S 7 KR 273/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 273/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2002 verurteilt, die Kosten für die LDL-Apheresebehandlung des Klägers über den 31.10.2001 hinaus zu übernehmen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Umstritten ist die Kostenübernahme für eine regelmäßige maschinelle Blutreinigung mittels LDL-Apherese.

Der im Jahre 1949 geborene Kläger litt seit Ende der 80iger Jahre unter einer Herzerkrankung in Form einer dilatativen Kardiomyopathie. Außerdem bestand nach den Angaben des behandelnden Arztes, des sachverständigen Zeugen Dr. C, eine Hyperlipidämie (d.h. eine Erhöhung der Blutfettwerte). Im Laufe der Zeit kam es zu einer Zunahme der Herzinsuffizienz und begleitend einer akuten Niereninsuffizienz. Ferner traten bösartige Herz-Rythmus-Störungen auf. Vor diesem Hintergrund wurde die Indikation für eine Herztransplantation bei dem Kläger gesehen, die am 08.10.1992 erfolgreich durchgeführt wurde. Nach der Transplantation bestand die Niereninsuffizienz weiter fort. Ferner kam es zu der Ausbildung einer sogenannten Graftarterosklorose bzw. Transplantatvaskulopathie (TVP). Hierbei handelt es sich um eine fortschreitende Erkrankung der Koronararterien des transplantierten Herzens, die mit entzündlichen Veränderungen und insbesondere durch Fettablagerung hervorgerufenen Verengungen der Gefäße einhergeht. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind wissenschaftlich nicht geklärt. Diskutiert wird ein multifaktorielles Geschehen aus Virusinfektion und einem erhöhten LDL-Spiegel. LDL ist die Abkürzung für das englische Wort: Low-Density-Lipoprotein. Es handelt sich dabei um Eiweißmoleküle, in die bestimmte sog. Plasmalipide (Blutfette) insbesondere in Form von Cholesterol (= Cholesterin) bzw. Cholesterolester eingelagert sind. Neben der TVP lagen bei dem Kläger längere Zeit nach der Transplantation durchgehend stark erhöhte LDL-Werte vor.

Zur Senkung des LDL-Spiegels im Blut gibt es verschiedene medikamentöse bzw. medizintechnische Möglichkeiten. Was die Entwicklung von Arzneimitteln betrifft, gibt es seit Mitte der 90iger Jahre die Wirkstoffgruppe der ”Statine", mit denen der LDL-Spiegel im Blut abgesenkt werden kann. Daneben existieren neuerdings auch sogenannte Cholesterinreduktionshemmer (CSE). Aus medizintechnischer Sicht steht die Methode der LDL-Apherese zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren der extrakorporalen Blutreinigung (ähnlich der Dialysebehandlung), bei dem das Blut in der Regel in seine zellulären und plasmatischen Komponenten (rote Blutzellen, weiße Blutzellen, Blutplättchen und Blutplasma) aufgetrennt wird und Komponenten bzw. Teile davon aus dem Blut entfernt werden. Hierzu gibt es wiederum unterschiedliche Methoden. Eine dieser Methoden ist die Heparin-induzierte extrakorporale LDL-Präzipitation (HELP). Im Rahmen der HELP-Apherese wird mittels Heparingabe und einer pH-Wert-Senkung, die Ausfällung von Heparin-Protein-Komplexen bedingt, was im Ergebnis auch zu einer Senkung des LDL-Spiegels führt.

Die Anwendung der LDL-Apherese ist im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erlaubt, nachdem sie aufgrund einer Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in die Anlage A: Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden der BUB-Richtlinien aufgenommen wurde. Unter Ziffer 1. der Anlage A der BUB-Richtlinien sind in den dortigen §§ 1 bis 8 Einzelheiten zu den Voraussetzungen und dem Umfang der Anwendung der LDL-Apherese in der vertragsärztlichen Versorgung geregelt. Durch Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 24.03.2003 (Veröffentlichung im Bundesanzeiger 08.07.2003) wurden die Voraussetzungen, unter denen die Anwendung der LDL-Apherese in der vertragsärztlichen Versorgung erlaubt ist, geändert. Hinsichtlich des genauen Wortlautes der jeweiligen Fassung der Anlage A Ziffer 1 der BUB-Richtlinien wird auf Bl. 23/24 und 144 bis 147 der Gerichtsakte Bezug genommen. Danach kommt die Anwendung der LDL-Apherese nur bei Vorliegen bestimmter Indikationen und nach Genehmigung der Krankenkasse, die dabei von einer Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unter Mitwirkung fachkundiger Ärzte des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) beraten wird, in Betracht.

