Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 RJ 103/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 140/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 64/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei Prüfung ob eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt ist der nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder Minderbegabung beruhende Analphabetismus eines im Ausland aufgewachsenen Versicherten zu berücksichtigen wenn er sicher festgestellt ist und das weite Feld der Tätigkeiten welche die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern aufgrund der hinzugetretenen Leistungseinschränkungen nach Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht mehr offen steht (Anschluss an und Fortführung von BSG vom 4.11.1998
B 13 RJ 13/98 R = SozR 3-2200 § 1246 Nr 62).
B 13 RJ 13/98 R = SozR 3-2200 § 1246 Nr 62).
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Sie wurde 1948 in Mazedonien geboren und hat die dortige Staatsangehörigkeit. Seit März 1978 hält sie sich in Deutschland auf. Sie hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt, ist Analphabetin und kann sowohl ihre Muttersprache als auch die deutsche Sprache weder lesen noch schreiben; sie spricht und versteht aber die deutsche Umgangssprache. Bis November 1984 war sie Hausfrau, danach arbeitete sie als Küchen- und Putzhilfe sowie Zimmermädchen bei diversen Arbeitgebern bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im November 1994. Seit April 1996 ist sie arbeitslos.
Einen ersten Rentenantrag vom 19. Januar 1996 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 abgelehnt. Streitgegenständlich ist ihr zweiter Rentenantrag vom 16. Oktober 1997, dem die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1998 nicht entsprach: Zwar seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sei aber nicht eingetreten, denn die Klägerin sei nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Begutachtung in der Lage, einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung zusätzlicher Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten.
Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat den Orthopäden Dr. A. - als Hauptgutachter - sowie den Internisten Dr. L. und den Neurologen und Psychiater Dr. B. zu gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Im zusammenfassenden Gutachten kam Dr. A. zum Ergebnis, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung des von Dr. B. erstmals festgestellten Analphabetismus in der Lage sei, geistig anspruchslose und körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen in Vollschicht zu verrichten. Auf Anfrage des SG, welche konkreten Tätigkeiten die Klägerin trotz der beschriebenen Leistungseinschränkungen unter Einschluss des Analphabetismus noch verrichten könne, hat das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen am 27. April 2000 die Auskunft gegeben, die Klägerin könne noch als Küchenhilfe (derzeit bundesweit 6.800 Stellenangebote), Warensortiererin und Montierhelferin eingesetzt werden. Mit Urteil vom 30. August 2000 hat das SG die Klage abgewiesen und die Klägerin unter Berücksichtigung des Analphabetismus auf die Tätigkeit einer Küchenhilfe, Warensortiererin oder Montierhelferin verwiesen.
Im Berufungsverfahren hat der zum gerichtlichen Sachverständigen bestellte Arzt für Orthopädie Dr. J. das Gutachten vom 3. Juli 2002 erstattet. Weiter hat das Landessozialgericht (LSG) aus einem Parallelverfahren eine Auskunft der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit vom 28. Juni 2002 zur Vermittlungsfähigkeit von Analphabeten in das Verfahren eingeführt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2002 hat das LSG das erstinstanzliche Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1998 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin "unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit vom 16. Oktober 1997" Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren: Die Klägerin sei durchgehend seit der zweiten Antragstellung erwerbsunfähig iS des § 44 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aF. Nach Würdigung der im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren eingeholten Gutachten sei die Klägerin infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen - mit Einschränkungen - nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten regelmäßig und vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus sei die Klägerin Analphabetin, denn sie könne weder in ihrer Muttersprache noch in deutscher Sprache lesen und schreiben. Unter Berücksichtigung des Analphabetismus sei eine Erwerbstätigkeit wegen des auf leichte körperliche Arbeit beschränkten Restleistungsvermögens ausgeschlossen. Der Analphabetismus sei entgegen der Auffassung der Beklagten und Stimmen in der Literatur im Rahmen der Prüfung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen, auch wenn es sich um keine "Krankheit oder Behinderung" handele und dieses Defizit bereits bei Eintritt in die Versicherung bestanden habe. Der Senat folge insoweit im Grundsätzlichen dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4. November 1998 (B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62). Die jetzt hinzugetretenen Gesundheitsstörungen seien die wesentliche Ursache dafür, dass nunmehr im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 "ernsthafte Zweifel" bestünden, ob die Klägerin überhaupt in einem Betrieb einsetzbar sei und ihr der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt offen stehe. Eine ihrem Gesamtleistungsvermögen entsprechende konkrete Tätigkeit könne der Klägerin aber nicht benannt werden. Als Küchenhilfe sei sie nicht einsetzbar. Gleiches gelte für die von der Beklagten benannten Montier- und Sortiertätigkeiten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 44 Abs 2 SGB VI aF. Nach der vom LSG zitierten Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 führe "mangelnde Ausbildung" nicht zu einer Erweiterung der Fallgruppen, bei denen das BSG die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen habe. Für den Analphabetismus gelte nichts anderes, denn die Berufsausbildung setze eine schulische Ausbildung voraus; ein schulischer Abschluss könne nur erreicht werden, wenn als elementare Voraussetzung das Lesen und Schreiben beherrscht werde. Analphabetismus sei deshalb ein Ausbildungsdefizit, das als Risikofaktor hinsichtlich der Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu berücksichtigen sei und bisher die Klägerin auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert habe. Folge man dem LSG, wäre die Klägerin im Ergebnis besser gestellt als Versicherte, welche die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschten, ein vergleichbares Alter erreicht hätten und mit vergleichbaren gesundheitlichen Einschränkungen belastet seien. Der Analphabetismus sei weder eine Krankheit noch eine Behinderung, insbesondere keine "herabsinkensfähige" Behinderung, die zum Wegfall der Erwerbsfähigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF habe führen können. Vielmehr sei der Analphabetismus, soweit er wie im Falle der Klägerin auf einem Ausbildungsdefizit, nicht aber auf geistigen oder psychischen Defiziten beruhe, als Einschränkung nicht gesundheitlicher Art in das Erwerbsleben eingebracht worden (Bezugnahme auf Kunze, DRV 2001, 189,192 ff). Ein solcher Analphabetismus lasse sich nicht unter die abschließenden so genannten Katalogfälle nach der Entscheidung des Großen Senats des BSG subsumieren (Bezugnahme auf Lilge, SGb 1998, 195 ff).
Nach Durchsicht der Prozessakte "bestünden Hinweise auf fehlende Tatsachenfeststellungen". Es fehlten "weitere Ermittlungen hinsichtlich der konkreten Benennung der Verweisungstätigkeit". Die Auskünfte der Arbeitsverwaltung hätten durch einen berufskundlichen Gutachter überprüft werden müssen. Weder das SG noch das LSG hätten sich mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Klägerin noch auf eine Tätigkeit als "Spielhallenaufsicht" verweisbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. August 2000 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Urteilsbegründung des LSG für zutreffend und kann keinen Verstoß gegen die Rechtsprechung des BSG erkennen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), liegt im Falle der Klägerin bei Mitberücksichtigung des Analphabetismus eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, was die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich macht. Das LSG weicht damit nicht von den in der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG im Beschluss vom 19. Dezember 1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) aufgestellten Grundsätzen oder der Rechtsprechung der Rentensenate des BSG ab. Mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen ist auch die tatsächliche Feststellung des LSG für den Senat verbindlich, dass der Klägerin keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden kann.
1. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit richtet sich allein nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt betrifft. Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung mit der Umstellung auf die neuen Renten wegen teilweiser (§ 43 Abs 1 SGB VI nF) oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI nF) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) ist nur für den Fall maßgeblich, dass ein Rentenanspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI). Liegen dagegen am 31. Dezember 2000 die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor, besteht der jeweilige Anspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung - einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung - maßgeblich waren (§ 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2000; BT-Drucks 14/4230 S 30 zu Nr 55 (§ 302 des Entwurfs)). In diesem Falle entsteht aus Anlass der Rechtsänderung kein neuer Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 302b Abs 1 Satz 3 SGB VI idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2000).
a) Nach § 43 Abs 2 SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs 2 SGB VI aF eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus. Nach § 44 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI aF sind erwerbsunfähig Versicherte, die "wegen Krankheit oder Behinderung" auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999 monatlich 630 Deutsche Mark; Gesetz vom 24. März 1999, BGBl I 388) übersteigt. Nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB VI aF, neugefasst mit Wirkung ab 8. Mai 1996 durch das 2. SGB VI-ÄndG vom 2. Mai 1996 (BGBl I 659), ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch sind, wie die Beklagte bereits in den streitgegenständlichen Bescheiden festgestellt hat, erfüllt.
b) Ausgangspunkt der Prüfung ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Einritt der Unfähigkeit aus den in § 43 Abs 2 SGB VI aF genannten Gründen oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben. In diesem Falle hängt der Rentenanspruch davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG Urteile vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 35/96 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 55 und vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 61; jeweils mwN). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden.
Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin keinen Beruf erlernt und war immer nur auf der Qualifikationsebene einer Hilfsarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist deshalb (wie auch angelernte Arbeiter auf der Qualifikationsebene des unteren Bereichs der Anlerntätigkeiten) mangels eines Berufsschutzes bei der Prüfung, ob der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, grundsätzlich auf sämtliche (meist ungelernte) Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes oder -feldes verweisbar. Besteht, wie vom LSG festgestellt, eine vollschichtige Leistungsfähigkeit - wenngleich mit Einschränkungen - ist grundsätzlich die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Es genügt die Feststellung, dass das Restleistungsvermögen des Versicherten körperlich mittelschwere oder leichtere Arbeiten erlaubt (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen), wie es bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert wird (Großer Senat des BSG Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 31, 32 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Daran sollte nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 44 SGB VI aF durch das 2. SGB VI-ÄndG ausdrücklich festgehalten werden (vgl BT-Drucks 13/3967 S 3, 4).
2. Nach der Rechtsprechung des BSG, zusammengefasst im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 33 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 mwN) besteht jedoch dann eine Ausnahme - und die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit -, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Darunter fallen nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie zB der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern (vgl auch BSG Urteil vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr 117). Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des BSG zB besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, iVm anderen Einschränkungen die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen, Einschränkungen der Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen. Der Grund für die Benennungspflicht liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten schlechthin keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder "ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist" (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
In diesem Zusammenhang ist gesondert und vorab zu prüfen, ob entgegen der grundsätzlichen Annahme, dass es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt, der Arbeitsmarkt bei einer bestimmten Fallgestaltung generell verschlossen ist und sich aus diesem Grunde eine Prüfung im Einzelfall erübrigt. Nur diese Konstellation erfasst die so genannten Katalogfälle, die im Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 aufgelistet sind. Dieser "Verschlossenheitskatalog" ist nach der Entscheidung des Großen Senats nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs, die vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können, zu erweitern. Im Übrigen bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass bei nicht außergewöhnlichen Leistungseinschränkungen ohne Prüfung im Einzelfall (dh ob das Anforderungsprofil der in Betracht kommenden Tätigkeit dem Leistungsprofil des Versicherten entspricht) die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgt. Wie der Große Senat ausführt, "genügt (es), dass es zu einem derartigen Vergleich kommt, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Denn eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist oder ein Katalogfall vorliegen könnte, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt offen ist oder nicht" (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
3. Die Beklagte beruft sich im Falle der Klägerin zu Unrecht auf die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996.
Der Große Senat hat keinesfalls entschieden, dass "mangelnde Ausbildung" den Verschlossenheitskatalog nicht erweitert, denn mit einer solchen Fragestellung war der Große Senat nicht befasst. Entschieden wurde nur, dass für langjährig arbeitslose, ältere und ungelernte Versicherte nicht von einer generellen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen sei. Nur in diesem Zusammenhang findet sich der Satz, dass nicht deshalb von Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden könne, weil "neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich erschweren" (BSGE aaO S 36 = SozR 3 aaO S 30).
Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen um die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, derer ungelernte Versicherte in der Regel mächtig sind und die zu den im Arbeitsleben erforderlichen Grundqualifikationen zählt. Die von der Beklagten aufgestellte Prämisse, dass von einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" nur dann gesprochen werden könne, wenn der entschiedene Fall unter einen der geschlossenen Katalogfälle subsumiert werden könne (so ausdrücklich Lilge, SGb 1998, 195) ist unzutreffend. Es gilt nur der Satz, dass eine Einzelfallprüfung entfällt bzw sich erübrigt, falls einer der Katalogfälle vorliegt. Das Vorliegen eines Katalogfalles ist deshalb, wie vom Großen Senat hervorgehoben, vorab zu prüfen (vgl auch Senatsurteil vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - SGb 1998, 406, Volltext in JURIS).
Im Falle der Klägerin kommt allein eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" in Betracht, nicht dagegen eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung". Mit letzterem Begriff werden nur solche Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere der dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen, was wiederum unter Bezug auf die Verhältnisse im Einzelfall nur tatrichterlich festzustellen ist. Der Senat hat sich hierzu bereits mit Beschluss vom 14. Dezember 1998 - B 5 RJ 184/98 B - SozR 3-2600 § 43 Nr 19 geäußert und insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 1/94 - BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23) angeschlossen.
4. Das LSG hat, ohne gegen Bundesrecht zu verstoßen oder von der Rechtsprechung des BSG abzuweichen, im Rahmen der allein ihm obliegenden Prüfung, ob im Zusammenwirken mit anderen Leistungseinschränkungen eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, den nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder einer Minderbegabung beruhenden Analphabetismus der Klägerin berücksichtigt. Denn es handelt sich dabei um ein individuelles Defizit, das nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitswelt den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt in erheblichem Umfang begrenzen kann, sodass im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats "ernsthafte Zweifel" bestehen können, ob der Versicherte in einem Betrieb einsatzfähig ist.
