S 7 KR 204/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 204/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 13/05 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist der Umfang der Beitragserhebung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Der am 00.00.1954 geborene Kläger ist verheiratet und hat vier Kinder, die sich noch in der Ausbildung befinden. Beruflich absolvierte er eine Ausbildung zum Chemielaboranten und später seit 1979 als Werksfeuerwehrmnn tätig. Ab 1990 arbeitete er bei der Firma "C GmbH" als Leiter der Werksfeuerwehr. In diesem Zusammenhang wurde er Mitglied der Pensionskasse der Mitarbeiter der I Aktiengesellschaft (Q). Die Beiträge hierzu trug der Arbeitgeber alleine.

Nachdem sich der Kläger bei einem Unfall im privaten Bereich im Jahre 1994 eine Rückenverletzung zugezogen hatte, erhielt er seit Mitte der neunziger Jahre bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist gesundheitlich stark eingeschränkt. Vom Versorgungsamt wurde ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "aG" und "G" zuerkannt. Von Beginn des Rentenbezuges an lagen die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der KVdR vor. Zum 01.04.2002 wurde der Kläger Mitglied der Beklagten, deren allgemeiner satzungsmäßiger Beitragssatz sich ab dem 01.07.2002 auf 13,7 % belief und danach bisher nicht erhöht wurde. Neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die ab dem 01.07.2003, 1.472,83 EUR (brutto) betrug (vgl. Bl. 27 GA), erhält er Leistungen von der Q im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzenden Bezüge beliefen sich – wie bereits im Jahr zuvor – im Januar 2004 auf einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 753,89 EUR (hinsichtlich der Einzelheiten der Zusammensetzung dieses Betrages wird auf das Schreiben der Q vom 22.01.2004 Blatt 16 GA verwiesen). Bis zum 31.12.2003 erhob die Beklagte als Beitrag zur KVdR auf die vorgenannten Bezüge von der Q einen Betrag nach der Höhe der Hälfte des maßgeblichen allgemeinen Beitragssatzes.

Ab dem 01.01.2004 führte die Q entsprechend der gesetzlichen Neufassung des § 248 des fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) an die Beklagte als Beitrag zur KVdR einen Anteil der Versorgungsbezüge in Höhe von 13,7 %, ab (voller Beitragssatz). Darüber informierte sie den Kläger in einem Schreiben vom 22.01.2004, der daraufhin bei der Beklagten die Erteilung eines formellen Bescheides über die Neufestsetzung der auf die Versorgungsbezüge erhobenen Krankenversicherungsbeiträge beantragte. Vor diesem Hintergrund erteilte die Beklagte am 13.05.2004 einen Bescheid, in dem sie die der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Versorgungsbezüge ab dem 01.01.2004 auf 720,86 EUR festlegte und gleichzeitig mitteilte, dass sich daraus unter Berücksichtigung des maßgeblichen allgemeinen Beitragssatzes in Höhe von 13,7 % gemäß § 248 Satz 1 SGB V in der seit dem 01.01.2004 gültigen Fasssung im Hinblick auf die Versorgungsbezüge ein Beitag zur KVdR in Höhe von 98,76 EUR ergebe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2004 zurück. In der rechtlichen Begründung führte sie aus, für versicherungspflichtige Mitgliedern gelte nunmehr nach § 248 Satz 1 SGB V n.F. für die Beitragsermittlung aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen der jeweils am 01.07. geltende allgemeine Beitragssatz der Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Die seit dem Jahre 1983 bestehende Regelung, wonach die genannten Einkünfte der Pflichtversicherten nur mit dem halben Beitragssatz heranzuziehen gewesen seien, sei durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) ausdrücklich aufgegeben worden. Der volle allgemeine Beiragssatz sei auch dann anzusetzen, wenn neben den Versorgungsbezügen und dem Arbeitseinkommen keine Rente gezahlt werde. Für freiwillig versicherte Rentner gelte ab dem 01.01.2004 eine vergleichbare Regelung. Mit der Neuregelung solle nach dem Willen des Gesetzgebers die Solidarität der aus dem Berufsleben ausgeschiedenen mit den Aktiven gestärkt werden. Die Gesundheitsausgaben für Rentner würden nur noch zu 43 % durch deren Beitragszahlungen gedeckt. Insoweit stelle die Anhebung der anzuwendenden Beitragssätze eine notwendige Angleichung dar, um die Belastung der Aktiven zu begrenzen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sei die Beklagte verpflichtet, die Vorgaben des Gesetzgebers umzusetzen. Eine mögliche Rechtswidrigkeit einzelner Vorschriften könne nur auf verfassungsrechtlichem Wege geklärt werden.

Dagegen hat der Kläger am 21.08.2004 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der er die Verfassungswidrigkeit des § 248 Satz 1 SGB V in der Fassung des Artikels 1 Nr. 148a (GMG) geltend macht. Er bemängelt das Fehlen einer Übergangsvorschrift zum Inkrafttreten der neuen Regelung. Ferner sei zu berücksichtigen, dass ab dem 01.01.2004 weitere finanzielle Belastungen für die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung wirksam geworden seien, die auch den Kläger betreffen. Gerade vor diesem Hintergrund sei es für ihn von hoher Bedeutung, von seinen Versorgungsbezügen weiterhin nur die Hälfte des allgemenen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichten zu müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe der Gesetzgeber zwar zur Sicherung der Finanzierung der Sozialversicherung einen großen Gestaltungsspielraum. Dieser Spielraum sei aber spätestens durch die bereits auferlegten Belastungen aufgebraucht. Die hohen Beitragsbelastungen stellten einen Verstoß gegen Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar. Desweiteren verstoße die Neuregelung auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG. Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich zu den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, die wirtschaftlich gesehen generell nur zur Hälfte an der Beitragsentrichtung beteiligt würden, obwohl sie gegenüber den versicherungspflichtigen Rentnern sogar besser gestellt seien, weil sie zusätzlich auf Grund ihrer Beiträge auch Leistungen in Form von Krankengeldzahlungen erhalten könnten. Eine nicht gerechtfertige Schlechterstellung liege auch gegenüber Rentnern vor, die allein Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Auch diese müssten lediglich die Hälfte der Beitragslast auf die von ihnen bezogenen Leistungen tragen. Insgesamt bezieht sich der Kläger in seiner Argumentation ergänzend auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. I zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes hinsichtlich der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Ausführungen des Prof. Dr. I wird auf Bl. 4-8 GA Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 13.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Beitagsberechnung aus Versorgungsbezug die Vorschrift des § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung anzuwenden.

Die Bekagte beanragt,

Die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid.

Die Beklagte hat dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Sprungrevision im Termin zur mündlichen Verhandlung zugestimmt. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen, wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne der §§ 54 Abs. 1; 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Denn bei der auf § 202 Satz 4 SGB V gestützten Mitteilung der Beklagten über den Umfang der Beitragspflicht der Versorgungsbezüge handelt es sich um einen Vewaltungsakt (BSG SozR 3-3300 § 55 Nr. 5 m.w.N.).

Die Klage ist aber unbegründet. Denn der Bescheid vom 13.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 ist rechtmäßig und der Kläger deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die von dem Kläger bezogenen betrieblichen Versorgungsleistungen ab dem 01.01.2004 zu Recht einem Beitragssatz in Höhe von 13,7% unterworfen. Denn dies entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des § 248 Satz 1 SGB V in der seit dem 01.01.2004 gültigen Fassung. Bei den Leistungen, die der Kläger von der Q bezieht, handelt es sich um beitragspflichtige Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit §§ 237, 226 Abs. 2 SGB V. Der allgemeine Beitragssatz der Beklagten belief sich am 01.07.2003 ausweislich § 11 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der seit dem 01.07.2003 gültigen Fassung auf 13,7 %. Die Tatsache, dass die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Beitragssumme von der Höhe der tatsächlich abgeführten Beiträge abweicht, ist in dem vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz. Denn soweit in dem Bescheid vom 13.05. 2004 nur ein Teilbetrag der gesamten monatlichen Versorgungsbezüge der Beitragsbemessung unterworfen wurde, ist der Kläger nicht beschwert, da dies seine Beitragsbelastung verringert. Einen Leistungsantrag auf Rückerstattung der unter Anlegung des Maßstabes der angefochtenen Bescheide zu viel abgeführten Beträge hat er ausdrücklich nicht gestellt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass § 248 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 148 a GMG gegen das Grundgesetz verstößt. Aus diesem Grund bedarf es einer Aussetzung des Verfahrens und der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der streitigen Regelung nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht.

1) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt, dass für die (un-)gleiche Behandlung von Sachverhalten und die Auswahl der Anknüpfungskriterien - bezogen auf die Eigenarten des in Rede stehenden Sachbereichs und unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung - vernünftige, einleuchtende Gründe bestehen (vgl. BVerfGE 79, 224 (236) m.w.N.). Entgegen der in der Klageschrift unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. I geäußerten Auffassung handelt es sich hier von der gesetzgeberischen Konstruktion her im Hinblick auf die bis zum 01.01.2004 gültige Fassung des § 248 SGB V nicht um eine Problematik der Ungleich- sondern der Gleichbehandlung. Denn der Kläger wird nunmehr hinsichtlich der Beitragspflicht seiner Einnahen aus der betrieblichen Altersversorgung genauso behandelt, wie versicherungspflichtige Arbeitnehmer (§ 241 SGB V) und Personen, die Einkünfte aus einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten (§ 247 SGB V). Denn für alle Personenkreise werden die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach dem allgemeinen Beitragssatz bemessen. Die Frage, ob diese Gleichbehandlung vor dem Hintergrund der faktischen Entlastung, die versicherungspflichtig Beschäftigte und Bezieher von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Vorschriften des vierten Titels des achten Kapitels des SGB V (§ 249, 249 a SGB V) erhalten, gerechtfertigt ist, ist zu bejahen.

a) Im Vergleich zu der Gruppe der versicherungspflichtigen (aktiven) Arbeitnehmer liegt nach Überzeugung der Kammer ein einleuchtender vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung vor. Nach den Erwägungen in der Gesetzesbegründung (vgl. Bundestagsdrucksache 15/2525, S. 140) sollte mit der Vorschrift erreicht werden, dass Rentner, die Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit erhalten, in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen für sie beteiligt werden. Die Beitragszahlungen der Rentner deckten früher (genannt wurde das Jahr 1973, gemeint war aber wohl das Jahr 1983) noch zu gut 70 % die auf sie entfallenden Leistungsaufwendungen ab, heute sind es nur noch etwa 43 %. Nach Überzeugung der Kammer steht die Regelung daher im Einklang mit dem Solidaritätsprinzip, welches prägend für die gesamte gesetzliche Sozialversicherung der Bundesrepublik Deutschland ist. Es stellt ein schlüssiges und nachvollziehbares Vorgehen dar, wenn der Gesetzgeber Personen, die in überdurchschnittlichem Umfang Leistungen eines Systems nachfragen, auch zumindest in gleicher Höhe an deren Finanzierung beteiligt werden, wie fast alle anderen Versicherten (vgl. hierzu ebenfalls Sozialgericht München, Urteil vom 30.09.2004, Az.: S 2 KR 321/04). Von ihrem Ansatz her ist die vorgenommene Gleichbehandlung nicht wilkürlich. Denn das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung geht von dem Grundsatz aus, dass die Beiträge der Mitglieder nach dem vollen Beitragssatz erhoben werden (vgl. § 241 Satz 1 und 2 SGB V). Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung die unterschiedlichen Auswirkungen auszugleichen, die sich aus der Beitragsbelastung der Versicherten mit den vollen Beiträgen auf die Höhe der Versorgunsbezüge aus der betrieblichen Altersversorgung wegen der unterschiedlichen Berechnung dieser Bezüge ergeben können (vgl. Bieback, Der Grundsatz der hälftigen Beitragslast im Beitragsrecht der Sozialversicherung, VSSR 1997, 117 ff. (118 f.). Art und Höhe der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung richten sich nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers. Sie unterliegt weitgehend dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und kann ihrerseits dem Beitragsrecht der Sozialversicherung angepasst werden.

