S 12 AL 333/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 333/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 13.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Bescheide, mit denen die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 31.08.2001 wegen fehlender Verfügbarkeit ganz aufgehoben hat.

Der 1970 geborene Kläger bezog im Anschluss an einen am 01.01.1997 entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld seit dem 16.09.1998 Arbeitslosenhilfe, zuletzt durch Bescheid vom 18.10.2000 ab dem 16.09.2000. Seit dem 15.04.1999 stand er nur noch für eine Halbtagstätigkeit zwischen ca. 08:00h und 12:00h wegen Betreuung seines 1992 geborenen Sohnes E eingeschränkt zur Verfügung. Entsprechende Angaben hatte er im letzten Antrag auf Arbeitslosenhilfe bei Beantwortung der Frage 4 gemacht. Danach war seine Vermittlungsfähigkeit wegen Betreuung seines Sohnes auf Montag bis Freitag vormittags beschränkt. Seit Juni 1999 bezog er aus einer Nebentätigkeit Einkommen, das nicht zur Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfe führte. Ausweislich der Nebenverdienstbescheinigungen war er jeden Mittwoch 3 Stunden täglich, darüber hinaus in manchen Monaten auch noch an einem Sonntag im Monat 3 Stunden beschäftigt.

Ausweislich eines Beratungsvermerkes vom 31.08.2001 teilte der Kläger aus Anlass einer Vorsprache mit, dass er seinen Onkel seit 2 Jahren pflege und Pflegegeld nach Pflegestufe III bezieht.

Mit Bescheid vom 13.09.2001 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 31.08.2001 ganz auf. Die auf § 48 SGB X iVm § 119 SGB III gestützte Entscheidung begründete die Beklagte damit, dass der Kläger seit 1999 seinen Onkel pflege und dieser der Pflegestufe III zugeordnet sei. Im Hinblick auf die damit verbundenen Anforderungen stünde er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung.

Zur Begründung seines am 05.10.2001 erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 17.10.2000, wonach der Gesamtzeitaufwand für die Grundpflege ca. 254 Minuten täglich betrage. Die Rundumversorgung für Zeiten, in denen er nicht zu Hause sein könne, werde über den Notruf des Roten Kreuzes sichergestellt. Außerdem sei es möglich, dass die Caritas Sozialstation kurzfristig seine Pflegeanteile übernehme. Ausweislich des von Dr. T vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein am 17.10.2000 für die Pflegekasse erstatteten Gutachtens leidet der unter der Wohnanschrift des Klägers wohnhafte 1950 geborene Pflegling B unter einer armbetonten spastischen Hemiparese links mit Inkontinenz und Immobilität sowie sekundärer Epilepsie bei Zustand nach Hirninsult. Seit November 1999 bestand Pflegestufe II bei ermittelten 194 Grundpflegeminuten. Dr. T ermittelte 254 Grundpflegeminuten und empfahl die Annahme von Pflegestufe III ab Juli 2000, aufgrund einer vom Hausarzt Dr. S berichteten Verschlechterung im Rahmen eines erneuten Hirninsultes mit stationärer Aufnahme vom 26.06.2000 bis 14.07.2000 in der neurologischen Abteilung Kliniken C. Bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität bedürfe der Pflegling mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Ausweislich einer Bescheinigung der AOK Rheinland vom 25.10.2001 bezog der Kläger seit dem 01.07.2000 bis 31.10.2001 Pflegegeld in der Pflegestufe III (1.300,- DM) für Herrn B auf sein Konto. Am 01.11.2001 ist der Onkel des Klägers nach G verzogen. Ab 01.11.2001 erhält der Kläger wieder Arbeitslosenhilfe aufgrund eines am 15.10.2001 gestellten Antrags, in dem er sich wieder für eine Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung gestellt hat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei nicht verfügbar im Sinne von § 119 Abs 1 SGB III gewesen. Er wende für die Pflege seines Onkels, der nach den Feststellungen des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung der Pflegestufe III zuzuordnen sei, mindestens 5 Stunden kalendertäglich auf. Pflegebedürftigkeit bestehe bei Personen, die sich in einem Zustand befänden, in welchem sie zur Erhaltung ihrer körperlichen Existenz der Hilfe des Arbeitslosen bedürften. Pflegebedürftigkeit erfordere nicht, dass sich die Hilfe auf den Ablauf des ganzen Tages erstrecke. Der tägliche Zeitaufwand betrage im wesentlichen Tagesdurchschnitt nach § 15 Abs 3 SGB XI in der Pflegestufe III mindestens 5 Stunden. Bei Vorliegen der Pflegestufe III müsse die Verfügbarkeit der Pflegeperson, also des Klägers, im Hinblick auf die damit verbundenen Anforderungen ausgeschlossen werden. Insoweit sei in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten, so dass dieser Bescheid nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben gewesen sei.