Bei dem Kläger wurde seit 1995 mit entsprechender Genehmigung der Beklagten etwa einmal wöchentlich eine LDL-Apherese nach dem HELP-Prinzip zur Behandlung seiner TVP durchgeführt. Für die Behandlung entstanden Kosten in Höhe von derzeit ca. 1.000,- EUR wöchentlich, die von der Beklagten seit Beginn der Behandlung laufend getragen wurden. Zuletzt erteilte sie eine Genehmigung zur Durchführung der LDL-Apherese bei dem Kläger bis einschließlich Oktober 2001. In seiner Sitzung vom 03.09.2001 kam die Beratungskommission der KV und des MDK zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Teilnahme des Klägers an dem LDL-Programm trotz der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten mit konservativen Mitteln infolge einer chronischen Niereninsuffizienz nicht vorlägen, da die Präapherese-Werte des LDL-Cholesterins durchschnittlich geringer als 100 mg/dl gewesen seien. Darüber hinaus habe deutliches Übergewicht bestanden. Gegen diese Beurteilung wandte sich der bei dem L-Krankenhaus beschäftigte sachverständige Zeuge Dr. C, der die LDL-Apherese bei dem Kläger regelmäßig durchführt. Er machte geltend, der komplikationslose Verlauf in der Vergangenheit sei auf die konsequente LDL-Senkung zurückzuführen. Hierzu gebe es aktuelle positive wissenschaftliche Studien. Auch die Beratungskommission habe die Sinnhaftigkeit der Behandlung in der Vergangenheit immer anerkannt. Erst in jüngerer Zeit seien in 10 von 10 Fällen, die durch das L-Krankenhaus betreut würden, negative Beurteilungen abgegeben worden. Für diesen Sinneswandel gebe es keine sachlich-medizinische Begründung. Eine Beendigung der LDL-Apherese-Behandlung bei dem Kläger würde zu seiner unmittelbaren Gefährdung führen.

Mit Bescheid vom 02.11.2001 lehnte die Beklagte die weitere Kostenübernahme für die LDL-Apherese bei dem Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung der Beratungskommission ab. Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und legte zur Begründung eine Stellungnahme des Prof. Dr. T von der Uni-Klinik N vor, wonach für Patienten mit TVP keine Behandlungsalternative zur Verfügung stehe und mit der Entscheidung der Beratungskommission die Lebenserwartung solcher Patienten negativ beeinflusst werde. Im Dezember 2001 kam die Beratungskommission der KV nach erneuter Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Anlage A der BUB-Richtlinien die Anwendung der LDL-Apherese bei Patienten mit TVP nach Herztransplantation nicht erfasse. Eine Begründung für diese Beurteilung gab sie gegenüber der Beklagten, auch auf deren konkrete Nachfrage hin, nicht.

Am 30.07.2002 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Duisburg die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich der weiteren Kostenübernahme durch die Beklagte. Mit Beschluss des Gerichtes vom 18.09.2002 (Az. S 7 KR 210/02 ER) wurde die Beklagte verpflichtet, die Kosten für die Behandlung des Klägers mittels LDL-Apherese für weitere sechs Monate zu übernehmen. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig. Im weiteren Verlauf erklärte sich die Beklagte bereit, die Behandlung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu finanzieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2002 wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog sie sich erneut auf die Stellungnahme der Beratungskommission der KV, wonach auch nach nochmaliger Überprüfung die Voraussetzung des § 3 der Anlage A 1 der BUB-Richtlinien in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung nicht vorlägen. Es sei beabsichtigt, eine endgültige Klärung herbeizuführen. Bei dem derzeitigen Sachstand sei eine positive Entscheidung nicht möglich.