Dem kann nach Überzeugung der Kammer nicht entgegengehalten werden, dass nach § 249 SGB V versicherungspflichtige Arbeitnehmer den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung nur zur Hälfte tragen und der verbliebene Anteil von den Arbeitgebern aufzubringen ist. Insoweit hat das Bundessozialgericht (vgl. BSG SozR 3-3300 § 55 Nr. 3) zu der in weiten Teilen vergleichbaren Problematik der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von "vollen" Beiträgen auf Versorgungsbezüge versicherungspflichtiger Mitglieder in der gesetzlichen Pflegeversicherung bereits entschieden, dass es einen allgemeinen Grundsatz der hälftigen Aufteilung der Beiträge auf den Versicherten und denjenigen, von dem die Einnahmen bezogen werden, in der Sozialversicherung nicht gibt (vgl. BSG a.a.O. Randziffer 26 m.w.N.). Ferner hat das BVerfG aus der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG konkrete Vorgaben für die Heranziehung "Dritter" zur Beitragszahlung, aber kein verfassungsrechtliches Prinzip der hälftigen Beteiligung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an der Sozialversicherung abgeleitet (vgl. BSG a.a.O.; BVerfGE 75, 108 ff; Bieback a.a.O. S. 129). Danach kann die Heranziehung "Dritter" und damit die Halbierung der Beitragslast in der Sozialversicherung nur als Ausnahme von der Regel angesehen werden.

Außerdem bestehen, anders als bei versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, bei Beziehern von Versorgungsbezügen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Heranziehung des Trägers der betrieblichen Altersversorgung als "Drittem" zur Verringerung der Beitragsbelastung der Versicherten. Denn zumindest bei beitragsfinanzierten Versorgungsleistungen durch eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung ist zweifelhaft, ob eine "besondere Verantwortlichkeit" für die Absicherung des Krankheitsrisikos der Leistungsempfänger im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zur Beteiligung "Dritter" an den Beiträgen zur Sozialversicherung allein deshalb bejaht werden kann, weil das Versorgungs- oder Versicherungsverhältnis aufgrund einer Versorgungszusage des Arbeitgebers begründet worden ist (vgl. BSG a.a.O. Randziffer 27). Daneben bestehen auch erhebliche praktische Bedenken angesichts der Vielzahl der unterschiedlich gestalteten Versorgungsformen, die Versorgungsträger tatsächlich an der Beitragsentrichtung zu beteiligen (vgl. dazu Bieback a.a.O. Seite 138 f).

Vor diesem Hintergrund war der Gesetzgeber jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht daran gehindert, die Bemessung der Beiträge der Bezieher von Versorgungsbezügen am vollen allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen auszurichten.

Dies gilt umso mehr, als § 248 Abs. 1 SGB V a.F. bereits im Rahmen der Diskussion über den Umfang der Beitragserhebung auf Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Pflegeversicherung als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet wurde (vgl. Bieback a.a.O. Seite 141). Denn auch freiwillig versicherte Rentner müssen den vollen Beitragssatz für ihre Versicherung auf Bezüge aus der betrieblichen Altersversorgung entrichten. In dieser Hinsicht erscheint es der Kammer sogar geboten, eine Gleichbehandlung von Versicherten in der KVdR, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erhalten, mit den übrigen Versicherten vorzunehmen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch das BVerfG bereits in seiner Entscheidung vom 15.03.2000 zur Frage der Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Beitragsbelastung der pflichtversicherten Rentner und der freiwillig versicherten Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung (Az. 1 BvL 16/96 u.a.) Bedenken daran geäußert hat, ob die unterschiedliche beitragsrechtliche Belastung von Versorgungsbezügen durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt ist (vgl. B), I), 4), b) des Urteils). Ferner hat das BVerfG damals ausdrücklich auf die Möglichkeit des Gesetzgebers hingewiesen, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit die Grundlagen der Beitragsbemessung aller Pflichtversicherten den Grundlagen der Beitragsbemessung für die freiwillig Versicherten anzugleichen (vgl. B), I), 4), b) des Urteils).

b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Frage der Rechtfertigung der Gleichbehandlung mit dem Personenkreis, der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Zusätzlich ist jedoch in diesem Zusammenhang auszuführen, dass die Tragung der Beiträge, die auf Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung entfallen, durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung dadurch gerechtfertigt ist, dass Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung über die Pauschalzahlungen an die Krankenversicherung schon vorher Krankenversicherungsbeiträge von der Rente gezahlt haben, die für sie lediglich nicht sichtbar gewesen sind. Die Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben also anlässlich einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung Leistungen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, was bei einem Bezieher von Versorgungsbezügen aus der betrieblichen Alterversorgung im Hinblick auf diese Bezüge jedoch nicht der Fall ist. Insoweit ist die Sachlage vergleichbar mit der vom BVerfG getroffenen Entscheidung (vgl. BVerfGE 79, 223 (239))zur Berücksichtigung von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die Bemessung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung.

