B 11 AL 101/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 101/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 1999 wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) infolge eines länger als drei Wochen andauernden Auslandsaufenthalts fortgefallen ist.

Der Kläger bezog von der Beklagten seit Januar 1997 Alg (Bescheid vom 22. Januar 1997). Er teilte dem Arbeitsamt (ArbA) vorab mit, er beabsichtige, sich vom 16. September 1997 bis 17. Oktober 1997 wegen eines Familienbesuches auswärtig aufzuhalten und erklärte, er werde dies auch dann tun, wenn die Verfügbarkeit nur für einen kürzeren Zeitraum anerkannt werden könne. Er sei darüber informiert, daß die Zahlung von Leistungen von dem Zeitpunkt an eingestellt werde, von dem an die Verfügbarkeit wegfalle. Die Beklagte stellte daraufhin fest, daß die Ortsabwesenheit des Klägers dessen Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nur in den ersten drei Wochen nicht entgegenstehe.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 1997 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom gleichen Tag auf, da die Verfügbarkeit des Klägers für die Arbeitsvermittlung wegen dessen Ortsabwesenheit fortgefallen sei (§§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 3 Aufenthalts-Anordnung (Aufenthalts-AnO), § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 152 Abs 3 AFG). Ab dem 18. Oktober 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger wieder Alg. Der Leistungsbezug endete am 19. April 1998 mit Aufnahme einer Beschäftigung.

Das Klageverfahren verlief erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen (SG) vom 12. November 1998). Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der Aufhebungsbescheid der Beklagten sei rechtmäßig, weil ab 7. Oktober 1997 eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 SGB X eingetreten sei. Wegen der fortdauernden Ortsabwesenheit sei der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verfügbar (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG) gewesen. Nur bis zum 6. Oktober 1997 komme ihm die Ausnahmevorschrift des § 3 Aufenthalts-AnO zugute, nach der ein auswärtiger Aufenthalt für drei Wochen im Jahr der Verfügbarkeit nicht entgegenstehe, wenn zuvor vom ArbA festgestellt worden sei, daß eine Beeinträchtigung der Vermittlung nicht vorliege. Diese Vorschrift sei nicht zu beanstanden und von der Ermächtigungsgrundlage § 103 Abs 5 Satz 1 und 2 AFG gedeckt. Weder habe die Bundesanstalt für Arbeit (BA) als Anordnungsgeber die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten noch verstoße § 3 Aufenthalts-AnO gegen höherrangiges Recht oder allgemeine Rechtsgrundsätze. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), welches ab 1. Januar 1995 eine Mindesturlaubsdauer von vier Wochen festlege, sei im Arbeitsförderungsrecht nicht unmittelbar anwendbar und entfalte auch keine zwingende Ausstrahlung auf andere Rechtsgebiete. Aufgrund der ihm erteilten Belehrung habe der Kläger auch gewußt, daß sein Leistungsanspruch ab 7. Oktober 1997 wegfallen werde.