Bereits im zurückverweisenden Urteil vom 19. August 1997 (13 RJ 25/95, veröffentlicht in JURIS, einer Parallelentscheidung zum Leiturteil von demselben Tag, aaO) hat der 13. Senat des BSG dem LSG aufgegeben zu prüfen, ob neben weiteren Einschränkungen die unzureichende Fähigkeit des Lesens und Schreibens, soweit diese nicht auf der mangelhaften Beherrschung der deutschen Sprache beruht (Hinweis auf das Senatsurteil vom 15. Mai 1991 - 5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11), zusammen mit anderen Leistungseinschränkungen den Zugang des damaligen Klägers über das übliche Maß hinaus erschwert und deshalb eine dem Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeit konkret benannt werden muss. Mit Urteil vom 4. November 1998 (B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62, S 284, 288 ff) hat der 13. Senat diese Rechtsprechung weiter vertieft und dargelegt, dass speziell mit Blick auf die Verweisungsmöglichkeit eines ungelernten oder angelernten Versicherten im unteren Bereich die Kenntnis des Lesens und Schreibens im Rahmen der Feststellung der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" zu berücksichtigen sei, denn § 1246 Abs 2 RVO (hier § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF) schreibe vor, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten zu entsprechen habe, wodurch sichergestellt werden solle, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Versicherten losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Insofern umfasse der Begriff der "Fähigkeiten" grundsätzlich alle berufsrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten des Versicherten, wozu auch die Kenntnis des Lesens und Schreibens zähle (vgl im Ergebnis zustimmend auch die vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger aktualisierte Neufassung der Grundsätze zum Recht der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, DRV 2002, 81, 122, 159).
Dem schließt sich der erkennende Senat an, auch wenn die zitierte Regelung die Verweisung im Rahmen des Berufsschutzes zum Gegenstand hat. Denn in den Fällen, in denen ungelernten Versicherten - ausnahmsweise - Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen sind, können keine anderen Maßstäbe gelten. Es spielt deshalb auch keine Rolle, dass § 44 Abs 2 SGB VI aF bei der Definition des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit nur von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit "wegen Krankheit oder Behinderung" spricht, solange nach der Rechtsprechung des Großen Senats - und auch dem Willen des Gesetzgebers des 2. SGB VI-ÄndG (vgl BT-Drucks 13/3697 S 3, 4) - bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit Ungelernter - vorausgesetzt, es liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor - die konkrete Betrachtungsweise gilt. Diese von der Rechtsprechung gebildete Fallgruppe ist durch die Legaldefinition der Erwerbsunfähigkeit in § 44 Abs 2 SGB VI aF, die prinzipiell nicht von einer möglichen Verweisung ausgeht, nicht erfasst (vgl Kühl, SGb 1999, 551, 553).
Zutreffend hat der 13. Senat auch keinen Widerspruch zum Senatsurteil vom 15. Mai 1991 (5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288, 289 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11) gesehen. Die Unfähigkeit eines Ausländers, deutsch zu sprechen, erschwert zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, muss aber als Kriterium außer Acht bleiben, weil dies im Ergebnis auf eine Besserstellung der ausländischen Versicherten erheblichen Umfangs hinauslaufen würde und der gesetzlichen Rentenversicherung ein prinzipiell unkalkulierbares Risiko aufgebürdet würde. Die in der Literatur hierzu geäußerten Bedenken (vgl Kühl, SGb 1999, 551 und Bieback, InfAuslR 1992, 22, 23) werden nicht geteilt.
Dem LSG ist beizupflichten, wenn es im Anschluss an das Urteil des 13. Senats vom 4. November 1998 (aaO) darauf hinweist, dass die Berücksichtigung eines muttersprachlichen Analphabetismus von im Ausland aufgewachsenen Versicherten zu keiner Ungleichbehandlung mit inländischen Versicherten führt. Denn auch ausländische Analphabeten sind - abgesehen von der Kenntnis der deutschen Sprache - mit ihren tatsächlichen Kräften und Fähigkeiten versichert, und sie werden nicht anders behandelt als inländische Analphabeten. Es gibt auch in Deutschland eine nennenswerte Anzahl von (praktischen) Analphabeten (die Schätzungen gehen bis zu vier Millionen Menschen, Großfeld/Hülper, JZ 1999, 430; Kunze, DRV 2001, 189), die zum Großteil rentenversicherungspflichtig beschäftigt sind (Döbert/Hubertus, Ihr Kreuz ist die Schrift, 1. Aufl, 2000, 59 ff, 68 ff). Für eine ungleiche Behandlung der beiden Gruppen von Analphabeten gibt es keinen sachlichen Grund.
Im Übrigen werden Versicherte mit allen Krankheiten, Gebrechen, Behinderungen, Wesenseigentümlichen, Sozialisations- und Bildungsdefiziten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen, und es gibt keinen Ausschluss aus der Versicherung wegen so genannter "eingebrachter" Leiden, Behinderungen oder sonstiger Defizite (vgl BSG Urteile vom 27. Oktober 1966 - 5 RKn 132/64 - BSGE 25, 227, 229 f = SozR Nr 62 zu § 1246 RVO, vom 28. März 1979 - 4 RJ 35/78 - und vom 30. November 1983 - 4 RJ 109/82), es sei denn, es hat bereits bei Eintritt in die Rentenversicherung Erwerbsunfähigkeit bestanden. Allein durch das Erfordernis der Mindestbeitragszeit von fünf Jahren für die vorzeitigen Versichertenrenten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung erfolgt eine vom Gesetz vorgesehene faktische "Erprobung", nach deren Ablauf ein "Herabsinken" der beruflichen Leistungsfähigkeit insgesamt zum Eintritt der genannten Versicherungsfälle führen kann. Denn im Einzelfall soll und kann kaum festgestellt werden, ob zB ein Versicherter mit einer Behinderung oder Begabungs- und Sozialisationsdefiziten - auch einer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit unter Einschluss des Lesens und Schreibens - als von vornherein Erwerbsunfähiger eine Werkstatt für Behinderte besuchen muss oder jedenfalls in jungen Jahren eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen in der Lage ist. Kommen bei einem regulär Versicherten im Verlaufe des Erwerbslebens weitere Leistungseinschränkungen hinzu oder nimmt nur mit zunehmendem Alter die Kompensationsfähigkeit "eingebrachter" Leiden bis zur Erwerbsunfähigkeit ab, bzw kommt es zu einem für das "eingebrachte" Leiden typischem Leistungsabbau in einem bestimmten Lebensalter, spielt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine Rolle, wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen ggf "eingebrachten" Defizite und Leistungseinschränkungen aufgetreten sind.
