Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 21/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung eines Antrages auf Förderung einer Strukturanpassungsmaßnahme gemäß § 415 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III).
Die klagende Aktiengesellschaft (AG) ist 2001 durch formwechselnde Umwandlung aus der "EWAG Energie- u. Wasserversorgungsgesellschaft mbH K. " (im Folgenden: GmbH) hervorgegangen. Die GmbH beantragte mit einem Ende März 1998 bei der Beklagten eingereichten "Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen" die Förderung der Tätigkeit einer Sachbearbeiterin/Vermessungstechnikerin im Bereich "Vermessung/Kartierung" in der Zeit vom 1. April 1998 bis 31. März 1999. Aus den dem Antrag beigefügten Anlagen ergab sich, dass eine Frau M. als Arbeitnehmerin gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.200 DM bei 40 Wochenstunden beschäftigt werden sollte. Frau M. wurde im genannten Zeitraum von der GmbH tatsächlich in der angegebenen Weise beschäftigt.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH bezeichnete als Gegenstand des Unternehmens die Versorgung mit Strom, Wärme, Gas und anderen Energien, die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, den Erwerb, die Erweiterung und den Betrieb der diesen Zwecken dienenden Anlagen. Diese Aufgaben konnte die Gesellschaft nach dem Vertrag auch für Gemeinden, Zweckverbände und Dritte erfüllen und es konnten weitere im Zusammenhang damit stehende Aufgaben auf die Gesellschaft übertragen werden. Das Stammkapital der GmbH von 800.000 DM hatte die Stadt K. in voller Höhe übernommen.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998, lehnte die Beklagte den Antrag der GmbH ab. Das Sozialgericht D. hat die Klage der GmbH abgewiesen. Dabei hat es die Auffassung der Beklagten, die GmbH werde nicht als Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich tätig, bestätigt (Urteil vom 15. Februar 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 2002). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Neubescheidung zu, da sie kein Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich iS des § 415 Abs 3 SGB III sei. Der Begriff "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" sei im SGB III nicht definiert. Die Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) seien zu speziell; Gleiches gelte für steuerrechtliche Vorschriften. Demgegenüber präge die klassische Definition von "Gewerbe" iS der Gewerbeordnung (GewO) die gesamte Rechtsordnung. Das danach erforderliche Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht sei bei Tätigkeiten der öffentlichen Hand, bei denen das öffentliche Interesse an der Ausübung der Tätigkeit überwiege, zu verneinen. Im Bereich der Leistungsverwaltung spiele es keine Rolle, in welcher Rechtsform eine öffentliche Einrichtung betrieben werde; auch bei Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen wie GmbH oder AG werde eine solche Einrichtung nicht wegen der Gewinnerzielungsabsicht betrieben. Sämtliche im Gesellschaftsvertrag der GmbH genannten Unternehmenszwecke unterfielen der Daseinsvorsorge. Die Stadt K. habe das gesamte Stammkapital der ursprünglichen GmbH übernommen und die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflusst; dies zeige, dass die privatrechtliche Rechtsform nichts an der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks ändere. Die Umwandlung in eine AG lasse dies unberührt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 415 Abs 3 SGB III und des Art 3 Grundgesetz (GG). Es handle sich bei ihr um ein vollkaufmännisches Wirtschaftsunternehmen und um einen Gewerbebetrieb iS des § 1 Abs 2 HGB, der nach § 2 Abs 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) der Gewerbesteuer unterliege. Als gewerbliches Strom- und Fernwärmeversorgungsunternehmen sei sie in einem Bereich tätig, in dem uneingeschränkter freier Wettbewerb herrsche (§ 6 Abs 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), § 19 Abs 4 Nr 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)). Darüber hinaus erbringe sie Dienstleistungen in Form der technischen und/oder kaufmännischen Betriebsführung für Trinkwasser- und Abwasserzweckverbände und Gemeinden gegen Entgelt, also ebenfalls in einem Bereich, in dem grundsätzlich freier Wettbewerb herrsche (§§ 97 ff GWB). Die Auffassung des LSG, § 1 Abs 2 HGB sei "zu speziell", sei zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des LSG seien auch die steuerrechtlichen Vorschriften nicht