Die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Beschluss vom 16. Februar 1999 (§ 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zurückgewiesen. Das Urteil des SG sei zutreffend. Ergänzend hat das LSG ausgeführt: Für den von dem Kläger entsprechend der nach dem BUrlG geltenden Mindesturlaubsdauer geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von der Verfügbarkeit für die Dauer von vier Wochen fehle es an einer Rechtsgrundlage. Das BUrlG sei weder direkt anwendbar noch die BA als Anordnungsgeber verpflichtet, die dort getroffene Regelung zum Mindesturlaub zu berücksichtigen. Bereits bei Einführung der Freistellung von der Verfügbarkeit im Jahre 1975 habe in zeitlicher Hinsicht keine Übereinstimmung zwischen dem BUrlG (damals: 18 Werktage) und dem Arbeitsförderungsrecht (damals: idR zwei Wochen) bestanden. Auch bei einem ähnlichen Erholungsbedürfnis beider Personengruppen dürfe bei einem Vergleich der Mindestzeiten nicht unberücksichtigt bleiben, daß Arbeitslose - im Gegensatz zu Arbeitnehmern - in der Lage sein sollten, auf Stellenangebote unverzüglich zu reagieren. Im übrigen sei nicht zwingend, daß dem Erholungsbedürfnis des Arbeitslosen nur mit einer dem Mindesturlaub für Arbeitnehmer nach dem BUrlG entsprechenden Freistellung von der Verfügbarkeit Rechnung getragen werden könne. Jedenfalls sei aus dem BUrlG kein verfassungsrechtliches Gebot herzuleiten, daß Arbeitslose in zeitlicher Hinsicht dieselben Vorteile wie Arbeitnehmer in Anspruch nehmen dürften.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger, daß § 3 Aufenthalts-AnO in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung gegen § 191 Abs 3 AFG verstoße, hilfsweise iVm § 103 Abs 5 AFG die Art 2 und 6 Grundgesetz (GG) verletze. Nach § 191 Abs 3 AFG seien Anordnungen der BA geänderten Verhältnissen alsbald anzupassen. Die BA habe diese Vorschrift dadurch verletzt, daß sie die Aufenthalts-AnO nicht zum 1. Januar 1995 parallel zu den Änderungen des BUrlG angepaßt habe. Der Gesetzgeber selbst habe für Arbeitnehmer ein Mindesturlaubsbedürfnis von vier Wochen als angemessen anerkannt und gesetzlich geregelt. Da Arbeitslose nur "vorübergehend" nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stünden und nur deshalb nicht unmittelbar als Arbeitnehmer anzusehen seien, sei das Ermessen der Beklagten diesbezüglich auf Null geschrumpft. Die Beklagte habe außerdem insoweit von der Anordnungsermächtigung (§ 103 Abs 5 AFG) nicht in angemessener Weise Gebrauch gemacht, als sie dem verfassungsrechtlichen Schutz von Art 2 und 6 GG nicht ausreichend Rechnung getragen habe. Das Persönlichkeitsrecht auf freie Entfaltung und Teilhabe des Arbeitslosen an der Gesellschaft sowie an seinen Wohlstandserzeugnissen werde nicht angemessen berücksichtigt. Fraglich sei auch, ob dem Schutz der Familie nach Art 6 GG Rechnung getragen werde, denn letztlich leide die gesamte Familie an der Unterschreitung des durch § 3 BUrlG allgemein anerkannten Mindestbedürfnisses an sozialer Teilhabe an der Gesellschaft, wenn sie den Arbeitslosen nicht innerhalb des Familienverbandes sozial isolieren wolle. Der Mindeststandard des BUrlG sei der Maßstab dessen, was als angemessen anzusehen sei. Auch Arbeitslose brauchten Gelegenheit zur Regeneration ihrer Arbeitskraft. Dies gelte um so mehr, als Arbeitslose nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) verpflichtet seien, sich aktiv um die Beendigung ihrer Arbeitslosigkeit zu bemühen (§§ 118, 119 SGB III). Deshalb dürften sie zulässig nicht auf einen geringeren Zeitraum der Freistellung als Arbeitnehmer verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12. November 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, der Drei-Wochen-Zeitraum des § 3 Aufenthalts-AnO sei nicht in Anlehnung an die bis 1994 geltende Fassung des BUrlG gewählt worden, sondern trage dem Umstand Rechnung, daß eine hinreichend sichere Prognose bzgl des Ausschlusses einer Beeinträchtigung der Vermittlung durch die Ortsabwesenheit nur bis zum Ablauf dieser Dauer möglich sei. Jede Verlängerung des Zeitraumes würde die Prognose erschweren. Sollten die Vorschriften des BUrlG auch auf Arbeitslose erstreckt werden, stelle sich die Frage nach der Übertragbarkeit weiterer Rechtsvorschriften (zB Sonderurlaubsverordnung für Beamte, Vermögensbildungsgesetz etc). Daß in § 3 Abs 1 der seit 1. Januar 1998 geltenden Erreichbarkeits-Anordnung nicht mehr das "Jahr", sondern das "Kalenderjahr" als Anknüpfungspunkt für den Prognosezeitraum herangezogen werde, sei kein Indiz für eine Annäherung an das BUrlG, sondern diene der Erleichterung des Verwaltungsverfahrens. Die Dauer der Entbindung von der Verfügbarkeit sei im übrigen nicht entscheidend für die Teilhabe des einzelnen an der Gesellschaft oder für eine mögliche Isolation innerhalb der Familie. Auch Beschäftigte könnten den Mindesturlaub von vier Wochen nicht nach Belieben und immer in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