Am 23.09.2002 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Klagebegründung verweist er im Wesentlichen auf die bereits im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten Bescheinigungen mit den Ausführungen des Zeugen Dr. Braun sowie des Prof. Dr. T. Ergänzend nimmt er Bezug auf eine weitere Bescheinigung des Zeugen Dr. C vom 23.07.2002, wonach sich unter der LDL-Apherese-Behandlung nach 1995 ein gutes Absenken der Cholesterinwerte habe erreichen lassen. Schon im November 1996 habe sich mittels einer Herzkatheteruntersuchung eine deutliche Besserung der coronaren Gefäßsituation feststellen lassen. Im Oktober 2001 hätten die Cholesterinwerte bei 165 mg/dl und die LDL-Cholesterinwerte bei 67 mg/dl gelegen. Ohne Apheresebehandlung müsse von einem Wiederansteigen dieser Werte auf ein ähnliche Niveau wie vor Behandlungsbeginn ausgegangen werden. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass er einen Anspruch auf durchgehende Kostenübernahme für die Apheresebehandlung habe, weil die Behandlung zur Krankheitsbekämpfung medizinisch notwendig sei. Alternative – insbesondere medikamentöse – Behandlungsmöglichkeiten bestünden wegen Medikamentenunverträglichkeit bzw. chronischer Niereninsuffizienz nicht. Ein kurzzeitiger Abbruch der Behandlung habe zu einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Form des Ansteigens der Cholesterinwerte geführt. Schließlich beruft er sich auf eine Entscheidung des Sozialgerichtes Düsseldorf (Az: S 4 KR 235/02 ER), wonach die in § 2 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien vorgesehene vorherige Genehmigung der Apherese-Behandlung rechtswidrig sei. Im Übrigen komme es auf die Frage, ob eine Indikation entsprechend der Anlage A zu den BUB-Richtlinien vorliege, nicht an, weil hier ein Anspruch aufKostenübernahme schon nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum sog. ”Off-label-use" bestehe.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2002 zu verurteilen, die Kosten für die LDL-Apheresebehandlung des Klägers auch nach dem 31.10.2001 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid sowie auf eine Stellungnahme des Zeugen Dr. T vom 17.11.2003 für den MDK. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe nach erneuter Beratung die Behandlungsmethode der LDL-Apherese bei TVP ausdrücklich ausgeschlossen, weil kein hinreichender Nachweis der Wirksamkeit bei dieser Indikation vorliege.

Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes unter dem 15.01.2003 bzw. 14.05.2004 Befundberichte bei dem sachverständigen Zeugen Dr. C beigezogen. Außerdem ist der zusammenfassende Bericht des Arbeitsausschusses ”Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratung gemäß § 135 Absatz 1 SGB V ”therapeutische Hämapheresen" (selektive Verfahren mit Plasmadifferenzialtrennung) vom 25.07.2003 in das Verfahren eingeführt worden. Schließlich hat die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.02.2005 Beweis erhoben durch die Vernehmung der sachverständigen Zeugen Dr. C und Dr. T. Hinsichtlich des Inhaltes und des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird verwiesen auf den Inhalt der Niederschrift vom 16.02.2005.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die ebenfalls beigezogene Akte des Sozialgerichtes Duisburg mit dem Az.: S 7 KR 210/02 ER. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 02.11.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2002 ist rechtswidrig und der Kläger deswegen beschwert im Sinne von § 54 Absatz 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenübernahme für die nach dem 31.10.2001 bei ihm durchgeführte LDL-Apheresebehandlung nach der ”HELP-Methode".

Er ergibt sich aus § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 und 2 sowie § 12 Absatz 1 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung als Sachleistung, soweit diese dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts entspricht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass es dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht, signifikant erhöhte LDL-Werte im Blut zu verringern. Dies gilt unabhängig davon, ob bei Patienten eine TVP vorliegt oder nicht. Die Indikation zur Einleitung LDL-Wert verringender Maßnahmen bei einer entsprechenden Erhöhung dieses Wertes hat nicht nur der behandelnde Arzt des Klägers, der sachverständige Zeuge Dr. C, vertreten, sondern auch der ebenfalls als sachverständiger Zeuge vernommene Dr. T, der früher Mitarbeiter des MDK gewesen ist. Dr. T hat nicht nur in seiner schriftlichen Äußerung vom 17.11.2003 darauf hingewiesen, dass alternative Methoden zur LDL-Wertverringerung zur Verfügung stehen, sondern auch im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt, dass grundsätzlich auch bei einer medikamentenassoziierten Erhöhung der Fettwerte eine Senkung insbesondere des LDL-Spiegels generell empfohlen werde. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Ausführungen in dem Auszug aus dem Dt. Ärzteblatt vom 25.07.2003 (A 2034 = Bl. 73 Gerichtsakte). Auch dort wird darauf abgestellt, dass für die hier fragliche LDL-Wertverringerung bei Transplantatvaskulopathie in der Regel hochwirksame medikamentöse Standarttherapieverfahren zur Verfügung stehen. Es ist damit als unstreitig anzusehen, dass auch bei einer TVP LDL-Wert reduzierende Maßnahmen generell indiziert sind.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf regelmäßige Reduzierung der LDL-Konzentration mittels LDL-Apherese nach dem HELP-Verfahren. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus § 135 Absatz 1 Satz 1 SGB V. Während des gesamten Zeitraumes ab November 2001 war die Methode unter Ziffer 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien aufgeführt und damit Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Anwendung der LDL-Apherese nach dem HELP-Verfahren bei dem Kläger steht auch im Einklang mit den unter Ziffer 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien näher geregelten einzelnen Voraussetzungen nach §§ 1 bis 8. Es ist zunächst davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 2 (Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung) erfüllt sind, da der Kläger von dem sachverständigen Zeugen Dr. C bereits vor November 2001 unter Zustimmung der Beklagten mit der fraglichen Methode behandelt wurde. Im Ergebnis kommt es darauf jedoch nicht an, weil sich die Kammer den Ausführungen der 4. Kammer des Sozialgerichtes Düsseldorf in dem Beschluss vom 14.11.2002 (Az.: S 4 KR 235/02 ER) auf den Seiten 8 und 9 nach eigener Prüfung in vollem Umfang anschließt.