von vornherein als unmaßgeblich auszuschließen. Fraglich sei weiter der inhaltliche Bezug zwischen der GewO und der Regelung in § 415 Abs 3 SGB III. Aus den Regelungen der GewO sei nicht ersichtlich, weshalb diese nicht auf das Unternehmen der Klägerin anwendbar sein sollten; im Gegenteil seien die Unternehmensgegenstände der Klägerin nicht im (Negativ-)Katalog des § 6 GewO aufgeführt. Zur Stromversorgung sei auf die Liberalisierung des Strommarktes (Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG, Neufassung des EnWG durch Gesetz vom 24. April 1998) hinzuweisen; seitdem hätten eine Vielzahl von privatrechtlich organisierten Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht die Stromversorgung zu ihrem Geschäft gemacht, weshalb es sich nicht mehr um klassische Daseinsvorsorge und deren Sicherung durch die Gemeinden handle. Auch soweit die Klägerin nach ihrem Firmengegenstand außerhalb des Gemeindegebietes K. zB als Betriebsführer für Zweckverbände gegen Entgelt tätig sei, könne es sich von vornherein nicht um eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge handeln. Die Umsetzung der Auffassung des LSG verstoße gegen Art 3 GG.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2002 und des Sozialgerichts D. vom 15. Februar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Förderung eines Arbeitsplatzes einer Vermessungstechnikerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die Aufhebung des § 415 Abs 3 SGB III mit Wirkung ab 1. Januar 2003.
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet.
1. Zu entscheiden ist über ein Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren in der Form der Bescheidungsklage (§§ 54 Abs 1, 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG); vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 RdNr 6 mwN). Diese Klage ist zulässig.
Der Antrag auf Förderung hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt, denn die GmbH hat die Arbeitnehmerin M. ab April 1998 tatsächlich beschäftigt. Die Klägerin ist deshalb nicht verpflichtet, zur Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen (vgl BSG SozR 3-4300 § 415 Nr 1 S 2). Mit der Bescheidungsklage macht die Klägerin vielmehr geltend, die Beklagte müsse Förderung durch Gewährung eines Lohnkostenzuschusses für die Beschäftigung von M. in der Zeit ab April 1998 bewilligen. Auf die Aufhebung des § 415 Abs 3 SGB III mit Wirkung ab Januar 2003 kommt es somit nicht an.
2. Die Bescheidungsklage kann entgegen der Auffassung des LSG nicht bereits mit der Begründung abgewiesen werden, die Förderungsvoraussetzung "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" gemäß § 415 Abs 3 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung, die die Vorschrift durch das 1. SGB III-Änderungsgesetz (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970, erhalten hat, sei nicht erfüllt.
Nicht zwingend ist bereits der Ausgangspunkt des LSG, Vorschriften des HGB oder des GewStG seien für die Frage der Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit "zu speziell" und nicht einschlägig. Da der Begriff des "Wirtschaftsunternehmens im gewerblichen Bereich" im SGB III nicht geregelt ist, erscheint es nahe liegend, bereits aus § 13 Abs 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung iVm §§ 1 und 6 HGB sowie aus § 2 Abs 2 GewStG zu schließen, bei einer GmbH liege im Regelfall ein "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" vor. Für eine solche Auslegung spricht, dass es sich bei § 415 Abs 3 SGB III um ein "großzügiges Angebot" mit möglichst einfach und typisierend gestalteten Förderungsleistungen handelt, womit nicht vereinbar sein dürfte, zur Entscheidung über eine einzelne Förderungsvoraussetzung ins Einzelne gehende Nachforschungen zu verlangen (vgl BSG SozR 3-4300 § 415 Nr 1 S 4 f). Gegen eine Heranziehung handels- oder steuerrechtlicher Vorschriften sprechen auch nicht zwingend die Gesetzesmaterialien zu § 415 Abs 3 SGB III bzw zur bis Ende 1997 geltenden Parallelvorschrift des § 249h Abs 4b Arbeitsförderungsgesetz (BT-Drucks 13/5936 S 35, 43), in denen davon die Rede ist, der Zuschuss solle "vor allem kleine und mittlere Unternehmen in die Lage versetzen, Arbeitslose zusätzlich zu den bisherigen Beschäftigten einzustellen". Denn aus der Absicht des Gesetzgebers, "vor allem" kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, kann nicht gefolgert werden, größere Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung seien allgemein von der Förderung ausgeschlossen.
