Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 1/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichtes für das Saarland vom 31. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer von ihm geltend gemachten Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der im Jahre 1956 geborene Kläger absolvierte ab August 1971 eine Lehre als Heizungsbauer und war anschließend in diesem Beruf bis April 1984, unterbrochen durch den Wehrdienst, tätig. Nach dem Besuch der Meisterschule und dem Abschluss als Heizungsbau- sowie Gas-Wasser-Installateur-Meister war er von April 1984 bis zum September 1995 als mitarbeitender Meister beschäftigt. Anschließend erkrankte er arbeitsunfähig und erhält mittlerweile Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Nach BK-Anzeigen des Klägers vom Juni 1997 und seines letzten Beschäftigungsunternehmens vom August 1997 holte die Beklagte eine Auskunft des Unternehmens, eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), der die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Entstehen einer BK Nr 2108 beim Kläger verneinte, und ein Gutachten bei Dr. R , der die medizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr 2108 bejahte und dem sich der Gewerbearzt in seiner Stellungnahme anschloss, ein. Die Beklagte lehnte die Anerkennung der BK Nr 2108 und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Zwar habe der Kläger während seiner versicherten Berufstätigkeit körperlich schwer arbeiten müssen, die Belastungen hätten aber nicht ständig vorgelegen und es hätten üblicherweise Hilfsmittel zur Verfügung gestanden (Bescheid vom 12. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. August 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 31. Oktober 2001) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr 2108 sei unabhängig von den medizinischen Voraussetzungen, dass eine schädigende Einwirkung vorgelegen habe, die von Art und Umfang her geeignet war, diese BK zu verursachen. An diesen arbeitstechnischen Voraussetzungen mangele es beim Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Zur Ermittlung der beruflichen Belastungen des Klägers hätten sowohl der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. D als auch der TAD der Beklagten das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zugrunde gelegt. Dieses sei als Konsensmodell innerhalb der gewerblichen BGen unter Einbeziehung von Wissenschaftlern entwickelt worden, orientiere sich an dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zu der BK Nr 2108 herausgegebenen Merkblatt und beziehe die Ergebnisse epidemiologischer Studien ein. Es ermögliche eine praxisgerechte Berücksichtigung einzelner Verrichtungen, und der Senat halte es für nachvollziehbar und überzeugend. Er habe keine Bedenken im vorliegenden Fall dieser von dem Sachverständigen und dem TAD angewandten Berechnungsmethode zu folgen. Ausgehend von den Angaben des Klägers und unter Berücksichtigung der Ausführungen des TAD, insbesondere zu technischen Gesichtspunkten, denen sich der Sachverständige in Abänderung seines Gutachtens in seiner späteren Stellungnahme angeschlossen habe, seien beim Kläger für Hebe- und Tragevorgänge zwischen 40 und 50 kg pro Arbeitstag 0,25 Stunden anzusetzen und eine Tagesdosis von 8.480 Newton-Stunden (Nh) zugrunde zu legen. Da diese Belastung nur an einem Teil der Arbeitstage aufgetreten sei, ergäbe sich eine Gesamtdosis von 12,5 Mega-Nh (MNh), die deutlich und nicht nur grenzwertig unter dem Richtwert für die Gesamtdosis von 25 MNh nach dem MDD liege, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr 2108 nicht erfüllt seien. Auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen komme es nicht an.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, das LSG habe hinsichtlich der beruflichen Belastungen seine Angaben in seinem Widerspruchsschreiben und die in dem Gutachten von Prof. Dr. H aus einem zivilrechtlichen Parallelverfahren nicht berücksichtigt, obwohl diese erheblich von der Stellungnahme des TAD abwichen. Es habe insofern keine eigenen Ermittlungen angestellt und somit seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Es müsste ein arbeitstechnisches Gutachten eingeholt werden, zumal die Stellungnahme des TAD nur "Parteivortrag" der Beklagten sei. Das LSG habe das Recht des erst am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zugrunde gelegt, obwohl der zu entscheidende Sachverhalt aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1996 datiere. Im Übrigen habe das LSG seiner Entscheidung das Merkblatt zur BK Nr 2108 zugrunde gelegt, obwohl dieses nicht verbindlich sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 31. Oktober 2001 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 10. August 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen einer Berufskrankheit nach Nr 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil bei ihm die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BK Nr 2108 der Anlage zur BKV nicht vorliegen.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe zu Unrecht seiner Entscheidung das SGB VII zugrunde gelegt, weil die versicherte Berufstätigkeit des Klägers und seine Tätigkeitsaufgabe unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) waren, kann dies nicht zu einer Aufhebung des Urteils des LSG führen. Zwar wurde die RVO erst zum 1. Januar 1997 durch das SGB VII abgelöst (Art 1, 35, 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl I 1254) und das SGB VII gilt erst für alle nach seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfälle (§ 212 SGB VII). Der Kläger hat aber erst im Juni 1997 - also unter Geltung des SGB VII - die Feststellung der umstrittenen BK bei der Beklagten beantragt und eine rückwirkende Feststellung für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 ist von ihm nicht ausdrücklich begehrt worden. Selbst wenn insofern das Recht der RVO zugrunde zu legen wäre, ergäbe sich jedoch kein Unterschied, weil die entscheidende Umschreibung der umstrittenen BK Nr 2108 der Anlage zur BKV, auf die das LSG seine Entscheidung gegründet hat, zwischenzeitlich nicht geändert wurde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 Abs 1 SGB VII bzw § 581 RVO), weil ein Versicherungsfall in Gestalt der streitigen BK (§ 7 Abs 1, § 9 Abs 1 SGB VII bzw § 551 RVO) nicht eingetreten ist. Die Voraussetzungen einer BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV sind beim Kläger nicht festzustellen. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Berufskrankheiten auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (zur Rechtmäßigkeit dieser BK vgl BSGE 84, 30 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12; BSG Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2700 § 9 Nr 1).
