B 11 AL 75/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 75/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 19. August 1999 wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug).

Der im Saarland wohnende Kläger war ab 1. April 1994 bei der in Frankreich ansässigen Nicolay Holding S.A.R.L. als Gipser beschäftigt, wurde jedoch ausschließlich auf Baustellen in Deutschland eingesetzt. Der Arbeitslohn wurde in DM abgerechnet und ausbezahlt, Sozialversicherungsbeiträge wurden an die AOK für das Saarland, bei der der Kläger bis 6. Januar 1995 gemeldet war, abgeführt. Mit Urteil des Gerichtshofes Saargemünd (Frankreich) vom 14. März 1995 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren nach französischem Recht ("liquidation judicaire") eröffnet.

Den am 10. April 1995 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kaug für die Zeit von November 1994 bis 6. Januar 1995 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht bei einem Arbeitgeber mit Betriebssitz im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) beschäftigt und sei auch kein Grenzgänger gewesen (Bescheid vom 19. April 1995, Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1995).

Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Auf die Bestimmungen des § 141b Abs 1 und Abs 3 Nr 2 AFG, die gemäß § 30 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 3 Nr 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) anwendbar seien, lasse sich ein Anspruch des Klägers auf Kaug nicht stützen. § 141b Abs 1 AFG beziehe sich nur auf die Eröffnung eines Konkursverfahrens nach der Konkursordnung (KO); ein ausländisches Konkursverfahren sei nicht ausreichend. Im Rahmen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes der Eröffnung des Konkursverfahrens gleichstehe, könne zwar einem der Konkurseröffnung ähnlichen Vorgang im Ausland leistungsauslösende Bedeutung zukommen. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland setze aber begriffsnotwendig voraus, daß es überhaupt einen Betrieb im Inland gegeben habe. Hieran fehle es, weil der zahlungsunfähige ausländische Arbeitgeber weder einen allgemeinen Gerichtsstand noch eine gewerbliche (Zweig-)Niederlassung im Inland gehabt habe. Nach der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. Oktober 1980 und der dazu ergangenen Rechtsprechung sei in einem solchen Fall ein Anspruch gegen die Garantieeinrichtung des Mitgliedstaates gegeben, in dem die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen worden sei, also ein Anspruch gegen einen französischen Rechtsträger.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 141a, 141b AFG und macht geltend: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein im Ausland durchgeführtes Insolvenzverfahren in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen; bei zunehmender internationaler Verflechtung lasse sich die Insolvenzabwicklung nicht mehr auf einzelne Staatsgebiete begrenzen. Wenn die Zuständigkeit des Konkursgerichts nach § 71 KO an die gewerbliche Niederlassung bzw den allgemeinen Gerichtsstand des Gemeinschuldners anknüpfe, so fehlten Regelungen für den hier gegebenen Fall; die Gesetzeslücke sei in entsprechender Anwendung der §§ 237, 238 KO zu schließen. Im übrigen seien die Voraussetzungen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG erfüllt. Für die Beendigung der Betriebstätigkeit komme es nicht auf das Schicksal des Betriebs an, sondern auf die Beendigung der betriebsleitenden Tätigkeit des insolventen Arbeitgebers; insoweit bedürfe es weder eines inländischen Betriebes noch einer inländischen (Zweig-)Niederlassung. Auf mögliche Ansprüche gegen eine französische Garantieeinrichtung könne der Kläger nicht verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 19. August 1999 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 5. Oktober 1995, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für November 1994 bis 6. Januar 1995 Kaug zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger Kaug nicht zusteht.

Gegen die Anwendbarkeit der §§ 141a ff AFG bestehen keine Bedenken. Diese Vorschriften sind zwar nach Art 82 Abs 2 Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24. Mai 1997 (BGBl I 594) am 1. Januar 1999 außer Kraft getreten, galten aber 1995 noch und sind weiterhin anzuwenden, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 1999 eingetreten ist (Art I § 430 Abs 5 AFRG). Angesichts des Wohnsitzes des Klägers in Deutschland folgt die Anwendbarkeit des AFG im übrigen aus § 30 Abs 1 SGB I, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat. Sonstige Regelungen stehen dem nicht entgegen. Insbesondere kann die Anwendung der Kaug-Vorschriften im vorliegenden Fall nicht nach den Grundsätzen der "Einstrahlung" iS des § 5 SGB IV in Frage gestellt werden, da diese Vorschrift unmittelbar nur die Versicherungspflicht bzw Versicherungsberechtigung betrifft, die beim Kaug keine Rolle spielen, und der von Anfang an in Deutschland tätige Kläger ohnehin von seinem Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt iS des § 5 SGB IV in den Geltungsbereich des Gesetzes "entsandt" worden ist (vgl BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3).

