Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 3341/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2728/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 4/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die gesetzliche Verpflichtung der Bezieher von Pflegegeld nach dem SGB XI, in regelmäßigen Abständen Einsätze ambulanter Pflegedienste abzurufen, ist auch insoweit verfassungsgemäß, als sie Versicherte einschließt, deren Hilfebedarf sich voraussichtlich nicht ändert.
2. Wird der Abruf des Pflegeeinsatzes nach der Kürzung des Pflegegeldes nachgeholt, kommt eine Nachzahlung für den zurückliegenden Zeitraum nicht in Betracht.
2. Wird der Abruf des Pflegeeinsatzes nach der Kürzung des Pflegegeldes nachgeholt, kommt eine Nachzahlung für den zurückliegenden Zeitraum nicht in Betracht.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung laufenden Pflegegeldes wegen unterbliebenen Abrufs eines Pflegeeinsatzes gemäß § 37 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die 1957 geborene Klägerin leidet an dem sog Down-Syndrom. Sie lebte bis Juni 2003 bei ihren Eltern, tagsüber war sie in einer nahe gelegenen Werkstatt der Lebenshilfe tätig. Ihre Interessen wurden in dieser Zeit durch ihren Vater wahrgenommen. Seit Juni 2003 lebt sie in einer Behinderteneinrichtung; seitdem ist ihre Cousine zur Betreuerin bestellt. Die Klägerin bezieht seit dem 1. April 1995 Pflegegeld der Pflegestufe I. Im Bewilligungsbescheid war sie darauf hingewiesen worden, dass sie mindestens einmal halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Vertrags-Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen und der Beklagten hierüber einen Nachweis vorlegen müsse. Die Klägerin rief in der Folgezeit einen solchen Pflegeeinsatz nicht ab. Mit Schreiben vom 2. September 1998 wurde sie von der Beklagten nochmals auf die Notwendigkeit des halbjährlichen Abrufs eines Pflegeeinsatzes hingewiesen. Daraufhin erwiderte der Vater der Klägerin, der Zustand seiner Tochter sei unverändert. Sie bedürfe keiner Ratschläge eines Pflegedienstes. Seine Ehefrau, die die gemeinsame Tochter versorge, verfüge über langjährige Erfahrung. In der Folgezeit rief die Klägerin dennoch zum 10. Oktober 1998 erstmals einen Pflegeeinsatz ab, wobei der beauftragte Pflegedienst zu dem Ergebnis kam, dass die häusliche Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung der Klägerin durch ihre Eltern in umfassender Weise sichergestellt sei. Der Aufforderung der Beklagten, für das erste Halbjahr 1999 erneut einen Pflegeeinsatz abzurufen, kam die Klägerin nicht nach. Mit Schreiben vom 1. Juli 1999 kündigte die Beklagte an, das laufende Pflegegeld ab 1. August 1999 um 25 vH, dh um 100,00 DM, zu kürzen. Der Vater der Klägerin erklärte daraufhin, die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs am Arbeitsplatz der Klägerin sei ausreichend. Einen Kontrollbesuch in seiner Wohnung lehnte er dagegen ab. Hierauf kürzte die Beklagte das laufende Pflegegeld und wies die Klägerin zugleich darauf hin, dass die Kürzung nicht von der Verpflichtung entbinde, auch künftig halbjährlich einen Pflegeeinsatz abzurufen (Bescheid vom 19. Juli 1999). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1999).
Die auf Zahlung ungekürzten Pflegegeldes gerichtete Klage der Klägerin wurde vom Sozialgericht (SG) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2001). Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens rief die Klägerin im Januar 2000 einen weiteren Pflegeeinsatz ab; die Beklagte hob daraufhin die Kürzung des Pflegegeldes zum 1. Februar 2000 auf und erstattete den anteiligen Kürzungsbetrag für den Monat Januar in Höhe von 16,65 DM. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 14. Dezember 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Freistellung vom Erfordernis der Inanspruchnahme eines Pflegeeinsatzes. Die Verpflichtung zum Abruf eines Pflegeeinsatzes sei zwingend, da § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI entgegen der Auffassung der Klägerin keine Ausnahmen vorsehe. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verfassungsmäßigkeit seien unbegründet. Vor dem Hintergrund, dass die Pflegekassen im Regelfall eine Kürzung des Pflegegeldes um 50 vH für angemessen hielten, sei auch die Höhe der Kürzung nicht unverhältnismäßig gewesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe bei Auslegung des § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI die grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art 13 Abs 1, Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) nicht hinreichend berücksichtigt. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI verpflichte den Pflegegeldempfänger ohne Ortsvorgabe lediglich dazu, einen Pflegeeinsatz abzurufen. Zwar sei die Regelung durch Gesetz vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S 3728) insoweit geändert worden, als nunmehr eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen sei; gleichwohl sei damit nicht die Wohnung des Pflegegeldempfängers gemeint, sondern die Umgebung, in der die Pflegetätigkeit schwerpunktmäßig erfolge. Dennoch habe das LSG den Begriff "Pflegeeinsatz" im Sinne eines Hausbesuchs ausgelegt, der notwendigerweise auch das Betreten der Wohnung beinhalte. In dieser Auslegung kollidiere § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI jedoch mit dem durch Art 13 GG geschützten Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Der Pflegedienst sei zwar nach § 37 Abs 3 SGB XI nicht berechtigt, in die Wohnung des Pflegegeldempfängers einzudringen. Doch auch das Betreten der Wohnung im Einverständnis mit dem Pflegegeldempfänger sei eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Art 13 GG. Denn der Pflegegeldempfänger sei zur Erteilung seines Einverständnisses gezwungen, da er nur so seinen Leistungsanspruch erhalten könne. Außerdem habe das LSG verkannt, dass es sich bei der Verpflichtung aus § 37 Abs 3 SGB XI um eine Mitwirkungspflicht gemäß §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) handele. Daraus ergebe sich, dass die Beklagte, wenn die erforderliche Mitwirkungshandlung nachgeholt werde und die weiteren Leistungsvoraussetzungen vorlägen, gemäß § 67 SGB I die entzogene Leistung nachträglich ganz oder teilweise erbringen könne. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung zu § 37 SGB XI lasse sich ein Ausschluss der Nachzahlung des gekürzten Pflegegeldes gemäß § 67 SGB I entnehmen. Das Pflegegeld stelle eine Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Pflegeleistungen im häuslichen Bereich dar. Daher sei es nicht gerechtfertigt, es im Falle der Nachholung der erforderlichen Mitwirkungshandlung bei der vorgenommenen Kürzung zu belassen. Die Klägerin habe zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der Leistung. Die Beklagte habe jedoch ihr Ermessen von vornherein gebunden. Dies sei rechtsfehlerhaft und die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2001 und den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 29. Mai 2001 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1999 zu verurteilen, das Pflegegeld entsprechend Pflegestufe I in der Zeit vom 1. August 1999 bis 26. Januar 2000 ungekürzt zu zahlen, und die Beklagte zu verpflichten, künftig von der Forderung von Pflegeeinsätzen abzusehen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Von Amts wegen zu beachtende Sachurteilshindernisse liegen nicht vor. Dies gilt auch für die Zulässigkeit der Berufung. Diese ist auch bei zugelassener Revision von Amts wegen zu prüfen (vgl BSGE 39, 119 ff = SozR 4100 § 45 Nr 4). Problematisch könnte vorliegend sein, ob der nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Beschwerdewert erreicht wurde, denn der Kürzungsbetrag belief sich lediglich auf 583,35 DM. Das LSG hat jedoch zutreffend bei der Ermittlung des Beschwerdewerts den Wert des Unterlassungsbegehrens hinzu gerechnet, wodurch der seinerzeit maßgebende Beschwerdewert von 1.000 DM erreicht wurde.
