B 1 KR 19/03 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 17/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 34/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 19/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Bemessung des Krankengeldes ist auch zunächst vorenthaltenes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen das dem Versicherten für den maßgeblichen Bemessungszeitraum bei Annahmeverzug des Arbeitgebers zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossen ist (Anschluss an BSG vom 28.6.1995 - 7 RAr 102/94 = BSGE 76 162 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 und BSG vom 21.3.1996 - 11 RAr 101/94 = BSGE 78 109 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48).
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landesssozialgerichts für das Land Brandenburg vom 3. April 2002 und des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. September 2000 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 19. Juni 1997, 1. Juli 1997 und 25. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1998 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Krankengeld für den Zeitraum vom 26. Januar 1996 bis zum 31. Oktober 1996 unter Berücksichtigung der Entgeltnachzahlung der Firma P. GmbH i.L. für den Monat November 1995 zu gewähren. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge in Höhe von 9/10 zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Berechnung von Krankengeld (Krg).

Der 1942 geborene Kläger war zunächst bei der Firma P. GmbH (im Folgenden: GmbH) beschäftigt. Diese stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 30. September 1993 ein und kündigte dem Kläger zu diesem Zeitpunkt. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Während des Kündigungsschutzprozesses war er jeweils befristet von Dezember 1993 bis Dezember 1994 und von Januar 1995 bis Dezember 1995 bei anderen Arbeitgebern mit deutlich niedrigerem Entgelt als zuvor beschäftigt. Ab dem 15. Dezember 1995 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Die Beklagte gewährte ihm ab 1. Januar 1996 Krg in Höhe von brutto 85,62 DM täglich; dabei legte sie der Berechnung des Krg das vom letzten Arbeitgeber für November 1995 abgerechnete Arbeitsentgelt in Höhe von 3.211,01 DM (brutto) zu Grunde. Als durch ein im Oktober 1996 rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der GmbH nicht durch die Kündigung vom Juni 1993 beendet worden war, kündigte der Liquidator der GmbH das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 31. Mai 1997 erneut und zahlte ihm Anfang 1997 für die Zeit ab Oktober 1993 das geschuldete Arbeitsentgelt unter Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes nach. Für November 1995 betrug das Arbeitsentgelt brutto 4.425 DM; unter Anrechnung des anderweitigen Verdienstes zahlte die GmbH für diesen Monat laufend zu zahlendes Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 1.214,27 DM nach. Für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 25. Januar 1996 (Ende des Entgeltfortzahlungszeitraumes) erhielt der Kläger das Arbeitsentgelt anrechungsfrei nachgezahlt.

Im Mai 1997 beantragte der Kläger, sein Krg für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 1996 (= Beginn zwischenzeitlich beantragter und bewilligter Rentenleistungen) neu zu berechnen und dabei die auf den Monat November 1995 entfallende Nachzahlung der GmbH mit einzubeziehen. Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung des Krg ab. Zwar habe mit der GmbH über den 30. September 1993 hinaus ein Arbeitsverhältnis bestanden, jedoch habe dieses Beschäftigungsverhältnis auf Grund der anderweitigen Beschäftigung ab 1. Dezember 1993 geendet, sodass auch ein Leistungsbezug aus dem erst später nachgezahlten Arbeitsentgelt entfalle. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. September 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Für den Anspruch auf Krg sei nur das aus der letzten Beschäftigung vor dem 15. Dezember 1995 erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich. Die Nachzahlungen der GmbH seien ohne Bedeutung. Der Kläger habe seinen Arbeitgeber mit der Kündigungsschutzklage zwar in Annahmeverzug gesetzt. Tatsächlich habe er aber in einer anderen Beschäftigung gearbeitet, sodass er auch innerhalb des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bei der GmbH nicht als "fiktiv beschäftigt" angesehen werden könne. Die Rechtsprechung der Arbeitsförderungssenate des Bundessozialgerichts (BSG), wonach infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Entgeltansprüche zB beim Arbeitslosengeld (Alg) zu berücksichtigen seien, sei auf das Krg nicht übertragbar (Urteil vom 3. April 2002).