1. Ein Kaug-Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 141b Abs 1 Satz 1 AFG. Nach dieser Bestimmung hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Anknüpfungspunkt ist hiernach die Eröffnung des Konkursverfahrens (bzw gemäß § 249c Abs 21 AFG der Gesamtvollstreckung) nach deutschem Recht, dh im Inland; die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland, hier in Frankreich, genügt nicht (BSG SozR 4100 § 141a Nr 6; Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141a RdNrn 27 f und § 141b RdNr 7; Hess in GK-AFG, § 141b RdNr 9); daß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland im Rahmen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG Bedeutung hat (vgl BSG aaO), steht auf einem anderen Blatt.

Die Beschränkung des § 141b Abs 1 Satz 1 AFG auf die Eröffnung eines Konkurs-(bzw Gesamtvollstreckungs-)Verfahrens folgt aus dem Zweck des Kaug, die Entgeltansprüche von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in einem gesetzlich umschriebenen Rahmen zu sichern, wobei die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, die Voraussetzung der Eröffnung des Konkurs- und des Gesamtvollstreckungsverfahrens ist, grundsätzlich in der Hand des zuständigen deutschen Gerichts liegt (vgl BSG SozR 4100 § 141b Nr 28; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 7). Dieses Gericht kann aber nur in Anwendung deutscher Insolvenzvorschriften tätig werden, weshalb der in § 141b AFG mehrfach erwähnte Begriff der "Eröffnung des Konkursverfahren" nach Maßgabe der §§ 102 ff KO zu beurteilen ist. Verdeutlicht wird dies durch weitere Verknüpfungen verschiedener Kaug-Regelungen mit den Vorschriften der KO. So verweist § 141b Abs 2 AFG zur Klärung der Frage, welche Ansprüche auf Arbeitsentgelt einen Kaug-Anspruch begründen können, ausdrücklich auf § 59 Abs 1 Nr 3 KO (Masseschulden). Hinsichtlich dieser Ansprüche enthält § 141m Abs 1 AFG eine Regelung zum Anspruchsübergang auf die Beklagte und ermöglicht dieser damit, übergegangene Ansprüche im Konkurs als bevorrechtigte Forderungen geltend zu machen (§ 59 Abs 2, § 61 Abs 1 Nr 1 KO), was nach ausländischen Rechtsordnungen nicht gewährleistet wäre. Schließlich zeigen auch die in den §§ 141g und 141h AFG dem Konkursverwalter auferlegten Auskunfts- und Bescheinigungspflichten, deren Verletzung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (§ 230 Abs 1 Nr 6 und 7 AFG), daß für den Insolvenztatbestand des § 141b Abs 1 Satz 1 AFG nur ein inländisches Insolvenzverfahren in Betracht kommt. Denn gegen einen außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes tätigen Konkursverwalter bzw eine Person mit vergleichbarer Rechtsstellung könnte nicht nach §§ 141g, 141h, 230 AFG vorgegangen werden.

Im übrigen nehmen auch die der Eröffnung des Konkursverfahrens gleichstehenden Insolvenztatbestände des § 141b Abs 3 AFG auf das Recht der KO Bezug. Die Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse (Nr 1) ist eine Entscheidung des zuständigen Konkursgerichts nach § 107 Abs 1 KO. Der Insolvenztatbestand der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit (Nr 2) setzt voraus, daß ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, dh ein Eröffnungsantrag nach § 107 Abs 1 KO abzuweisen wäre. Wegen der Verknüpfung der Kaug-Vorschriften mit der KO, deren Geltung bei der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht auf das Beitrittsgebiet erstreckt worden ist, sieht § 249c Abs 21 AFG (idF des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885) vor, daß bei der Anwendung der §§ 141a ff AFG anstelle der KO die entsprechenden Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung gelten, wenn bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die Gesamtvollstreckungsordnung anzuwenden ist oder wäre. Die enge Verknüpfung des Schutzes von Arbeitsentgeltansprüchen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit dem jeweiligen Insolvenzrecht zeigt sich schließlich daran, daß die Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) über das an die Stelle des Kaug getretene Insolvenzgeld nicht mit dem SGB III, sondern erst mit der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 in Kraft getreten sind (vgl Art 83 Abs 5 AFRG); aus dem gleichen Grunde sind die Vorschriften über das Kaug auch nach ihrem Außerkrafttreten anzuwenden, soweit die begonnenen Verfahren nach der KO bzw der Gesamtvollstreckungsordnung abzuwickeln sind (vgl § 430 Abs 5 SGB III, Art 103 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I 2911).