Die Beklagte hat für die hier streitige Zeitspanne zu Recht eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen (2.). Sie hat zudem zu Recht darauf bestanden, dass die Klägerin auch in der nachfolgenden Zeit, solange sie sich in häuslicher Pflege befand, halbjährlich einen Pflegeeinsatz (seit 1. Januar 2002: Beratungseinsatz) abrief (3.). Das von der Klägerin erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gemachte Begehren, den Kürzungsbetrag nach dem erfolgten Abruf eines weiteren Pflegeeinsatzes nachzuzahlen, ist als Klageänderung unzulässig (4.).
1. Mit ihrem ursprünglichen Klagebegehren verfolgte die Klägerin zunächst das Ziel, die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Kürzung des Pflegegeldes für die Zeit vom 1. August 1999 bis 26. Januar 2000 aufzuheben. Richtige Klageart ist insoweit die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG (vgl BSG SozR 1200 § 66 Nr 13, S 11 ff, 12 f; BSGE 76, 16 = SozR 3-1200 § 66 Nr 3). Eines zusätzlichen Leistungsantrags bedurfte es nicht, weil im Falle der angestrebten Kassation des angefochtenen Bescheides der Leistungsbewilligungsbescheid der Beklagten vom 22. März 1995 wieder uneingeschränkt anzuwenden wäre, mit der Folge, dass die Beklagte auch für den Zeitraum der Zahlungskürzung (nachträglich) die bewilligte Leistung erbringen müsste. Dieses Begehren ist zu unterscheiden von dem erst im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Nachzahlung des Kürzungsbetrages wegen des nachgeholten Pflegeeinsatzes, auf den später einzugehen ist.
Zum anderen soll die Beklagte im Wege der Unterlassungsklage verpflichtet werden, für die nachfolgende Zeit von der Forderung derartiger Einsätze als Voraussetzung für die Zahlung des vollen Pflegegeldes abzusehen. An der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht dann ein berechtigtes Interesse, wenn nach dem Vortrag des Klägers weitere Rechtsverletzungen zu besorgen sind, die gerichtliche Klärung den Streitfall endgültig zu erledigen verspricht und es für den Kläger nicht zumutbar ist, den Erlass weiterer Verwaltungsakte abzuwarten (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 54 RdNr 42 f mwN). Dies ist hier der Fall. Denn wenn die Klägerin weiterhin Pflegeeinsätze abgelehnt hätte, wären weitere Kürzungen und die vollständige Entziehung des Pflegegeldes zu befürchten gewesen. Die Beklagte hatte im Bescheid vom 19. Juli 1999 darauf hingewiesen, dass sie im Wiederholungsfalle verpflichtet sei, die Zahlung des Pflegegeldes einzustellen. Es kann offen bleiben, ob darin neben der Kürzung des Pflegegeldes eine selbstständige Verfügung in Form einer Androhung zu sehen ist, die als Verwaltungsakt ebenfalls mit der Anfechtungsklage beseitigt werden könnte, oder ob es sich nur um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt (vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl 2003, § 35 RdNr 50 mwN). Der ausdrückliche Antrag, neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide von der Aufforderung zur Abrufung von Pflegeeinsätzen abzusehen, dient jedenfalls der Klarstellung. Die Klägerin hat insoweit ein Rechtsschutzinteresse an baldiger Klärung, weil die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes nicht verhindern könnte, dass ihr zunächst laufende Geldleistungen vorenthalten würden.
2. Die Beklagte hat das der Klägerin zustehende Pflegegeld zu Recht wegen des unterbliebenen Abrufs eines Pflegeeinsatzes in dem hier streitigen Zeitraum um 25 % gekürzt. Nach § 37 Abs 3 Satz 7 SGB XI in der seinerzeit geltenden Fassung (aF) hat die Pflegekasse, wenn der Pflegebedürftige den Pflegeeinsatz nicht abruft oder das Einverständnis nach § 37 Abs 3 Satz 4 SGB XI aF (offensichtlicher Gesetzesfehler: zutreffend wäre Satz 5 gewesen) nicht erteilt, das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zwar die Vorschrift des § 37 Abs 3 SGB XI durch das Gesetz zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher Pflege von Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf (Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG)) vom 14. Dezember 2001 (BGBl I, S 3728) neu gefasst und die Kürzung bzw Entziehung des Pflegegeldes nunmehr in § 37 Abs 6 SGB XI geregelt. Gleichwohl ist vorliegend der Beurteilung des Anfechtungsbegehrens der Klägerin die Vorschrift des § 37 Abs 3 SGB XI aF zu Grunde zu legen, da nach § 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts maßgeblich ist (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 32 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, die Wirkungen des Verwaltungsakts abgeschlossen in der Vergangenheit liegen.
Danach war die Klägerin als Bezieherin von Pflegegeld nach Pflegestufe I verpflichtet, mindestens einmal halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung, mit der die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, abzurufen. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF lässt allerdings nicht erkennen, was unter einem Pflegeeinsatz im Einzelnen zu verstehen ist; insbesondere ob der Einsatz im häuslichen Bereich des Pflegebedürftigen stattfinden muss oder ob, wie die Klägerin annimmt, ein Besuch in dem Lebensbereich, in dem sie sich über Tag aufhielt, ausreicht.
Zwar ist die Regelung seit ihrer ursprünglichen Fassung im Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) mehrfach geändert worden. Der Gesetzgeber verfolgte mit ihr jedoch von Anfang an das Ziel, ein Mindestmaß an Qualität auch bei der Pflege durch ehrenamtliche Pflegepersonen sicher zu stellen. Von daher standen das Wohnumfeld und die Pflegesituation im häuslichen Bereich von vornherein im Mittelpunkt der Prüfung. Defizite in der häuslichen Pflege sollten auf diese Weise frühzeitig entdeckt und behoben werden (vgl Gesetzesbegründung, BT-Drucks 12/5262, S 112 Zu § 33 Abs 3). In den späteren Fassungen des § 37 Abs 3 SGB XI und nunmehr in Abs 6 ist der Aspekt der regelmäßigen Hilfestellung und Beratung der häuslich Pflegenden hinzugetreten. Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zu den Änderungen des § 37 Abs 3 SGB XI im 1. SGB XI-ÄndG (vom 14. Juni 1996, BGBl I, S 830, BT-Drucks 13/3696 S 13 Zu Nr 13 Buchst b). Dies macht ohne weiteres deutlich, dass der Gesetzgeber unter Pflegeeinsatz in § 37 Abs 3 SGB XI aF nur einen solchen verstanden hat, der im häuslichen Pflegebereich durchgeführt wird. Die mit dem PflEG vorgenommene Ergänzung des Wortlauts von § 37 Abs 1 Satz 1 SGB XI um die Worte "in der eigenen Häuslichkeit" hat deshalb nur klarstellenden Charakter.
Dieser Verpflichtung aus § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat zwischen dem 10. Oktober 1998 und dem 26. Januar 2000 keinen Pflegeeinsatz abgerufen. Die Nichterfüllung der durch § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF begründeten Verpflichtung muss auch nicht deshalb sanktionslos bleiben, weil diese Vorschrift, wie die Klägerin meint, gegen Verfassungsrecht verstößt, insbesondere mit den Grundrechten aus Art 13 Abs 1, Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 3 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren ist.