Auch die fehlende Genehmigung (Einwilligung) nach § 6 der Richtlinien ist nicht von Bedeutung. Denn die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte war rechtswidrig. Insoweit ist zwischen den Beteiligten im Kern umstritten und für die Beurteilung des Falles entscheidend, ob die Voraussetzung des § 3 unter Ziffer 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien vorliegen oder nicht. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme für den hier fraglichen Gesamtzeitraum zu bejahen. Aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung der Ziffer 1 der Anlage A zu den BUB-Richtlinien ist jedoch hinsichtlich des Zeitraumes vor und ab dem 08.07.2003 (Datum der Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 24.03.2003 im Bundesanzeiger) zu differenzieren.

Nach dem Wortlaut des § 3 (Indikation für die LDL-Elemination) lagen die Voraussetzungen für die Anwendung der begehrten Therapie vor. In Betracht zu ziehen ist insoweit nach den Umständen des Falles allein die Anwendungsalternative einer ”schweren Hypercholesterinämie". Eine solche lag hier bei dem Kläger eindeutig vor. Für die Kammer liegt es dabei auf der Hand, dass insoweit nicht – wie in der Stellungnahme des MDK vom 17.09.2001 – von den Cholesterinwerten des Klägers bei laufender Behandlung mittels LDL-Apherese ausgegangen werden kann, sondern die Werte in unbehandeltem Zustand vor Aufnahme der Therapiemaßnahmen im Jahre 1995 bzw. im Zeitraum zwischen Ende 2001 und Anfang 2002, zugrundezulegen sind. Zu diesen Zeitpunkten litt der Kläger unter einer schweren Hypercholesterinämie. Dies wird nicht nur eindeutig bestätigt durch den Befundbericht des sachverständigen Zeugen Dr. C vom 15.01.2003, sondern auch durch die Ausführungen der beiden sachverständigen Zeugen Dr. C und Dr. T im Termin zur mündlichen Verhandlung. Beide Zeugen haben insoweit bestätigt, dass definitionsgemäß eine schwere Hypercholesterinämie bei dem Kläger vorliegt.

Auch die weiteren in § 3 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien in der bis zum 08.07.2003 gültigen Fassung genannten einschränkenden Voraussetzungen sind nach Überzeugung der Kammer erfüllt. Der sachverständige Zeuge Dr. C hat sowohl schriftlich in seinem Befundbericht, als auch mündlich im Termin zur mündlichen Verhandlung überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass vor Aufnahme der Behandlung die LDL-Werte über einen längeren Zeitraum von 6 Monaten nicht ausreichend durch eine medikamentöse Therapie gesenkt werden konnten. Dr. C hat insbesondere angegeben, dass eine Steigerung der Statingabe nicht möglich war, weil der Kläger im Rahmen der Standardtherapie bereits laufend mit der höchstverträglichen Statindosis behandelt wurde. Dieser Standpunkt wurde von Dr. T nicht in Abrede gestellt. Eine Behandlung mittels der von Dr. T zur Behandlung des Klägers zunächst für sinnvoll erachteten Cholesterinresorptionshemmer (CSE) scheidet nicht nur wegen der mangelnden Zulassung von derartigen Medikamenten für das hier fragliche Indikationsgebiet aus, sondern auch deswegen, weil Dr. C insoweit ebenfalls nachvollziehbar dargelegt hat, dass es bei der Anwendung dieser Medikamente zu großen Problemen mit den gleichfalls noch zu verabreichenden Immunsubressiva kommt. Dagegen wurden von Dr. T ebenfalls keine Einwände vorgebracht.