II

Die Revision des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 SGG). Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage gegen die Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit ab 7. Oktober 1997 abgewiesen, denn der Aufhebungsbescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Alg.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsgewährung ist § 152 Abs 3 AFG idF des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X. Hiernach ist - soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist - der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wußte oder grob fahrlässig nicht wußte, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Diese Voraussetzungen sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG erfüllt. Eine Änderung in den Verhältnissen, die bei Bewilligung des Alg vorgelegen haben, ist insofern eingetreten, als der Kläger in der Zeit vom 7. bis 17. Oktober 1997 aufgrund seines Familienurlaubs ortsabwesend war. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist auch wesentlich, weil durch die Ortsabwesenheit die Verfügbarkeit des Klägers für die Arbeitsvermittlung entfallen ist und dieser in dem genannten Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg nicht erfüllt.

Der Anspruch auf Alg setzt nach § 100 Abs 1 AFG ua voraus, daß der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach § 103 Abs 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr 1 - objektive Verfügbarkeit), zur Aufnahme derartiger Beschäftigungen und zur Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Bildung und Rehabilitation bereit ist (Nr 2 - subjektive Verfügbarkeit) sowie das ArbA täglich aufsuchen kann und für das ArbA erreichbar ist (Nr 3 - Erreichbarkeit). Das Tatbestandsmerkmal der Erreichbarkeit wurde durch Art 1 Nr 31 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) erstmals geregelt, war jedoch schon zuvor von der Rechtsprechung als Element der Verfügbarkeit anerkannt. Aufgrund der ebenfalls durch das 5. AFG-ÄndG geschaffenen Ermächtigung des § 103 Abs 5 AFG hat der Verwaltungsrat der BA in der Aufenthalts-AnO vom 3. Oktober 1979 (ANBA 1979, 1388) idF der 3. Änd-AnO vom 24. März 1993 (ANBA 193, 769) die Anforderungen an die Erreichbarkeit des Arbeitslosen konkretisiert. Nach § 1 Satz 1 Aufenthalts-AnO muß das ArbA den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des ArbA maßgeblichen Anschrift erreichen können. Nach der Rechtsprechung des BSG bedeutet dies, daß der Arbeitslose unter der von ihm angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich angetroffen werden kann (BSGE 58, 104, 106 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9; Urteil vom 2. März 2000 - B 7 AL 8/99 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Denn nur dann ist der Arbeitslose objektiv in der Lage, etwaigen Vermittlungsbemühungen des ArbA zeitlich und örtlich sachgerecht nachzukommen.