Im Gegensatz zu der von der Beklagten im Anschluss an Kunze (DRV 2001, 189, 192 ff) vertretenen Auffassung spielt es deshalb keine Rolle, ob der muttersprachliche und nicht auf einer geistigen Behinderung beruhende Analphabetismus im Rahmen der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, eine "herabsinkensfähige" Behinderung ist und deshalb keinen Faktor für das Entfallen der Erwerbsfähigkeit iS von § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF darstellen könne. Im Übrigen erkennt auch Kunze an, dass der Analphabetismus bei der Prüfung, ob der Versicherungsfall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit eingetreten ist, einen verweisungseinschränkenden Faktor darstellen kann und als "allgemeine Schwäche" iS eines eingebrachten Leidens als gewichtiger Faktor die Einsatzfähigkeit einschränken bzw ausschließen kann (aaO S 194). Er warnt lediglich davor, die Rechtsfigur der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" zu einem Einfallstor zu machen und den Gesetzesbefehl, nur in eng begrenzten Ausnahmefällen von dieser Rechtsfigur Gebrauch zu machen, zu missachten. Er räumt aber durchaus ein, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten Fälle verbleiben können, in denen Versicherten, die Leistungseinschränkungen haben und zudem Analphabeten sind, keine geeigneten Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr benannt werden können. Dem ist, wie bereits im zitierten Beschluss des Senats vom 14. Dezember 1998 zum Ausdruck gebracht (B 5 RJ 184/98 B - SozR 3-2600 § 43 Nr 19), uneingeschränkt beizupflichten. Der Senat betont deshalb ausdrücklich, dass für die Annahme einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" unter Mitberücksichtigung des Analphabetismus dessen Vorliegen - ggf durch einen geeigneten Test - sicher festgestellt sein muss und dieser erst dann eine Rolle spielen kann, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, welche die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern (zB Küchenhilfe, Putz- und Reinigungsarbeiten) auf Grund weiterer hinzutretender Behinderungen nicht mehr offen steht. Denn bei (geschätzt) ca vier Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland, die zum Großteil in rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stehen, kann nicht von einem von vornherein verschlossenen Arbeitsmarkt allein wegen des Analphabetismus ausgegangen werden. Dies zeigt auch der berufliche Werdegang der Klägerin, die in früheren Jahren durchaus in der Lage war, eine angemessene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden und sich hier, ggf mit entsprechenden Anpassungstechniken, zu bewähren.
5. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist die Klägerin infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen (rezidivierendes Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Reizzustand im Bereich der Schultern, beginnender Kniegelenksverschleiß, arterieller Bluthochdruck mit grenzwertiger, linksventrikulärer Hypertrophie, Brustrestriktion) nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen Räumen ohne Zwangshaltungen oder einseitige Körperpositionen, ohne dauerndes Arbeiten auf Gerüsten und Leitern, ohne ständige Einwirkungen von Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen und Nässe regelmäßig und vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin ein Analphabetismus, denn sie kann weder in ihrer Muttersprache noch in deutscher Sprache lesen und schreiben. Unter Mitberücksichtigung des Analphabetismus liegt nach der tatrichterlichen Beurteilung durch das LSG ein Fall der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Großen Senats des BSG vor. Diese tatrichterliche Beurteilung beruht auf keiner Rechtsverletzung oder einer Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Es besteht auch keinerlei Anhalt, dass die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) überschritten worden wären oder der Ausnahmecharakter der auf den Einzelfall abstellenden Rechtsfigur der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" verkannt worden wäre. Die tatrichterliche Beurteilung ist deshalb vom Senat zu übernehmen.
Auch die Feststellung des LSG, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Senats kein konkreter Arbeitsplatz benannt werden kann, ist ebenfalls für den Senat verbindlich (§ 163 SGG), weil auch insoweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen von der Beklagten vorgebracht wurden. Der Vortrag der Beklagten, es "bestünden Hinweise auf fehlende Tatsachenfeststellungen" und es fehlten "weitere Ermittlungen hinsichtlich der konkreten Benennung der Verweisungstätigkeit", ist ohne Substanz und beinhaltet keine zulässige Verfahrensrüge, zB der Verletzung des § 103 SGG. Soweit nunmehr in der Revisionsbegründung - erstmals - die mögliche Tätigkeit der Klägerin als Spielhallenaufsicht angeführt wird, deren Anforderungsprofil (hier ohne die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben) weder geschildert noch mit dem Leistungsprofil der Klägerin verglichen wird, handelt es sich um eine "aus der Luft gegriffene" Verweisungstätigkeit, die zu erkennen und der nachzugehen sich dem LSG nicht aufdrängen musste. Die Beklagte räumt selbst ein, dass das LSG nach eingehender Beweiserhebung und Beweiswürdigung die Verweisung auf die naheliegenden und von der Beklagten in der Tatsacheninstanz auch teilweise angeführten Tätigkeiten als Küchenhilfe, Montierhelferin sowie Verpackerin und Sortiererin von Kleinteilen geprüft und ausgeschlossen hat. Das LSG hat insoweit die Rechtsprechung des BSG beachtet, dass es auf eine von der Beklagten zu tragende Darlegungslast - hinsichtlich der Benennung einer Verweisungstätigkeit - erst dann ankommt, wenn alle benannten Verweisungstätigkeiten ausscheiden und das Gericht darüber hinaus selbst zur Überzeugung kommt, dass keine weiteren ersichtlich sind (BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr 25 mwN). Denn das LSG hat festgestellt, dass - auch aus seiner Sicht - keine weiteren Verweisungstätigkeiten erkennbar sind. Dem LSG musste sich auch nicht die Frage aufdrängen "inwiefern solche Feststellungen nicht durch einen unabhängigen berufskundlichen Gutachter hätten ersetzt werden müssen". Dazu bestand so lange kein Anlass, wie das LSG die eingeholten Auskünfte der Arbeitsverwaltung und die verwerteten sachverständigen Zeugenaussagen in freier Beweiswürdigung und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze als nicht widersprüchlich und als verlässliche Entscheidungsgrundlage ansehen konnte. Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG oder ein Überschreiten der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) ist deshalb nicht ersichtlich. Beweisanträge hat die Beklagte nicht gestellt, obwohl sie dazu - mit Blick auf die bereits abgeschlossenen Parallelverfahren, die zu einer Verurteilung geführt hatten - konkreten Anlass und ausreichend Bedenkzeit hatte.
Schließlich begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das LSG entsprechend dem Klageantrag - unter Zugrundelegung "eines Leistungsfalls der Erwerbsunfähigkeit vom 16.10.1997" - eine Dauerrente zuerkannt hat. Wie vom LSG bindend festgestellt und in seiner Entscheidung näher ausgeführt worden ist, bestanden die Gesundheitsstörungen und die damit verbundenen Leistungseinschränkungen schon vor dem (zweiten) Rentenantrag vom 16. Oktober 1997, sodass nach der Regelung des § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI der Rentenbeginn auf den Beginn des Antragsmonats festgelegt wird. Eine Befristung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2000 gültigen Fassung kam hier auf Grund der Feststellungen des LSG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn (1) begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann, oder (2) der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist. Nr 2 stellt klar, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu leisten sind, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (vgl im Einzelnen Niesel in Kasseler Komm, Bd 1, § 102 RdNr 9, 10 mwN, Stand August 1992; Brähler in Gemeinschafts-Komm, Gesetzliche Rentenversicherung, Bd 3, § 102 RdNr 41 ff, Stand Mai 2002). Letzteres scheidet bei der vollschichtig einsetzbaren Klägerin aus (vgl BSG Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 33/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 52). Ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die die Klägerin mit ihrem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung ihres Analphabetismus noch verrichten könnte (vgl GS 2/95 - BSGE 80, 24, 35 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8, S 29). Die Beklagte hat im Übrigen auch keine - einen Rentenanspruch ausschließende - Rehabilitationsleistungen angeboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Sie wurde 1948 in Mazedonien geboren und hat die dortige Staatsangehörigkeit. Seit März 1978 hält sie sich in Deutschland auf. Sie hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt, ist Analphabetin und kann sowohl ihre Muttersprache als auch die deutsche Sprache weder lesen noch schreiben; sie spricht und versteht aber die deutsche Umgangssprache. Bis November 1984 war sie Hausfrau, danach arbeitete sie als Küchen- und Putzhilfe sowie Zimmermädchen bei diversen Arbeitgebern bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im November 1994. Seit April 1996 ist sie arbeitslos.