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, die auf den Monat November 1995 entfallende Nachzahlung der GmbH in die Krg-Berechnung einzubeziehen. Er rügt die Verletzung der §§ 44, 47 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Rechtsprechung der für die Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG, das erst nach Ausscheiden aus einer Beschäftigung zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossene Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, sei auf das Recht der Krankenversicherung zu übertragen. Nur so könne der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geforderten Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung und damit dem Gleichheitssatz Genüge getan werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 3. April 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. September 2000 werden aufgehoben.

2. die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 19. Juni 1997, 1. Juli 1997 und 25. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1998 verurteilt, dem Kläger unter Berücksichtigung der Entgeltnachzahlungen der Fa. P. GmbH i.L. ein höheres Krankengeld für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Oktober 1996 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind nach § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben, soweit sie für die Zeit vom 26. Januar 1996 bis 31. Oktober 1996 der Bemessung des Krg ein regelmäßiges Arbeitsentgelt von lediglich 3.211 DM statt 4.425 DM zugrundelegen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht dem Kläger nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes auf Grund der Entgeltnachzahlung aus seinem früheren Arbeitsverhältnis bei der GmbH ein Anspruch auf höheres Krg für den genannten Zeitraum zu. Soweit der Kläger höheres Krg bereits ab 1. Januar 1996 sowie die Berücksichtigung von Urlaubsgeld begehrt, ist die Revision zurückzuweisen.

1. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ua dann mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, bei der Berechnung des Krg für die Zeit vom 26. Januar 1996 bis 31. Oktober 1996 das für November 1995 nachgezahlte Arbeitsentgelt als Regelentgelt zu berücksichtigen.

2. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass dem Kläger vom 1. Januar 1996 bis 31. Oktober 1996 Krg zumindest in Höhe von 85,62 DM täglich nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V zusteht. Die Voraussetzungen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahr 1995, einer ärztlich festgestellten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ab Dezember 1995 sowie eines im maßgeblichen Bemessungszeitraum (hier: November 1995) tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Höhe von 3.211,01 DM sind erfüllt. In Höhe dieses "Mindestzahlbetrages" ist die Krg-Bewilligung der Beklagten bindend geworden.

3. Der Berechnung des Krg ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur das vom letzten Arbeitgeber für den Monat November 1995 gezahlte und abgerechnete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen (hier: 3.211,01 DM), sondern auch die auf diesen Monat entfallende Nachzahlung des Arbeitsentgelts der GmbH in Höhe von 1.214,27 DM. Hierbei handelt es sich um Arbeitsentgelt, das im maßgeblichen Bemessungszeitraum (dazu 3 a) aus dem im November 1995 noch fortbestehenden Beschäftigungsverhältnis (dazu 3 b) iS von § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 und 3 SGB V als "erzielt" anzusehen ist (dazu 3 c).

a) Das Krg betrug im streitigen Zeitraum 80 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterlag (§ 47 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477; zur Verringerung des vH-Satzes seit 1. Januar 1997 von 80 vH auf 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts vgl Art 2 Nr 14 des Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 1. November 1996, BGBl I 1631). Maßgeblicher Bemessungszeitraum ist vorliegend der Monat November 1995, denn gemäß § 47 Abs 2 Satz 1 und 3 SGB V ist für die Krg-Berechnung auf den letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum abzustellen. Dies war hier bei Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1995 der Vormonat November.