Art 13 Abs 1 GG, wonach die Wohnung unverletzlich ist, schützt den räumlichen Bereich der Privatsphäre als elementaren Lebensraum. Geschützt ist dabei nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern deren Privatheit. Art 13 GG schützt neben dem Wohnungsinhaber auch solche Personen, denen der Wohnungsinhaber ein eigenes Zimmer zur freien Lebensgestaltung überlassen hat (vgl Cassardt in: Umbach/Clemens, GG, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 1. Aufl 2002, 1. Band, Art 13 RdNr 38, 49 mwN). Art 13 GG bildet ein klassisches Abwehrrecht, das in erster Linie die Abwehr unerwünschter physischer Präsenz staatlicher Bediensteter in der Wohnung sicher stellen soll (vgl Cassardt in: Umbach/Clemens, aaO, Art 13 RdNr 23 mwN; Herdegen in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, 2. Band, Art 6 - 14, Stand Oktober 1993, Art 13 RdNr 42, mwN). Die Vorschrift greift aber auch dann ein, wenn es um Einwirkungen von Privatpersonen - hier etwa privaten oder gemeinnützigen Pflegediensten - geht, deren Handeln der öffentlichen Gewalt zuzurechnen ist. Diesem Aspekt kommt zumindest in Bezug auf die Kontrollfunktion der Pflegeeinsätze Bedeutung zu.
Doch auch wenn § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF den Schutzbereich des Art 13 Abs 1 GG berührt, lässt sich damit ein Verstoß gegen dieses Grundrecht nicht begründen. Dies folgt zwar nicht schon ohne weiteres aus dem Gesichtspunkt der Freiwilligkeit, weil ein Pflegedienst stets nur auf Abruf des Pflegegeldempfängers tätig wird; mithin dessen Wohnung bzw eigene Räumlichkeiten nicht ohne dessen Einverständnis betritt und den Zutritt nicht mit Gewalt erzwingt. Denn im Hinblick auf die vorgesehenen Sanktionen in Form der Kürzung oder Entziehung des Pflegegeldes fügt sich der Betroffene nur in das vermeintlich Unvermeidliche. Die Notwendigkeit der Kontrolle ergibt sich aber aus der Konzeption der Leistungen bei häuslicher Pflege. Pflegebedürftige haben bei häuslicher Pflege grundsätzlich Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe) nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Nur wenn sie an Stelle der ihnen zustehenden Sachleistung ihre Pflege selbst organisieren und sicher stellen wollen, können sie sich für die Geldleistung entscheiden. Sie erhalten damit die Möglichkeit, sich die Pflegeleistungen selbst zu beschaffen; sie müssen dafür dann aber die Sicherstellung der erforderlichen Pflege nachweisen, weil andernfalls eine zweckentsprechende Verwendung der Leistungen der Solidargemeinschaft nicht sicher gestellt wäre. Dass derartige Bindungen bei der Leistungserbringung legitim sind, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang betont (vgl BSGE 82, 252, 258 = SozR 3-3300 § 73 Nr 1, S 7). Das SGB XI bezweckt nicht allein eine Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit in dem Sinne, dass die durch den Eintritt von Pflegebedürftigkeit entstehenden zusätzlichen Kosten (zumindest teilweise) durch die Solidargemeinschaft der Versicherten getragen werden. Das Gesetz erteilt den Pflegekassen vielmehr zusätzlich den Auftrag, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Zur Erreichung dieses Ziels stellt das SGB XI qualitative Anforderungen an die Pflegeeinrichtungen auf; dem entspricht im Bereich der ehrenamtlichen Pflege die den Pflegekassen übertragene Kontrollfunktion. An der mit dem Antrag auf Pflegegeld selbst übernommenen Verpflichtung muss sich der Pflegebedürftige, solange ihm Pflegegeld an Stelle häuslicher Pflegehilfe gewährt wird, auch im Lichte des Art 13 Abs 1 GG festhalten lassen. Die von der Klägerin angegriffenen Pflegeeinsätze bedeuten keinen unverhältnismäßigen Eingriff. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf das von ihm verfolgte Ziel, ein Mindestmaß an Pflegequalität auch bei der Versorgung von Pflegebedürftigen im häuslichen Bereich durch ehrenamtliche Pflegekräfte sicherzustellen, ein geringer belastendes Eingriffsmittel hätte einsetzen können.
§ 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF verletzt auch nicht den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber verfolgt mit den Pflegeeinsätzen vielmehr gerade auch das Ziel, die häusliche Pflege zu fördern, indem familienangehörige Pflegepersonen von erfahrenen berufsmäßig Pflegenden beraten und unterstützt werden. Derartige Pflegefachkräfte sollen beispielsweise rechtzeitig eine gesundheitliche Überforderung der Pflegeperson bemerken oder die familienangehörigen Pflegepersonen auf Entlastungsmöglichkeiten wie etwa teilstationäre Pflege oder auf Pflegekurse hinweisen; auf diese Weise soll die häusliche Pflege weiterhin ermöglicht und die Notwendigkeit stationärer Pflege verhindert werden (vgl BT-Drucks 12/5262, S 112, zu § 33 Abs 3). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Forderung nach regelmäßigen Pflegeeinsätzen keine "Bevormundung" der pflegenden Familienangehörigen bzw der Pflegebedürftigen. Denn solange die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegegeldempfängers sichergestellt ist, steht es dem Pflegebedürftigen und seinen pflegenden Familienangehörigen frei, ob und ggf auf welche Art und Weise sie die Empfehlungen des Pflegedienstes umsetzen. Ist hingegen die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegegeldempfängers nicht sichergestellt, so ist die Familie in dieser Funktion auch im Lichte des Art 6 Abs 1 GG nicht als schutzwürdig anzusehen, da sie gerade nicht in der Lage ist, den auf Hilfe angewiesenen pflegebedürftigen Familienangehörigen sachgerecht zu versorgen. Soweit den Pflegeeinsätzen eine Kontrollfunktion zukommt, scheidet eine Störung der Funktion der Familie als Träger der Lebenshilfe aus.
§ 37 Abs 3 SGB XI aF verstößt auch nicht gegen das Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung (Art 3 Abs 3 Satz 2 GG). Eine Benachteiligung kann zwar auch in einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt bestehen, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird (vgl BVerfGE 96, 288 ff). Um eine derartige Benachteiligung handelt es sich bei dem Pflegeeinsatz jedoch nicht. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF knüpft nicht an die Behinderung des Pflegegeldempfängers an, sondern an den Umstand, dass im Falle des Pflegegeldbezuges die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegebedürftigen regelmäßig nicht von zugelassenen Pflegediensten, die besonderen Zulassungs- und Qualitätsanforderungen unterliegen, sondern von Laien durchgeführt wird. Von der Regelung sind nicht speziell behinderte Menschen betroffen, sondern nur Pflegebedürftige, die ihre Pflege selbst sicher stellen wollen. Pflegebedürftige Behinderte, die häusliche Pflegehilfe in Form der Pflegesachleistung nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Anspruch nehmen, werden ebenso wenig wie nicht Behinderte von der Notwendigkeit des Abrufs derartiger Einsätze tangiert. Die Anknüpfung an die - bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtung - unterschiedliche Qualifikation der Hilfeleistenden bei Pflegesachleistung einerseits und Pflegegeld andererseits rechtfertigt die Ungleichbehandlung der jeweiligen Leistungsbezieher auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG).