c) Nach Überzeugung der Kammer ist die beanstandete Vorschrift auch insoweit unbedenklich, als sie zu einer Ungleichbehandlung mit anderen Personengruppen führt. Eine Ungleichbehandlung liegt insbesondere im Hinblick auf Personengruppen vor, die im Dritten Titel des achten Kapitels des SGB V nur mit reduzierten Beitragssätzen belastet werden. Hierbei handelt es sich um Personengruppen, deren Morbiditätsrisiko typischerweise geringer ist als bei Rentnern und von denen deswegen in der Regel weniger Leistungen in Anspruch genommen werden (vgl. §§ 243 und 244 SGB V) oder bei denen in der Regel eine besondere soziale Bedürftigkeit vermutet werden kann (vgl. § 245 SGB V). In diesen Fällen ist im Vergleich mit der Personengruppe der Bezieher von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die Reduzierung des Beitragssatzes durch sachliche bzw. soziale Gründe aus Sicht der Kammer gerechtfertigt (vgl. auch Bieback a.a.O. Seite 140).

2) Ein Verstoß gegen den Schutz des verfassungsrechtlichen Eigentums (Art. 14 GG) liegt weder unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 Abs. 1 GG noch unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 Abs. 3 GG vor. Die hier fraglichen Versorgungsansprüche fallen zwar unter den grundgesetzlichen Begriff des Eigentums, da sich diese Ansprüche auf das frühere Arbeitsverhältnis beziehen und deswegen vom Kläger durch "eigene Leistungen" erworben wurden; und zwar auch dann, wenn die Versorgungsansprüche – wie hier - einseitig durch finanzielle Aufwendungen des Arbeitgebers begründet worden sind (vgl. Bieback a.a.O. Seite 131 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG schützt Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nicht das Vermögen als solches gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten (vgl. BVerfGE 91, 207 (220) m.w.N.), soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommt (vgl. BVerfGE 82, 159, 190 m.w.N.). Bezogen auf den Zustand vor dem 01.01.2004 liegt hier bei dem Kläger eine Verdoppelung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung vor, die von seinen Versorgungsbezügen abgezogen werden. Die hieraus resultierende Verringerung des dem Kläger letztendlich verbleibenden Betrages aus den Versorgungsbezügen ist nicht unerheblich. Deswegen ist zwar nicht von vornherein eine nachhaltige Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse auszuschließen, wie dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.), im Hinblick auf die beitragsrechtliche Behandlung von Versorgungsbezügen in der gesetzlichen Pflegeversicherung der Fall war. Die Reduzierung ist jedoch mit einem absoluten Betrag in Höhe von 51,78 EUR nicht so erheblich, dass von einer konfiskatorischen Belastung des Klägers (im Sinne des Steuerrechts) (vgl. dazu BVerfGE 63, 368) gesprochen werden könnte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung, dem Gesetzgeber ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum zukommt, wie er zur Sicherung des Solidarsystems insgesamt die Kürzungen und Vergünstigungen innerhalb des System verteilt (vgl. Bieback a.a.O. Seite 132/133 m.w.N.). Mit einem Betrag in Höhe von etwa 85 % der Versorgungsbezüge, verbleibt ihm immer noch ein Umfang dieser Leistung, der im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG als unbedenklich angesehen werden kann. Die Betrachtung verschiebt sich noch mehr zuungunsten des Klägers, wenn man berücksichtigt, dass die Summe der Versorgungsbezüge nur etwa 1/3 seines monatlichen Gesamteinkommens ausmacht.

Der Einwand des Klägers, er sei zusätzlich durch seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Ausbildung seiner Kinder belastet, kann in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Gesetz auch für diese Belastungen besodere Regelungen vorsieht. So gelten beispielsweise im Hinblick auf die Zuzahlungen nach § 61 SGB V für chronisch Kranke gemäß § 62 SGB V besonders niedrige Belastungsgrenzen, bei deren Überschreiten die Zuzahlungspflicht entfällt. Der höheren Belastung durch in der Ausbildung befindliche Kinder trägt das Gesetz durch die verlängerte Familienversiherung (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V) Rechnung.