Einen ersten Rentenantrag vom 19. Januar 1996 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 abgelehnt. Streitgegenständlich ist ihr zweiter Rentenantrag vom 16. Oktober 1997, dem die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1998 nicht entsprach: Zwar seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sei aber nicht eingetreten, denn die Klägerin sei nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Begutachtung in der Lage, einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung zusätzlicher Funktionseinschränkungen vollschichtig zu verrichten.
Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat den Orthopäden Dr. A. - als Hauptgutachter - sowie den Internisten Dr. L. und den Neurologen und Psychiater Dr. B. zu gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Im zusammenfassenden Gutachten kam Dr. A. zum Ergebnis, dass die Klägerin auch unter Berücksichtigung des von Dr. B. erstmals festgestellten Analphabetismus in der Lage sei, geistig anspruchslose und körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen in Vollschicht zu verrichten. Auf Anfrage des SG, welche konkreten Tätigkeiten die Klägerin trotz der beschriebenen Leistungseinschränkungen unter Einschluss des Analphabetismus noch verrichten könne, hat das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen am 27. April 2000 die Auskunft gegeben, die Klägerin könne noch als Küchenhilfe (derzeit bundesweit 6.800 Stellenangebote), Warensortiererin und Montierhelferin eingesetzt werden. Mit Urteil vom 30. August 2000 hat das SG die Klage abgewiesen und die Klägerin unter Berücksichtigung des Analphabetismus auf die Tätigkeit einer Küchenhilfe, Warensortiererin oder Montierhelferin verwiesen.
Im Berufungsverfahren hat der zum gerichtlichen Sachverständigen bestellte Arzt für Orthopädie Dr. J. das Gutachten vom 3. Juli 2002 erstattet. Weiter hat das Landessozialgericht (LSG) aus einem Parallelverfahren eine Auskunft der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit vom 28. Juni 2002 zur Vermittlungsfähigkeit von Analphabeten in das Verfahren eingeführt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2002 hat das LSG das erstinstanzliche Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 1998 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin "unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit vom 16. Oktober 1997" Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren: Die Klägerin sei durchgehend seit der zweiten Antragstellung erwerbsunfähig iS des § 44 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aF. Nach Würdigung der im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren eingeholten Gutachten sei die Klägerin infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen - mit Einschränkungen - nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten regelmäßig und vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus sei die Klägerin Analphabetin, denn sie könne weder in ihrer Muttersprache noch in deutscher Sprache lesen und schreiben. Unter Berücksichtigung des Analphabetismus sei eine Erwerbstätigkeit wegen des auf leichte körperliche Arbeit beschränkten Restleistungsvermögens ausgeschlossen. Der Analphabetismus sei entgegen der Auffassung der Beklagten und Stimmen in der Literatur im Rahmen der Prüfung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen, auch wenn es sich um keine "Krankheit oder Behinderung" handele und dieses Defizit bereits bei Eintritt in die Versicherung bestanden habe. Der Senat folge insoweit im Grundsätzlichen dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4. November 1998 (B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62). Die jetzt hinzugetretenen Gesundheitsstörungen seien die wesentliche Ursache dafür, dass nunmehr im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 "ernsthafte Zweifel" bestünden, ob die Klägerin überhaupt in einem Betrieb einsetzbar sei und ihr der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt offen stehe. Eine ihrem Gesamtleistungsvermögen entsprechende konkrete Tätigkeit könne der Klägerin aber nicht benannt werden. Als Küchenhilfe sei sie nicht einsetzbar. Gleiches gelte für die von der Beklagten benannten Montier- und Sortiertätigkeiten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 44 Abs 2 SGB VI aF. Nach der vom LSG zitierten Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 führe "mangelnde Ausbildung" nicht zu einer Erweiterung der Fallgruppen, bei denen das BSG die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen habe. Für den Analphabetismus gelte nichts anderes, denn die Berufsausbildung setze eine schulische Ausbildung voraus; ein schulischer Abschluss könne nur erreicht werden, wenn als elementare Voraussetzung das Lesen und Schreiben beherrscht werde. Analphabetismus sei deshalb ein Ausbildungsdefizit, das als Risikofaktor hinsichtlich der Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu berücksichtigen sei und bisher die Klägerin auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert habe. Folge man dem LSG, wäre die Klägerin im Ergebnis besser gestellt als Versicherte, welche die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschten, ein vergleichbares Alter erreicht hätten und mit vergleichbaren gesundheitlichen Einschränkungen belastet seien. Der Analphabetismus sei weder eine Krankheit noch eine Behinderung, insbesondere keine "herabsinkensfähige" Behinderung, die zum Wegfall der Erwerbsfähigkeit iS des § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF habe führen können. Vielmehr sei der Analphabetismus, soweit er wie im Falle der Klägerin auf einem Ausbildungsdefizit, nicht aber auf geistigen oder psychischen Defiziten beruhe, als Einschränkung nicht gesundheitlicher Art in das Erwerbsleben eingebracht worden (Bezugnahme auf Kunze, DRV 2001, 189,192 ff). Ein solcher Analphabetismus lasse sich nicht unter die abschließenden so genannten Katalogfälle nach der Entscheidung des Großen Senats des BSG subsumieren (Bezugnahme auf Lilge, SGb 1998, 195 ff).
Nach Durchsicht der Prozessakte "bestünden Hinweise auf fehlende Tatsachenfeststellungen". Es fehlten "weitere Ermittlungen hinsichtlich der konkreten Benennung der Verweisungstätigkeit". Die Auskünfte der Arbeitsverwaltung hätten durch einen berufskundlichen Gutachter überprüft werden müssen. Weder das SG noch das LSG hätten sich mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Klägerin noch auf eine Tätigkeit als "Spielhallenaufsicht" verweisbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. August 2000 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Urteilsbegründung des LSG für zutreffend und kann keinen Verstoß gegen die Rechtsprechung des BSG erkennen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), liegt im Falle der Klägerin bei Mitberücksichtigung des Analphabetismus eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, was die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich macht. Das LSG weicht damit nicht von den in der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG im Beschluss vom 19. Dezember 1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) aufgestellten Grundsätzen oder der Rechtsprechung der Rentensenate des BSG ab. Mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen ist auch die tatsächliche Feststellung des LSG für den Senat verbindlich, dass der Klägerin keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden kann.
1. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit richtet sich allein nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, da er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt betrifft. Die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung mit der Umstellung auf die neuen Renten wegen teilweiser (§ 43 Abs 1 SGB VI nF) oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI nF) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 1827) ist nur für den Fall maßgeblich, dass ein Rentenanspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI). Liegen dagegen am 31. Dezember 2000 die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor, besteht der jeweilige Anspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung - einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung - maßgeblich waren (§ 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2000; BT-Drucks 14/4230 S 30 zu Nr 55 (§ 302 des Entwurfs)). In diesem Falle entsteht aus Anlass der Rechtsänderung kein neuer Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 302b Abs 1 Satz 3 SGB VI idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2000).
a) Nach § 43 Abs 2 SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Erwerbsunfähigkeit setzt nach § 44 Abs 2 SGB VI aF eine gegenüber der Berufsunfähigkeit noch weiter herabgesetzte Erwerbsfähigkeit voraus. Nach § 44 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI aF sind erwerbsunfähig Versicherte, die "wegen Krankheit oder Behinderung" auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999 monatlich 630 Deutsche Mark; Gesetz vom 24. März 1999, BGBl I 388) übersteigt. Nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB VI aF, neugefasst mit Wirkung ab 8. Mai 1996 durch das 2. SGB VI-ÄndG vom 2. Mai 1996 (BGBl I 659), ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch sind, wie die Beklagte bereits in den streitgegenständlichen Bescheiden festgestellt hat, erfüllt.
b) Ausgangspunkt der Prüfung ist der bisherige Beruf des Versicherten. Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, dh mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Einritt der Unfähigkeit aus den in § 43 Abs 2 SGB VI aF genannten Gründen oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben. In diesem Falle hängt der Rentenanspruch davon ab, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und gesundheitlich wie fachlich noch bewältigt werden kann. Dabei richtet sich die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl zB BSG Urteile vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 35/96 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 55 und vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 61; jeweils mwN). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden.
Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin keinen Beruf erlernt und war immer nur auf der Qualifikationsebene einer Hilfsarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist deshalb (wie auch angelernte Arbeiter auf der Qualifikationsebene des unteren Bereichs der Anlerntätigkeiten) mangels eines Berufsschutzes bei der Prüfung, ob der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, grundsätzlich auf sämtliche (meist ungelernte) Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes oder -feldes verweisbar. Besteht, wie vom LSG festgestellt, eine vollschichtige Leistungsfähigkeit - wenngleich mit Einschränkungen - ist grundsätzlich die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Es genügt die Feststellung, dass das Restleistungsvermögen des Versicherten körperlich mittelschwere oder leichtere Arbeiten erlaubt (zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen), wie es bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert wird (Großer Senat des BSG Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 31, 32 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Daran sollte nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 44 SGB VI aF durch das 2. SGB VI-ÄndG ausdrücklich festgehalten werden (vgl BT-Drucks 13/3967 S 3, 4).
2. Nach der Rechtsprechung des BSG, zusammengefasst im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 33 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 mwN) besteht jedoch dann eine Ausnahme - und die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit -, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Darunter fallen nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie zB der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern (vgl auch BSG Urteil vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr 117). Anerkannt sind dagegen nach der Rechtsprechung des BSG zB besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, iVm anderen Einschränkungen die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen, Einschränkungen der Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen. Der Grund für die Benennungspflicht liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten schlechthin keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt oder "ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist" (GS 2/95 - BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
In diesem Zusammenhang ist gesondert und vorab zu prüfen, ob entgegen der grundsätzlichen Annahme, dass es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt, der Arbeitsmarkt bei einer bestimmten Fallgestaltung generell verschlossen ist und sich aus diesem Grunde eine Prüfung im Einzelfall erübrigt. Nur diese Konstellation erfasst die so genannten Katalogfälle, die im Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 aufgelistet sind. Dieser "Verschlossenheitskatalog" ist nach der Entscheidung des Großen Senats nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs, die vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können, zu erweitern. Im Übrigen bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass bei nicht außergewöhnlichen Leistungseinschränkungen ohne Prüfung im Einzelfall (dh ob das Anforderungsprofil der in Betracht kommenden Tätigkeit dem Leistungsprofil des Versicherten entspricht) die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgt. Wie der Große Senat ausführt, "genügt (es), dass es zu einem derartigen Vergleich kommt, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Denn eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist oder ein Katalogfall vorliegen könnte, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt offen ist oder nicht" (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
3. Die Beklagte beruft sich im Falle der Klägerin zu Unrecht auf die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996.
Der Große Senat hat keinesfalls entschieden, dass "mangelnde Ausbildung" den Verschlossenheitskatalog nicht erweitert, denn mit einer solchen Fragestellung war der Große Senat nicht befasst. Entschieden wurde nur, dass für langjährig arbeitslose, ältere und ungelernte Versicherte nicht von einer generellen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen sei. Nur in diesem Zusammenhang findet sich der Satz, dass nicht deshalb von Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden könne, weil "neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich erschweren" (BSGE aaO S 36 = SozR 3 aaO S 30).
Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen um die Fähigkeit des Lesens und Schreibens, derer ungelernte Versicherte in der Regel mächtig sind und die zu den im Arbeitsleben erforderlichen Grundqualifikationen zählt. Die von der Beklagten aufgestellte Prämisse, dass von einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" nur dann gesprochen werden könne, wenn der entschiedene Fall unter einen der geschlossenen Katalogfälle subsumiert werden könne (so ausdrücklich Lilge, SGb 1998, 195) ist unzutreffend. Es gilt nur der Satz, dass eine Einzelfallprüfung entfällt bzw sich erübrigt, falls einer der Katalogfälle vorliegt. Das Vorliegen eines Katalogfalles ist deshalb, wie vom Großen Senat hervorgehoben, vorab zu prüfen (vgl auch Senatsurteil vom 25. März 1998 - B 5 RJ 46/97 R - SGb 1998, 406, Volltext in JURIS).
Im Falle der Klägerin kommt allein eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" in Betracht, nicht dagegen eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung". Mit letzterem Begriff werden nur solche Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Maßstab sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitswelt, insbesondere der dort an Arbeitnehmer gestellten Anforderungen, was wiederum unter Bezug auf die Verhältnisse im Einzelfall nur tatrichterlich festzustellen ist. Der Senat hat sich hierzu bereits mit Beschluss vom 14. Dezember 1998 - B 5 RJ 184/98 B - SozR 3-2600 § 43 Nr 19 geäußert und insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 1/94 - BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23) angeschlossen.
4. Das LSG hat, ohne gegen Bundesrecht zu verstoßen oder von der Rechtsprechung des BSG abzuweichen, im Rahmen der allein ihm obliegenden Prüfung, ob im Zusammenwirken mit anderen Leistungseinschränkungen eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, den nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder einer Minderbegabung beruhenden Analphabetismus der Klägerin berücksichtigt. Denn es handelt sich dabei um ein individuelles Defizit, das nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitswelt den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt in erheblichem Umfang begrenzen kann, sodass im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats "ernsthafte Zweifel" bestehen können, ob der Versicherte in einem Betrieb einsatzfähig ist.