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß nach neuerer Rechtsprechung Insolvenzverfahren im Ausland Inlandsvermögen erfassen können (BGHZ 95, 256; 122, 373, 375; 125, 196, 202 f), auch wenn ein Insolvenzverfahren im Ausland ein solches Verfahren im Inland nicht ausschließt (BGHZ 95, 256, 269 f), und infolgedessen die schuldbeschränkenden Wirkungen eines Verfahrens im Ausland, ua eines Zwangsvergleichs, in Deutschland anzuerkennen sein können (BGHZ 122, 373; 134, 79). Diese Rechtsprechung bezieht sich lediglich auf die Wirkung von Insolvenzverfahren im Ausland auf in Deutschland belegenes Vermögen und privatrechtliche Ansprüche deutscher Gläubiger unter der Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit der ausländischen Stelle (gemessen an §§ 71, 237, 238 KO). Sie besagt nichts über Anspruchsvoraussetzungen für das deutsche Kaug.

Nicht ersichtlich ist auch, inwiefern im übrigen eine entsprechende Anwendung der §§ 237 und 238 KO, die den Fall des Vorhandenseins von Vermögen im Inland betreffen, zu einer abweichenden Auslegung des § 141b Abs 1 Satz 1 AFG iS der Revision führen könnte. Ebensowenig läßt sich die Auffassung der Revision auf das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl II 1972, 774) stützen, da sich dieses Übereinkommen nach seinem Art 1 Abs 1 Nr 2 ausdrücklich nicht auf Konkursverfahren bezieht, worauf schon das LSG zutreffend hingewiesen hat.

2. Ein Anspruch auf Kaug läßt sich auch nicht aus § 141b Abs 3 AFG herleiten. Nach dieser Vorschrift steht der Eröffnung des Konkursverfahrens ua die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Nr 2). Das Tatbestandsmerkmal der Beendigung der Betriebstätigkeit "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ist nicht erfüllt.

Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit erfordert grundsätzlich das Ende jeder vom Arbeitgeber veranlaßten, dem Betriebszweck dienenden Tätigkeit, wobei sich letztere nach der Art des Betriebes bestimmt (BSGE 51, 296, 297 = SozR 4100 § 141b Nr 18; BSGE 52, 40 = SozR 4100 § 141b Nr 19; SozR 4100 § 141b Nr 30; BSGE 70, 9, 10 f = SozR 3-4100 § 141b Nr 3; SozR 3-4100 § 141b Nr 12; Schlegel in Hennig, AFG, § 141b RdNrn 53 ff; vgl auch BAGE 47, 229, 233 f = AP Nr 22 zu § 7 BetrAVG; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl, § 7 RdNr 113 mwN). Es kann dahinstehen, wann im einzelnen ein Betrieb wie der des Arbeitgebers des Klägers beendet ist. Denknotwendige Voraussetzung des Endes jeder vom Arbeitgeber veranlaßten, dem Zweck des Betriebes dienenden Tätigkeit "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ist jedenfalls, daß zuvor eine betriebliche Tätigkeit in Deutschland stattgefunden hat. Es genügt insoweit nicht, daß der Arbeitgeber Aufträge für Baustellen in Deutschland angenommen und - ua durch den Einsatz des Klägers - ausgeführt hat; vielmehr setzt das Ende betrieblicher Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes voraus, daß ein Betrieb als eine Gesamtheit von Personen und Sachen zur Erreichung arbeitstechnischer Zwecke (vgl Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl 2000, § 214 RdNr 2; Küttner/Kreitner, Personalbuch 2000, Stichwort "Betrieb" RdNr 3; vgl auch BAGE 87, 120, 126 f = AP Nr 170 zu § 613a BGB), gleichsam als Mittelpunkt des wirtschaftlichen Betätigungsfeldes des Arbeitgebers, im Inland organisiert war. Daran fehlt es. Denn nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG hatte der Arbeitgeber den Betrieb ausschließlich in Frankreich organisiert. Zu der beabsichtigten Zweigniederlassung in Deutschland ist es nicht gekommen. Auch von einem Büro oder Bauhof in Deutschland, von dem aus der Einsatz der Mitarbeiter gelenkt oder tatsächlich ausgegangen ist, ist keine Rede; es stellt sich daher nicht die Frage, ob die Schließung einer solchen Stelle in Deutschland den Tatbestand des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG erfüllte, wenn gleichzeitig ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kam.