3) Schließlich verstößt § 248 Satz 1 SGB V in der seit dem 01.01.2004 gültigen Fassung auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Regelung bewirkte im Zeipunkt ihres Erlasses eine Erhöhung der Beiträge des Klägers zur KVdR mit Wirkung für die Zukunft. Sie greift daher in einen noch nicht abgewickelten Sachverhalt mit Wirkung für die Zukunft ein. Es handelt sich insoweit um einen Fall der sogenannten unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfGE 103, 392 (403)). Eine solche Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (vgl. BVerfGE a.a.O; BVerfG NZS ´03, 254 ff, (256)).

Diese Abwägung fällt hier zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelung aus. Zwar ist das Vertrauen, insbesondere der älteren gesundheitlich beeinträchtigten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Fortbestand einer günstigen beitragsrechtlichen Rechtslage in der Regel hoch einzuschätzen (vgl. BVerfGE a.a.O. m.w.N.). Andererseits kann nach Auffassung der Kammer jedoch auch nicht außer Acht gelassen werden, dass § 248 SGB V a.F. im Hinblick auf die oben dargestellten gesetzgeberischen Parallelen, insbesondere im Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung und der Beitragsbelastung von freiwillig krankenversicherten Personen, die Einkommen in Form von Versorgungsbezügen haben, eine Ausnahme darstellte (siehe dazu auch oben zu Art. 3 Abs. 1 GG). Von daher erscheint das Vertrauen des Kläger auf den Fortbestand der Regelung nur eingeschränkt schutzwürdig.

Jedenfalls überwiegen im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung im Ergebnis die mit der Regelung verfolgten öffentlichen Belange. Die Beweggründe des Gesetzgebers, in der Gesetzesbegründung, die versicherungspflichtigen Rentner durch die umfassende Heranziehung der Versorgungsbezüge an den gestiegenen Leistungsaufwendungen für die von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen zu beteiligen, ist nachvollziehbar und insbesondere vor dem Hintergrund der Kostenproblematik im Gesundheitswesen sowie der Bedeutung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt gerechtfertigt. Das Argument der mangelnden Deckung von nachgefragten Leistungen durch Beitrage hat das Bundessozialgericht in diesem Zusammenhang schon zur Rechtfertigungsdeckung einer unechten Rückwirkung, nämlich bei der Verdoppelung der Mindestbeiträge für freiwillig Versicherte herangezogen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 6). Der Gesetzgeber muss im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus Gründen des Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die sich den geänderten Erfordernissen anpassen (vgl. BVerfGE a.a.O. m.w.N.). Hinzu kommt, dass es sich bei der Erhöhung der Beitragssätze auf Versorgungsbezüge für Versicherungspflichtige nur um einen kleinen Teil der Gesamtmaßnahmen handelte, die der Gesetzgeber im Rahmen des GMG zur allgemeinen Kostendämpfung im Gesundheitswesen für geeignet und notwendig hielt (vgl. zum Überblick: Hiddemann/Muckel, Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung NJW ´04, 7-13). Insofern enthält § 248 Satz 1 SGB V n.F. keine Einzelmaßnahme zu Lasten eines bestimmten Teils der Versichertengemeinschaft, sondern nur den Teil eines Gesamtpaketes, um die Finanzlage bzw. Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu stabilisieren. Wie aus den vorstehend zitierten Entscheidungen hervorgeht, hat das BVerfG diesen Gesichtspunkt schon mehrfach zur Rechtfertigung von Eingriffen in Vertrauenstatbestände im Sinne der unechten Rückwirkung bei Gesetzesänderungen herangezogen. Dem schließt sich die Kammer für den vorliegenden Fall an. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es daher des Erlasses von Übergangsvorschriften nicht.

Die Beiladung des Versorgungsträgers war nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.1998, Az.: B 12 P 4/97 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Sprungrevision ist gemäß § 161 Abs. 1 und 2 SGG zugelassen worden. Dem Antrag des Klägers hat die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung zugestimmt. Im Hinblick auf die Vielzahl der vor den Sozialgerichten anhängigen Verfahren zur Frage der beitragsrechtlichen Behandlungen von Versorgungsbezügen in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 01.01.2004 hat die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage liegt noch nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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