Trotz nach wie vor bestehender Fragen sieht der Senat aufgrund des derzeitigen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse die Anknüpfung, die das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung zur notwendigen Konkretisierung der versicherten Einwirkungen bei der BK Nr 2108 an das MDD gemacht hat, als rechtlich nicht zu beanstanden an. Das MDD basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist eine Zusammenfassung wissenschaftlicher Erfahrungstatsachen, die als Tatsachenfeststellung im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar sind (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Von Seiten des Klägers sind gegen die Anwendbarkeit des MDD auch keine Bedenken erhoben worden und der Senat hält an seiner Auffassung (vgl Urteil vom 18. März 2003, aaO) fest, dass es zumindest derzeit ein geeignetes Modell zur Beschreibung der versicherten Einwirkung iS der BK Nr 2108 ist, wenn es auch der Überprüfung und Weiterentwicklung bedarf. Nach dem vom LSG zugrunde gelegten MDD sind - stark vereinfacht dargestellt - bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L 5/S 1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und, wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung iS der BK Nr 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenz-, sondern allenfalls Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen. Bei einem Unterschreiten des Wertes für die Tagesdosis um mehr als die Hälfte muss das LSG sich aber zur Einholung eines Zusammenhangsgutachtens nicht gedrängt sehen (BSG aaO).
Die Revision ist unbegründet, weil die Voraussetzungen der BK Nr 2108 beim Kläger nicht erfüllt sind. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG hat dieses zu Recht das Vorliegen eines ausreichenden Ausmaßes von versicherten Einwirkungen iS der BK Nr 2108 beim Kläger verneint. Denn diese Einwirkungen addieren sich beim Kläger nur zu einer Gesamtdosis von 12,5 MNh. Dies ist aber nur die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis von 25 MNh und damit nicht einmal grenzwertig. Bei einer derartigen Sachlage ist die Entscheidung des LSG, aufgrund eines nicht ausreichenden Ausmaßes der Einwirkungen ohne weitere Ermittlungen zB zum Krankheitsbild oder dem medizinischen Kausalzusammenhang die Voraussetzungen der BK Nr 2108 zu verneinen, nicht zu beanstanden, auch wenn die Dosiswerte des MDD keine Grenz-, sondern nur Orientierungswerte sind.
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, legt er nicht dar, welche konkreten anderen Feststellungen das LSG dann hätte treffen können und welche Auswirkungen das Unterlassen weiterer Ermittlungen auf das festzustellende Ausmaß der Einwirkungen iS der BK Nr 2108 und deren Vorliegen gehabt hätte. Das vom Kläger angeführte Gutachten aus dem landgerichtlichen Parallelverfahren war Gegenstand des Verfahrens vor dem LSG und lag dem Sachverständigen Prof. Dr. D vor. Angesichts dessen ist auch nicht zu erkennen, wieso das LSG sich zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen müssen. Aus der Verwertung der Stellungnahme des TAD der Beklagten durch das LSG folgt nichts anderes. Denn das LSG ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) nicht an der Berücksichtigung des Vortrags eines Beteiligten gehindert und kann diesen auch seiner Entscheidung zugrunde legen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, 2002, § 128 RdNr 4).
Das vom BMA herausgegebene Merkblatt zur BK Nr 2108 war, wie sich auch aus dem zuvor Gesagten ergibt, für die Entscheidung des LSG nicht maßgebend.