Was die übrigen Risikofaktoren angeht, kann hier ebenfalls von einem Vorliegen der Voraussetzungen ausgegangen werden, da insofern ursprünglich eine Genehmigung der Beklagten mit Zustimmung der Beratungskommission vorlag. Hiergegen wurden auch von der Beklagten bzw. der Beratungskommission im Laufe des Verfahrens keinerlei Bedenken geäußert.

Vor diesem Hintergrund kommt es im Ergebnis darauf an, ob trotz letztlich unstreitiger Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien in der bis zum 08.07.2003 gültigen Fassung seinem Wortlaut nach dennoch ein Ausschluss des Anspruches des Klägers auf die Behandlung mittels LDL-Apherese anzunehmen ist. Für den Fall, dass man dies bejahen wollte, würde es sich rechtstechnisch um den Fall einer teleologischen Reduktion der Vorschrift handeln. Nach Auffassung der Kammer kann dieses Auslegungsinstrument jedoch nicht für das Verständnis der BUB-Richtlinien bzw. ihrer Anlagen herangezogen werden. Denn in diesem Bereich ist ein hohes Maß an Rechtssicherheit erforderlich, da es Sinn der Richtlinien ist, für den Versicherten aber auch die übrigen Beteiligten konkret und verbindlich festzulegen, welche Behandlungsmethoden ggfs. in welchem Umfang in der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist es von wesentlicher Bedeutung, dass alle Beteiligten, zumindest aber die Leistungserbringer unmittelbar aus dem Text der Richtlinie bzw. seiner Anlagen entnehmen können, in welchem Umfang ein Leistungsanspruch besteht oder nicht. Insofern ist nach Auffassung der Kammer die Rechtslage nicht anders als bei der Frage der Auslegungsfähigkeit von Vergütungsregelungen im Vertragsarztrecht. Dort ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. Urteil vom 26.01.2000, Az.: B 6 KA 59/98) aus Gründen der Rechtssicherheit ebenfalls ausschließlich auf den Wortlaut abzustellen. Ein anderes Verständnis würde nach Auffassung der Kammer zu inakzeptablen Auslegungsproblemen und Rechtsunsicherheiten führen. Letztlich würde der Sinn der Richtlinienkompetenz des Bundesausschusses, nämlich die verbindliche Konkretisierung von Ansprüchen der Versicherten, in Frage gestellt. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Es ist mit den Grundsätzen des § 135 Absatz 1 SGB V nach Auffassung der Kammer nicht zu vereinbaren, dass ohne Änderung des Wortlautes einer Bestimmung im Sinne von § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine zuvor in laufender Verwaltungspraxis auf Grundlage dieser Vorschrift zugelassene Behandlung allein aufgrund einer geänderten Beurteilungslage aus der vertragsärztlichen Versorgung herausgenommen wird.

Dem steht nicht entgegen, dass sich aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts im Laufe der Zeit neue Erkenntnisse ergeben können, die es erforderlich machen, eine differenzierende bzw. geänderte Beurteilung des Bundesausschusses zur Grundlage der Leistungsgewährung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu machen. In einem solchen Fall kann ohne Weiteres eine Änderung des Wortlautes der Anlagen A oder B der BUB-Richtlinien auf Grundlage eines entsprechenden formalen Beschlusses des Bundesausschusses herbeigeführt werden. Dazu ist es jedoch Ende des Jahres 2001 nach den hier vorliegenden Informationen nicht gekommen. Geändert hat sich lediglich die Beurteilung der zuständigen Beratungskommission im Sinne von § 5 der Ziffer 1. der Anlage A der BUB-Richtlinien. Ein Sinneswandel innerhalb dieses Beratungsgremiums kann jedoch eine Änderung der Richtlinien nicht bewirken. Hierzu fehlt ihr die rechtliche Zuständigkeit. Zuständig für die Änderung bzw. Präzisierung der Richtlinien ist allein der hierzu durch das Gesetz berufene Bundesausschuss.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass allein aufgrund der Änderung der Beurteilung der Beratungskommission ohne gleichzeitige Änderung des Wortlautes der Richtlinie eine Abänderung einer wie oben dargestellt richtlinienkonformen Bewilligungspraxis nicht möglich und damit rechtswidrig ist.