b) Bei der auf November 1995 entfallenden Nachzahlung der GmbH handelt es sich um Arbeitsentgelt iS von § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 14 Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Was Arbeitsentgelt ist, ergibt sich aus § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Diese Definition beansprucht nach § 1 Abs 1 SGB IV Geltung auch für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch für § 47 SGB V. Nach § 14 Abs 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Bei der Nachzahlung der GmbH für den Monat November 1995 handelt es sich um Einnahmen des Klägers aus dem auch im November 1995 noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis bei diesem Arbeitgeber. Durch die zum 30. September 1993 ausgesprochene unwirksame Arbeitgeberkündigung wurde weder das Arbeitsverhältnis noch das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der GmbH beendet. Vielmehr befand sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug und war nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, da die Kündigungsschutzklage erfolgreich war.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG wird durch die unwirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses das (entgeltliche) Beschäftigungsverhältnis nicht beendet, solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Weiterzahlung des Entgelts besteht. Das Beschäftigungsverhältnis dauert deshalb bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses fort, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft in dieser Zeit zur Verfügung stellt, der Arbeitgeber sie aber nicht annimmt (§ 615 BGB; vgl BSGE 52, 152, 155 f = SozR 2100 § 25 Nr 3 = SozR 2200 § 405 Nr 10; BSGE 59, 183, 185 ff = SozR 4100 § 168 Nr 19; BSG SozR 2400 § 2 Nr 25 S 42; BSG, Urteil vom 21. Februar 1990 - 12 RK 65/87 -, USK 9016; BSG, Urteil vom 3. Juni 2004 - B 11 AL 70/03 R = SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16). Während im laufenden Arbeitsverhältnis gemäß § 294 BGB grundsätzlich ein tatsächliches Arbeitsangebot erforderlich ist, um den Arbeitgeber in Annahmeverzug zu setzen, reicht gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot aus, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen. Ein konkludent erklärtes Angebot des Arbeitnehmers, die Arbeit fortsetzen zu wollen, wird regelmäßig auch in der Erhebung der Kündigungsschutzklage gesehen (vgl Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. April 1990, 2 AZR 591/89, BAGE 65, 98, 104 = AP Nr 45 zu § 615 BGB; Griese in Küttner, Personalbuch 11. Aufl. 2004, Annahmeverzug RdNr 5 mwN). Diese Voraussetzungen des Annahmeverzuges sind hier erfüllt, da der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben hatte und damit erfolgreich war. Eine Beendigung des Annahmeverzuges trat daher vor dem 31. Mai 1997 nicht dadurch ein, dass die GmbH ihren Geschäftsbetrieb zum 30. September 1993 eingestellt hatte.

Die Aufnahme von zwei jeweils befristeten Beschäftigungsverhältnissen während des Kündigungsschutzprozesses führte nicht zur Beendigung des Annahmeverzuges des Arbeitgebers (GmbH). Denn durch diese Arbeitsaufnahme kam der Kläger lediglich seiner sich aus § 615 Satz 2 BGB ergebenden Obliegenheit zu einem anderweitigen Erwerb nach. Ein Lösungswille des Klägers bezüglich seines Arbeitsverhältnisses bei der GmbH ist nicht erkennbar.

c) Der Kläger hat das nachgezahlte Arbeitsentgelt auch "erzielt". Er hat das Entgelt, wenn auch verspätet, von seinem Arbeitgeber tatsächlich erhalten. Bei der Nachzahlung für den Monat November 1995 handelt es sich zudem um regelmäßiges Arbeitsentgelt, das im Sinne von § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 und 3 SGB V als im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielt anzusehen ist. Denn bei der Bemessung des Krg ist auch zunächst rechtswidrig vorenthaltenes und dann nachgezahltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das dem Versicherten nach Ablauf des maßgeblichen Bemessungszeitraumes zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossen ist.

Die Rechtsprechung hat bisher für die Berechnung des Krg auf einen im Bemessungszeitraum erarbeiteten und tatsächlich zugeflossenen Regellohn abgestellt. Die einschlägigen Entscheidungen sind im Wesentlichen zu dem wie Krg zu berechnenden Übergangsgeld (Übg) ergangen. Als entscheidend wurde angesehen, dass der Versicherte in die Verfügungsgewalt des Arbeitsentgelts gelangt sein musste, so dass er darüber bestimmen konnte (vgl zum Übg: BSGE 52, 102, 105 f = SozR 2200 § 182 Nr 75 S 138 f: Berücksichtigung jährlich wiederkehrender Zuwendungen nur, wenn sie im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen sind; ähnlich zu einer Urlaubsabgeltung BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 16 S 74 f, wo erwogen wird, ob das Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen ausreichen könnte; ferner BSGE 46, 203, 206 ff = SozR 2200 § 1241 Nr 9 S 25 f: keine Berücksichtigung einer rückwirkenden, tatsächlich zugeflossenen Lohnerhöhung). Die Frage, ob im Bemessungszeitraum falsch ermitteltes Arbeitsentgelt bei der Bemessung zu berücksichtigen ist, hat das BSG für den Bereich der Krankenversicherung ausdrücklich offen gelassen (BSGE 53, 58, 62 = SozR 2200 § 182 Nr 79: Nicht ausgezahlte Nachtschicht- und Erschwerniszulagen). Diese Rechtsprechung beruhte maßgeblich auf der Erwägung, dass nur die tatsächliche Verfügungsbefugnis über das Arbeitsentgelt den Lebensstandard des Versicherten faktisch bestimmen konnte, der mit der Entgeltersatzleistung Krg bzw Übg aufrechterhalten werden soll (vgl BSGE 46, 203, 206 f = SozR 2200 § 1241 Nr 9 S 25 f; BSGE 52, 102, 105 f = SozR 2200 § 182 Nr 75 S 138 f).