Die Revision ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer von ihm geltend gemachten Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der im Jahre 1956 geborene Kläger absolvierte ab August 1971 eine Lehre als Heizungsbauer und war anschließend in diesem Beruf bis April 1984, unterbrochen durch den Wehrdienst, tätig. Nach dem Besuch der Meisterschule und dem Abschluss als Heizungsbau- sowie Gas-Wasser-Installateur-Meister war er von April 1984 bis zum September 1995 als mitarbeitender Meister beschäftigt. Anschließend erkrankte er arbeitsunfähig und erhält mittlerweile Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Nach BK-Anzeigen des Klägers vom Juni 1997 und seines letzten Beschäftigungsunternehmens vom August 1997 holte die Beklagte eine Auskunft des Unternehmens, eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), der die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Entstehen einer BK Nr 2108 beim Kläger verneinte, und ein Gutachten bei Dr. R , der die medizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr 2108 bejahte und dem sich der Gewerbearzt in seiner Stellungnahme anschloss, ein. Die Beklagte lehnte die Anerkennung der BK Nr 2108 und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Zwar habe der Kläger während seiner versicherten Berufstätigkeit körperlich schwer arbeiten müssen, die Belastungen hätten aber nicht ständig vorgelegen und es hätten üblicherweise Hilfsmittel zur Verfügung gestanden (Bescheid vom 12. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. August 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 31. Oktober 2001) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr 2108 sei unabhängig von den medizinischen Voraussetzungen, dass eine schädigende Einwirkung vorgelegen habe, die von Art und Umfang her geeignet war, diese BK zu verursachen. An diesen arbeitstechnischen Voraussetzungen mangele es beim Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Zur Ermittlung der beruflichen Belastungen des Klägers hätten sowohl der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. D als auch der TAD der Beklagten das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zugrunde gelegt. Dieses sei als Konsensmodell innerhalb der gewerblichen BGen unter Einbeziehung von Wissenschaftlern entwickelt worden, orientiere sich an dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zu der BK Nr 2108 herausgegebenen Merkblatt und beziehe die Ergebnisse epidemiologischer Studien ein. Es ermögliche eine praxisgerechte Berücksichtigung einzelner Verrichtungen, und der Senat halte es für nachvollziehbar und überzeugend. Er habe keine Bedenken im vorliegenden Fall dieser von dem Sachverständigen und dem TAD angewandten Berechnungsmethode zu folgen. Ausgehend von den Angaben des Klägers und unter Berücksichtigung der Ausführungen des TAD, insbesondere zu technischen Gesichtspunkten, denen sich der Sachverständige in Abänderung seines Gutachtens in seiner späteren Stellungnahme angeschlossen habe, seien beim Kläger für Hebe- und Tragevorgänge zwischen 40 und 50 kg pro Arbeitstag 0,25 Stunden anzusetzen und eine Tagesdosis von 8.480 Newton-Stunden (Nh) zugrunde zu legen. Da diese Belastung nur an einem Teil der Arbeitstage aufgetreten sei, ergäbe sich eine Gesamtdosis von 12,5 Mega-Nh (MNh), die deutlich und nicht nur grenzwertig unter dem Richtwert für die Gesamtdosis von 25 MNh nach dem MDD liege, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr 2108 nicht erfüllt seien. Auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen komme es nicht an.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, das LSG habe hinsichtlich der beruflichen Belastungen seine Angaben in seinem Widerspruchsschreiben und die in dem Gutachten von Prof. Dr. H aus einem zivilrechtlichen Parallelverfahren nicht berücksichtigt, obwohl diese erheblich von der Stellungnahme des TAD abwichen. Es habe insofern keine eigenen Ermittlungen angestellt und somit seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Es müsste ein arbeitstechnisches Gutachten eingeholt werden, zumal die Stellungnahme des TAD nur "Parteivortrag" der Beklagten sei. Das LSG habe das Recht des erst am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zugrunde gelegt, obwohl der zu entscheidende Sachverhalt aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1996 datiere. Im Übrigen habe das LSG seiner Entscheidung das Merkblatt zur BK Nr 2108 zugrunde gelegt, obwohl dieses nicht verbindlich sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 31. Oktober 2001 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 10. August 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen einer Berufskrankheit nach Nr 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil bei ihm die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BK Nr 2108 der Anlage zur BKV nicht vorliegen.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe zu Unrecht seiner Entscheidung das SGB VII zugrunde gelegt, weil die versicherte Berufstätigkeit des Klägers und seine Tätigkeitsaufgabe unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) waren, kann dies nicht zu einer Aufhebung des Urteils des LSG führen. Zwar wurde die RVO erst zum 1. Januar 1997 durch das SGB VII abgelöst (Art 1, 35, 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl I 1254) und das SGB VII gilt erst für alle nach seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1997 eingetretenen Versicherungsfälle (§ 212 SGB VII). Der Kläger hat aber erst im Juni 1997 - also unter Geltung des SGB VII - die Feststellung der umstrittenen BK bei der Beklagten beantragt und eine rückwirkende Feststellung für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 ist von ihm nicht ausdrücklich begehrt worden. Selbst wenn insofern das Recht der RVO zugrunde zu legen wäre, ergäbe sich jedoch kein Unterschied, weil die entscheidende Umschreibung der umstrittenen BK Nr 2108 der Anlage zur BKV, auf die das LSG seine Entscheidung gegründet hat, zwischenzeitlich nicht geändert wurde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 Abs 1 SGB VII bzw § 581 RVO), weil ein Versicherungsfall in Gestalt der streitigen BK (§ 7 Abs 1, § 9 Abs 1 SGB VII bzw § 551 RVO) nicht eingetreten ist. Die Voraussetzungen einer BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV sind beim Kläger nicht festzustellen. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Berufskrankheiten auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (zur Rechtmäßigkeit dieser BK vgl BSGE 84, 30 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12; BSG Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2700 § 9 Nr 1).