Der von der Klägerin geforderte Nachweis eines Pflegeeinsatzes verstößt schließlich auch nicht im konkreten Fall gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass auf Grund der Art ihrer Behinderung mit einer Änderung ihres Gesundheitszustands bzw ihres Pflegebedarfs nicht zu rechnen ist. Dies allein kann aber nach dem beschriebenen Zweck des Einsatzes eine Freistellung der Klägerin nicht begründen. Denn jedenfalls die häusliche Pflegesituation unterliegt einem ständigem Wechsel, allein schon weil die betroffenen Pflegepersonen älter werden und auch deren Leistungsfähigkeit nicht unverändert bleibt. Hinzukommt, dass sich auf dem Gebiet der Medizin, der Pflegewissenschaft oder auf dem Hilfsmittelsektor ständig neue Erkenntnisse und Entwicklungen ergeben, die dazu beitragen können, die Qualität der häuslichen Pflege zu sichern oder zu verbessern.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des laufenden Pflegegeldes war auch der Höhe nach angemessen. Was als angemessen anzusehen ist, lässt sich allerdings weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Die Spitzenverbände der Pflegekassen haben hierzu folgende Praxis beschlossen: Nach Ablauf des ersten Zeitraums ohne Nachweis wird das Pflegegeld für den nachfolgenden Zeitraum um maximal 50 vH gekürzt; es sei denn der Nachweis wird in dieser Zeit vorgelegt. In diesem Fall soll das volle Pflegegeld von dem Tag an, an dem der Pflegeeinsatz durchgeführt wurde, wieder bezahlt werden. Wird der Nachweis auch im zweiten nacheinander folgenden Zeitraum nicht erbracht, soll die Gewährung des Pflegegeldes beendet werden (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des PflegeVG vom 28. Oktober 1996 idF vom 9. Juli 1999, zu § 37 Nr 4 Abs 6 und 7, abgedruckt bei: Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, Anhang 4; Udsching, aaO, § 37 RdNr 14, mwN). Angesichts der gesetzlichen Regelung, wonach das Pflegegeld im Wiederholungsfall völlig zu entziehen ist, erscheint es nicht als unangemessen, wenn auf den ersten Verstoß hin eine Kürzung um 25 vH vorgenommen wird.
3. Die Revision ist auch hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens unbegründet. Dies folgt ohne weiteres aus der Tatsache, dass die Beklagte, wie dargelegt, zu Recht einen Nachweis der Klägerin über den Abruf eines Pflegeeinsatzes innerhalb eines halben Jahres verlangt hat. Hieran hat sich auch durch die mit dem PflEG erfolgte Neufassung der Regelung des § 37 Abs 3 SGB XI nichts geändert. Zwar wollte der Gesetzgeber (vgl BT-Drucks 14/6949, S 13 f) mit der vorgenommenen leichten Änderung des Wortlauts (statt "Pflegebedürftige ... sind verpflichtet, ... einen Pflegeeinsatz ... abzurufen" nunmehr: "Pflegebedürftige ... haben ... eine Beratung ... abzurufen") deutlich machen, dass bei dem Pflegeeinsatz die Beratung und nicht die Kontrolle im Vordergrund steht. Das ändert aber nichts daran, dass ein wesentlicher Zweck des Einsatzes nach wie vor die Überprüfung der häuslichen Pflegesituation ist (so auch Leitherer in: Kasseler Kommentar, § 37 SGB XI RdNr 34). Dies wird schon aus der Tatsache deutlich, dass die Sanktionen bei unterbliebenem Abruf unverändert geblieben sind, obwohl dies im Hinblick auf die Beratungsfunktion des Pflegeeinsatzes allein in dem Maße nicht erforderlich wäre.
4. Soweit die Klägerin ihr (Nach-)Zahlungsbegehren in der Revisionsinstanz erstmals auch auf die Vorschrift des § 67 SGB I gestützt hat, liegt eine Klageänderung vor, die im Revisionsverfahren nicht zulässig ist. Auch wenn dieses Begehren, das nur für den Fall geltend gemacht wird, dass die Kürzung des Pflegegeldes zunächst rechtmäßig war, sich innerhalb des Zahlbetrags des Hauptbegehrens hält, richtet es sich gegen einen anderen Verwaltungsakt, nämlich denjenigen über die Wiederbewilligung des Pflegegeldes für die Zukunft. Die Klägerin beanstandet jetzt insoweit, dass die Beklagte es rechtswidrig unterlassen habe, dabei von Amts wegen sogleich über die Frage der Nachzahlung zu entscheiden. Auch wenn sie diesen Verwaltungsakt in den Vorinstanzen nicht angegriffen und auch in der Revisionsinstanz noch nicht in ihren Antrag einbezogen hat, kann ihr Vorbringen ferner dahingehend verstanden werden, dass die Gerichte von Amts wegen ebenfalls den Wiederbewilligungsbescheid in das Verfahren hätten einbeziehen und darüber entscheiden müssen. Es kann offen bleiben, ob damit die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des § 96 SGG erfüllt sind. In der Sache wäre eine Verletzung von § 96 SGG nur denkbar, wenn durch den Wiederbewilligungsbescheid der ursprüngliche Bescheid über die Kürzung des Pflegegeldes abgeändert und die Klägerin dadurch beschwert wäre. Zwar handelte es sich bei dem Kürzungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung iS von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der durch den Wiederbewilligungsbescheid abgeändert worden ist; die Klägerin ist dadurch aber nur begünstigt worden. Einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Nachzahlung, der verletzt worden sein könnte, hatte sie nicht.