Bereits im zurückverweisenden Urteil vom 19. August 1997 (13 RJ 25/95, veröffentlicht in JURIS, einer Parallelentscheidung zum Leiturteil von demselben Tag, aaO) hat der 13. Senat des BSG dem LSG aufgegeben zu prüfen, ob neben weiteren Einschränkungen die unzureichende Fähigkeit des Lesens und Schreibens, soweit diese nicht auf der mangelhaften Beherrschung der deutschen Sprache beruht (Hinweis auf das Senatsurteil vom 15. Mai 1991 - 5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11), zusammen mit anderen Leistungseinschränkungen den Zugang des damaligen Klägers über das übliche Maß hinaus erschwert und deshalb eine dem Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeit konkret benannt werden muss. Mit Urteil vom 4. November 1998 (B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62, S 284, 288 ff) hat der 13. Senat diese Rechtsprechung weiter vertieft und dargelegt, dass speziell mit Blick auf die Verweisungsmöglichkeit eines ungelernten oder angelernten Versicherten im unteren Bereich die Kenntnis des Lesens und Schreibens im Rahmen der Feststellung der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" zu berücksichtigen sei, denn § 1246 Abs 2 RVO (hier § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF) schreibe vor, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten zu entsprechen habe, wodurch sichergestellt werden solle, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Versicherten losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Insofern umfasse der Begriff der "Fähigkeiten" grundsätzlich alle berufsrelevanten Kenntnisse und Fertigkeiten des Versicherten, wozu auch die Kenntnis des Lesens und Schreibens zähle (vgl im Ergebnis zustimmend auch die vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger aktualisierte Neufassung der Grundsätze zum Recht der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, DRV 2002, 81, 122, 159).
Dem schließt sich der erkennende Senat an, auch wenn die zitierte Regelung die Verweisung im Rahmen des Berufsschutzes zum Gegenstand hat. Denn in den Fällen, in denen ungelernten Versicherten - ausnahmsweise - Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen sind, können keine anderen Maßstäbe gelten. Es spielt deshalb auch keine Rolle, dass § 44 Abs 2 SGB VI aF bei der Definition des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit nur von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit "wegen Krankheit oder Behinderung" spricht, solange nach der Rechtsprechung des Großen Senats - und auch dem Willen des Gesetzgebers des 2. SGB VI-ÄndG (vgl BT-Drucks 13/3697 S 3, 4) - bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit Ungelernter - vorausgesetzt, es liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor - die konkrete Betrachtungsweise gilt. Diese von der Rechtsprechung gebildete Fallgruppe ist durch die Legaldefinition der Erwerbsunfähigkeit in § 44 Abs 2 SGB VI aF, die prinzipiell nicht von einer möglichen Verweisung ausgeht, nicht erfasst (vgl Kühl, SGb 1999, 551, 553).
Zutreffend hat der 13. Senat auch keinen Widerspruch zum Senatsurteil vom 15. Mai 1991 (5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288, 289 f = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11) gesehen. Die Unfähigkeit eines Ausländers, deutsch zu sprechen, erschwert zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, muss aber als Kriterium außer Acht bleiben, weil dies im Ergebnis auf eine Besserstellung der ausländischen Versicherten erheblichen Umfangs hinauslaufen würde und der gesetzlichen Rentenversicherung ein prinzipiell unkalkulierbares Risiko aufgebürdet würde. Die in der Literatur hierzu geäußerten Bedenken (vgl Kühl, SGb 1999, 551 und Bieback, InfAuslR 1992, 22, 23) werden nicht geteilt.
Dem LSG ist beizupflichten, wenn es im Anschluss an das Urteil des 13. Senats vom 4. November 1998 (aaO) darauf hinweist, dass die Berücksichtigung eines muttersprachlichen Analphabetismus von im Ausland aufgewachsenen Versicherten zu keiner Ungleichbehandlung mit inländischen Versicherten führt. Denn auch ausländische Analphabeten sind - abgesehen von der Kenntnis der deutschen Sprache - mit ihren tatsächlichen Kräften und Fähigkeiten versichert, und sie werden nicht anders behandelt als inländische Analphabeten. Es gibt auch in Deutschland eine nennenswerte Anzahl von (praktischen) Analphabeten (die Schätzungen gehen bis zu vier Millionen Menschen, Großfeld/Hülper, JZ 1999, 430; Kunze, DRV 2001, 189), die zum Großteil rentenversicherungspflichtig beschäftigt sind (Döbert/Hubertus, Ihr Kreuz ist die Schrift, 1. Aufl, 2000, 59 ff, 68 ff). Für eine ungleiche Behandlung der beiden Gruppen von Analphabeten gibt es keinen sachlichen Grund.
Im Übrigen werden Versicherte mit allen Krankheiten, Gebrechen, Behinderungen, Wesenseigentümlichen, Sozialisations- und Bildungsdefiziten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen, und es gibt keinen Ausschluss aus der Versicherung wegen so genannter "eingebrachter" Leiden, Behinderungen oder sonstiger Defizite (vgl BSG Urteile vom 27. Oktober 1966 - 5 RKn 132/64 - BSGE 25, 227, 229 f = SozR Nr 62 zu § 1246 RVO, vom 28. März 1979 - 4 RJ 35/78 - und vom 30. November 1983 - 4 RJ 109/82), es sei denn, es hat bereits bei Eintritt in die Rentenversicherung Erwerbsunfähigkeit bestanden. Allein durch das Erfordernis der Mindestbeitragszeit von fünf Jahren für die vorzeitigen Versichertenrenten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung erfolgt eine vom Gesetz vorgesehene faktische "Erprobung", nach deren Ablauf ein "Herabsinken" der beruflichen Leistungsfähigkeit insgesamt zum Eintritt der genannten Versicherungsfälle führen kann. Denn im Einzelfall soll und kann kaum festgestellt werden, ob zB ein Versicherter mit einer Behinderung oder Begabungs- und Sozialisationsdefiziten - auch einer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit unter Einschluss des Lesens und Schreibens - als von vornherein Erwerbsunfähiger eine Werkstatt für Behinderte besuchen muss oder jedenfalls in jungen Jahren eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen in der Lage ist. Kommen bei einem regulär Versicherten im Verlaufe des Erwerbslebens weitere Leistungseinschränkungen hinzu oder nimmt nur mit zunehmendem Alter die Kompensationsfähigkeit "eingebrachter" Leiden bis zur Erwerbsunfähigkeit ab, bzw kommt es zu einem für das "eingebrachte" Leiden typischem Leistungsabbau in einem bestimmten Lebensalter, spielt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine Rolle, wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen ggf "eingebrachten" Defizite und Leistungseinschränkungen aufgetreten sind.