Eine Ausnahme vom Erfordernis, sich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der benannten Anschrift aufzuhalten, enthält § 3 Aufenthalts-AnO. Für den Fall, daß sich der Arbeitslose nicht am Wohnort oder im Nahbereich des ArbA aufhält, bestimmt diese Regelung, daß die Ortsabwesenheit der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung bis zu drei Wochen im Jahr nicht entgegensteht, wenn vorher vom ArbA festgestellt wurde, daß dadurch in dieser Zeit die Arbeitsvermittlung nicht beeinträchtigt wird. Eine derartige Feststellung hat der zuständige Arbeitsvermittler in Übereinstimmung mit den zeitlichen Grenzen des § 3 Aufenthalts-AnO nur für die ersten drei Wochen der Ortsabwesenheit des Klägers - nicht aber für die vierte Woche - getroffen. Überschreitet die Ortsabwesenheit des Arbeitslosen den Zeitraum, für den das ArbA festgestellt hat, daß mit einer Vermittlung voraussichtlich nicht zu rechnen ist, so ist er nicht mehr verfügbar iS von § 103 AFG. Denn mit Ablauf dieser Zeit kommt der Zweck der sog "Residenzpflicht" des Arbeitslosen wieder zur Geltung. Zweck der "Residenzpflicht" ist es, im Interesse der Versichertengemeinschaft dem Vorrang der Vermittlung in Arbeit vor der Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (§ 5 AFG) Geltung zu verschaffen (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9). Der Arbeitslose soll grundsätzlich nur dann Leistungen erhalten, wenn er ohne Verzug jede zumutbare Beschäftigung aufnehmen kann. § 3 Aufenthalts-AnO sieht nur insofern eine Ausnahme vor, als die Verfügbarkeit für einen begrenzten Zeitraum fingiert werden kann, wenn vorher festgestellt wurde, daß eine Ortsabwesenheit die Vermittlung voraussichtlich nicht beeinträchtigen wird. Der Arbeitslose hat demzufolge keinen Anspruch auf Freistellung von der Verfügbarkeit bzw die Genehmigung einer Ortsabwesenheit durch das ArbA (unabhängig von deren Dauer). Er kann nur verlangen, daß das ArbA prüft, ob die Vermittlungsaussichten durch die Abwesenheit beeinträchtigt werden, dh ob zumutbare Stellenangebote vorliegen oder aller Voraussicht nach bis zum Ende des geplanten Urlaubs eingehen werden (Steinmeyer in Gagel AFG, § 103 RdNr 209; Mutschler SGb 1992, 6, 8). Gegenstand der vom ArbA zu treffenden Prognoseentscheidung ist allein die Frage der möglichen Beeinträchtigung der Vermittlungschancen.

Der Kläger kann auch nicht geltend machen, daß die in § 3 Aufenthalts-AnO festgelegte Höchstdauer der genehmigungsfähigen Ortsabwesenheit von drei Wochen gegen die Regelungen des BUrlG, gegen Verfassungsrecht oder die Anpassungspflicht nach § 191 Abs 3 AFG verstößt.

Das BUrlG ist auf Bezieher von Leistungen nach dem AFG nicht unmittelbar anwendbar. Nach § 2 BUrlG erstreckt sich der Geltungsbereich des Gesetzes auf Arbeiter, Angestellte und zur Berufsausbildung Beschäftigte sowie auf arbeitnehmerähnliche Personen. Allerdings weist die Revision mit Recht darauf hin, daß es sich nach § 101 Abs 1 Satz 1 AFG bei Arbeitslosen um Arbeitnehmer handelt, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausüben. Gleichwohl ergibt sich aus den Regelungen des BUrlG, daß nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch nach diesem Gesetz begründen kann. Dies folgt etwa aus der Regelung in § 5 Abs 1 BUrlG, wonach nur ein Arbeitsverhältnis, das wenigstens einen vollen Monat andauert, einen Teilurlaubsanspruch auslöst (Dörner in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 1 BUrlG RdNr 21).

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist es auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß § 103 Abs 5 AFG iVm § 3 Aufenthalts-AnO eine Ausnahme von dem Erfordernis der Verfügbarkeit lediglich für einen Zeitraum von bis zu drei Wochen im Jahr zuläßt, während die Mindestdauer des Urlaubs für Arbeitnehmer mindestens 24 Werktage beträgt.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Art 3 Abs 1 GG enthält die allgemeine Weisung "Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden" zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135; 18, 38, 46 = SozR Nr 54 zu Art 3 GG). Dabei liegt es grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleichbehandelt ansehen will. Allerdings muß er die Auswahl sachgerecht treffen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur stets in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts (BVerfGE 75, 108, 157; stRspr). Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn hierfür nach Art und Gewicht entsprechende Unterschiede vorliegen (BVerfGE 63, 255, 262; 88, 5, 12), wobei die unterschiedliche Behandlung und der sie rechtfertigende Grund in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (BVerfGE 82, 126, 146 ff; Urteil vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 - ua).