§ 37 Abs 3 Satz 7 SGB XI stellt insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber § 67 SGB I dar. Im Unterschied zu § 18 SGB XI, der das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit regelt und in seinem Abs 2 die Untersuchung des Versicherten durch den Medizinischen Dienst vorschreibt, bei dessen Verweigerung ausdrücklich auf die §§ 65, 66 SGB I verwiesen wird (Abs 2 Satz 3), fehlt es in § 37 Abs 3 SGB XI an einer solchen Verweisung. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung hat treffen wollen. Für ein gesetzgeberisches Versehen bestehen keine Anhaltspunkte, zumal § 66 Abs 2 SGB I eine besondere Regelung für Bezieher von Pflegeleistungen enthält, die durch Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung beeinträchtigen oder eine Verbesserung verhindern. Für diesen Fall der Leistungsentziehung gilt § 67 SGB I unmittelbar. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass die Verletzung von Mitwirkungspflichten keine endgütigen Rechtsverluste zur Folge haben soll, wenn der verhaltenssteuernde Effekt mit der Nachholung der Mitwirkungshandlung eingetreten ist, enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Sozialrechts, der im Zweifel anzuwenden wäre. Die Wirksamkeit der Androhung von Nachteilen hängt auch davon ab, inwieweit diese Nachteile endgültig eintreten. Diese Einschätzung über die Wirksamkeit von Maßnahmen muss dem Gesetzgeber nach der Bedeutung des jeweiligen Lebenssachverhalts vorbehalten bleiben. Indem der Gesetzgeber zwingend angeordnet hat, dass die Leistung bei wiederholter Versäumung des Pflegeeinsatzes vollständig und ohne jeden Ermessensspielraum der Pflegekasse zu entziehen ist, hat er deutlich gemacht, dass er hier eine wirksame Sanktion für geboten hält. Die Möglichkeit einer Nachzahlung würde dies teilweise unterlaufen. Deshalb ist es den Gerichten verwehrt, eine solche Rechtsfolge im Wege analoger Rechtsanwendung auszusprechen. Von daher kann in der unterbliebenen sachlichen Prüfung eines auf den nachgeholten Pflegeeinsatz gestützten Nachzahlungsanspruchs kein Verfahrensfehler des LSG gesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung laufenden Pflegegeldes wegen unterbliebenen Abrufs eines Pflegeeinsatzes gemäß § 37 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die 1957 geborene Klägerin leidet an dem sog Down-Syndrom. Sie lebte bis Juni 2003 bei ihren Eltern, tagsüber war sie in einer nahe gelegenen Werkstatt der Lebenshilfe tätig. Ihre Interessen wurden in dieser Zeit durch ihren Vater wahrgenommen. Seit Juni 2003 lebt sie in einer Behinderteneinrichtung; seitdem ist ihre Cousine zur Betreuerin bestellt. Die Klägerin bezieht seit dem 1. April 1995 Pflegegeld der Pflegestufe I. Im Bewilligungsbescheid war sie darauf hingewiesen worden, dass sie mindestens einmal halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Vertrags-Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen und der Beklagten hierüber einen Nachweis vorlegen müsse. Die Klägerin rief in der Folgezeit einen solchen Pflegeeinsatz nicht ab. Mit Schreiben vom 2. September 1998 wurde sie von der Beklagten nochmals auf die Notwendigkeit des halbjährlichen Abrufs eines Pflegeeinsatzes hingewiesen. Daraufhin erwiderte der Vater der Klägerin, der Zustand seiner Tochter sei unverändert. Sie bedürfe keiner Ratschläge eines Pflegedienstes. Seine Ehefrau, die die gemeinsame Tochter versorge, verfüge über langjährige Erfahrung. In der Folgezeit rief die Klägerin dennoch zum 10. Oktober 1998 erstmals einen Pflegeeinsatz ab, wobei der beauftragte Pflegedienst zu dem Ergebnis kam, dass die häusliche Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung der Klägerin durch ihre Eltern in umfassender Weise sichergestellt sei. Der Aufforderung der Beklagten, für das erste Halbjahr 1999 erneut einen Pflegeeinsatz abzurufen, kam die Klägerin nicht nach. Mit Schreiben vom 1. Juli 1999 kündigte die Beklagte an, das laufende Pflegegeld ab 1. August 1999 um 25 vH, dh um 100,00 DM, zu kürzen. Der Vater der Klägerin erklärte daraufhin, die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs am Arbeitsplatz der Klägerin sei ausreichend. Einen Kontrollbesuch in seiner Wohnung lehnte er dagegen ab. Hierauf kürzte die Beklagte das laufende Pflegegeld und wies die Klägerin zugleich darauf hin, dass die Kürzung nicht von der Verpflichtung entbinde, auch künftig halbjährlich einen Pflegeeinsatz abzurufen (Bescheid vom 19. Juli 1999). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1999).
Die auf Zahlung ungekürzten Pflegegeldes gerichtete Klage der Klägerin wurde vom Sozialgericht (SG) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2001). Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens rief die Klägerin im Januar 2000 einen weiteren Pflegeeinsatz ab; die Beklagte hob daraufhin die Kürzung des Pflegegeldes zum 1. Februar 2000 auf und erstattete den anteiligen Kürzungsbetrag für den Monat Januar in Höhe von 16,65 DM. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 14. Dezember 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Freistellung vom Erfordernis der Inanspruchnahme eines Pflegeeinsatzes. Die Verpflichtung zum Abruf eines Pflegeeinsatzes sei zwingend, da § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI entgegen der Auffassung der Klägerin keine Ausnahmen vorsehe. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Verfassungsmäßigkeit seien unbegründet. Vor dem Hintergrund, dass die Pflegekassen im Regelfall eine Kürzung des Pflegegeldes um 50 vH für angemessen hielten, sei auch die Höhe der Kürzung nicht unverhältnismäßig gewesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe bei Auslegung des § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI die grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art 13 Abs 1, Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) nicht hinreichend berücksichtigt. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI verpflichte den Pflegegeldempfänger ohne Ortsvorgabe lediglich dazu, einen Pflegeeinsatz abzurufen. Zwar sei die Regelung durch Gesetz vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S 3728) insoweit geändert worden, als nunmehr eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen sei; gleichwohl sei damit nicht die Wohnung des Pflegegeldempfängers gemeint, sondern die Umgebung, in der die Pflegetätigkeit schwerpunktmäßig erfolge. Dennoch habe das LSG den Begriff "Pflegeeinsatz" im Sinne eines Hausbesuchs ausgelegt, der notwendigerweise auch das Betreten der Wohnung beinhalte. In dieser Auslegung kollidiere § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI jedoch mit dem durch Art 13 GG geschützten Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Der Pflegedienst sei zwar nach § 37 Abs 3 SGB XI nicht berechtigt, in die Wohnung des Pflegegeldempfängers einzudringen. Doch auch das Betreten der Wohnung im Einverständnis mit dem Pflegegeldempfänger sei eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Art 13 GG. Denn der Pflegegeldempfänger sei zur Erteilung seines Einverständnisses gezwungen, da er nur so seinen Leistungsanspruch erhalten könne. Außerdem habe das LSG verkannt, dass es sich bei der Verpflichtung aus § 37 Abs 3 SGB XI um eine Mitwirkungspflicht gemäß §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) handele. Daraus ergebe sich, dass die Beklagte, wenn die erforderliche Mitwirkungshandlung nachgeholt werde und die weiteren Leistungsvoraussetzungen vorlägen, gemäß § 67 SGB I die entzogene Leistung nachträglich ganz oder teilweise erbringen könne. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung zu § 37 SGB XI lasse sich ein Ausschluss der Nachzahlung des gekürzten Pflegegeldes gemäß § 67 SGB I entnehmen. Das Pflegegeld stelle eine Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Pflegeleistungen im häuslichen Bereich dar. Daher sei es nicht gerechtfertigt, es im Falle der Nachholung der erforderlichen Mitwirkungshandlung bei der vorgenommenen Kürzung zu belassen. Die Klägerin habe zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der Leistung. Die Beklagte habe jedoch ihr Ermessen von vornherein gebunden. Dies sei rechtsfehlerhaft und die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2001 und den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 29. Mai 2001 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1999 zu verurteilen, das Pflegegeld entsprechend Pflegestufe I in der Zeit vom 1. August 1999 bis 26. Januar 2000 ungekürzt zu zahlen, und die Beklagte zu verpflichten, künftig von der Forderung von Pflegeeinsätzen abzusehen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Von Amts wegen zu beachtende Sachurteilshindernisse liegen nicht vor. Dies gilt auch für die Zulässigkeit der Berufung. Diese ist auch bei zugelassener Revision von Amts wegen zu prüfen (vgl BSGE 39, 119 ff = SozR 4100 § 45 Nr 4). Problematisch könnte vorliegend sein, ob der nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Beschwerdewert erreicht wurde, denn der Kürzungsbetrag belief sich lediglich auf 583,35 DM. Das LSG hat jedoch zutreffend bei der Ermittlung des Beschwerdewerts den Wert des Unterlassungsbegehrens hinzu gerechnet, wodurch der seinerzeit maßgebende Beschwerdewert von 1.000 DM erreicht wurde.