Der Senat folgt dem LSG auch nicht, soweit dieses auf die "klassische Definition" des Gewerbes iS der GewO abgestellt und die Auffassung vertreten hat, die im Sinne des Gewerbebegriffs erforderliche Gewinnerzielungsabsicht entfalle deshalb, weil das öffentliche Interesse an der Ausübung der Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der "Daseinsvorsorge" überwiege. Insoweit finden sich in der älteren Rechtsprechung zwar Hinweise, wonach die Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zu einer Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führen kann (BVerfG NJW 1990, 1783 oder BGHZ 83, 382, 386 ff). Diese Rechtsprechung berücksichtigt jedoch - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht, dass das Energiewirtschaftsrecht durch das EnWG vom 24. April 1998, BGBl I 730, neu geregelt worden und dass nach der neuen Konzeption des EnWG bei Tätigkeiten betreffend die Versorgung mit Elektrizität und Gas von einem liberalisierten und deregulierten Markt auszugehen ist (vgl BVerfG 9. September 1999, 2 BvR 1646/98 und 2 BvR 2257/98, NVwZ-RR 2000, 16 f). Die GmbH war deshalb nicht gehalten, sich ausschließlich auf die ihrer Gesellschafterin - Stadt K. - obliegenden öffentlichen Aufgaben zu beschränken. Da die Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts der Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996, ABl EG 1997 Nr L 27 S 20, diente, kann dem nicht entgegengehalten werden, der begehrte Förderungsbeginn (1. April 1998) liege vor der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts. Der Senat geht insoweit von der Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit der GmbH auch schon für die Zeit vor Umsetzung der Richtlinie aus.
Es liegt außerdem nahe, dass mit der Bezeichnung "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" in § 415 Abs 3 SGB III die förderungsfähigen Unternehmen ebenso beschränkt werden sollten wie in § 262 SGB III. Dort ist vorgeschrieben, dass Maßnahmen im gewerblichen Bereich nur förderungsfähig sind, wenn sie an ein Wirtschaftsunternehmen vergeben werden. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass im gewerblichen Bereich Maßnahmen in Betrieben gefördert werden, die nicht als Wirtschaftsunternehmen am Markt auftreten, sondern nur mit Hilfe der geförderten Maßnahmen Arbeiten verrichten, die sonst von Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden. Dann ist aber ein Ausschluss eines Versorgungsunternehmens wie vorliegend der GmbH von der Förderung gemäß § 415 Abs 3 SGB III nicht gerechtfertigt, zumal sich die Förderung gemäß § 415 Abs 3 SGB III im Gegensatz zur Förderung nach §§ 260 ff und §§ 272 ff SGB III nicht auf bestimmte im öffentlichen Interesse liegende bzw im gesellschaftlichen Bereich anzusiedelnde Maßnahmen bezieht, sondern allgemein auf die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in Wirtschaftsunternehmen.
3. Auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin M. im Zeitraum von April 1998 bis März 1999 um eine "zusätzliche" Einstellung iS des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG gehandelt hat und ob hinsichtlich der Arbeitnehmerin M. die weiteren Förderungsvoraussetzungen vorgelegen haben. Das LSG wird die noch notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung eines Antrages auf Förderung einer Strukturanpassungsmaßnahme gemäß § 415 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III).