Eine verfassungsrechtlich erhebliche Ungleichbehandlung läßt sich nicht bereits mit der Begründung verneinen, daß Arbeitnehmer und Leistungsbezieher keine geeigneten Vergleichsgruppen seien, weil sie unterschiedlichen rechtlichen Ordnungsbereichen (vgl etwa BVerfGE 11, 283, 293; 40, 121, 139 f), die verschiedenen Prinzipien folgen, angehören. Zwar unterscheidet sich die Regelung über die Ortsabwesenheit von Arbeitslosen sowie über den Mindesterholungsurlaub von Arbeitnehmern nach Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang und Zweck grundlegend. Gleichwohl ergibt sich eine Vergleichbarkeit der beiden Personengruppen dadurch, daß Arbeitslosen wie Arbeitnehmern ein ähnliches Bedürfnis auf Freistellung von Bindungen zuzubilligen ist (vgl schon BSGE 44, 188, 191 = SozR 4100 § 103 Nr 8).

Die unterschiedliche Behandlung von erwerbstätigen Arbeitnehmern und Leistungsbeziehern verletzt die zu Art 3 GG entwickelten Maßstäbe nicht, denn es liegen hinreichende sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung vor. § 3 Abs 1 BUrlG legt in Übereinstimmung mit Art 7 Abs 1 der Richtlinie 93/104/EG den Mindesturlaub für Arbeitnehmer - dh eine Teilgruppe der Erwerbstätigen - fest. Überwiegend aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit zu schützen (§§ 612, 618 Bürgerliches Gesetzbuch), wird abgeleitet, daß jeder Arbeitnehmer einmal im Jahr unter Fortzahlung seiner Vergütung eine bestimmte Zeit von der Leistungspflicht freigestellt werden muß (Dersch/Neumann, Bundesurlaubsgesetz, 8. Aufl 1997, § 1 RdNr 1). Es handelt sich dabei um eine gesetzlich festgelegte Mindestleistung des Arbeitgebers, die unabhängig von einem konkreten individuellen oder abstrakten Erholungsbedürfnis zu erbringen ist. Das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers wird nach § 1 BUrlG vielmehr unwiderleglich vermutet. Zweck des Erholungsurlaubs ist primär die Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers. Hierdurch soll gewährleistet werden, daß dieser dauerhaft in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung gegenüber seinem Arbeitgeber zu erbringen. Der Erholungsurlaub dient damit auch dem Interesse des Arbeitgebers an einer ordentlichen Erfüllung des Arbeitsvertrags und der Erbringung der vertragsmäßigen Leistung im Rahmen des vereinbarten Dauerschuldverhältnisses.

Demgegenüber folgen das Arbeitsförderungsrecht im allgemeinen und die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg im besonderen einer anderen Systematik und verfolgen andere Zwecke als das für Arbeitnehmer geltende Urlaubsrecht. Empfänger von Leistungen nach dem AFG unterscheiden sich von Arbeitnehmern gerade dadurch, daß sie aktuell in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und regelmäßig auch keiner sonstigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie können daher von der Pflicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung nicht freigestellt werden. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und beginnendem Leistungsbezug unterfallen Arbeitslose nicht mehr dem Arbeitsrecht, sondern wechseln zum Arbeitsförderungsrecht als einem anderen rechtlichen Ordnungssystem. Sie stehen nicht mehr in einem auf Gegenseitigkeit beruhenden vertraglichen Austauschverhältnis, sondern erhalten Leistungen aus einem zur Abdeckung des Risikos der Arbeitslosigkeit geschaffenen sozialen Versicherungssystem. Zu den Zielen des AFG gehört ua die Erreichung und Erhaltung eines hohen Beschäftigungsgrades (§ 1 AFG) sowie die Vermeidung und Verkürzung von Arbeitslosigkeit (§ 2 Nr 1 AFG). § 5 AFG legt den Vorrang der Vermittlung und Bildungsförderung vor dem Bezug von Leistungen ausdrücklich fest. Diesen Zielbestimmungen folgend verlangt § 103 AFG von Leistungsempfängern, grundsätzlich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen und ortsanwesend zu sein. Denn nur dann besteht die Möglichkeit, daß Arbeitslose auf Vermittlungsbemühungen des ArbA in der gebotenen Zeit reagieren können. Ein "Urlaubsanspruch" der Arbeitslosen stünde diesem Zweck einer schnellstmöglichen Vermittlung in Arbeit zur Beendigung des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit grundsätzlich entgegen. Schon insofern unterscheidet sich das Arbeitsförderungsrecht vom Urlaubsrecht. Die in § 3 Aufenthalts-AnO normierte Möglichkeit der Freistellung von der Verfügbarkeit, steht demgemäß unter dem generellen Vorbehalt, daß eine Beeinträchtigung der Vermittlungschancen voraussichtlich nicht eintritt.

Dieser unterschiedlichen Zweckbestimmung folgend weicht § 3 Aufenthalts-AnO nicht nur in zeitlicher Hinsicht von § 3 Abs 1 BUrlG ab, vielmehr unterscheiden sich beide Freistellungsmöglichkeiten auch in ihrer näheren Ausgestaltung deutlich. So kennt das Arbeitsförderungsrecht keine Wartezeit, die ein Arbeitsloser zurücklegen muß, bevor ihm erstmals eine Freistellung von der Verfügbarkeit gewährt werden kann. Demgegenüber setzt das Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs nach § 4 BUrlG eine Wartezeit von sechs Monaten voraus und gibt den Arbeitnehmern bei Nichterfüllung dieser Voraussetzung einen Anspruch auf einen anteilsmäßig gekürzten Teilurlaub (§ 5 BUrlG). Während im Urlaubsrecht ein Entstehen von Doppelansprüchen bei Wechsel des Arbeitgebers dadurch verhindert werden soll, daß der für das laufende Kalenderjahr von einem früheren Arbeitgeber gewährte Urlaub angerechnet wird (§ 6 Abs 1 BUrlG), kennt das AFG eine derartige Anrechnung nicht. Unabhängig von der Höhe zuvor erhaltenen Erholungsurlaubs können alle Arbeitslosen für maximal drei Wochen im Jahr von der Verfügbarkeit freigestellt werden.

Auch im Hinblick auf die zeitliche Lage des "Urlaubs" unterscheiden sich Urlaubs- und Arbeitsförderungsrecht wesentlich. Nach § 7 Abs 1 BUrlG sind die Wünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu berücksichtigen und mit entgegenstehenden dringenden betrieblichen Belangen abzuwägen. Kann der Urlaub nicht zusammenhängend gewährt werden, haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen zusammenhängenden Urlaub von mindestens 12 Werktagen (§ 7 Abs 2 BUrlG). Eine entsprechende Interessenabwägung findet im Bereich des AFG nicht statt. Hier kommt der Vorrang der Vermittlung nach § 5 AFG vielmehr uneingeschränkt zur Geltung. Bei der Prognose nach § 3 Aufenthalts-AnO sind allein die voraussichtlichen Vermittlungschancen zu berücksichtigen. Ist eine Prognose nur für einen kürzeren Zeitraum möglich, kann der Arbeitslose auch nicht verlangen, für einen durchgehenden Zeitraum von drei Wochen von der Verfügbarkeit freigestellt zu werden. Dies entspricht im übrigen der Ermächtigungsnorm für das Anordnungsrecht, denn nach § 103 Abs 5 Satz 2 AFG können Ausnahmen von dem Erfordernis der Erreichbarkeit nur zugelassen werden, "wenn dadurch die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung nicht beeinträchtigt wird".