Die Beklagte hat für die hier streitige Zeitspanne zu Recht eine Kürzung des Pflegegeldes vorgenommen (2.). Sie hat zudem zu Recht darauf bestanden, dass die Klägerin auch in der nachfolgenden Zeit, solange sie sich in häuslicher Pflege befand, halbjährlich einen Pflegeeinsatz (seit 1. Januar 2002: Beratungseinsatz) abrief (3.). Das von der Klägerin erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gemachte Begehren, den Kürzungsbetrag nach dem erfolgten Abruf eines weiteren Pflegeeinsatzes nachzuzahlen, ist als Klageänderung unzulässig (4.).
1. Mit ihrem ursprünglichen Klagebegehren verfolgte die Klägerin zunächst das Ziel, die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Kürzung des Pflegegeldes für die Zeit vom 1. August 1999 bis 26. Januar 2000 aufzuheben. Richtige Klageart ist insoweit die (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG (vgl BSG SozR 1200 § 66 Nr 13, S 11 ff, 12 f; BSGE 76, 16 = SozR 3-1200 § 66 Nr 3). Eines zusätzlichen Leistungsantrags bedurfte es nicht, weil im Falle der angestrebten Kassation des angefochtenen Bescheides der Leistungsbewilligungsbescheid der Beklagten vom 22. März 1995 wieder uneingeschränkt anzuwenden wäre, mit der Folge, dass die Beklagte auch für den Zeitraum der Zahlungskürzung (nachträglich) die bewilligte Leistung erbringen müsste. Dieses Begehren ist zu unterscheiden von dem erst im Revisionsverfahren hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Nachzahlung des Kürzungsbetrages wegen des nachgeholten Pflegeeinsatzes, auf den später einzugehen ist.
Zum anderen soll die Beklagte im Wege der Unterlassungsklage verpflichtet werden, für die nachfolgende Zeit von der Forderung derartiger Einsätze als Voraussetzung für die Zahlung des vollen Pflegegeldes abzusehen. An der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht dann ein berechtigtes Interesse, wenn nach dem Vortrag des Klägers weitere Rechtsverletzungen zu besorgen sind, die gerichtliche Klärung den Streitfall endgültig zu erledigen verspricht und es für den Kläger nicht zumutbar ist, den Erlass weiterer Verwaltungsakte abzuwarten (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 54 RdNr 42 f mwN). Dies ist hier der Fall. Denn wenn die Klägerin weiterhin Pflegeeinsätze abgelehnt hätte, wären weitere Kürzungen und die vollständige Entziehung des Pflegegeldes zu befürchten gewesen. Die Beklagte hatte im Bescheid vom 19. Juli 1999 darauf hingewiesen, dass sie im Wiederholungsfalle verpflichtet sei, die Zahlung des Pflegegeldes einzustellen. Es kann offen bleiben, ob darin neben der Kürzung des Pflegegeldes eine selbstständige Verfügung in Form einer Androhung zu sehen ist, die als Verwaltungsakt ebenfalls mit der Anfechtungsklage beseitigt werden könnte, oder ob es sich nur um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt (vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl 2003, § 35 RdNr 50 mwN). Der ausdrückliche Antrag, neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide von der Aufforderung zur Abrufung von Pflegeeinsätzen abzusehen, dient jedenfalls der Klarstellung. Die Klägerin hat insoweit ein Rechtsschutzinteresse an baldiger Klärung, weil die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes nicht verhindern könnte, dass ihr zunächst laufende Geldleistungen vorenthalten würden.
2. Die Beklagte hat das der Klägerin zustehende Pflegegeld zu Recht wegen des unterbliebenen Abrufs eines Pflegeeinsatzes in dem hier streitigen Zeitraum um 25 % gekürzt. Nach § 37 Abs 3 Satz 7 SGB XI in der seinerzeit geltenden Fassung (aF) hat die Pflegekasse, wenn der Pflegebedürftige den Pflegeeinsatz nicht abruft oder das Einverständnis nach § 37 Abs 3 Satz 4 SGB XI aF (offensichtlicher Gesetzesfehler: zutreffend wäre Satz 5 gewesen) nicht erteilt, das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zwar die Vorschrift des § 37 Abs 3 SGB XI durch das Gesetz zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher Pflege von Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf (Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG)) vom 14. Dezember 2001 (BGBl I, S 3728) neu gefasst und die Kürzung bzw Entziehung des Pflegegeldes nunmehr in § 37 Abs 6 SGB XI geregelt. Gleichwohl ist vorliegend der Beurteilung des Anfechtungsbegehrens der Klägerin die Vorschrift des § 37 Abs 3 SGB XI aF zu Grunde zu legen, da nach § 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts maßgeblich ist (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 32 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, die Wirkungen des Verwaltungsakts abgeschlossen in der Vergangenheit liegen.
Danach war die Klägerin als Bezieherin von Pflegegeld nach Pflegestufe I verpflichtet, mindestens einmal halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung, mit der die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, abzurufen. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF lässt allerdings nicht erkennen, was unter einem Pflegeeinsatz im Einzelnen zu verstehen ist; insbesondere ob der Einsatz im häuslichen Bereich des Pflegebedürftigen stattfinden muss oder ob, wie die Klägerin annimmt, ein Besuch in dem Lebensbereich, in dem sie sich über Tag aufhielt, ausreicht.
Zwar ist die Regelung seit ihrer ursprünglichen Fassung im Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) mehrfach geändert worden. Der Gesetzgeber verfolgte mit ihr jedoch von Anfang an das Ziel, ein Mindestmaß an Qualität auch bei der Pflege durch ehrenamtliche Pflegepersonen sicher zu stellen. Von daher standen das Wohnumfeld und die Pflegesituation im häuslichen Bereich von vornherein im Mittelpunkt der Prüfung. Defizite in der häuslichen Pflege sollten auf diese Weise frühzeitig entdeckt und behoben werden (vgl Gesetzesbegründung, BT-Drucks 12/5262, S 112 Zu § 33 Abs 3). In den späteren Fassungen des § 37 Abs 3 SGB XI und nunmehr in Abs 6 ist der Aspekt der regelmäßigen Hilfestellung und Beratung der häuslich Pflegenden hinzugetreten. Nichts anderes ergibt sich aus der Begründung zu den Änderungen des § 37 Abs 3 SGB XI im 1. SGB XI-ÄndG (vom 14. Juni 1996, BGBl I, S 830, BT-Drucks 13/3696 S 13 Zu Nr 13 Buchst b). Dies macht ohne weiteres deutlich, dass der Gesetzgeber unter Pflegeeinsatz in § 37 Abs 3 SGB XI aF nur einen solchen verstanden hat, der im häuslichen Pflegebereich durchgeführt wird. Die mit dem PflEG vorgenommene Ergänzung des Wortlauts von § 37 Abs 1 Satz 1 SGB XI um die Worte "in der eigenen Häuslichkeit" hat deshalb nur klarstellenden Charakter.
Dieser Verpflichtung aus § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat zwischen dem 10. Oktober 1998 und dem 26. Januar 2000 keinen Pflegeeinsatz abgerufen. Die Nichterfüllung der durch § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF begründeten Verpflichtung muss auch nicht deshalb sanktionslos bleiben, weil diese Vorschrift, wie die Klägerin meint, gegen Verfassungsrecht verstößt, insbesondere mit den Grundrechten aus Art 13 Abs 1, Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 3 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren ist.