Die klagende Aktiengesellschaft (AG) ist 2001 durch formwechselnde Umwandlung aus der "EWAG Energie- u. Wasserversorgungsgesellschaft mbH K. " (im Folgenden: GmbH) hervorgegangen. Die GmbH beantragte mit einem Ende März 1998 bei der Beklagten eingereichten "Antrag auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen" die Förderung der Tätigkeit einer Sachbearbeiterin/Vermessungstechnikerin im Bereich "Vermessung/Kartierung" in der Zeit vom 1. April 1998 bis 31. März 1999. Aus den dem Antrag beigefügten Anlagen ergab sich, dass eine Frau M. als Arbeitnehmerin gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.200 DM bei 40 Wochenstunden beschäftigt werden sollte. Frau M. wurde im genannten Zeitraum von der GmbH tatsächlich in der angegebenen Weise beschäftigt.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH bezeichnete als Gegenstand des Unternehmens die Versorgung mit Strom, Wärme, Gas und anderen Energien, die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, den Erwerb, die Erweiterung und den Betrieb der diesen Zwecken dienenden Anlagen. Diese Aufgaben konnte die Gesellschaft nach dem Vertrag auch für Gemeinden, Zweckverbände und Dritte erfüllen und es konnten weitere im Zusammenhang damit stehende Aufgaben auf die Gesellschaft übertragen werden. Das Stammkapital der GmbH von 800.000 DM hatte die Stadt K. in voller Höhe übernommen.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998, lehnte die Beklagte den Antrag der GmbH ab. Das Sozialgericht D. hat die Klage der GmbH abgewiesen. Dabei hat es die Auffassung der Beklagten, die GmbH werde nicht als Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich tätig, bestätigt (Urteil vom 15. Februar 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 2002). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Neubescheidung zu, da sie kein Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich iS des § 415 Abs 3 SGB III sei. Der Begriff "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" sei im SGB III nicht definiert. Die Regelungen des Handelsgesetzbuchs (HGB) seien zu speziell; Gleiches gelte für steuerrechtliche Vorschriften. Demgegenüber präge die klassische Definition von "Gewerbe" iS der Gewerbeordnung (GewO) die gesamte Rechtsordnung. Das danach erforderliche Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht sei bei Tätigkeiten der öffentlichen Hand, bei denen das öffentliche Interesse an der Ausübung der Tätigkeit überwiege, zu verneinen. Im Bereich der Leistungsverwaltung spiele es keine Rolle, in welcher Rechtsform eine öffentliche Einrichtung betrieben werde; auch bei Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen wie GmbH oder AG werde eine solche Einrichtung nicht wegen der Gewinnerzielungsabsicht betrieben. Sämtliche im Gesellschaftsvertrag der GmbH genannten Unternehmenszwecke unterfielen der Daseinsvorsorge. Die Stadt K. habe das gesamte Stammkapital der ursprünglichen GmbH übernommen und die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflusst; dies zeige, dass die privatrechtliche Rechtsform nichts an der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks ändere. Die Umwandlung in eine AG lasse dies unberührt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 415 Abs 3 SGB III und des Art 3 Grundgesetz (GG). Es handle sich bei ihr um ein vollkaufmännisches Wirtschaftsunternehmen und um einen Gewerbebetrieb iS des § 1 Abs 2 HGB, der nach § 2 Abs 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) der Gewerbesteuer unterliege. Als gewerbliches Strom- und Fernwärmeversorgungsunternehmen sei sie in einem Bereich tätig, in dem uneingeschränkter freier Wettbewerb herrsche (§ 6 Abs 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), § 19 Abs 4 Nr 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)). Darüber hinaus erbringe sie Dienstleistungen in Form der technischen und/oder kaufmännischen Betriebsführung für Trinkwasser- und Abwasserzweckverbände und Gemeinden gegen Entgelt, also ebenfalls in einem Bereich, in dem grundsätzlich freier Wettbewerb herrsche (§§ 97 ff GWB). Die Auffassung des LSG, § 1 Abs 2 HGB sei "zu speziell", sei zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des LSG seien auch die steuerrechtlichen Vorschriften nicht von vornherein als unmaßgeblich auszuschließen. Fraglich sei weiter der inhaltliche Bezug zwischen der GewO und der Regelung