Die für das Recht der Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG haben bei der Berechung des Alg und dem wie Alg berechneten Unterhaltsgeld (Uhg) zunächst in vergleichbarer Weise argumentiert. Auch sie haben als bei der Berechung des Alg berücksichtigungsfähiges "erzieltes" Arbeitsentgelt nur insoweit angenommen, als dieses dem Arbeitnehmer im maßgeblichen Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen war, sodass er darüber verfügen konnte (vgl Urteil vom 14. August 1980 - 7 RAr 103/79 - USK 80169; SozR 4100 § 112 Nr 30 S 144; BSGE 64, 179, 181 f = SozR 4100 § 112 Nr 43 S 204 f: wegen Konkurses nicht ausgezahltes Arbeitsentgelt; BSG, Urteil vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 2/92, NZA 1993, 621 f: rechtskräftige Verurteilung des Arbeitgebers zu einer Lohnnachzahlung). Die "AFG-Senate" haben ihre Rechtsprechung allerdings unter dem Eindruck der Entscheidung des BVerfG zu den so genannten Einmalzahlungen vom 11. Januar 1995 (vgl BVerfGE 92, 53 ff = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) jedoch insoweit aufgegeben, als sie nunmehr bei der Bemessung von Uhg bzw von Alg auch Arbeitsentgelt berücksichtigen, das erst nach Ausscheiden aus der Beschäftigung zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossen ist (vgl BSGE 76, 162, 164 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 22 S 91 f: Berücksichtigung vorenthaltenen Gehalts beim Uhg; BSGE 78, 109, 112 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 113: Berücksichtigung vorenthaltenen Gehalts beim Alg). Der Gesetzgeber hat diese Rechtssprechungsänderung im Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) aufgegriffen und der Sache nach in § 134 Abs 1 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch umgesetzt (vgl zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 13/4941 S 178 zu § 134 des Entwurfs). Zur Begründung haben die für das Recht der Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG ausgeführt, die dort einschlägige Regelung des (früheren) § 112 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz müsse im Lichte des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) dahin ausgelegt werden, dass als "erzielt" iS dieser Regelung auch diejenigen Teile des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen sind, die dem Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden infolge nachträglicher Vertragserfüllung für den Bemessungszeitraum zugeflossen sind. Denn Versicherte, denen Teile des Arbeitsentgelts zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden seien, dürften bei der Bemessung der Entgeltersatzleistungen nicht schlechter stehen als diejenigen Leistungsempfänger, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt wurde. Wie das BVerfG zur Behandlung von Einmalzahlungen in der Arbeitslosenversicherung entschieden habe, verstießen Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn dafür ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich sei (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6). Das sei auch der Fall, wenn zwei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich nur deshalb unterschiedlich behandelt würden, weil bei der einen Gruppe Lohnteile verspätet, dh erst nach dem Ausscheiden, ausgezahlt wurden. Die nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlten Lohnbestandteile unterlägen in gleichem Umfang der Beitragspflicht wie der bis zum Ausscheiden gezahlte Lohn. Blieben derartige Nachzahlungen im Leistungsrecht unberücksichtigt, würden diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber sich objektiv vertragswidrig verhalte, bei gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt, deren Lohnanspruch korrekt abgerechnet und bis zum Ausscheiden ausgezahlt worden sei. Hierfür lasse sich, auch unter dem Aspekt der Verwaltungspraktikabilität und dem Gebot einer Leistungsberechnung nach möglichst einfachen Maßstäben, kein hinreichender sachlicher Grund anführen, zumal der Betroffene insoweit keinen unmittelbaren Einfluss auf die rechtzeitige und vollständige Auszahlung des geschuldeten Lohns nehmen könne. Auch die vom Gesetz bezweckte beschleunigte Feststellung des zu gewährenden Alg biete insoweit keinen hinreichenden sachlichen Grund; denn das Interesse an rascher Leistungsfeststellung bestehe bei Sozialleistungen allgemein (vgl BSGE 76, 162, 167 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 22, S 94; BSGE 78, 109, 112 f = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 113).

Die Rechts- und Interessenlage ist in der Krankenversicherung in Bezug auf das Krg nicht anders zu bewerten als bei den Entgeltersatzleistungen des Arbeitsförderungsrechts (im Ergebnis ebenso Kasseler Komm/Höfler § 47 SGB V RdNr 21, Stand März 2001; ähnlich Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 183). In beiden Fällen handelt es sich um idR zeitlich begrenzt gewährte und zeitnah an ein Beschäftigungsverhältnis anknüpfende Entgeltersatzleistungen. Die Berechnung richtet sich nach im Wesentlichen gleichen Faktoren und Kriterien (Bemessungszeitraum, Erzielung von Entgelt). Wegen der kurzen Laufzeiten sind die Leistungen zwar beschleunigt festzustellen und rasch auszuzahlen. Trotz dieser Praktikabilitätsgesichtspunkte muss jedoch auch dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass das Krg Entgeltersatzfunktion hat und aus dem zur nachträglichen Vertragserfüllung tatsächlich (nach-)gezahlten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt Beiträge zu entrichten sind. Diesen Beiträgen müssen im Regelfall auch entsprechende Leistungen gegenüberstehen. Der erkennende Senat schließt sich deshalb für die Berechnung des Krg sinngemäß der Rechtsprechung der für das Recht der Arbeitsförderung zuständigen Senate des BSG (vgl BSGE 76, 162 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22; BSGE 78, 109 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48) an.

Der Kläger hat demgemäß ein Recht darauf, dass bei der Ermittlung der Höhe des ihm dem Grunde nach zustehenden Krg auch die auf den Kalendermonat November 1995 entfallende Nachzahlung laufenden Arbeitsentgelts bis zur Bemessungsgrenze berücksichtigt wird. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob dem Kläger zwei rechtlich gesondert zu beurteilende Krg-Ansprüche (je ein Anspruch aus der Beschäftigung bei der GmbH sowie ein Anspruch aus dem befristeten Beschäftigungsverhältnis im Jahr 1995) zustehen oder ob ihm nur ein um die Nachzahlung der GmbH erhöhter (einheitlicher) Anspruch aus der befristeten Beschäftigung zusteht. In beiden Fällen ist jedenfalls die Bemessungsgrundlage insgesamt gleich hoch und damit auch das hieraus zu ermittelnde Krg.

4. Soweit der Kläger demgegenüber die zusätzliche Berücksichtigung von Urlaubsgeld - eine Einmalzahlung - sowie höheres Krg auch für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 25. Januar 1996 begehrt, hat die Revision keinen Erfolg.

Bei der Berechnung des Krg können Einmalzahlungen nicht berücksichtigt werden, da § 47 Abs 2 Satz 1 SGB V in der hier anwendbaren Fassung auf das "um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt" abstellt. Dies hat das BVerfG zwar in der genannten "Einmalzahlungsentscheidung" vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) und erneut in der "zweiten Einmalzahlungsentscheidung" vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) beanstandet, dem Gesetzgeber aber eine Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage bis zum 30. Juni 2001 gesetzt. Diese Frist war im hier streitigen Zeitraum noch nicht abgelaufen.

Schließlich kann der Kläger auch für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 25. Januar 1996 eine Zahlung von Krg nicht verlangen. Denn nach § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V ruht der Anspruch auf Krg, soweit und solange der Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhält. Dies war hier im genannten Zeitraum der Fall, da die GmbH insoweit die Nachzahlung ohne Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes geleistet hat.

5. Bei der Kostenentscheidung hat der Senat den Anteil des Unterliegens des Klägers mit 1/10 bewertet (§ 193 Sozialgerichtsgesetz).
Rechtskraft
Aus
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