L 2 RA 250/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 3 RA 151/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 250/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Neufeststellung seiner Regelaltersrente unter Anrechnung der Zeit vom 08. Juni 1945 bis 07. Dezember 1945 als rentenrechtliche Zeit.

Der im ... 1931 geborene Kläger beantragte im Januar 1996 Regelaltersrente. Er gab hierbei an, von Juni 1945 bis Dezember 1945 bei der sowjetischen Besatzungsmacht auf dem ehemaligen Rittergut in P. zwangsweise gearbeitet zu haben, weil ansonsten eine Internierung erfolgt wäre. Beigefügt waren die Zeugenerklärungen des H. W. vom 19. Dezember 1995 und der H. N. vom 23. Oktober 1995.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1996 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 01. Juni 1996 unter Zugrundelegung von 58,1778 persönlichen Entgeltpunkten (Ost). Sie berücksichtigte hierbei die Zeit vom 01. Juni 1945 bis 31. Dezember 1945 nicht, da Beiträge weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht seien. Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger wieder zurück.

Im Mai 2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Neufeststellung seiner Regelaltersrente, mit dem er die Anrechnung einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 05. November 1965 bis 03. März 1966 und unter Hinweis auf die bereits eingereichten Zeugenerklärungen der Zeit vom 01. Juni 1945 bis 31. Dezember 1945 begehrte.

Mit Schreiben vom 06. September 2000 lehnte dies die Beklagte ab.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger darauf, dass die Personen, die die Arbeit verweigert hätten, interniert worden seien. Ihnen sei diese Zeit ebenso angerechnet worden wie Spätaussiedlern aus der Sowjetunion.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 22. Juli 1996 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, da keine neuen Beweismittel vorgelegt worden seien.

Auf den dagegen erneut eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger darauf hinwies, dass er zwar keine Lohnvergütung, aber Lebensmittel zum Lebensunterhalt für seine Zwangsarbeit erhalten habe, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 2001 die Regelaltersrente ab 01. Juni 1996 mit 58,5433 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) unter Anrechnung der Zeit vom 05. November 1965 bis 04. März 1966 als Anrechnungszeit neu fest.

Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01. März 2001 zurück: Nach dem Befehl der Sowjetischen Militäradministration (SMA) seien zwar die Kommandanturen und Einheiten der Roten Armee, die als Arbeitskräfte deutsche Zivilpersonen beschäftigt hätten, verpflichtet gewesen, diese gemäß den bestehenden Sätzen zu bezahlen. Dieser Befehl sei den Landräten und Oberbürgermeistern im November 1945 mit der Auflage bekannt gegeben worden, sich insbesondere für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge einzusetzen, die nach den getroffenen Feststellungen entweder von den Dienststellen der Roten Armee oder von den örtlichen Gemeinden zu zahlen gewesen seien. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass für diesen Personenkreis vom 01. September 1945 an Versicherungs- und Beitragspflicht bestanden habe, wenn regelmäßig Lohn oder Gehalt seitens der Dienststellen der Roten Armee gezahlt worden sei. Da der Kläger jedoch keine Lohnvergütung, sondern ausschließlich Naturalien (Lebensmittel) als Bezahlung erhalten habe, komme die Anerkennung einer Beitragszeit im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI nicht in Betracht.

Dagegen hat der Kläger am 29. März 2001 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und vorgetragen:

Weshalb die sowjetischen Behörden keine Beiträge entrichtet hätten, lasse sich nicht mehr feststellen. Es seien die Siegermächte gewesen. Ihm sei bekannt, dass die Deutschen, die im Jahre 1948 aus Ostpreußen ausgesiedelt worden seien und bei den sowjetischen Behörden hätten arbeiten müssen, diese Zeit für die Rentenberechnung ebenso anerkannt bekommen hätten, wie die Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse dies auch bei seiner Rente geschehen. Im Juni 1945 habe er zusammen mit anderen Personen Kartoffeln anhäufeln müssen, wobei er von zwei Posten bewacht worden sei. Erst ab wohl September oder Oktober 1945 habe er Lebensmittel bekommen; davor habe es nichts gegeben. Er hat die weiteren schriftlichen Zeugenerklärungen der H. N. vom 12. Juli 2001 und des H. W. vom 01. August 2001 vorgelegt.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Eine Beitragszeit liege nicht vor. Da der Kläger lediglich Lebensmittel erhalten habe, seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gezahlt worden. Es komme auch nicht die Anrechnung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 SGB VI in Betracht, denn der Kläger sei weder interniert noch verschleppt gewesen (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI), noch sei er während oder nach dem Ende des Krieges ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze oder danach aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereiches dieser Gesetze verhindert gewesen oder dort festgehalten worden (§ 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) oder vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden oder auf der Flucht oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen (§ 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI). Somit könne eine Gleichstellung mit Internierten und Aussiedlern nicht erfolgen.