Im Gegensatz zu der von der Beklagten im Anschluss an Kunze (DRV 2001, 189, 192 ff) vertretenen Auffassung spielt es deshalb keine Rolle, ob der muttersprachliche und nicht auf einer geistigen Behinderung beruhende Analphabetismus im Rahmen der Prüfung, ob Erwerbsunfähigkeit vorliegt, eine "herabsinkensfähige" Behinderung ist und deshalb keinen Faktor für das Entfallen der Erwerbsfähigkeit iS von § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF darstellen könne. Im Übrigen erkennt auch Kunze an, dass der Analphabetismus bei der Prüfung, ob der Versicherungsfall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit eingetreten ist, einen verweisungseinschränkenden Faktor darstellen kann und als "allgemeine Schwäche" iS eines eingebrachten Leidens als gewichtiger Faktor die Einsatzfähigkeit einschränken bzw ausschließen kann (aaO S 194). Er warnt lediglich davor, die Rechtsfigur der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" zu einem Einfallstor zu machen und den Gesetzesbefehl, nur in eng begrenzten Ausnahmefällen von dieser Rechtsfigur Gebrauch zu machen, zu missachten. Er räumt aber durchaus ein, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten Fälle verbleiben können, in denen Versicherten, die Leistungseinschränkungen haben und zudem Analphabeten sind, keine geeigneten Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr benannt werden können. Dem ist, wie bereits im zitierten Beschluss des Senats vom 14. Dezember 1998 zum Ausdruck gebracht (B 5 RJ 184/98 B - SozR 3-2600 § 43 Nr 19), uneingeschränkt beizupflichten. Der Senat betont deshalb ausdrücklich, dass für die Annahme einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" unter Mitberücksichtigung des Analphabetismus dessen Vorliegen - ggf durch einen geeigneten Test - sicher festgestellt sein muss und dieser erst dann eine Rolle spielen kann, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, welche die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern (zB Küchenhilfe, Putz- und Reinigungsarbeiten) auf Grund weiterer hinzutretender Behinderungen nicht mehr offen steht. Denn bei (geschätzt) ca vier Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland, die zum Großteil in rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stehen, kann nicht von einem von vornherein verschlossenen Arbeitsmarkt allein wegen des Analphabetismus ausgegangen werden. Dies zeigt auch der berufliche Werdegang der Klägerin, die in früheren Jahren durchaus in der Lage war, eine angemessene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden und sich hier, ggf mit entsprechenden Anpassungstechniken, zu bewähren.
5. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist die Klägerin infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen (rezidivierendes Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Reizzustand im Bereich der Schultern, beginnender Kniegelenksverschleiß, arterieller Bluthochdruck mit grenzwertiger, linksventrikulärer Hypertrophie, Brustrestriktion) nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen Räumen ohne Zwangshaltungen oder einseitige Körperpositionen, ohne dauerndes Arbeiten auf Gerüsten und Leitern, ohne ständige Einwirkungen von Kälte, Hitze, Zugluft, starken Temperaturschwankungen und Nässe regelmäßig und vollschichtig zu verrichten. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin ein Analphabetismus, denn sie kann weder in ihrer Muttersprache noch in deutscher Sprache lesen und schreiben. Unter Mitberücksichtigung des Analphabetismus liegt nach der tatrichterlichen Beurteilung durch das LSG ein Fall der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Großen Senats des BSG vor. Diese tatrichterliche Beurteilung beruht auf keiner Rechtsverletzung oder einer Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Es besteht auch keinerlei Anhalt, dass die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) überschritten worden wären oder der Ausnahmecharakter der auf den Einzelfall abstellenden Rechtsfigur der "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" verkannt worden wäre. Die tatrichterliche Beurteilung ist deshalb vom Senat zu übernehmen.
Auch die Feststellung des LSG, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Überzeugung des Senats kein konkreter Arbeitsplatz benannt werden kann, ist ebenfalls für den Senat verbindlich (§ 163 SGG), weil auch insoweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen von der Beklagten vorgebracht wurden. Der Vortrag der Beklagten, es "bestünden Hinweise auf fehlende Tatsachenfeststellungen" und es fehlten "weitere Ermittlungen hinsichtlich der konkreten Benennung der Verweisungstätigkeit", ist ohne Substanz und beinhaltet keine zulässige Verfahrensrüge, zB der Verletzung des § 103 SGG. Soweit nunmehr in der Revisionsbegründung - erstmals - die mögliche Tätigkeit der Klägerin als Spielhallenaufsicht angeführt wird, deren Anforderungsprofil (hier ohne die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben) weder geschildert noch mit dem Leistungsprofil der Klägerin verglichen wird, handelt es sich um eine "aus der Luft gegriffene" Verweisungstätigkeit, die zu erkennen und der nachzugehen sich dem LSG nicht aufdrängen musste. Die Beklagte räumt selbst ein, dass das LSG nach eingehender Beweiserhebung und Beweiswürdigung die Verweisung auf die naheliegenden und von der Beklagten in der Tatsacheninstanz auch teilweise angeführten Tätigkeiten als Küchenhilfe, Montierhelferin sowie Verpackerin und Sortiererin von Kleinteilen geprüft und ausgeschlossen hat. Das LSG hat insoweit die Rechtsprechung des BSG beachtet, dass es auf eine von der Beklagten zu tragende Darlegungslast - hinsichtlich der Benennung einer Verweisungstätigkeit - erst dann ankommt, wenn alle benannten Verweisungstätigkeiten ausscheiden und das Gericht darüber hinaus selbst zur Überzeugung kommt, dass keine weiteren ersichtlich sind (BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr 25 mwN). Denn das LSG hat festgestellt, dass - auch aus seiner Sicht - keine weiteren Verweisungstätigkeiten erkennbar sind. Dem LSG musste sich auch nicht die Frage aufdrängen "inwiefern solche Feststellungen nicht durch einen unabhängigen berufskundlichen Gutachter hätten ersetzt werden müssen". Dazu bestand so lange kein Anlass, wie das LSG die eingeholten Auskünfte der Arbeitsverwaltung und die verwerteten sachverständigen Zeugenaussagen in freier Beweiswürdigung und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze als nicht widersprüchlich und als verlässliche Entscheidungsgrundlage ansehen konnte. Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG oder ein Überschreiten der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) ist deshalb nicht ersichtlich. Beweisanträge hat die Beklagte nicht gestellt, obwohl sie dazu - mit Blick auf die bereits abgeschlossenen Parallelverfahren, die zu einer Verurteilung geführt hatten - konkreten Anlass und ausreichend Bedenkzeit hatte.
Schließlich begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das LSG entsprechend dem Klageantrag - unter Zugrundelegung "eines Leistungsfalls der Erwerbsunfähigkeit vom 16.10.1997" - eine Dauerrente zuerkannt hat. Wie vom LSG bindend festgestellt und in seiner Entscheidung näher ausgeführt worden ist, bestanden die Gesundheitsstörungen und die damit verbundenen Leistungseinschränkungen schon vor dem (zweiten) Rentenantrag vom 16. Oktober 1997, sodass nach der Regelung des § 99 Abs 1 Satz 2 SGB VI der Rentenbeginn auf den Beginn des Antragsmonats festgelegt wird. Eine Befristung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2000 gültigen Fassung kam hier auf Grund der Feststellungen des LSG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn (1) begründete Aussicht besteht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben sein kann, oder (2) der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist. Nr 2 stellt klar, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit zu leisten sind, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (vgl im Einzelnen Niesel in Kasseler Komm, Bd 1, § 102 RdNr 9, 10 mwN, Stand August 1992; Brähler in Gemeinschafts-Komm, Gesetzliche Rentenversicherung, Bd 3, § 102 RdNr 41 ff, Stand Mai 2002). Letzteres scheidet bei der vollschichtig einsetzbaren Klägerin aus (vgl BSG Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 33/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 52). Ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten, die die Klägerin mit ihrem körperlichen Leistungsvermögen unter Berücksichtigung ihres Analphabetismus noch verrichten könnte (vgl GS 2/95 - BSGE 80, 24, 35 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8, S 29). Die Beklagte hat im Übrigen auch keine - einen Rentenanspruch ausschließende - Rehabilitationsleistungen angeboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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