Zur Begründung seiner am 14.11.2001 erhobenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, dass durch die Pflege einer nach Pflegestufe III pflegebedürftigen Person die Verfügbarkeit nicht ausgeschlossen werde. Auch ein Erwerbstätiger könne Pflegeperson einer solchen pflegebedürftigen Person sein. Er sei ja nur für halbtags arbeitslos gemeldet gewesen und hätte die Pflege, wenn man ihn eine entsprechende Stelle angeboten hätte, entsprechend den Anforderungen an diese Stelle organisieren können, zB dadurch, dass die Caritas Sozialstation eingetreten wäre. Außerdem hätte seine Schwester und Bekannte ihn bei der Pflege seines Onkels unterstützt.

Mit Bescheid vom 21.02.2002 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe auch für die Zeit vom 01.07.2000 bis 30.08.2001 ganz auf forderte die Erstattung von 5173,96 DM Arbeitslosenhilfe zuzüglich 1223,02 DM Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das auf den Widerspruch des Klägers vom 28.02.2002 eingeleitet Widerspruchsverfahren W 665/02 ruht bis zum Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 13.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Selbst wenn durch die Pflege einer nach Pflegestufe III pflegebedürftigen Person die Verfügbarkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte, hätte jedenfalls der Kläger keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgehen können, da seine Pflegetätigkeit mit der Bereitschaft, bei Bedarf sofort zu helfen, verbunden gewesen sei. Sie könne nur zu einem kleinen Teil zeitlich geplant werden, (Morgentoilette und Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Vorbereitung für die Nacht).Alle anderen Tätigkeiten, zB Hilfe bei Toilettengängen, Beschäftigungstherapie oder Spazieren gehen, ließen sich nicht planen oder vorausbestimmen. Nach dem vom Kläger eingereichten Pflegetagebuch habe er mit der Pflege des Onkels morgens um 8:00h begonnen, also zu der Zeit, für die er sich zur Verfügung gestellt habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen S2 und F. Wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.07.2003.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte und der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gem. § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 31.08.2001 aufgehoben.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfüllt, denn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen bei Erlass des zugrundeliegenden Bewilligungsbescheides über Arbeitslosenhilfe vom 18.10.2000 ist mit Wirkung zum 31.08.2001 keine Änderung eingetreten. Die Zweifel der Beklagten an der Verfügbarkeit des Klägers stützen sich auf die dem vom Kläger gepflegten Onkel zuerkannte Pflegestufe III ab Juli 2000, lagen mithin bereits zu Beginn des Bewilligungsabschnitts ab 16.09.2000 und zum Zeitpunkt der Bewilligung am 18.10.2000 vor. Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um eine Aufhebung für die Zukunft. Vielmehr ist durch einen Bescheid vom 16.09.20001, der Auswirkungen ab 31.08.2001 haben soll, eine Entscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit getroffen worden. Eine Rückabwicklung ab 31.08.2001 wäre nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X als Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes möglich. Nach Auffassung der Kammer war die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe an den Kläger jedoch rechtmäßig. Zum Zeitpunkt der Bewilligung und darüber hinaus im streitigen Zeitraum liegen nach Auffassung der Kammer alle Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe durchgehend vor. Mit Ausnahme der Verfügbarkeit des Klägers ist dies auch unstreitig.

Der Kläger war arbeitslos im Sinne des Gesetzes. Nach §§ 190,198 iVm §§ 118,119 SGB III ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser, der eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschläge des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

Durch die Pflege seines Onkels war der Kläger in seiner Verfügbarkeit nicht eingeschränkt. Durch die Übernahme der Pflege eines Pfleglings in Pflegestufe III, die nach § 15 SGB XI mindestens 5 Stunden im wöchentlichen Tagesdurchschnitt be-tragen muss, hat der Kläger keine mehr als kurzeitige Beschäftigung aufgenomen. Durch die Pflege wird kein Beschäftigungsverhältnis begründet. Allein durch die Voraussetzungen für Pflegestufe III iSv § 15 SGB XI kann auf die Verfügbarkeit der Pflegeperson nicht geschlossen werden. Das folgt schon daraus, dass sich die Pflegetätigkeit von 5 Stunden täglich nicht auf einen Zeitraum konzentriert, sondern über den Tag verteilt und entgegen der Ansicht der Beklagten weitestgehend variabel zu gestalten ist. Im übrigen ergibt sich aus § 11 Ziffer 7 der Arbeitslosenhilfeverordnung in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, wonach nicht steuerpflichtige Einnahmen von Pflegepersonen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung nicht als Einkommen iS der Bedürftigkeitsregelung bei der Arbeitslosenhilfe gelten, dass allein durch die Tatsache einer Pflege auch nach Pflegestufe III Verfügbarkeit nicht ausgeschlossen sein kann.