Gegen das ihm am 01. Dezember 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Dezember 2001 eingelegte Berufung des Klägers.

Er ist der Auffassung, dass Zwangsarbeit mit Internierung zur Zwangsarbeit gleichzusetzen sei. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass sich bei einer Internierung die Personen nach Arbeitsschluss im Lager aufhalten müssten. Er habe unter strenger Bewachung der sowjetischen Soldaten gearbeitet und sei völlig entrechtet gewesen.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Oktober 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06. September 2000 und 25. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2001 die Beklagte zu verpflichten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 22. Juli 1996 in der Fassung des Bescheides vom 12. Januar 2001 die Zeit vom 08. Juni 1945 bis 07. Dezember 1945 als Beitragszeit, hilfsweise als Ersatzzeit bei der Regelaltersrente anzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 15. April 2002 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08. Mai 2002 bzw. 30. Mai 2002 gegeben worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung - insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beteiligten bereits ausführlich ihre Argumente vorgebracht haben - nicht für erforderlich hält, hat er nach Anhörung der Beteiligten von der durch § 153 Abs. 4 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Beschluss zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide vom 06. September 2000 und 25. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 22. Juli 1996 in der Fassung des Bescheides vom 12. Januar 2002 zurücknimmt, denn die Zeit vom 08. Juni 1945 bis 07. Dezember 1945 ist weder als Beitragszeit noch als Ersatzzeit bei der Regelaltersrente anzurechnen.

Als Anspruchsgrundlage kommt § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

Nach § 55 Abs. 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Den Beitragszeiten nach Bundesrecht stehen Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem In-Kraft-Treten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind (§ 248 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI).

Es ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass Pflichtbeiträge im streitigen Zeitraum gezahlt wurden.

Eine Tatsache ist nachgewiesen, wenn sie mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, also ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 7. Auflage, § 118 Rdnr. 5 unter Hinweis u. a. auf BSG 6, 144).

Eine Glaubhaftmachung ist vorliegend nach § 286 b Satz 1 SGB VI zwar möglich. Danach sind die dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegenden Zeiträume als Beitragszeit anzuerkennen, wenn Versicherte glaubhaft machen, dass sie im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 09. Mai 1945 bis 31. Dezember 1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben und von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Eine Tatsache ist jedoch nur dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), also mehr dafür als dagegen spricht.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Noch nicht einmal der Kläger behauptet, dass für ihn Beiträge gezahlt wurden. Er geht vielmehr davon aus, wie seinem Schriftsatz vom 16. Mai 2001 zu entnehmen ist, dass keine Beitragszahlung erfolgt ist, wenn er dort ausführt: "Weshalb die sowjetischen Behörden für uns keine Beiträge entrichtet haben, lässt sich nicht mehr feststellen.". Aus den vorliegenden Zeugenerklärungen des H. W. vom 19. Dezember 1995 und 01. August 2001 sowie der H. N. vom 23. Oktober 1995 und 12. Juli 2001 geht ebenfalls nicht hervor, dass Beiträge für den Kläger gezahlt wurden. Die Zeugen, die nach ihren Angaben zur gleichen Zeit bei der sowjetischen Besatzungsmacht arbeiten mussten, haben ausgeführt, dass der Kläger von Juni 1945 bis Dezember 1945 bei der sowjetischen Besatzungsmacht auf dem ehemaligen Rittergut in P. tätig gewesen sei. Sowohl der Kläger als auch die Zeugen hätten keine Entlohnung von den Besatzern erhalten. Ihnen seien lediglich Naturalien für den täglichen Bedarf ausgehändigt worden. Weitere Beweismittel stehen nicht zur Verfügung. Bei dieser Beweislage findet sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass für den Kläger Beiträge für die streitige Zeit gezahlt wurden. Mithin ist eine Beitragszahlung nicht glaubhaft gemacht, geschweige denn bewiesen.

Ob es darüber hinaus bereits an der Versicherungspflicht fehlte, kann dahinstehen. Wäre dies der Fall, würde auch diese Tatsache gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Beitragszahlung sprechen.

Der Senat neigt dazu, das Bestehen von Versicherungspflicht unter den vom Kläger geschilderten Umständen zu verneinen.

So ist bereits zweifelhaft, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorlag. Ein solches setzt regelmäßig voraus, dass der Beschäftigte seine Arbeitsleistung freiwillig erbringt. Nach seinem Vortrag wurde der Kläger jedoch - unter Bewachung - zur Arbeit gezwungen.

Es ist aber jedenfalls keine Vorschrift ersichtlich, die Versicherungspflicht für eine Beschäftigung vorsah, die ohne jegliche Gegenleistung bzw. nur gegen Naturalien ausgeübt wurde.

Dass der Kläger keinen Lohn erhielt, ergibt sich nicht nur aus seinem eigenen Vorbringen, sondern auch aus den schriftlichen Aussagen der Zeugen H. N. vom 12. Juli 2001 und des H. W. vom 01. August 2001.

Wie bereits die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 01. März 2001 ausführte, bestand wohl frühestens ab 01. September 1945 an Versicherungspflicht für bei der sowjetischen Besatzungsmacht beschäftigte Personen, jedoch nur dann, wenn sie regelmäßig Lohn oder Gehalt seitens der Dienststellen der Roten Armee bezogen. Die Zahlung der Beiträge dürfte hierbei für alle unterstellten Beschäftigten global erfolgt sein (vgl. dazu: Weser, Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR, S. 33 und 62).

Wenn angesichts dessen für die streitige Zeit keine Pflichtbeitragszeit bei der Regelaltersrente anzuerkennen ist, liegt darin kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es ist im Hinblick auf § 63 Abs. 1 SGB VI, wonach sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen richtet, einleuchtend und sachgerecht, dass derjenige, für den keine Beiträge gezahlt wurden, nicht genauso behandelt werden muss wie derjenige, für den Beiträge vorhanden sind.

Die geltend gemachte Zeit ist auch nicht als Ersatzzeit bei der Regelaltersrente zu berücksichtigen.

Nach § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr u. a.

2. interniert oder verschleppt oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, wenn sie als Deutsche wegen ihrer Volks- oder Staatsangehörigkeit oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt waren, nach dem 08. Mai 1945 entlassen wurden und innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständigen Aufenthalt genommen haben, wobei in die Frist von zwei Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht eingerechnet werden,

5. in Gewahrsam genommen worden sind oder im Anschluss daran wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, wenn sie zum Personenkreis des § 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) gehören oder nur deshalb nicht gehören, weil sie vor dem 03. Oktober 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen haben, oder

5. a. im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 08. Mai 1945 bis zum 30. Juni 1990 einen Freiheitsentzug erlitten haben, soweit eine auf Rehabilitierung oder Kassation erkennende Entscheidung ergangen ist, oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind.

Die genannten Voraussetzungen liegen allesamt nicht vor.

Der Kläger war nicht interniert im Sinne des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Dieser Begriff ist mit dem völkerrechtlichen Begriff der Internierung im Wesentlichen identisch. Darunter wurde zunächst nur die Entwaffnung und Festhaltung von Soldaten einer kriegführenden Macht durch eine neutrale Macht verstanden. Angesichts der Praxis des Zweiten Weltkrieges, in dem die Festhaltung von Zivilpersonen durch die Besatzungsmächte in großem Umfang erfolgte, regelte das IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl II 1954, 917) die Rechtsstellung der Internierten in seinem Abschnitt IV. Danach beginnt die Internierung mit der Festnahme (Art. 90 Abs. 1 des Abkommens). Sie stellt eine auf eng begrenztem und überwachtem Raum des Internierungsortes stattfindende Festhaltung einer Zivilperson fremder Staatszugehörigkeit durch die Gewahrsamsmacht dar (Art. 83 Abs. 3, Art. 84, Art. 116 des Abkommens), wobei die Internierten nicht am Wirtschaftsleben des Gewahrsamsstaates teilnehmen (Art. 81, 85, 89, 90, 91 Abs. 5, 97 ff. und 105 ff. des Abkommens). Sie endet mit der Freilassung. Die Internierung unterscheidet sich von der Zuweisung eines Zwangsaufenthaltes (Art. 41 bis 43 des Abkommens), die nur eine Aufenthaltsbeschränkung bedeutet, durch den allgemeinen Freiheitsentzug. Von diesem völkerrechtlichen Internierungsbegriff weicht der Internierungsbegriff des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur insofern ab, als er nicht eine fremde Staatszugehörigkeit des Internierten im Verhältnis zur Gewahrsamsmacht voraussetzt (so Bundessozialgericht - BSGE 14, 50, 51/52).

Der Kläger war demgegenüber nach seinem Vorbringen zwar zur Zwangsarbeit verpflichtet. Es liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass er vor Beginn und nach dem Ende dieser Arbeitsverpflichtung auf eng begrenztem Raum im Sinne eines Internierungslagers untergebracht war.

Die Arbeitsverpflichtung mit sich daraus ergebenden Bindungen an den Betriebsort stellt keine Internierung dar (BSGE 14, 50, 52).

Ob der Kläger interniert (im o. g. Sinne) worden wäre, wenn er keine Zwangsarbeit geleistet hätte, ist nicht von wesentlicher Bedeutung. Die vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge tritt dann ein, wenn die im Gesetz genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, kommt es auf die Gründe hierfür nicht an. § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI lässt nicht erkennen, dass auch derjenige als interniert gilt, der sich dieser Internierung insbesondere durch die Inkaufnahme von Zwangsarbeit entzog. Ein derartiges Verständnis wäre mit dem Sinn und Zweck des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht vereinbar, denn ansonsten würde der Zwangsarbeit eine rechtlich wesentliche Bedeutung zugemessen, die ihr sowohl im Rahmen dieser Vorschrift als auch der gesamten weiteren Ersatzzeittatbeständen des § 250 Abs. 1 SGB VI nicht zukommt. Maßgebend ist nicht die Ausübung von Zwangsarbeit, sondern sowohl für § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI als auch für § 250 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 5 und 5 a SGB VI eine allumfassende Freiheitsentziehung. Eine nur zeitlich begrenzte, auf die Zeit der Zwangsarbeit beschränkte, Freiheitsentziehung erachtet das Gesetz nicht als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichspflichtigen Sachverhalt.

Es verletzt mithin nicht Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Kläger nicht wie tatsächlich Internierte behandelt wird, denn objektiv ist die von ihm erlittene Freiheitsentziehung nicht im selben Maße schwergradig. Der Kläger mag dies zwar aus seiner Sicht anders sehen, wenn er in seiner Berufungsschrift vom 27. Dezember 2001 darauf verweist, dass er "unter strengster Bewachung" arbeiten musste und im streitigen Zeitraum "völlig entrechtet, insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeiten, die er zu verrichten hatte", gewesen sei. Auf die subjektiven Vorstellungen der Betroffenen, die nicht nachprüfbar sind und im Übrigen trotz identischem Sachverhalt bei verschiedenen Personen unterschiedlich sein können, stellt das Gesetz nicht ab.

Im Übrigen wäre eine Internierung innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland, also auch im Beitrittsgebiet, nicht von § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfasst (so schon für das Gebiet der alten Bundesländer und zur Vorgängerregelung des § 28 Abs. 1 Nr. 2 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG -: BSG SozR RVO Nr. 70 zu § 1251 RVO). Die Beschränkung der Internierung auf Gebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland stellt hierbei keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar (so schon BSG SozR RVO Nr. 70 zu § 1251). Dies ist darin begründet, dass der Begriff der Internierung, wie dargelegt, aus dem Völkerrecht herrührt und danach begrifflich schon nicht den innerstaatlichen Gewahrsam erfasst. Darüber hinaus regelt § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI mit seinen Ziffern 5 und 5 a einen Sachverhalt, der als innerstaatliche Parallele zur Internierung anzusehen ist. Damit wird im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG hinreichend gewährleistet, dass auch die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommenen Personen einen rentenrechtlichen Ausgleich für diese Gewahrsamsnahme erhalten können.

Der Kläger erfüllt aber ebenfalls nicht die in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen.

Zum Personenkreis des § 1 HHG gehören u. a. deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie u. a. nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 08. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG). Gewahrsam im Sinne dieser Vorschrift ist ein Festgehaltenwerden auf eng begrenztem Raum unter dauernder Bewachung (§ 1 Abs. 5 Satz 1 HHG).

Unter Freiheitsentzug im Sinne des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 a SGB VI ist, da diese Vorschrift am strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) anknüpft, wie aus der Bezugnahme auf die dort genannte Rehabilitierung bzw. Kassation ersichtlich wird (vgl. auch Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Gesetzliche Rentenversicherung, 36. Ergänzungslieferung, Niesel, § 250 SGB VI Rdnrn. 98 und 99), ebenfalls (nur) die Unterbringung einer Person in einem abgeschlossenen eng umgrenzten Haftraum zu verstehen (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StrRehaG).

Gewahrsam und Freiheitsentzug stellen mithin den vergleichbaren Sachverhalt der Internierung innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland dar. Es gilt daher dasselbe wie zum Tatbestand der Internierung. Auch insoweit ist Zwangsarbeit einem Gewahrsam oder einem Freiheitsentzug nicht gleichzustellen.

Der Kläger verkennt, dass Zwangsarbeit kein Sachverhalt ist, der in irgendeiner Weise nach § 250 Abs. 1 SGB VI von Bedeutung ist. Dies trifft auch für § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu, der einen Ausgleich für geleisteten militärischen oder militärähnlichen Dienst im Sinne der §§ 2 und 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht oder Wehrpflicht oder während eines Krieges gewährt. Wesentliches Kriterium ist auch hier die umfassende Beschränkung der persönlichen Freiheit (vgl. auch § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) bzw. ein erheblicher Eingriff, der die gesamte persönliche Lebenssituation des Betroffenen erfasst (vgl. § 250 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3, 4 und 6 SGB VI).

Letztgenannter Gesichtspunkt betrifft auch und gerade den Personenkreis des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VI, gegenüber dem sich der Kläger ebenfalls benachteiligt sieht. Nach dieser Vorschrift sind Ersatzzeiten auch Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden oder auf der Flucht oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, mindestens aber die Zeit vom 01. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1946, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) gehören.

Dieser Personenkreis musste sein gesamtes persönliches und berufliches Umfeld aufgeben und sich eine neue Existenz aufbauen. Auch hiervon unterscheidet sich die Situation des Klägers deutlich.

Dem genannten Personenkreis wird hierbei als Ersatzzeit grundsätzlich nur die Zeit der tatsächlichen Vertreibung, Umsiedlung oder Aussiedlung angerechnet. Allerdings erfahren diese Personen, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG gehören, insoweit eine Beweiserleichterung, als sie den zeitlichen Umfang der Vertreibung, Umsiedlung oder Aussiedlung nicht nachweisen müssen; auch ohne solchen Nachweis wird ihnen die Zeit vom 01. Januar 1945 bis zum 31. Dezember 1946 als entsprechende Zeit angerechnet. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VI erfüllt sind.

Eine gleichheitswidrige Benachteiligung könnte der Kläger insoweit allenfalls dann geltend machen, wenn er eine der anderen Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 SGB VI erfüllen würde, ihm eine solche Beweiserleichterung aus vergleichbaren Gründen aber vorenthalten würde. Der Kläger erfüllt jedoch schon nicht eine der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 SGB VI.

Schließlich ist der Gesetzgeber aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gehalten, jeden Nachteil, der in irgendeiner Weise das Resultat des Zweiten Weltkrieges ist, im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Dem Gesetzgeber steht vielmehr ein weiter Ermessensspielraum zu. Er darf die Sachverhalte auswählen, denen er ein erhebliches Gewicht zumisst (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfGE 53, 164, 178; 71, 66, 76).

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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