Daß der Arbeitgeber des Klägers nicht schon mit der Übernahme und Ausführung von Aufträgen in Deutschland iS des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG eine Betriebstätigkeit "im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ausgeübt hat, bestätigt die Überlegung, daß ein inländisches Konkursverfahren grundsätzlich nur bei Vorliegen einer gewerblichen Niederlassung des Gemeinschuldners durchführbar wäre (§§ 71 und 238 KO). Denn § 71 Abs 1 KO stellt hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit für das Konkursverfahren vorrangig auf die gewerbliche Niederlassung des Gemeinschuldners ab; nach § 238 Abs 1 KO umfaßt das Konkursverfahren grundsätzlich nur das im Inland befindliche Vermögen, wenn der Schuldner im Inland eine gewerbliche Niederlassung, aber keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Unter einer gewerblichen Niederlassung iS des § 71 KO ist die Hauptniederlassung zu verstehen, bei § 238 Abs 1 KO genügt auch eine Zweigniederlassung, wobei die Maßstäbe des § 21 Zivilprozeßordnung heranzuziehen sind (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl, § 71 RdNr 3 und § 238 RdNr 96). Entscheidend ist danach, ob der Schuldner an einem inländischen Ort ein Gewerbe im weitesten Sinne in der Weise dauerhaft betreibt, daß durch die Art der Geschäftsausstattung, der Organisation und der Tätigkeit eine Art gewerblicher Mittelpunkt mit einer im wesentlichen selbständigen Leitung besteht (Kuhn/Uhlenbruck aaO; vgl auch Tettinger/Wank, GewO, 6. Aufl, § 14 RdNrn 17, 20, 24). Eine gewerbliche Niederlassung in diesem Sinne hat der Arbeitgeber des Klägers nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG aber zu keiner Zeit in Deutschland unterhalten.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) steht dem Erfordernis, daß im Falle des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG der Betrieb, zu dem der Arbeitnehmer gehörte, in Deutschland organisiert war, nicht entgegen. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß die "vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit" nicht voraussetzt, daß der Betrieb stillgelegt oder aufgelöst worden ist, sofern der Arbeitgeber nur seine betriebsleitende Betätigung beendet hat (BSGE 51, 296, 297 = SozR 4100 § 141b Nr 18; SozR 4100 § 141b Nr 30). Weder hieraus noch aus den den Entscheidungen des BSG zugrunde liegenden Fallgestaltungen ergibt sich, daß die Beendigung der Tätigkeit eines inländischen "Betriebes" nicht vorausgesetzt wird, es vielmehr genügt, wenn der Arbeitgeber vor der möglichen Beendigung einen Betrieb im Ausland geleitet hat. Ebensowenig kann sich der Kläger darauf berufen, daß nach BSG SozR 4100 § 141a Nr 6 ein der Konkurseröffnung ähnlicher Vorgang im Ausland im Rahmen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG insoweit leistungsauslösende Bedeutung zukommen kann, als ein solcher Vorgang "im Sinne der Masseunzulänglichkeit gewertet werden" muß, weil er jedenfalls auf Zahlungsunfähigkeit hindeutet; denn diese Ausführungen beziehen sich nur auf das weitere Tatbestandsmerkmal des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG, wonach ein Konkursverfahren "offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt" (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 7), nicht auf die seinerzeit im Einzelfall nicht zweifelhafte "Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes".