Das Gericht hat keinen Zweifel, dass der Kläger die Pflege seines Onkels so gestalten konnte, dass er für die Halbtagstätigkeit, für die er sich zur Verfügung gestellt hat, auch tatsächlich verfügbar war. Die Verfügbarkeit des Klägers nur wochentags zwischen 8:00h und 12:00h resultiert auf der Betreuung des Klägers für seinen 1992 geborenen Sohn und knüpft erkennbar an die üblichen Schulzeiten an. Nach den dem Gericht allein zugänglichen Erkenntnissen (der Onkel des Klägers war mit der Beiziehung der Ihn betreffenden Unterlagen der Pflegekasse nicht einverstanden), den Pflegegutachten zur Anerkennung der Pflegestufen II und III, den Einlassungen des Klägers iV mit den Aussagen der Zeuginnen S2 und F und dem "Protokoll" über seine Pflegetätigkeit besteht kein Zweifel, dass der Kläger wesentliche Pflegetätigkeiten vor und nach dem Zeitraum richten konnte, für den er sich zur Verfügung gestellt hat. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger während der Zeiten der Arbeitslosigkeit seine Pflegetätigkeit auch in Zeiten ausgeübt hat, für die er sich zur Verfügung gestellt hat, ausgeübt hat, denn dies war ihm wegen entgegenstehender Verpflichtungen freigestellt. Nach dem Inhalt des Pflegegutachtens bedurfte der Onkel des Klägers hauptsächlich dreimaliger Verpflegungsbetreuung iV mit den üblichen Pflegetätigkeiten im Zusammenhang mit der Körperhygiene, darüber hinaus wegen der Inkontinenz anfallenden zusätzlichen hygienischen Versorgung. Dabei ist es für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger die morgendliche Grundpflege einschließlich der Frühstückversorgung vor Beginn einer um 8:00h beginnenden Tätigkeit hätte leisten können, ebenso wie die mittägliche Versorgung nach Ende einer um 12:00h endenden Tätigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der Aussagen der Zeuginnen S2 und F, die beiden Zeuginnen sich um die Zubereitung der Mittagsmahlzeit gekümmert haben, dieser Teil der hauswirtschaftlichen Grundversorgung, der bei der Ermittlung des Zeitaufwandes für die Bestimmung der Pflegestufe von Bedeutung ist, also ohnehin nicht vom Kläger vorgenommen wurde. Die Zeuginnen haben durch ihren täglichen Besuch im Laufe des Vormittages auch einen Teil des "Gesellschaftsleistens" des Onkels übernommen, so dass dadurch jedenfalls zeitweilig eine Aufsichtsperson anwesend war. Da der Onkel auch Nachts alleine in seiner Wohnung bleiben konnte (seine und die Wohnung des Klägers lagen sich im selben Haus gegenüber), durch eine Notrufmöglichkeit verbunden mit dem Roten Kreuz, ist auch nicht erkennbar, warum ihm dies nicht auch für einige Stunden am Vormittag möglich und zumutbar gewesen sein soll. Die ab Mittag notwendige Pflegeleistung steht in keinem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit des Klägers, macht aber am Gesamtanteil der Pflegeleistung für den Onkel, der gegen 23:00h zu Bett gebracht wurde, den Hauptzeitanteil aus. Da zudem auch noch ein auswärtiger Pflegedienst mehrmals wöchentlich Pflegeleistungen für den Onkel übernommen hat, wie die Zeuginnen bestätigt haben, ist nachvollziehbar, dass vom Kläger durchzuführende Pflegeleistungen bei Bedarf zeitlich variabel verschoben werden konnten. Die von der Beklagten insoweit geäußerten Zweifel sind nicht schlüssig. Toilettengänge waren nicht erforderlich, denn der Onkel ist (auch) stuhlinkontinent und wurde gewindelt. Beschäftigungstherapie ist, soweit erforderlich, flexibel gestaltbar. Der Onkel hat ohnehin die meiste Zeit mit fernsehen verbracht. Spaziergänge waren ihm aufgrund seiner Behinderung nicht möglich, Ausflüge müssen nicht in den Vormittagsstunden stattfinden. Insoweit ist auch nachvollziehbar, dass zwischen der morgendlichen Grundpflege und der mittäglichen Pflege zwingende pflegerische Leistungen durch den Kläger nicht unmittelbar erbracht werden mussten. Wenn der Kläger beispielsweise den Urinbeutel morgens geleert hatte, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dies vor einer mittäglichen Rückkehr von der Arbeit erneut notwendig geworden wäre. Für Zeiten, in denen der Onkel nicht kathedert war, sondern gewindelt werden musste, gilt nichts anderes. Wenn der Onkel abends vor dem Zubettgehen gewindelt wurde und danach erst wieder bei der morgendlichen Grundpflege, ist es grundsätzlich auch möglich, die nächste Windelung erst wieder in der Mittagszeit vorzunehmen, wenn der Kläger von der Arbeit nach Hause gekommen wäre. Ob es möglich gewesen wäre, die Pflegetätigkeit kurzfristig an die Caritas abzugehen, wie der Kläger vorgetragen hat, brauchte deshalb nicht geklärt zu werden. Schließlich zeit auch die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit wöchentlich mittwochs für 3 Stunden, zusätzlich gelegentlich sonntags für drei Stunden, dass er trotz der Pflege seines Onkels mehrstündige Abwesenheitszeiten so organisieren konnte, dass die Betreuung des Onkels dadurch nicht gelitten hat.

Selbst wenn man aber der Meinung wäre, die Pflegetätigkeit des Klägers für seinen Onkel hätte seiner Verfügbarkeit objektiv entgegen gestanden, ist der ihm für eine Rücknahme nach § 45 SGB X zu machende Schuldvorwurf nicht zu begründen. Die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe beruht nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Im Antrag auf Arbeitslosenhilfe hat der Kläger sich in seiner Verfügbarkeit wegen Betreuung seines Kindes eingeschränkt. Er hat dort nicht angegeben, dass er seinen Onkel pflegt. Nach Ausübung einer Pflegetätigkeit ist dort aber nicht gefragt. Zwar ist dort auch noch die Möglichkeit gegeben, "sonstiges" anzukreuzen und zu begründen. Wenn der Kläger hier im Hinblick auf die Pflegetätigkeit keine Angaben gemacht hat, weil er der Meinung war, durch die Pflegetätigkeit in seiner Vermittlungsfähigkeit über das Maß der Einschränkung, die sich bereits durch die Betreuung seines Sohnes ergibt, nicht eingeschränkt zu sein, dann ist dies eine subjektive Einschätzung, die allenfalls den Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit begründen kann. Auch aus dem Merkblatt für Arbeitslose, hier Stand April 2000, konnte der Kläger nicht entnehmen, dass die Ausübung einer Pflegetätigkeit Zweifel an der Verfügbarkeit wecken kann. In dem Zusammenhang findet sich allein auf Seite 19 ein Hinweis. Dort heißt es bei Ziffer 2: "Betreuen Sie aufsichtsbedürftige Kinder oder pflegebedürftige Personen, dann muss die weitere Betreuung sicher gestellt sein. Wenn das Arbeitsamt Sie auffordert, entsprechende Nachweise zu erbringen, kommen Sie der Aufforderung bitte nach!" Der unbefangene Leser kann daraus entnehmen, dass die Betreuung pflegebedürftiger Personen für die Verfügbarkeit unerheblich ist, wenn die weitere Betreuung sichergestellt ist. Wenn der Arbeitslose der Meinung ist, die weitere Betreuung sei sicher gestellt, kann er auch der Meinung sein, verfügbar zu sein. Unterliegt ein Arbeitsloser dann objektiv einem Irrtum, kann ihm im Hinblick auf den Hinweis im Merkblatt lediglich der Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit gemacht werden. Auch unter der Überschrift Mitwirkungspflicht und die folgenden Ausführungen auf Seite 52 bis 54 des Merkblattes ergibt sich für einen Arbeitslosen nicht zwingend ein Zusammenhang zwischen Ausübung der Pflege und Zweifel an der Verfügbarkeit. Der Kläger hätte eine Rechtswidrigkeit der Bewilligung auch weder positiv erkannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt. Wie aus dem zuvor Ausgeführten ersichtlich, hat der Kläger jedenfalls nicht die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wenn er nicht erkannt hat, dass durch die Pflege des Onkels seine Verfügbarkeit weggefallen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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