Art 13 Abs 1 GG, wonach die Wohnung unverletzlich ist, schützt den räumlichen Bereich der Privatsphäre als elementaren Lebensraum. Geschützt ist dabei nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern deren Privatheit. Art 13 GG schützt neben dem Wohnungsinhaber auch solche Personen, denen der Wohnungsinhaber ein eigenes Zimmer zur freien Lebensgestaltung überlassen hat (vgl Cassardt in: Umbach/Clemens, GG, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 1. Aufl 2002, 1. Band, Art 13 RdNr 38, 49 mwN). Art 13 GG bildet ein klassisches Abwehrrecht, das in erster Linie die Abwehr unerwünschter physischer Präsenz staatlicher Bediensteter in der Wohnung sicher stellen soll (vgl Cassardt in: Umbach/Clemens, aaO, Art 13 RdNr 23 mwN; Herdegen in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, 2. Band, Art 6 - 14, Stand Oktober 1993, Art 13 RdNr 42, mwN). Die Vorschrift greift aber auch dann ein, wenn es um Einwirkungen von Privatpersonen - hier etwa privaten oder gemeinnützigen Pflegediensten - geht, deren Handeln der öffentlichen Gewalt zuzurechnen ist. Diesem Aspekt kommt zumindest in Bezug auf die Kontrollfunktion der Pflegeeinsätze Bedeutung zu.
Doch auch wenn § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF den Schutzbereich des Art 13 Abs 1 GG berührt, lässt sich damit ein Verstoß gegen dieses Grundrecht nicht begründen. Dies folgt zwar nicht schon ohne weiteres aus dem Gesichtspunkt der Freiwilligkeit, weil ein Pflegedienst stets nur auf Abruf des Pflegegeldempfängers tätig wird; mithin dessen Wohnung bzw eigene Räumlichkeiten nicht ohne dessen Einverständnis betritt und den Zutritt nicht mit Gewalt erzwingt. Denn im Hinblick auf die vorgesehenen Sanktionen in Form der Kürzung oder Entziehung des Pflegegeldes fügt sich der Betroffene nur in das vermeintlich Unvermeidliche. Die Notwendigkeit der Kontrolle ergibt sich aber aus der Konzeption der Leistungen bei häuslicher Pflege. Pflegebedürftige haben bei häuslicher Pflege grundsätzlich Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe) nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Nur wenn sie an Stelle der ihnen zustehenden Sachleistung ihre Pflege selbst organisieren und sicher stellen wollen, können sie sich für die Geldleistung entscheiden. Sie erhalten damit die Möglichkeit, sich die Pflegeleistungen selbst zu beschaffen; sie müssen dafür dann aber die Sicherstellung der erforderlichen Pflege nachweisen, weil andernfalls eine zweckentsprechende Verwendung der Leistungen der Solidargemeinschaft nicht sicher gestellt wäre. Dass derartige Bindungen bei der Leistungserbringung legitim sind, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang betont (vgl BSGE 82, 252, 258 = SozR 3-3300 § 73 Nr 1, S 7). Das SGB XI bezweckt nicht allein eine Absicherung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit in dem Sinne, dass die durch den Eintritt von Pflegebedürftigkeit entstehenden zusätzlichen Kosten (zumindest teilweise) durch die Solidargemeinschaft der Versicherten getragen werden. Das Gesetz erteilt den Pflegekassen vielmehr zusätzlich den Auftrag, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Zur Erreichung dieses Ziels stellt das SGB XI qualitative Anforderungen an die Pflegeeinrichtungen auf; dem entspricht im Bereich der ehrenamtlichen Pflege die den Pflegekassen übertragene Kontrollfunktion. An der mit dem Antrag auf Pflegegeld selbst übernommenen Verpflichtung muss sich der Pflegebedürftige, solange ihm Pflegegeld an Stelle häuslicher Pflegehilfe gewährt wird, auch im Lichte des Art 13 Abs 1 GG festhalten lassen. Die von der Klägerin angegriffenen Pflegeeinsätze bedeuten keinen unverhältnismäßigen Eingriff. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf das von ihm verfolgte Ziel, ein Mindestmaß an Pflegequalität auch bei der Versorgung von Pflegebedürftigen im häuslichen Bereich durch ehrenamtliche Pflegekräfte sicherzustellen, ein geringer belastendes Eingriffsmittel hätte einsetzen können.
§ 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF verletzt auch nicht den Schutzbereich des Art 6 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber verfolgt mit den Pflegeeinsätzen vielmehr gerade auch das Ziel, die häusliche Pflege zu fördern, indem familienangehörige Pflegepersonen von erfahrenen berufsmäßig Pflegenden beraten und unterstützt werden. Derartige Pflegefachkräfte sollen beispielsweise rechtzeitig eine gesundheitliche Überforderung der Pflegeperson bemerken oder die familienangehörigen Pflegepersonen auf Entlastungsmöglichkeiten wie etwa teilstationäre Pflege oder auf Pflegekurse hinweisen; auf diese Weise soll die häusliche Pflege weiterhin ermöglicht und die Notwendigkeit stationärer Pflege verhindert werden (vgl BT-Drucks 12/5262, S 112, zu § 33 Abs 3). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Forderung nach regelmäßigen Pflegeeinsätzen keine "Bevormundung" der pflegenden Familienangehörigen bzw der Pflegebedürftigen. Denn solange die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegegeldempfängers sichergestellt ist, steht es dem Pflegebedürftigen und seinen pflegenden Familienangehörigen frei, ob und ggf auf welche Art und Weise sie die Empfehlungen des Pflegedienstes umsetzen. Ist hingegen die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegegeldempfängers nicht sichergestellt, so ist die Familie in dieser Funktion auch im Lichte des Art 6 Abs 1 GG nicht als schutzwürdig anzusehen, da sie gerade nicht in der Lage ist, den auf Hilfe angewiesenen pflegebedürftigen Familienangehörigen sachgerecht zu versorgen. Soweit den Pflegeeinsätzen eine Kontrollfunktion zukommt, scheidet eine Störung der Funktion der Familie als Träger der Lebenshilfe aus.
§ 37 Abs 3 SGB XI aF verstößt auch nicht gegen das Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung (Art 3 Abs 3 Satz 2 GG). Eine Benachteiligung kann zwar auch in einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt bestehen, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird (vgl BVerfGE 96, 288 ff). Um eine derartige Benachteiligung handelt es sich bei dem Pflegeeinsatz jedoch nicht. § 37 Abs 3 Satz 1 SGB XI aF knüpft nicht an die Behinderung des Pflegegeldempfängers an, sondern an den Umstand, dass im Falle des Pflegegeldbezuges die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung des Pflegebedürftigen regelmäßig nicht von zugelassenen Pflegediensten, die besonderen Zulassungs- und Qualitätsanforderungen unterliegen, sondern von Laien durchgeführt wird. Von der Regelung sind nicht speziell behinderte Menschen betroffen, sondern nur Pflegebedürftige, die ihre Pflege selbst sicher stellen wollen. Pflegebedürftige Behinderte, die häusliche Pflegehilfe in Form der Pflegesachleistung nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Anspruch nehmen, werden ebenso wenig wie nicht Behinderte von der Notwendigkeit des Abrufs derartiger Einsätze tangiert. Die Anknüpfung an die - bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtung - unterschiedliche Qualifikation der Hilfeleistenden bei Pflegesachleistung einerseits und Pflegegeld andererseits rechtfertigt die Ungleichbehandlung der jeweiligen Leistungsbezieher auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG).
Der von der Klägerin geforderte Nachweis eines Pflegeeinsatzes verstößt schließlich auch nicht im konkreten Fall gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass auf Grund der Art ihrer Behinderung mit einer Änderung ihres Gesundheitszustands bzw ihres Pflegebedarfs nicht zu rechnen ist. Dies allein kann aber nach dem beschriebenen Zweck des Einsatzes eine Freistellung der Klägerin nicht begründen. Denn jedenfalls die häusliche Pflegesituation unterliegt einem ständigem Wechsel, allein schon weil die betroffenen Pflegepersonen älter werden und auch deren Leistungsfähigkeit nicht unverändert bleibt. Hinzukommt, dass sich auf dem Gebiet der Medizin, der Pflegewissenschaft oder auf dem Hilfsmittelsektor ständig neue Erkenntnisse und Entwicklungen ergeben, die dazu beitragen können, die Qualität der häuslichen Pflege zu sichern oder zu verbessern.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des laufenden Pflegegeldes war auch der Höhe nach angemessen. Was als angemessen anzusehen ist, lässt sich allerdings weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Die Spitzenverbände der Pflegekassen haben hierzu folgende Praxis beschlossen: Nach Ablauf des ersten Zeitraums ohne Nachweis wird das Pflegegeld für den nachfolgenden Zeitraum um maximal 50 vH gekürzt; es sei denn der Nachweis wird in dieser Zeit vorgelegt. In diesem Fall soll das volle Pflegegeld von dem Tag an, an dem der Pflegeeinsatz durchgeführt wurde, wieder bezahlt werden. Wird der Nachweis auch im zweiten nacheinander folgenden Zeitraum nicht erbracht, soll die Gewährung des Pflegegeldes beendet werden (Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des PflegeVG vom 28. Oktober 1996 idF vom 9. Juli 1999, zu § 37 Nr 4 Abs 6 und 7, abgedruckt bei: Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, Anhang 4; Udsching, aaO, § 37 RdNr 14, mwN). Angesichts der gesetzlichen Regelung, wonach das Pflegegeld im Wiederholungsfall völlig zu entziehen ist, erscheint es nicht als unangemessen, wenn auf den ersten Verstoß hin eine Kürzung um 25 vH vorgenommen wird.
3. Die Revision ist auch hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens unbegründet. Dies folgt ohne weiteres aus der Tatsache, dass die Beklagte, wie dargelegt, zu Recht einen Nachweis der Klägerin über den Abruf eines Pflegeeinsatzes innerhalb eines halben Jahres verlangt hat. Hieran hat sich auch durch die mit dem PflEG erfolgte Neufassung der Regelung des § 37 Abs 3 SGB XI nichts geändert. Zwar wollte der Gesetzgeber (vgl BT-Drucks 14/6949, S 13 f) mit der vorgenommenen leichten Änderung des Wortlauts (statt "Pflegebedürftige ... sind verpflichtet, ... einen Pflegeeinsatz ... abzurufen" nunmehr: "Pflegebedürftige ... haben ... eine Beratung ... abzurufen") deutlich machen, dass bei dem Pflegeeinsatz die Beratung und nicht die Kontrolle im Vordergrund steht. Das ändert aber nichts daran, dass ein wesentlicher Zweck des Einsatzes nach wie vor die Überprüfung der häuslichen Pflegesituation ist (so auch Leitherer in: Kasseler Kommentar, § 37 SGB XI RdNr 34). Dies wird schon aus der Tatsache deutlich, dass die Sanktionen bei unterbliebenem Abruf unverändert geblieben sind, obwohl dies im Hinblick auf die Beratungsfunktion des Pflegeeinsatzes allein in dem Maße nicht erforderlich wäre.
4. Soweit die Klägerin ihr (Nach-)Zahlungsbegehren in der Revisionsinstanz erstmals auch auf die Vorschrift des § 67 SGB I gestützt hat, liegt eine Klageänderung vor, die im Revisionsverfahren nicht zulässig ist. Auch wenn dieses Begehren, das nur für den Fall geltend gemacht wird, dass die Kürzung des Pflegegeldes zunächst rechtmäßig war, sich innerhalb des Zahlbetrags des Hauptbegehrens hält, richtet es sich gegen einen anderen Verwaltungsakt, nämlich denjenigen über die Wiederbewilligung des Pflegegeldes für die Zukunft. Die Klägerin beanstandet jetzt insoweit, dass die Beklagte es rechtswidrig unterlassen habe, dabei von Amts wegen sogleich über die Frage der Nachzahlung zu entscheiden. Auch wenn sie diesen Verwaltungsakt in den Vorinstanzen nicht angegriffen und auch in der Revisionsinstanz noch nicht in ihren Antrag einbezogen hat, kann ihr Vorbringen ferner dahingehend verstanden werden, dass die Gerichte von Amts wegen ebenfalls den Wiederbewilligungsbescheid in das Verfahren hätten einbeziehen und darüber entscheiden müssen. Es kann offen bleiben, ob damit die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des § 96 SGG erfüllt sind. In der Sache wäre eine Verletzung von § 96 SGG nur denkbar, wenn durch den Wiederbewilligungsbescheid der ursprüngliche Bescheid über die Kürzung des Pflegegeldes abgeändert und die Klägerin dadurch beschwert wäre. Zwar handelte es sich bei dem Kürzungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung iS von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der durch den Wiederbewilligungsbescheid abgeändert worden ist; die Klägerin ist dadurch aber nur begünstigt worden. Einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Nachzahlung, der verletzt worden sein könnte, hatte sie nicht.
§ 37 Abs 3 Satz 7 SGB XI stellt insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber § 67 SGB I dar. Im Unterschied zu § 18 SGB XI, der das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit regelt und in seinem Abs 2 die Untersuchung des Versicherten durch den Medizinischen Dienst vorschreibt, bei dessen Verweigerung ausdrücklich auf die §§ 65, 66 SGB I verwiesen wird (Abs 2 Satz 3), fehlt es in § 37 Abs 3 SGB XI an einer solchen Verweisung. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung hat treffen wollen. Für ein gesetzgeberisches Versehen bestehen keine Anhaltspunkte, zumal § 66 Abs 2 SGB I eine besondere Regelung für Bezieher von Pflegeleistungen enthält, die durch Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung beeinträchtigen oder eine Verbesserung verhindern. Für diesen Fall der Leistungsentziehung gilt § 67 SGB I unmittelbar. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass die Verletzung von Mitwirkungspflichten keine endgütigen Rechtsverluste zur Folge haben soll, wenn der verhaltenssteuernde Effekt mit der Nachholung der Mitwirkungshandlung eingetreten ist, enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Sozialrechts, der im Zweifel anzuwenden wäre. Die Wirksamkeit der Androhung von Nachteilen hängt auch davon ab, inwieweit diese Nachteile endgültig eintreten. Diese Einschätzung über die Wirksamkeit von Maßnahmen muss dem Gesetzgeber nach der Bedeutung des jeweiligen Lebenssachverhalts vorbehalten bleiben. Indem der Gesetzgeber zwingend angeordnet hat, dass die Leistung bei wiederholter Versäumung des Pflegeeinsatzes vollständig und ohne jeden Ermessensspielraum der Pflegekasse zu entziehen ist, hat er deutlich gemacht, dass er hier eine wirksame Sanktion für geboten hält. Die Möglichkeit einer Nachzahlung würde dies teilweise unterlaufen. Deshalb ist es den Gerichten verwehrt, eine solche Rechtsfolge im Wege analoger Rechtsanwendung auszusprechen. Von daher kann in der unterbliebenen sachlichen Prüfung eines auf den nachgeholten Pflegeeinsatz gestützten Nachzahlungsanspruchs kein Verfahrensfehler des LSG gesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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