in § 415 Abs 3 SGB III. Aus den Regelungen der GewO sei nicht ersichtlich, weshalb diese nicht auf das Unternehmen der Klägerin anwendbar sein sollten; im Gegenteil seien die Unternehmensgegenstände der Klägerin nicht im (Negativ-)Katalog des § 6 GewO aufgeführt. Zur Stromversorgung sei auf die Liberalisierung des Strommarktes (Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG, Neufassung des EnWG durch Gesetz vom 24. April 1998) hinzuweisen; seitdem hätten eine Vielzahl von privatrechtlich organisierten Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht die Stromversorgung zu ihrem Geschäft gemacht, weshalb es sich nicht mehr um klassische Daseinsvorsorge und deren Sicherung durch die Gemeinden handle. Auch soweit die Klägerin nach ihrem Firmengegenstand außerhalb des Gemeindegebietes K. zB als Betriebsführer für Zweckverbände gegen Entgelt tätig sei, könne es sich von vornherein nicht um eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge handeln. Die Umsetzung der Auffassung des LSG verstoße gegen Art 3 GG.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2002 und des Sozialgerichts D. vom 15. Februar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Förderung eines Arbeitsplatzes einer Vermessungstechnikerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die Aufhebung des § 415 Abs 3 SGB III mit Wirkung ab 1. Januar 2003.
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet.
1. Zu entscheiden ist über ein Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren in der Form der Bescheidungsklage (§§ 54 Abs 1, 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG); vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 RdNr 6 mwN). Diese Klage ist zulässig.
Der Antrag auf Förderung hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt, denn die GmbH hat die Arbeitnehmerin M. ab April 1998 tatsächlich beschäftigt. Die Klägerin ist deshalb nicht verpflichtet, zur Fortsetzungsfeststellungsklage überzugehen (vgl BSG SozR 3-4300 § 415 Nr 1 S 2). Mit der Bescheidungsklage macht die Klägerin vielmehr geltend, die Beklagte müsse Förderung durch Gewährung eines Lohnkostenzuschusses für die Beschäftigung von M. in der Zeit ab April 1998 bewilligen. Auf die Aufhebung des § 415 Abs 3 SGB III mit Wirkung ab Januar 2003 kommt es somit nicht an.
2. Die Bescheidungsklage kann entgegen der Auffassung des LSG nicht bereits mit der Begründung abgewiesen werden, die Förderungsvoraussetzung "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" gemäß § 415 Abs 3 Satz 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung, die die Vorschrift durch das 1. SGB III-Änderungsgesetz (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970, erhalten hat, sei nicht erfüllt.
Nicht zwingend ist bereits der Ausgangspunkt des LSG, Vorschriften des HGB oder des GewStG seien für die Frage der Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit "zu speziell" und nicht einschlägig. Da der Begriff des "Wirtschaftsunternehmens im gewerblichen Bereich" im SGB III nicht geregelt ist, erscheint es nahe liegend, bereits aus § 13 Abs 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung iVm §§ 1 und 6 HGB sowie aus § 2 Abs 2 GewStG zu schließen, bei einer GmbH liege im Regelfall ein "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" vor. Für eine solche Auslegung spricht, dass es sich bei § 415 Abs 3 SGB III um ein "großzügiges Angebot" mit möglichst einfach und typisierend gestalteten Förderungsleistungen handelt, womit nicht vereinbar sein dürfte, zur Entscheidung über eine einzelne Förderungsvoraussetzung ins Einzelne gehende Nachforschungen zu verlangen (vgl BSG SozR 3-4300 § 415 Nr 1 S 4 f). Gegen eine Heranziehung handels- oder steuerrechtlicher Vorschriften sprechen auch nicht zwingend die Gesetzesmaterialien zu § 415 Abs 3 SGB III bzw zur bis Ende 1997 geltenden Parallelvorschrift des § 249h Abs 4b Arbeitsförderungsgesetz (BT-Drucks 13/5936 S 35, 43), in denen davon die Rede ist, der Zuschuss solle "vor allem kleine und mittlere Unternehmen in die Lage versetzen, Arbeitslose zusätzlich zu den bisherigen Beschäftigten einzustellen". Denn aus der Absicht des Gesetzgebers, "vor allem" kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, kann nicht gefolgert werden, größere Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung seien allgemein von der Förderung ausgeschlossen.