Etwas anderes ergibt sich im Ergebnis auch nicht unter Zugrundelegung der mit Wirkung vom 08.07.2003 geänderten Formulierung der Vorschriften unter Ziff. 1 der Anlage A der BUB-Richtlinien. Die Vorschriften der §§ 1 und 2 sowie 4 bis 8 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien in der seit dem 08.07.2003 gültigen Fassung haben sich nicht geändert. Die Vorschriften wurden nahezu wortgleich aus den alten Regelungen übernommen. Im Hinblick auf § 3 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien haben sich insofern Änderungen ergeben, als das Vorgehen bei der Indikationsstellung bzw. der Dokumentation unter der Ziffer 3.3 näher konkretisiert bzw. neu gefasst wurde. Zudem wurde unter 3.2 ein neuer Abschnitt über Immunapheresen bei aktiver rheumatoider Artritis eingeführt, der für den vorliegenden Fall nicht relevant ist. Im Übrigen wurde unter Ziffer 3.1 der Zeitraum, innerhalb dessen eine zuvor durchgeführte diätetische oder medikamentöse Therapie erfolglos gewesen sein muss, von 6 auf 12 Monate verlängert. Hinsichtlich der notwendigen Indikation ("schwere Hypercholesterinämie") als solcher hat sich der Wortlaut nicht geändert. Auf dieser Grundlage sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der LDL-Apherese durch den Kläger auch nach Änderung der genannten Regelungen weiterhin erfüllt. Denn die maßgebliche Indikation, eine schwere Hypercholesterinämie, liegt wie oben bereits erläutert weiterhin vor. Auch die Verlängerung des Zeitraumes der erfolglosen Durchführung diätetischer oder medikamentöser Maßnahmen kommt es nicht an, weil der Kläger die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Behandlungsmaßnahme bereits nach altem Recht erfüllte. Nach Auffassung der Kammer wäre es formalistisch, hier noch einen weiteren Zeitraum von 6 oder gar 12 Monaten zu fordern, in denen der Kläger ausschließlich medikamentös zu behandeln wäre.

Aus dem zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses ”Ärztliche Behandlung" vom 25.07.2003 ergibt sich zwar eindeutig, dass es nicht dem Willen des Bundesausschusses entsprach, die Behandlung mittels LDL-Apherese bei TVP (weiterhin) zuzulassen (vgl. hierzu Ziffer 30.3 des Berichtes). Unabhängig davon, dass der zusammenfassende Bericht erst nach dem Inkrafttreten der Änderung veröffentlicht wurde, kann im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen zur Unzulässigkeit der teleologischen Reduktion bei der Auslegung von Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V die Begründung in dem zusammenfassenden Ausschussbericht nicht zu einer anderen Beurteilung des Falles führen. Denn im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wäre es nach Auffassung der Kammer Aufgabe des Bundesausschusses gewesen, eine Änderung seiner Beurteilung der medizinischen Umstände im Hinblick auf eine Präzisierung der Indikationsstellung auch im Wortlaut der Richtlinie zu manifestieren. Hierzu hätte insbesondere die Möglichkeit bestanden, die LDL-Apherese bei TVP in die Anlage B der BUB-Richtlinien aufzunehmen. Dies ist jedoch entgegen der Ausführungen des Dr. T in seiner Stellungnahme vom 17.11.2003 auf Seite 8 gerade nicht geschehen. Dieses Versäumnis des Bundesausschusses kann nach Überzeugung der Kammer nicht durch eine nachträgliche Berücksichtigung der Bewertung in dem zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses geheilt werden. Es kann und muss von dem Bundesausschuss verlangt werden, dass er sich gerade bei einer Therapiemethode, die hohe Kosten verursacht und zumindest unter Zugrundelegung der medizinischen Auffassung ihrer Befürworter lebensnotwendige Bedeutung für den Patienten hat, unmissverständlich äußert bzw. seine Auffassung durch eindeutige Regelungen in den Anlagen A bzw. B zu den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V zum Ausdruck bringt. Nur so wird der Ausschuss seiner ihm vom Gesetz übertragenen Aufgaben gerecht.

Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgen sollte, ist die Frage aufgeworfen, ob nicht entsprechend der Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. C im Termin zur mündlichen Verhandlung ohnehin bereits vor der Herztransplantation eine schwere Hypercholesterinämie des Klägers vorlag und man somit auch nach dem von der Beklagten bzw. der Beratungskommission zugrundegelegten eingeschränkten Verständnis des Wortlautes des § 3 der Anlage A Ziff. 1 der BUB-Richtlinien zu einer Leistungspflicht der Beklagten käme.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved