Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 25/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. März 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Pleuraasbestose und eines Bronchialkarzinoms als Berufskrankheit (BK).
Der aus dem früheren Jugoslawien stammende Kläger war einige Jahre bei einer Werft in Split als Schlosser und Werftarbeiter tätig. Seit 1972 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland bei verschiedenen Arbeitgebern ua als Lüftungsmonteur, Bauhelfer und Kraftfahrer. Nachdem bei ihm ein Bronchialkarzinom mit ausgedehnten Pleuraplaques diagnostiziert worden war, wurde der Beklagten im Juni 1995 das Vorliegen einer BK angezeigt. Die Beklagte lehnte die Anerkennung (Pleuraasbestose) der Erkrankung als BK nach Nr 4103 und 4104 (Lungenkrebs in Verbindung mit Pleuraasbestose) ab, weil die Lungenerkrankung des Klägers in keinem Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stehe (Bescheid vom 24. Juni 1997). Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1998).
Das Sozialgericht (SG) Darmstadt hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. August 2001). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 7. März 2003). Die Voraussetzungen der als Verfahrensvorschrift auch für Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Siebtes Buch - (SGB VII) anzuwendenden Vermutungsregelung des § 9 Abs 3 SGB VII seien nicht zu Gunsten des Klägers erfüllt, da er angegeben habe, seine Tätigkeit als Werftarbeiter in Jugoslawien sei am ehesten als ursächlich für die Pleuraasbestose anzusehen. Auch habe ein Asbestkontakt bei keiner der vielen Tätigkeiten des Klägers nachgewiesen werden können. Da die gesetzliche Vermutung nicht greife, müssten sowohl die versicherte Tätigkeit als auch die körperschädigende Einwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Das sei nicht der Fall. Vielmehr sei nach Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten offen geblieben, in welchem Umfang der Kläger an den einzelnen Arbeitsstellen überhaupt einer Asbesteinwirkung ausgesetzt gewesen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 9 Abs 3 SGB VII. Das LSG habe zu Unrecht keinen Raum für die Vermutung des § 9 Abs 3 SGB VII gesehen. Er sei in der Zeit von 1973 bis 1975 bei verschiedenen Arbeitgebern als Bauarbeiter und im Klima- und Lüftungsbau täglich einer intensiven Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei es nicht darauf ankomme, ob er selbst asbesthaltige Materialien verarbeitet habe, da er im Bereich der Baustellen und insbesondere in geschlossenen Räumen erhebliche Mengen von durch die Verwendung asbesthaltigen Materials durch andere entstandenen Asbeststaub eingeatmet habe. Ausgeschlossen werden könne eine entsprechende Einwirkung auch während seiner anschließenden 10-jährigen Tätigkeit bei der Fa. O. nicht. Von September 1985 bis August 1986 und im April 1992 sei er als Fahrer beim Transport von Baumaterial und -schutt mit asbesthaltigem Material in Kontakt gekommen, denn in seiner unmittelbaren Umgebung seien asbesthaltige Materialien verarbeitet worden.
Eine weitergehende Aufklärung sei entgegen der Auffassung der Instanzgerichte nicht notwendig. Es sei gar nicht möglich, festzustellen, in welchem Umfang genau er bei den asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei. Wenn das LSG hierfür den Vollbeweis verlange, lege es überzogene Anforderungen zugrunde. Da er keine toxikologischen Kenntnisse habe und die Gefährlichkeit von Asbest damals nicht bekannt gewesen sei, sei es ihm weder zumutbar noch möglich, für jeden Arbeitsplatz die tägliche Asbesteinwirkung anzugeben. Seine Erklärung, mehrere Jahre im Baustellenbereich tätig gewesen zu sein, müsse ausreichen, da bis vor etwa 20 bis 30 Jahren bekanntlich häufig Asbest in Baumaterialien verarbeitet worden sei und sowohl der Beklagten als auch dem Gesetzgeber die besondere Gefährlichkeit dieses Stoffes bekannt sei. Die Vorinstanzen hätten im Übrigen keineswegs alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Zu der Frage, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung führe, hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden können.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des SG Darmstadt vom 7. August 2001 und des Hessischen LSG vom 7. März 2003 sowie den Bescheid vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK nach Nr 4103 und 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der bei ihm vorliegenden Pleuraasbestose und des Bronchialkarzinoms als BK, wie SG und LSG zutreffend entschieden haben.
Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil die als BK geltend gemachte Erkrankung vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes; § 212 SGB VII). Gleichermaßen sind die Bestimmungen der bis zum 30. November 1997 geltenden BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) maßgebend.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog Listenkrankheiten vor. Der Versicherungsfall der BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 1 RVO iVm der betreffenden Nummer der Anlage 1 zur BKVO erfüllt sind (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35; Koch in Schulin HS-UV § 35 RdNr 19 ff; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 7 RdNr 9).
Für die hier als BK geltend gemachte Erkrankung des Klägers kommen allein Nr 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) und Nr 4104 mit seiner 2. Alternative (Lungenkrebs in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura) der Anlage 1 zur BKVO in Betracht. Nach den Feststellungen des LSG leidet der Kläger sowohl an einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura (Pleuraasbestose) als auch an Lungenkrebs (Bronchialkarzinom des rechten Oberlappens). Damit liegen zwar Erkrankungen im Sinne beider BK-Tatbestände vor. Nicht nachgewiesen ist aber das Vorliegen der sog arbeitstechnischen Voraussetzungen, dh der berufsbedingten Einwirkung von Asbeststaub auf den Körper des Klägers. Ebenso wie die Erkrankung selbst müssen auch die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl Brackmann/Krasney, SGB VII, § 9 RdNr 22 und 23 mwN).
Das LSG ist aufgrund seiner Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten eine körperschädigende, mit einer versicherten Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang stehende Einwirkung durch Asbeststaub auf den Kläger nicht nachgewiesen ist. Die dagegen erhobenen Angriffe der Revision greifen nicht durch.
Die Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das Tatsachengericht die der freien Beweiswürdigung gezogenen Grenzen eingehalten, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Eine Nichtbeachtung von Erfahrungssätzen behauptet der Kläger, indem er geltend macht, bei einer mehrjährigen Tätigkeit in Betrieben des Baugewerbes müsse auch ohne konkrete Feststellungen zu Art und Umfang der Asbestexposition am jeweiligen Arbeitsplatz aufgrund der früher weiten Verbreitung dieses Baustoffs von einer gesundheitsschädlichen Einwirkung ausgegangen werden. Er rügt damit sinngemäß, das Berufungsgericht hätte nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises die Schadstoffbelastung als erwiesen ansehen müssen und konkrete Feststellungen zu einzelnen Arbeitsverrichtungen sowie zu Intensität und Dauer des Umgangs mit asbesthaltigen Materialien nicht verlangen dürfen. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die es bei typischen Geschehensabläufen ermöglicht, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (siehe dazu: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 128 RdNr 9 ff mwN; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es gibt indessen ersichtlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Arbeitnehmer in der Baubranche unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit und der Beschaffenheit ihres Arbeitsplatzes regelmäßig einer gesundheitsschädigenden Einwirkung von Asbeststäuben ausgesetzt sind oder waren. Ein typischer Geschehensablauf - wie etwa der in der 3. Alternative der BK Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO normierte Tatbestand - ist deshalb hier gerade nicht nachgewiesen, so dass der Argumentation des Klägers schon im Ansatz nicht gefolgt werden kann.
Auch für die Annahme eines Beweisnotstands und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen ist hier kein Raum. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; 24, 25, 28 f = SozR Nr 75 zu § 128 SGG). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein können (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 = HV-Info 1990, 2064). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - aaO -) oder beim Tod eines Seemanns auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO) anerkannt. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen sind nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, ohnehin im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Allgemeingültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würden dagegen dem in § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen (BSG Beschluss vom 18. Juli 1990 - 2 BU 37/90 - HV-INFO 1990, 1941). Schwierigkeiten bei der Aufklärung viele Jahre zurückliegender Sachverhalte gerade im Hinblick auf Einzelheiten von Arbeitsvorgängen wie im vorliegenden Fall treten generell auf und können nicht zu einer regelmäßigen Annahme des Beweisnotstandes führen.
Soweit der Kläger vorbringt, er sei hauptsächlich in dem Zeitraum von 1973 bis 1975 täglich einer intensiven Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei er insbesondere durch die Arbeit anderer Personen entstandenen Asbeststaub eingeatmet habe, beinhaltet das lediglich eine von den Feststellungen des LSG abweichende Sachverhaltsdarstellung, bezeichnet aber keine zulässige Verfahrensrüge. Da das SG und ihm folgend das LSG im Übrigen eine Asbestexposition schlechthin nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für feststellbar erachtet haben, geht der Vortrag des Klägers, die Feststellung, in welchem Umfang genau er bei den asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei, sei unmöglich, ins Leere. Dass der Nachweis einer Exposition gegenüber Asbeststaub generell unmöglich sei, behauptet er selbst nicht. Dasselbe gilt für seinen Einwand, er könne mangels eigener Fachkenntnisse die Asbesteinwirkung auf den einzelnen Arbeitsplätzen nicht angeben. Für die Beschreibung der einzelnen Arbeitsplätze sind Kenntnisse nicht erforderlich; die Unfallversicherungsträger und die Gerichte sind im Verfahren aufgrund des für beide geltenden Amtsermittlungsprinzips verpflichtet, sich - wie hier auch durch Einschaltung der für die einzelnen Unternehmen zuständigen Technischen Aufsichtsdienste geschehen - bei der Untersuchung einer einschlägigen Gefährdung sachkundiger Hilfe zu bedienen.
Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG durch das Berufungsgericht wegen der Unterlassung eigener Ermittlungen hinsichtlich der Asbestexposition hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß gerügt. Zur Freiheit der Beweiswürdigung gehört auch die Entscheidung über den Umfang und die Art der Ermittlungen. Eine verfahrensrechtliche Pflicht zu weiteren Ermittlungen besteht nur dann, wenn sich dem Tatsachengericht solche auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung aufdrängen mussten (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nicht hinreichend dargetan. Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bei der Arbeitsanamnese "sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere hinsichtlich alter Produktionsmethoden, Betriebsverhältnisse, Baustellen, durch Befragung der Kollegen, durch Ermittlungen bei Innungen, Betriebsrat, etc., durch Befragung anderer fachlich zuständiger Berufsgenossenschaften, des BIA, der BK-Dokumentation beim HVBG, durch die Auswertung von anderen BK-Altfällen oder Vergleichsarbeitsplätzen". Damit wird kein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bezeichnet. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Rüge zugleich das Unterlassen entsprechender Ermittlungen durch das LSG erfassen soll, mangelt es an der Darlegung, welche Ermittlungen genau im vorliegenden Fall und nicht nur allgemein für notwendig gehalten werden und inwiefern sich dies aufdrängen musste. Da der Kläger nach dem Bericht des BK-Sonderbeauftragten der Beklagten sehr eingehend nach seinen verschiedenen Tätigkeiten und deren Asbestgefährdung befragt worden war, die Beklagte Auskünfte aller noch erreichbaren früheren Arbeitgeber eingeholt und die Technischen Aufsichtsdienste aller für die Unternehmen zuständigen Berufsgenossenschaften eingeschaltet hatte, wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen darzulegen, welche Fragen zu welcher Tätigkeit noch offen geblieben sind und durch welche der genannten Beweismittel diese aufzuklären gewesen wären. Dies hat der Kläger versäumt.
Bei Unaufklärbarkeit eines Umstands fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründet, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen Stoffe wurzelt; in beiden Fällen muss der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 1 mwN). Da der Kläger sich auf das Vorliegen der für den von ihm geltend gemachten Anspruch erforderlichen berufsbedingten körperschädigenden Einwirkungen durch Asbeststaub beruft, muss er die Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
§ 9 Abs 3 SGB VII, dessen Verletzung durch das LSG der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, bezieht sich nicht auf den Nachweis der schädigenden Einwirkung, sondern lediglich auf den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung; die Vermutung erfasst nicht die Tatsache, dass berufsbedingte Einwirkungen im Einzelfall stattgefunden haben (vgl Ricke in KassKomm, § 9 SGB VII RdNr 28; Kater/Leube, SGB VII, § 9 RdNr 15). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen sind daher im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Es kann mithin auch offen bleiben, ob diese Rechtsnorm tatsächlich eine Verfahrensvorschrift iS des § 214 Abs 4 SGB VII und deshalb auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 anzuwenden ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 1997 - L 7 U 18/97 = HVBG-Info 1998, 524). Schließlich ist auch nicht zu entscheiden, ob das LSG gemäß § 103 SGG verpflichtet war, ein Sachverständigengutachten über die Frage einzuholen, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung führt, da sich diese Rüge auf die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII bezieht, die hier nicht in Betracht kommt.
Bei dieser Sachlage ist es für das Bestehen eines Anspruchs des Klägers aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung und damit für die Entscheidung unerheblich, ob er bei seiner Tätigkeit auf der Werft in Split im ehemaligen Jugoslawien bzw dem heutigen Kroatien einer körperschädigenden Asbesteinwirkung ausgesetzt war. Nach Art 21 Abs 1 Satz 1 des am 1. Dezember 1998 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 24. November 1997 (BGBl II 1998, 2034) - Abk Kroatien SozSich - berücksichtigt der Träger eines Vertragsstaats für den Leistungsanspruch aufgrund einer BK auch Beschäftigungen, die bei Anwendung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats ausgeübt wurden und ihrer Art nach geeignet waren, diese Krankheit zu verursachen. Dass damit die Leistungspflicht eines deutschen Sozialversicherungsträgers nicht begründet wird, wenn für die Entstehung einer BK ausschließlich Arbeiten in Jugoslawien, während der ein Versicherungsschutz nach deutschen Gesetzen nicht bestand, in Betracht kommen, hat der Senat bereits für die Rechtslage nach dem hiermit inhaltlich übereinstimmenden Art 20 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (BGBl II 1969, 1438) entschieden (BSG Beschluss vom 5. Februar 1980 - 2 BU 27/79 = HVGBG RdSchr VB 62/80). Da hier eine Beschäftigung mit Asbestexposition in Deutschland nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad nachweisbar ist, kämen auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG für die Entstehung der geltend gemachten BKen ausschließlich Arbeiten im ehemaligen Jugoslawien in Betracht, die danach einen Anspruch gegenüber dem deutschen Unfallversicherungsträger nicht begründen können. Dies ergibt sich bei Anwendung beider Abkommen; es kann daher offen bleiben, welches Abkommen angesichts der möglicherweise asbestexponierten Tätigkeit in Split bis zum Jahre 1972 und des möglichen Eintritts des Versicherungsfalls einer BK im Jahre 1995 hier Anwendung findet (s dazu Art 40 Abs 1 und 2 Abk Kroatien SozSich).
Danach war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Pleuraasbestose und eines Bronchialkarzinoms als Berufskrankheit (BK).
Der aus dem früheren Jugoslawien stammende Kläger war einige Jahre bei einer Werft in Split als Schlosser und Werftarbeiter tätig. Seit 1972 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland bei verschiedenen Arbeitgebern ua als Lüftungsmonteur, Bauhelfer und Kraftfahrer. Nachdem bei ihm ein Bronchialkarzinom mit ausgedehnten Pleuraplaques diagnostiziert worden war, wurde der Beklagten im Juni 1995 das Vorliegen einer BK angezeigt. Die Beklagte lehnte die Anerkennung (Pleuraasbestose) der Erkrankung als BK nach Nr 4103 und 4104 (Lungenkrebs in Verbindung mit Pleuraasbestose) ab, weil die Lungenerkrankung des Klägers in keinem Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stehe (Bescheid vom 24. Juni 1997). Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1998).
Das Sozialgericht (SG) Darmstadt hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. August 2001). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 7. März 2003). Die Voraussetzungen der als Verfahrensvorschrift auch für Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Siebtes Buch - (SGB VII) anzuwendenden Vermutungsregelung des § 9 Abs 3 SGB VII seien nicht zu Gunsten des Klägers erfüllt, da er angegeben habe, seine Tätigkeit als Werftarbeiter in Jugoslawien sei am ehesten als ursächlich für die Pleuraasbestose anzusehen. Auch habe ein Asbestkontakt bei keiner der vielen Tätigkeiten des Klägers nachgewiesen werden können. Da die gesetzliche Vermutung nicht greife, müssten sowohl die versicherte Tätigkeit als auch die körperschädigende Einwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Das sei nicht der Fall. Vielmehr sei nach Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten offen geblieben, in welchem Umfang der Kläger an den einzelnen Arbeitsstellen überhaupt einer Asbesteinwirkung ausgesetzt gewesen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 9 Abs 3 SGB VII. Das LSG habe zu Unrecht keinen Raum für die Vermutung des § 9 Abs 3 SGB VII gesehen. Er sei in der Zeit von 1973 bis 1975 bei verschiedenen Arbeitgebern als Bauarbeiter und im Klima- und Lüftungsbau täglich einer intensiven Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei es nicht darauf ankomme, ob er selbst asbesthaltige Materialien verarbeitet habe, da er im Bereich der Baustellen und insbesondere in geschlossenen Räumen erhebliche Mengen von durch die Verwendung asbesthaltigen Materials durch andere entstandenen Asbeststaub eingeatmet habe. Ausgeschlossen werden könne eine entsprechende Einwirkung auch während seiner anschließenden 10-jährigen Tätigkeit bei der Fa. O. nicht. Von September 1985 bis August 1986 und im April 1992 sei er als Fahrer beim Transport von Baumaterial und -schutt mit asbesthaltigem Material in Kontakt gekommen, denn in seiner unmittelbaren Umgebung seien asbesthaltige Materialien verarbeitet worden.
Eine weitergehende Aufklärung sei entgegen der Auffassung der Instanzgerichte nicht notwendig. Es sei gar nicht möglich, festzustellen, in welchem Umfang genau er bei den asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei. Wenn das LSG hierfür den Vollbeweis verlange, lege es überzogene Anforderungen zugrunde. Da er keine toxikologischen Kenntnisse habe und die Gefährlichkeit von Asbest damals nicht bekannt gewesen sei, sei es ihm weder zumutbar noch möglich, für jeden Arbeitsplatz die tägliche Asbesteinwirkung anzugeben. Seine Erklärung, mehrere Jahre im Baustellenbereich tätig gewesen zu sein, müsse ausreichen, da bis vor etwa 20 bis 30 Jahren bekanntlich häufig Asbest in Baumaterialien verarbeitet worden sei und sowohl der Beklagten als auch dem Gesetzgeber die besondere Gefährlichkeit dieses Stoffes bekannt sei. Die Vorinstanzen hätten im Übrigen keineswegs alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Zu der Frage, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung führe, hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden können.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des SG Darmstadt vom 7. August 2001 und des Hessischen LSG vom 7. März 2003 sowie den Bescheid vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK nach Nr 4103 und 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der bei ihm vorliegenden Pleuraasbestose und des Bronchialkarzinoms als BK, wie SG und LSG zutreffend entschieden haben.
Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil die als BK geltend gemachte Erkrankung vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes; § 212 SGB VII). Gleichermaßen sind die Bestimmungen der bis zum 30. November 1997 geltenden BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) maßgebend.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog Listenkrankheiten vor. Der Versicherungsfall der BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 551 Abs 1 RVO iVm der betreffenden Nummer der Anlage 1 zur BKVO erfüllt sind (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35; Koch in Schulin HS-UV § 35 RdNr 19 ff; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 7 RdNr 9).
Für die hier als BK geltend gemachte Erkrankung des Klägers kommen allein Nr 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) und Nr 4104 mit seiner 2. Alternative (Lungenkrebs in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura) der Anlage 1 zur BKVO in Betracht. Nach den Feststellungen des LSG leidet der Kläger sowohl an einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura (Pleuraasbestose) als auch an Lungenkrebs (Bronchialkarzinom des rechten Oberlappens). Damit liegen zwar Erkrankungen im Sinne beider BK-Tatbestände vor. Nicht nachgewiesen ist aber das Vorliegen der sog arbeitstechnischen Voraussetzungen, dh der berufsbedingten Einwirkung von Asbeststaub auf den Körper des Klägers. Ebenso wie die Erkrankung selbst müssen auch die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl Brackmann/Krasney, SGB VII, § 9 RdNr 22 und 23 mwN).
Das LSG ist aufgrund seiner Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten eine körperschädigende, mit einer versicherten Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang stehende Einwirkung durch Asbeststaub auf den Kläger nicht nachgewiesen ist. Die dagegen erhobenen Angriffe der Revision greifen nicht durch.
Die Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das Tatsachengericht die der freien Beweiswürdigung gezogenen Grenzen eingehalten, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Eine Nichtbeachtung von Erfahrungssätzen behauptet der Kläger, indem er geltend macht, bei einer mehrjährigen Tätigkeit in Betrieben des Baugewerbes müsse auch ohne konkrete Feststellungen zu Art und Umfang der Asbestexposition am jeweiligen Arbeitsplatz aufgrund der früher weiten Verbreitung dieses Baustoffs von einer gesundheitsschädlichen Einwirkung ausgegangen werden. Er rügt damit sinngemäß, das Berufungsgericht hätte nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises die Schadstoffbelastung als erwiesen ansehen müssen und konkrete Feststellungen zu einzelnen Arbeitsverrichtungen sowie zu Intensität und Dauer des Umgangs mit asbesthaltigen Materialien nicht verlangen dürfen. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die es bei typischen Geschehensabläufen ermöglicht, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (siehe dazu: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 128 RdNr 9 ff mwN; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es gibt indessen ersichtlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Arbeitnehmer in der Baubranche unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit und der Beschaffenheit ihres Arbeitsplatzes regelmäßig einer gesundheitsschädigenden Einwirkung von Asbeststäuben ausgesetzt sind oder waren. Ein typischer Geschehensablauf - wie etwa der in der 3. Alternative der BK Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO normierte Tatbestand - ist deshalb hier gerade nicht nachgewiesen, so dass der Argumentation des Klägers schon im Ansatz nicht gefolgt werden kann.
Auch für die Annahme eines Beweisnotstands und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen ist hier kein Raum. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; 24, 25, 28 f = SozR Nr 75 zu § 128 SGG). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein können (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 = HV-Info 1990, 2064). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - aaO -) oder beim Tod eines Seemanns auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO) anerkannt. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen sind nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, ohnehin im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Allgemeingültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würden dagegen dem in § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen (BSG Beschluss vom 18. Juli 1990 - 2 BU 37/90 - HV-INFO 1990, 1941). Schwierigkeiten bei der Aufklärung viele Jahre zurückliegender Sachverhalte gerade im Hinblick auf Einzelheiten von Arbeitsvorgängen wie im vorliegenden Fall treten generell auf und können nicht zu einer regelmäßigen Annahme des Beweisnotstandes führen.
Soweit der Kläger vorbringt, er sei hauptsächlich in dem Zeitraum von 1973 bis 1975 täglich einer intensiven Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei er insbesondere durch die Arbeit anderer Personen entstandenen Asbeststaub eingeatmet habe, beinhaltet das lediglich eine von den Feststellungen des LSG abweichende Sachverhaltsdarstellung, bezeichnet aber keine zulässige Verfahrensrüge. Da das SG und ihm folgend das LSG im Übrigen eine Asbestexposition schlechthin nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für feststellbar erachtet haben, geht der Vortrag des Klägers, die Feststellung, in welchem Umfang genau er bei den asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei, sei unmöglich, ins Leere. Dass der Nachweis einer Exposition gegenüber Asbeststaub generell unmöglich sei, behauptet er selbst nicht. Dasselbe gilt für seinen Einwand, er könne mangels eigener Fachkenntnisse die Asbesteinwirkung auf den einzelnen Arbeitsplätzen nicht angeben. Für die Beschreibung der einzelnen Arbeitsplätze sind Kenntnisse nicht erforderlich; die Unfallversicherungsträger und die Gerichte sind im Verfahren aufgrund des für beide geltenden Amtsermittlungsprinzips verpflichtet, sich - wie hier auch durch Einschaltung der für die einzelnen Unternehmen zuständigen Technischen Aufsichtsdienste geschehen - bei der Untersuchung einer einschlägigen Gefährdung sachkundiger Hilfe zu bedienen.
Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG durch das Berufungsgericht wegen der Unterlassung eigener Ermittlungen hinsichtlich der Asbestexposition hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß gerügt. Zur Freiheit der Beweiswürdigung gehört auch die Entscheidung über den Umfang und die Art der Ermittlungen. Eine verfahrensrechtliche Pflicht zu weiteren Ermittlungen besteht nur dann, wenn sich dem Tatsachengericht solche auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung aufdrängen mussten (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nicht hinreichend dargetan. Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, bei der Arbeitsanamnese "sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere hinsichtlich alter Produktionsmethoden, Betriebsverhältnisse, Baustellen, durch Befragung der Kollegen, durch Ermittlungen bei Innungen, Betriebsrat, etc., durch Befragung anderer fachlich zuständiger Berufsgenossenschaften, des BIA, der BK-Dokumentation beim HVBG, durch die Auswertung von anderen BK-Altfällen oder Vergleichsarbeitsplätzen". Damit wird kein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bezeichnet. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Rüge zugleich das Unterlassen entsprechender Ermittlungen durch das LSG erfassen soll, mangelt es an der Darlegung, welche Ermittlungen genau im vorliegenden Fall und nicht nur allgemein für notwendig gehalten werden und inwiefern sich dies aufdrängen musste. Da der Kläger nach dem Bericht des BK-Sonderbeauftragten der Beklagten sehr eingehend nach seinen verschiedenen Tätigkeiten und deren Asbestgefährdung befragt worden war, die Beklagte Auskünfte aller noch erreichbaren früheren Arbeitgeber eingeholt und die Technischen Aufsichtsdienste aller für die Unternehmen zuständigen Berufsgenossenschaften eingeschaltet hatte, wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen darzulegen, welche Fragen zu welcher Tätigkeit noch offen geblieben sind und durch welche der genannten Beweismittel diese aufzuklären gewesen wären. Dies hat der Kläger versäumt.
Bei Unaufklärbarkeit eines Umstands fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründet, ob die Unmöglichkeit des Nachweises in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen Stoffe wurzelt; in beiden Fällen muss der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 1 mwN). Da der Kläger sich auf das Vorliegen der für den von ihm geltend gemachten Anspruch erforderlichen berufsbedingten körperschädigenden Einwirkungen durch Asbeststaub beruft, muss er die Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
§ 9 Abs 3 SGB VII, dessen Verletzung durch das LSG der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, bezieht sich nicht auf den Nachweis der schädigenden Einwirkung, sondern lediglich auf den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung; die Vermutung erfasst nicht die Tatsache, dass berufsbedingte Einwirkungen im Einzelfall stattgefunden haben (vgl Ricke in KassKomm, § 9 SGB VII RdNr 28; Kater/Leube, SGB VII, § 9 RdNr 15). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen sind daher im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Es kann mithin auch offen bleiben, ob diese Rechtsnorm tatsächlich eine Verfahrensvorschrift iS des § 214 Abs 4 SGB VII und deshalb auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 anzuwenden ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 1997 - L 7 U 18/97 = HVBG-Info 1998, 524). Schließlich ist auch nicht zu entscheiden, ob das LSG gemäß § 103 SGG verpflichtet war, ein Sachverständigengutachten über die Frage einzuholen, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung führt, da sich diese Rüge auf die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII bezieht, die hier nicht in Betracht kommt.
Bei dieser Sachlage ist es für das Bestehen eines Anspruchs des Klägers aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung und damit für die Entscheidung unerheblich, ob er bei seiner Tätigkeit auf der Werft in Split im ehemaligen Jugoslawien bzw dem heutigen Kroatien einer körperschädigenden Asbesteinwirkung ausgesetzt war. Nach Art 21 Abs 1 Satz 1 des am 1. Dezember 1998 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien vom 24. November 1997 (BGBl II 1998, 2034) - Abk Kroatien SozSich - berücksichtigt der Träger eines Vertragsstaats für den Leistungsanspruch aufgrund einer BK auch Beschäftigungen, die bei Anwendung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats ausgeübt wurden und ihrer Art nach geeignet waren, diese Krankheit zu verursachen. Dass damit die Leistungspflicht eines deutschen Sozialversicherungsträgers nicht begründet wird, wenn für die Entstehung einer BK ausschließlich Arbeiten in Jugoslawien, während der ein Versicherungsschutz nach deutschen Gesetzen nicht bestand, in Betracht kommen, hat der Senat bereits für die Rechtslage nach dem hiermit inhaltlich übereinstimmenden Art 20 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (BGBl II 1969, 1438) entschieden (BSG Beschluss vom 5. Februar 1980 - 2 BU 27/79 = HVGBG RdSchr VB 62/80). Da hier eine Beschäftigung mit Asbestexposition in Deutschland nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad nachweisbar ist, kämen auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG für die Entstehung der geltend gemachten BKen ausschließlich Arbeiten im ehemaligen Jugoslawien in Betracht, die danach einen Anspruch gegenüber dem deutschen Unfallversicherungsträger nicht begründen können. Dies ergibt sich bei Anwendung beider Abkommen; es kann daher offen bleiben, welches Abkommen angesichts der möglicherweise asbestexponierten Tätigkeit in Split bis zum Jahre 1972 und des möglichen Eintritts des Versicherungsfalls einer BK im Jahre 1995 hier Anwendung findet (s dazu Art 40 Abs 1 und 2 Abk Kroatien SozSich).
Danach war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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