Der Senat folgt dem LSG auch nicht, soweit dieses auf die "klassische Definition" des Gewerbes iS der GewO abgestellt und die Auffassung vertreten hat, die im Sinne des Gewerbebegriffs erforderliche Gewinnerzielungsabsicht entfalle deshalb, weil das öffentliche Interesse an der Ausübung der Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der "Daseinsvorsorge" überwiege. Insoweit finden sich in der älteren Rechtsprechung zwar Hinweise, wonach die Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zu einer Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führen kann (BVerfG NJW 1990, 1783 oder BGHZ 83, 382, 386 ff). Diese Rechtsprechung berücksichtigt jedoch - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht, dass das Energiewirtschaftsrecht durch das EnWG vom 24. April 1998, BGBl I 730, neu geregelt worden und dass nach der neuen Konzeption des EnWG bei Tätigkeiten betreffend die Versorgung mit Elektrizität und Gas von einem liberalisierten und deregulierten Markt auszugehen ist (vgl BVerfG 9. September 1999, 2 BvR 1646/98 und 2 BvR 2257/98, NVwZ-RR 2000, 16 f). Die GmbH war deshalb nicht gehalten, sich ausschließlich auf die ihrer Gesellschafterin - Stadt K. - obliegenden öffentlichen Aufgaben zu beschränken. Da die Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts der Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996, ABl EG 1997 Nr L 27 S 20, diente, kann dem nicht entgegengehalten werden, der begehrte Förderungsbeginn (1. April 1998) liege vor der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts. Der Senat geht insoweit von der Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit der GmbH auch schon für die Zeit vor Umsetzung der Richtlinie aus.
Es liegt außerdem nahe, dass mit der Bezeichnung "Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich" in § 415 Abs 3 SGB III die förderungsfähigen Unternehmen ebenso beschränkt werden sollten wie in § 262 SGB III. Dort ist vorgeschrieben, dass Maßnahmen im gewerblichen Bereich nur förderungsfähig sind, wenn sie an ein Wirtschaftsunternehmen vergeben werden. Durch diese Vorschrift soll verhindert werden, dass im gewerblichen Bereich Maßnahmen in Betrieben gefördert werden, die nicht als Wirtschaftsunternehmen am Markt auftreten, sondern nur mit Hilfe der geförderten Maßnahmen Arbeiten verrichten, die sonst von Wirtschaftsunternehmen ausgeführt werden. Dann ist aber ein Ausschluss eines Versorgungsunternehmens wie vorliegend der GmbH von der Förderung gemäß § 415 Abs 3 SGB III nicht gerechtfertigt, zumal sich die Förderung gemäß § 415 Abs 3 SGB III im Gegensatz zur Förderung nach §§ 260 ff und §§ 272 ff SGB III nicht auf bestimmte im öffentlichen Interesse liegende bzw im gesellschaftlichen Bereich anzusiedelnde Maßnahmen bezieht, sondern allgemein auf die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in Wirtschaftsunternehmen.
3. Auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich bei der Beschäftigung der Arbeitnehmerin M. im Zeitraum von April 1998 bis März 1999 um eine "zusätzliche" Einstellung iS des § 415 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG gehandelt hat und ob hinsichtlich der Arbeitnehmerin M. die weiteren Förderungsvoraussetzungen vorgelegen haben. Das LSG wird die noch notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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