Trotz nach wie vor bestehender Fragen sieht der Senat aufgrund des derzeitigen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse die Anknüpfung, die das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung zur notwendigen Konkretisierung der versicherten Einwirkungen bei der BK Nr 2108 an das MDD gemacht hat, als rechtlich nicht zu beanstanden an. Das MDD basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist eine Zusammenfassung wissenschaftlicher Erfahrungstatsachen, die als Tatsachenfeststellung im Revisionsverfahren nur beschränkt nachprüfbar sind (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 mwN). Von Seiten des Klägers sind gegen die Anwendbarkeit des MDD auch keine Bedenken erhoben worden und der Senat hält an seiner Auffassung (vgl Urteil vom 18. März 2003, aaO) fest, dass es zumindest derzeit ein geeignetes Modell zur Beschreibung der versicherten Einwirkung iS der BK Nr 2108 ist, wenn es auch der Überprüfung und Weiterentwicklung bedarf. Nach dem vom LSG zugrunde gelegten MDD sind - stark vereinfacht dargestellt - bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L 5/S 1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und, wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung iS der BK Nr 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenz-, sondern allenfalls Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen. Bei einem Unterschreiten des Wertes für die Tagesdosis um mehr als die Hälfte muss das LSG sich aber zur Einholung eines Zusammenhangsgutachtens nicht gedrängt sehen (BSG aaO).
Die Revision ist unbegründet, weil die Voraussetzungen der BK Nr 2108 beim Kläger nicht erfüllt sind. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG hat dieses zu Recht das Vorliegen eines ausreichenden Ausmaßes von versicherten Einwirkungen iS der BK Nr 2108 beim Kläger verneint. Denn diese Einwirkungen addieren sich beim Kläger nur zu einer Gesamtdosis von 12,5 MNh. Dies ist aber nur die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis von 25 MNh und damit nicht einmal grenzwertig. Bei einer derartigen Sachlage ist die Entscheidung des LSG, aufgrund eines nicht ausreichenden Ausmaßes der Einwirkungen ohne weitere Ermittlungen zB zum Krankheitsbild oder dem medizinischen Kausalzusammenhang die Voraussetzungen der BK Nr 2108 zu verneinen, nicht zu beanstanden, auch wenn die Dosiswerte des MDD keine Grenz-, sondern nur Orientierungswerte sind.
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, legt er nicht dar, welche konkreten anderen Feststellungen das LSG dann hätte treffen können und welche Auswirkungen das Unterlassen weiterer Ermittlungen auf das festzustellende Ausmaß der Einwirkungen iS der BK Nr 2108 und deren Vorliegen gehabt hätte. Das vom Kläger angeführte Gutachten aus dem landgerichtlichen Parallelverfahren war Gegenstand des Verfahrens vor dem LSG und lag dem Sachverständigen Prof. Dr. D vor. Angesichts dessen ist auch nicht zu erkennen, wieso das LSG sich zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen müssen. Aus der Verwertung der Stellungnahme des TAD der Beklagten durch das LSG folgt nichts anderes. Denn das LSG ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) nicht an der Berücksichtigung des Vortrags eines Beteiligten gehindert und kann diesen auch seiner Entscheidung zugrunde legen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, 2002, § 128 RdNr 4).
Das vom BMA herausgegebene Merkblatt zur BK Nr 2108 war, wie sich auch aus dem zuvor Gesagten ergibt, für die Entscheidung des LSG nicht maßgebend.
Die Revision ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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