Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 4/99 R
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 1999 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 80 hat.
Mit Bescheid vom 1. August 1995 hatte der Beklagte den GdB mit 80 festgestellt und das Merkzeichen "G" zuerkannt. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten lediglich verurteilt, als weitere Behinderung "Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk" festzustellen, im übrigen die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung verworfen, weil die Klägerin sie verspätet eingelegt habe und ihr Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Sie müsse sich das Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen.
Die Revision ist unzulässig.
Zwar ist sie an sich statthaft, denn der Senat hat sie auf die Beschwerde der Klägerin zugelassen. Die Klägerin hat die Revision jedoch nicht in der nach § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgeschriebenen Weise begründet.
164 SGG verlangt nicht nur, daß der Revisionsführer einen bestimmten Antrag stellt, sondern ihn auch sorgfältig begründet, nämlich darlegt, welches Ziel er mit der Revision erreichen will. Dafür muß er – für das Revisionsgericht erkennbar – den Streitstoff sichten und die im Revisionsverfahren (noch) entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9 sowie Senatsurteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 3/95 – unveröffentlicht). Dazu gehört auch die Darlegung, aus welchen Gründen die Vorentscheidung angegriffen und ihre Aussagen als unrichtig angesehen werden (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nrn 20, 25).
Dem wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat nicht die entscheidungserhebliche verfahrensrechtliche Frage erörtert, ob das LSG die Berufung als unzulässig verwerfen durfte oder gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden mußte. Sie hat lediglich materiell-rechtliche Erwägungen vorgetragen, die nach Auffassung der Klägerin zu einem für sie günstigen Urteil führen müßten.
Auch die Verweisung am Schluß der Revisionsbegründung kann nicht als eine ordnungsgemäße, hier notwendige Rüge des Verfahrens des LSG angesehen werden. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist zwar anerkannt, daß in der Revisionsbegründung auf Ausführungen materiell-rechtlicher Art in der Beschwerdeschrift verwiesen werden darf, wenn der Revisionsführer sich bereits dort mit den materiell-rechtlichen Fragen hinreichend auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen und eine erneute eigenständige Begründung im wesentlichen lediglich auf eine Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen würde (vgl BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9 sowie Senatsurteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 3/95 – unveröffentlicht). Nach dem Urteil des 8. Senats des BSG vom 24. August 1976 - 8 RU 152/75 - SozR 1500 § 164 Nr 3 - reicht eine solche Bezugnahme nicht aus, wenn Verfahrensmängel gerügt werden. Insoweit sind in der Revisionsbegründung neben der Rechtsnorm auch die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Von diesem "Verbot der Verweisung" hat die Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen zugelassen. So darf der Revisionskläger wegen der Einzelheiten auf den die Revision zulassenden Beschluss des Revisionsgerichts Bezug nehmen, wenn die Zulassung mit dem Vorliegen des auch in der Revisionsschrift gerügten Verfahrensmangels begründet worden ist (BSG, Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 30/80 - SozR 1500 § 164 Nr 18). Ferner hält es der 7. Senat des BSG (Urteil vom 10. September 1998 - B 7 AL 36/98 R - DBlR 4498 A, Sonst VerfR/§ 551 ZPO) für statthaft, daß der Revisionsführer, um Wiederholungen zu vermeiden, zur Begründung einer in der Revisionsschrift ausdrücklich erfolgten Rüge eines Verfahrensmangels auf die Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde verweist, wenn er bereits dort diesen Verfahrensfehler (ordnungsgemäß) gerügt hat.
Der Senat läßt offen, ob der Rechtsprechung des 8. Senats (aaO) zu folgen ist und ob der 7. und 11. Senat das vom 8. Senat aufgestellte generelle Verbot der Verweisung bei der Rüge von Verfahrensfehlern ohne Anrufung des Großen Senats derart einschränken durfte. Selbst wenn man diese Rechtsprechung zugrundelegt, ist die Revision der Klägerin unzulässig. Ihre Revision erfüllt nicht einmal die Anforderungen der Ausnahmen, die der 7. und 11. Senat zugelassen haben. Nach der ausschließlichen Rüge der Verletzung materiellen Rechts enthält ihre Revisionsbegründung am Schluß lediglich den Satz: "auf das gesamte bisherige Vorbringen der Klägerin wird ergänzend Bezug genommen." Daraus läßt sich nämlich nicht mit Bestimmtheit entnehmen, ob mit der Revision ein Verfahrensfehler gerügt werden soll oder ob sich die Klägerin auf die Rüge materiellen Rechts beschränken will. Dies genügt aber in keinem Falle den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. Denn aus ihr muß eindeutig hervorgehen, welche Rügen durch das Revisionsgericht geprüft werden sollen (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nrn 20 und 25).
Im übrigen ist die Verweisung auf die Nichtzulassungsbeschwerde und den Zulassungsbeschluß des Revisionsgerichts hier schon deshalb ungeeignet, eine - von der Klägerin möglicherweise beabsichtigte, aber in der Revisionsbegründung nicht hinreichend deutlich gewordene - Rüge eines Verfahrensmangels des LSG näher zu begründen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gestützt worden ist und der Senat die Revision ohne Angabe von Gründen zugelassen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 80 hat.