Schließlich weist die Beklagte mit Recht darauf hin, daß das Anordnungsrecht im Interesse der Verwaltungspraktikabilität auf Regelungen verzichtet, wie sie das BUrlG zB zum Teilurlaub (§ 5 BUrlG), zum Ausschluß von Doppelansprüchen bei der Tätigkeit für zwei Arbeitgeber (§ 6 BUrlG) sowie zur Übertragung von Urlaub auf das nächste Kalenderjahr enthält. Bei einer Übertragung der Anforderungen des Urlaubsrechts an den gesetzlichen Mindesturlaub läge es nahe, auch auf die vorgenannten Aspekte Rücksicht zu nehmen und zB den während des Arbeitsverhältnisses gewährten Urlaub bei der Freistellung von der Verfügbarkeit zu berücksichtigen. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand bei Arbeitsämtern und Arbeitgebern wird durch die Regelungen der Aufenthalts-AnO vermieden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß gerade das Fehlen einer Regelung über den Ausschluß von Doppelansprüchen sich für den Arbeitslosen im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit günstig auswirken kann. Im übrigen bietet der vorliegende Sachverhalt keine Veranlassung zur Entscheidung der Frage, ob das Anordnungsrecht auch dem Freistellungsbedürfnis derjenigen Arbeitslosen hinreichend Rechnung trägt, die bereits seit längerer Zeit nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis standen.

Darin, daß das AFG mangels Verfügbarkeit einen Anspruch auf Alg auch dann verneint, wenn sich ein Arbeitsloser aus familiären Gründen - wie hier zum Zwecke eines Familienurlaubs - auswärtig aufhält, liegt entgegen der Auffassung der Revision auch keine Verletzung von Art 6 GG. Ein Eingriff, welcher Ehe und Familie des Klägers schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen könnte, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Vorschriften der §§ 100, 103 AFG zur Verfügbarkeit beeinträchtigen den Schutzbereich des Art 6 GG nicht, denn sie regeln lediglich die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung der Sozialleistung Alg, greifen aber nicht in den Schutzbereich dieser Institutionen ein (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9 S 50; zum Schutzbereich von Art 6 GG vgl ferner BVerfGE 6, 55, 76; 55, 114, 126 f = SozR 2200 § 1302 Nr 4). Auch eine Beeinträchtigung von Art 2 Abs 1 GG liegt nicht vor (vgl BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9 mwN).

Aus dem Vorstehenden folgt, daß eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse, die den Verwaltungsrat nach § 191 Abs 3 AFG bzw das Bundesministerium für Arbeit nach § 191 Abs 5 AFG zu einer Anpassung des Anordnungsrechts hätte veranlassen müssen, allein durch die Änderung des BUrlG nicht eingetreten ist. Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Klärung, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß der Verwaltungsrat die Anordnungen "alsbald" geänderten Verhältnissen anzupassen hat.

Da der Kläger in der vierten Woche seiner Abwesenheit, dh ab 7. Oktober 1997 nicht die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG erfüllte, haben sich schon aus diesem Grunde die für die Bewilligung von Alg maßgeblichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 SGB X geändert. Deshalb ist eine Prüfung, ob die sonstigen Merkmale der Verfügbarkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht ebenfalls entfallen sind, entbehrlich. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X sind gegeben, denn der Kläger wußte nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG, daß sein Anspruch auf Gewährung von Alg entfällt, wenn er seine Urlaubsreise über den Zeitraum hinaus ausdehnt, für den vom ArbA die Verfügbarkeit trotz Ortsabwesenheit anerkannt wurde.

Nach alledem erweist sich das Urteil des LSG als rechtsfehlerfrei. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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