Daß die Voraussetzungen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, ergibt sich schließlich aus dem Zusammenhang der verschiedenen in § 141b AFG geregelten Insolvenztatbestände. Allen Tatbeständen gemeinsam ist die konkursrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Die Besonderheit des Abs 3 Nr 2 besteht darin, daß die Zahlungsunfähigkeit nicht durch eine Entscheidung des Konkursgerichts festgestellt wird, sondern von der Beklagten selbst festzustellen ist (BSGE 70, 9, 12 = SozR 3-4100 § 141b Nr 3). Mit der Regelung soll erreicht werden, daß für den Fall offensichtlicher Masseunzulänglichkeit die Anrufung des Konkursgerichts überflüssig wird. Im Verhältnis zu den beiden anderen Insolvenztatbeständen stellt Abs 3 Nr 2 des § 141b AFG somit einen Auffangtatbestand für den Fall der offensichtlichen Masseunzulänglichkeit dar (vgl BSGE 53, 1, 3 = SozR 4100 § 141b Nr 21). Durch den Insolvenztatbestand der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit soll demnach nicht der Kreis der insolvenzgeschützten Forderungen erweitert werden, sondern nur das formelle Erfordernis eines Konkursantrags ausnahmsweise entfallen (vgl auch BAG AP Nr 30 zu § 7 BetrAVG = NZA 1986, 826, 828).

3. Etwas anderes ergibt sich für den Kläger nicht aus dem Recht der Europäischen Union. Die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, gilt nach ihrem Art 4 nur für Rechtsvorschriften über Zweige der Sozialen Sicherheit, die die dort genannten Leistungsarten betreffen. Kaug bzw Leistungen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gehören dazu nicht. Auch aus der Richtlinie des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG), die für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, nur hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich ist, den innerstaatlichen Stellen aber die Wahl der Form und der Mittel überläßt (vgl Art 189 Abs 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, jetzt Art 249 Abs 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - Amsterdamer Fassung -), läßt sich ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, die von der Bundesrepublik Deutschland geschaffene Garantieeinrichtung, nicht ableiten. Zweifelhaft ist schon, ob Deutschland nach den Richtlinien verpflichtet ist, Leistungen zum Ausgleich bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorzusehen, wenn gegen den Arbeitgeber ein Konkursverfahren mangels Zuständigkeit eines deutschen Insolvenzgerichts nicht stattfinden kann. Denn nach Art 2 der Richtlinie gelten nur solche Arbeitgeber als zahlungsunfähig, für die nach den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates ein Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung vorgesehen ist (vgl dazu EuGHE 1995 I 3843, 3861, 3866 f = EAS C RL 80/987/EWG Art 2 Nr 1). Die Richtlinie enthält auch keine andere Bestimmung, derzufolge der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer wohnt oder in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausgeübt hat, im Falle des Klägers also Deutschland, für den Schutz des Arbeitnehmers durch seine Garantieeinrichtung zu sorgen hätte. Zwar erfaßt die Richtlinie trotz des Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen nach ihrer Zielsetzung auch Ansprüche von Arbeitnehmern, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung ihres Arbeitgebers wohnen und ihre Berufstätigkeit ausgeübt haben. Nach der Systematik der Richtlinie ist in diesen Fällen jedoch die Garantieeinrichtung des Staates zuständig, in dessen Gebiet gemäß Art 2 Abs 1 der Richtlinie entweder die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen oder die endgültige Stillegung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt worden ist (EuGHE 1997 I 5017, 5042, 5046 ff = EAS C RL 80/987/EWG Art 3 Nr 1 = NZA 1997, 1155 f). Mit Rücksicht auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Frankreich bedeutet dies ebenfalls, daß es nicht Sache Deutschlands ist, für den Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit eines französischen Arbeitgebers zu sorgen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß abweichend von Art 2 Abs 1 nach Art 3 der Richtlinie die Garantieeinrichtung des Staates, in dem die Arbeitnehmer ihre Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt haben, zuständig ist, wenn dort eine Zweigniederlassung errichtet worden war (EuGH Urteil vom 16. Dezember 1999 - C 198/98 - SozR 3-6084 Art 3 Nr 1 = ZIP 2000, 89 ff). Denn zu der beabsichtigten Zweigniederlassung des Arbeitgebers in Deutschland ist es nicht mehr gekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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