Mit Bescheid vom 1. August 1995 hatte der Beklagte den GdB mit 80 festgestellt und das Merkzeichen "G" zuerkannt. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten lediglich verurteilt, als weitere Behinderung "Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk" festzustellen, im übrigen die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung verworfen, weil die Klägerin sie verspätet eingelegt habe und ihr Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Sie müsse sich das Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen.
Die Revision ist unzulässig.
Zwar ist sie an sich statthaft, denn der Senat hat sie auf die Beschwerde der Klägerin zugelassen. Die Klägerin hat die Revision jedoch nicht in der nach § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgeschriebenen Weise begründet.
164 SGG verlangt nicht nur, daß der Revisionsführer einen bestimmten Antrag stellt, sondern ihn auch sorgfältig begründet, nämlich darlegt, welches Ziel er mit der Revision erreichen will. Dafür muß er – für das Revisionsgericht erkennbar – den Streitstoff sichten und die im Revisionsverfahren (noch) entscheidungserheblichen Gesichtspunkte herausarbeiten (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9 sowie Senatsurteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 3/95 – unveröffentlicht). Dazu gehört auch die Darlegung, aus welchen Gründen die Vorentscheidung angegriffen und ihre Aussagen als unrichtig angesehen werden (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nrn 20, 25).
Dem wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat nicht die entscheidungserhebliche verfahrensrechtliche Frage erörtert, ob das LSG die Berufung als unzulässig verwerfen durfte oder gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden mußte. Sie hat lediglich materiell-rechtliche Erwägungen vorgetragen, die nach Auffassung der Klägerin zu einem für sie günstigen Urteil führen müßten.
Auch die Verweisung am Schluß der Revisionsbegründung kann nicht als eine ordnungsgemäße, hier notwendige Rüge des Verfahrens des LSG angesehen werden. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist zwar anerkannt, daß in der Revisionsbegründung auf Ausführungen materiell-rechtlicher Art in der Beschwerdeschrift verwiesen werden darf, wenn der Revisionsführer sich bereits dort mit den materiell-rechtlichen Fragen hinreichend auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen und eine erneute eigenständige Begründung im wesentlichen lediglich auf eine Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen würde (vgl BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9 sowie Senatsurteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 3/95 – unveröffentlicht). Nach dem Urteil des 8. Senats des BSG vom 24. August 1976 - 8 RU 152/75 - SozR 1500 § 164 Nr 3 - reicht eine solche Bezugnahme nicht aus, wenn Verfahrensmängel gerügt werden. Insoweit sind in der Revisionsbegründung neben der Rechtsnorm auch die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Von diesem "Verbot der Verweisung" hat die Rechtsprechung des BSG zwei Ausnahmen zugelassen. So darf der Revisionskläger wegen der Einzelheiten auf den die Revision zulassenden Beschluss des Revisionsgerichts Bezug nehmen, wenn die Zulassung mit dem Vorliegen des auch in der Revisionsschrift gerügten Verfahrensmangels begründet worden ist (BSG, Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 30/80 - SozR 1500 § 164 Nr 18). Ferner hält es der 7. Senat des BSG (Urteil vom 10. September 1998 - B 7 AL 36/98 R - DBlR 4498 A, Sonst VerfR/§ 551 ZPO) für statthaft, daß der Revisionsführer, um Wiederholungen zu vermeiden, zur Begründung einer in der Revisionsschrift ausdrücklich erfolgten Rüge eines Verfahrensmangels auf die Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde verweist, wenn er bereits dort diesen Verfahrensfehler (ordnungsgemäß) gerügt hat.
Der Senat läßt offen, ob der Rechtsprechung des 8. Senats (aaO) zu folgen ist und ob der 7. und 11. Senat das vom 8. Senat aufgestellte generelle Verbot der Verweisung bei der Rüge von Verfahrensfehlern ohne Anrufung des Großen Senats derart einschränken durfte. Selbst wenn man diese Rechtsprechung zugrundelegt, ist die Revision der Klägerin unzulässig. Ihre Revision erfüllt nicht einmal die Anforderungen der Ausnahmen, die der 7. und 11. Senat zugelassen haben. Nach der ausschließlichen Rüge der Verletzung materiellen Rechts enthält ihre Revisionsbegründung am Schluß lediglich den Satz: "auf das gesamte bisherige Vorbringen der Klägerin wird ergänzend Bezug genommen." Daraus läßt sich nämlich nicht mit Bestimmtheit entnehmen, ob mit der Revision ein Verfahrensfehler gerügt werden soll oder ob sich die Klägerin auf die Rüge materiellen Rechts beschränken will. Dies genügt aber in keinem Falle den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. Denn aus ihr muß eindeutig hervorgehen, welche Rügen durch das Revisionsgericht geprüft werden sollen (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nrn 20 und 25).
Im übrigen ist die Verweisung auf die Nichtzulassungsbeschwerde und den Zulassungsbeschluß des Revisionsgerichts hier schon deshalb ungeeignet, eine - von der Klägerin möglicherweise beabsichtigte, aber in der Revisionsbegründung nicht hinreichend deutlich gewordene - Rüge eines Verfahrensmangels des LSG näher zu begründen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gestützt worden ist und der Senat die Revision ohne Angabe von Gründen zugelassen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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