarer, einleuchtender Grund anführen ließe (vgl BVerfGE 49, 280, 283; 87, 1, 36), insoweit also Willkür iS des Art 3 Abs 1 GG vorliegen würde, die Unsachlichkeit der Differenzierung mithin evident wäre (vgl hierzu BVerfGE 89, 15, 23 mwN).
b) Der hier bei der Prüfung des Art 3 Abs 1 GG anzulegende Maßstab des Willkürverbots ergibt sich - nach den oben dargelegten Grundsätzen - im Hinblick auf die erstmalige Begünstigung des nach § 17a FRG durch das RRG 1992 anspruchsberechtigt gewordenen Personenkreises.
17a FRG ergänzt die Regelung des § 1 Buchst a FRG und des § 20 WGSVG um diejenigen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum, sich nicht zum deutschen Volkstum bekannt haben und zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses, nicht jedoch beim Verlassen der Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben. Insofern sollte durch § 17a FRG die Gleichstellung der aus den osteuropäischen Vertreibungsgebieten stammenden deutschen Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern erreicht werden (vgl BT-Drucks 11/5530, S 29). § 17a FRG ist mithin in erster Linie eine grundsätzlich Verfolgte begünstigende Regelung, die zu Beginn der Verfolgung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hatten. Zwar ist sowohl nach § 20 Abs 1 WGSVG als auch nach § 17a FRG Voraussetzung für die Anwendung des FRG, daß der Verfolgte "vertrieben" worden ist (vgl § 1 Buchst a FRG iVm § 1 BVFG), jedoch wegen seines fehlenden Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nicht als Vertriebener anerkannt werden kann. Auch wird durch den Hinweis in § 20 Abs 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG das Bekenntnis zum deutschen Volkstum ersetzt, durch die Zugehörigkeit des Verfolgten zum deutschen Sprach- und Kulturkreis - allerdings - bei Verlassen des Vertreibungsgebietes. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt dem Gebrauch der deutschen Sprache für die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis eine "im Regelfall" ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl zum Vorstehenden: BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 2 mwN), wobei derjenige, der Deutsch als Muttersprache gesprochen hat und nach Beendigung der Verfolgungsmaßnahmen zunächst weiterhin im persönlichen Lebensbereich verwendet, die Zugehörigkeit - nach der Rechtsprechung des BSG - nicht unmittelbar mit dem Zeitpunkt verliert, von dem an der Gebrauch der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich nicht mehr überwiegt; sie bleibt vielmehr regelmäßig für eine Übergangszeit von bis zu 20 Jahren erhalten (vgl hierzu BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 2 aaO; Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 RA 74/90).
Legt man diese Rechtsprechung zugrunde, so zeigt sich, daß § 17a FRG die Regelungen des § 20 WGSVG ergänzt; zusätzlich begünstigt werden Personen, die zu Beginn der Verfolgung mindestens 16 Jahre alt waren, die dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört, sich aber infolge ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten, und die sich später von ihm - gleich aus welchen Gründen - distanziert und den og Übergangszeitraum von 20 Jahren überschritten hatten. Nach alledem hat § 17a FRG erstmals diesem Personenkreis Ansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung eingeräumt mit der Folge, daß die vor der Vertreibung zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten grundsätzlich gleichstehen (§§ 15, 16 FRG).
c) Nach den oben dargelegten Grundsätzen zum Willkürverbot iS von Art 3 Abs 1 GG ist § 17a Buchst a Nr 2 FRG mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren. Die Unterscheidung zwischen denjenigen, die zu Beginn des nationalsozialistischen Einflusses das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten und denjenigen, die zu diesem Zeitpunkt - erst - das 14. Lebensjahr vollendet oder erst während der Dauer des nationalsozialistischen Einflusses das 14. oder 16. Lebensjahr vollendeten, überschreitet die oben aufgezeigte Grenze einer sachfremden Differenzierung nicht.
Zunächst ist festzuhalten, daß das FRG auf die Bestimmungen des deutschen Rentenversicherungsrechts verweist (§ 14 FRG) und §§ 15 und 16 FRG insoweit eine Gleichstellung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten mit Bundesgebietsbeitragszeiten anordnet. Infolgedessen ist es sachlich einleuchtend und vernünftig, wenn die Systematik und Grundsätze der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bei den "Zugangsvoraussetzungen" für eine Gleichstellung beachtet werden. Zu diesen Grundsätzen zählt auch die dem Gesamtprogramm des RRG 1992 - mit der Änderung des FRG und der Neukodifikation des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) - zu entnehmende Typisierung, das Eintrittsalter in das Erwerbs- und Versicherungsleben sei das vollendete 16. Lebensjahr (vgl §§ 58 Abs 1 Nr 4, 253 Abs 1 Nr 1 SGB VI; § 16 FRG aF). Damit wird unterstellt, daß Personen frühestens mit 16 Jahren Mitglied der Rentenversicherung werden und ein Schaden in der Rentenversicherung durch eine Lücke im Versicherungsverlauf deshalb und in aller Regel typischerweise erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres eintreten kann. Auf solch typische Lebensverläufe darf und muß die gesetzliche Rentenversicherung abstellen (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83). Dabei wird nicht verkannt, daß vor dem RRG 1992 grundsätzlich das 14. Lebensjahr als Eintrittsalter in die gesetzliche Rentenversicherung galt (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83; zB § 8 Abs 2 VuVO für Jahrgänge ab 1908). Allerdings war dies nicht durchgehend der Fall. So wurde auch das 16. Lebensjahr insoweit zugrunde gelegt (vgl hierzu § 16 FRG idF vom 25. Februar 1960, BGBl I S 93, § 1259 Abs 1 Nr 4 RVO; Art 2 § 52a Abs 1 ArVNG; Art 2 § 14 Abs 1 Satz 3 ArVNG).
Bei dieser Ausgangssituation ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der Gleichstellung von "FRG-Beitragszeiten" mit Bundesgebietsbeitragszeiten der parlamentarische Gesetzgeber die im Rahmen des Gesamtkomplexes "RRG 1992" vorgenommene Typisierung beibehält und auch bei der - erstmaligen - Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises in § 17a FRG an dieses Alter anknüpft als Voraussetzung für einen Ausgleich eines sozialversicherungsrechtlichen Vertreibungsschadens. Es ist mithin mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar, wenn bei demjenigen, der erstmals nach § 17a FRG anspruchsberechtigt geworden ist ebenso wie bei demjenigen, der erstmals Ansprüche nach dem SGB VI erwirbt, das vollendete 16. Lebensjahr als Eintrittsalter in das Versicherungs- und Erwerbsleben typisierend zugrunde gelegt wird. Im Einklang damit steht, daß diese Altersgrenze im Hinblick auf das "bekenntnisfähige" Alter von 16 Jahren zugleich der letztmögliche Zeitpunkt vor Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung war, zu dem ein Verfolgter ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum hätte abgeben können (vgl zu Rumänien: BVerfGE 59, 128, 152 ff; zum bekenntnisfähigen Alter von 16 Jahren: Häußer/Kapinos/Christ, Die Statusfeststellung nach dem Bundesvertriebenengesetz, § 6 RdNr 4). Infolgedessen kann nur der Verfolgte, der zu diesem Zeitpunkt das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte, überhaupt die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 17a Buchst a Nr 3 FRG erfüllen und nach § 17a Buchst a FRG anspruchsberechtigt sein.
Sofern im übrigen sozialversicherungsrechtliche Schäden durch nationalsozialistische Einflußnahme verursacht worden sind, werden diese im Gegensatz zu den im FRG geregelten Vertreibungsschäden nach dem WGSVG entschädigt. Sie haben eine vom FRG verschiedene andere Ausgestaltung erfahren; regelmäßig soll nach § 1 Abs 2 Nr 3 WGSVG der verfolgte Versicherte begünstigt werden, der zu Beginn der Verfolgung nicht aus dem Kreis der rentenversicherungspflichtig Erwerbstätigen ausgeschieden war, dessen rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aber aus Verfolgungsgründen unterbrochen oder beendet worden ist (vgl hierzu BVerfG SozR 5070 § 10a Nr 8 S 22). Hatten jugendliche Verfolgte unter 16 Jahren einen derartigen Schaden, dann wird dieser somit nach den Vorschriften des WGSVG ausgeglichen.
Nach alledem ist die in § 17a Buchst a FRG vorgenommene Differenzierung sachlich einleuchtend. Der Kläger erfüllt mithin nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 17a FRG, so daß er keinen Anspruch auf Vormerkung der in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten hat. Die Revision ist infolgedessen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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