Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 270/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 152/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit -BK- nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung -BKVO-.
Der 1956 geborene Kläger war seit September 1988 bei der Firma G (jetzt G) als Reinigungskraft tätig. Nachdem er sich erstmalig vom 5. Oktober bis 6. November 1998 bei dem Orthopäden Dr. R ambulant wegen Rückenbeschwerden behandeln ließ, stellte der im Juni 1999 von ihm aufgesuchte Orthopäde Dr. R einen durch Befunderhebungen des Prof. Dr. B vom 16. Juni 1999 gesicherten Bandscheibenvorfall L 5/S 1 links fest. Im Juli 1999 wurde bei dem Kläger in der Rklinik eine Nukleotomie L 5/S 1 links durchgeführt. Nach einem Rezidivprolaps kam es am 30. September 1999 zu einer Renukleotomie über erweiterte interlamitäre Fensterung und am 26. Oktober 1999 zu einer dorsoventralen Stabilisierung. Hieran schloss sich vom 1. bis 22. Dezember 1999 ein Heilverfahren in der BKlinik, an. In der Folgezeit sah sich der Kläger zu einer geregelten Arbeitstätigkeit nicht mehr in der Lage. Die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gewährt ihm eine zeitlich befristete Rente.
Aufgrund einer Verdachtsanzeige der AOK Berlin vom 15. Mai 2000 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein, in dem sie das Krankheitsbild des Klägers durch Einholung von Befundberichten der ihn behandelnden Ärzte und Beiziehung von Berichten der Rklinik sowie der B-Klinik ermittelte.
Der um Auskunft über den Arbeitsplatz des Klägers gebetene Arbeitgeber teilte der Beklagten auf deren Formblattanfrage am 8. August 2000 mit, der Kläger sei bei ihm seit dem 22. November 1993, (später berichtigt auf 10. September 1988) als Reinigungskraft beschäftigt. Er habe schmutzige Matten (0 bis 5 kg) und saubere Matten mit dem Fahrstuhl zwei- bis dreimal wöchentlich ca. je eine halbe Stunde transportieren müssen. Maschinen seien nicht zu tragen gewesen, nur normale Staubsauger bis 5 kg. In einer außerdem vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung des Objektleiters K vom 1. März 2000 heißt es, der Kläger sei als Vorarbeitervertretung ohne eigenes Revier tätig gewesen, das heißt, seine Arbeit habe mehr Organisation und Überwachung der Mitarbeiter beinhaltet, als dass er selbst habe Hand anlegen müssen. Zu seiner täglichen Arbeit habe es gehört, dass er einen Karton Handtuch- oder Toilettenpapier zur Etage oder Müllsäcke bis zum Container bzw. zum Abfallabstellplatz am Gebäude habe bringen müssen. Gelegentlich habe er auch einen Wäschekorb mit den schmutzigen Matten bis zur Waschmaschine im Kellergeschoss tragen müssen.
Die Gewerbeärztin Dr. F vom Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin empfahl der Beklagten am 16. Oktober 2000, die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 abzulehnen. Es fehlten die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Verursachung der Berufskrankheit.
Dem folgte die Beklagte im Bescheid vom 31. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2001. Nach der Auswertung der Arbeitgeberauskunft und der Erfahrungswerte des Technischen Aufsichtsdienstes erfüllten die vom Kläger seit 1988 ausgeführten Tätigkeiten nicht die Kriterien einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der BK-Nr. 2108. Außerdem seien auch die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger leide an einem Bandscheibenvorfall mit Operation und Reoperation sowie operativer Versteifung des Segmentes L 5/S 1 der LWS und regelrechtem Fixateur intern L 4/S 1 der LWS. Die restlichen Segmente der LWS kämen altersentsprechend zur Darstellung. Darin liege keine belastungskonforme bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, denn es liege kein mehrsegmentaler bandscheibenbedingter Schaden der Gesamt-LWS, von oben nach unten zunehmend und in der Ausprägung und über das Altersausmaß hinausgehend, vor.
Im anschließenden Klageverfahren machte der Kläger geltend, die Beklagte stelle zu Unrecht auf das Vorliegen eines monosegmentalen Schadensbildes ab, dem sie eine Anerkennungsfähigkeit im Sinne der BK-Nr. 2108 abspreche. Sein Wirbelsäulenleiden sei berufsbedingt entstanden. Außerdem habe die Beklagte die mit seiner Tätigkeit verbundenen körperlichen Belastungen verkannt. Er nimmt insoweit Bezug auf die die früheren Angaben korrigierenden Schreiben der Firma G vom 27. April und 3. Mai 2001. Hiernach sei die von ihm verrichtete Tätigkeit in ihrem Belastungsprofil als mittelschwere bis schwere Arbeit einzuschätzen.
Nach einer Anhörung des Klägers über sein Belastungsprofil durch das Sozialgericht im Termin vom 3. August 2001 (vgl. Protokoll Bl. 37, 38 Gerichtsakte) hat es dessen Klage durch Urteil vom gleichen Tage abgewiesen. Es habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach Auswertung der Angaben des Arbeitgebers des Klägers nicht davon überzeugen können, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK-Nr. 2108 vorlägen. Nach den hierfür verlangten Vorgaben könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die vorgeschriebenen Lastgewichte mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen habe.
Gegen das am 29. Oktober 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 27. November 2001, mit der er geltend macht, die Belastungsdauer und das Belastungsausmaß seiner Tätigkeiten seien nicht richtig ermittelt worden. Nach seiner Auffassung seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK-Nr. 2108 erfüllt, weil er in zwölf Monaten im Jahr arbeitstäglich zwischen 60 und 90 Minuten Hebe- und Tragevorgänge habe bewältigen müssen, bei denen das Lastgewicht mehr als 25 kg betragen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2001 sowie den Bescheid vom 31. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenteilrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat im Zuge weiterer Ermittlungen Atteste der Orthopäden Dr. B/K vom 23. Mai 2002 und des Neurologen und Psychiaters Dr. R vom 14. Mai 2002 zur Gerichtsakte genommen und den Orthopäden Dr. B zum medizinischen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18. Juli 2002 u.a. festgestellt, dass bei dem Kläger zeitlebens eine Beinlängendifferenz mit entsprechender S-förmiger Skoliose der Wirbelsäule und einem permanenten biomechanischen und statischen Überlastungszustand des lumbosakralen Wirbelsäulenabschnittes bestanden habe. Mithin liege eine konstitutionell bedingte Bandscheibendegeneration vor. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers durch schädigende Einwirkungen, denen er als Gebäudereiniger bei der Firma G ausgesetzt gewesen sei, verursacht worden sei.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- entscheiden.
Die Berufung des Klägers ist frist- und formgerecht eingelegt worden, sie ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung der geltend gemachten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch -SGB VII- die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Für deren Vorliegen ist ein doppelter ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht sowohl für die Bejahung der haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-, u.a. BSGE 58/76, 79 m.w.N.). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45/285, 286).
Der Senat hält es aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass die bei dem Kläger vorliegenden Veränderungen der Lendenwirbelsäule im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität durch seine berufliche Tätigkeit als Gebäudereiniger verursacht oder mitverursacht worden sind. Aufgrund des Gutachtens des Dr. B vom 18. Juli 2002, der als erfahrener Sachverständiger insbesondere mit der hier erforderlichen Zusammenhangsbeurteilung sowie der Bewertung und Abwägung pathologischer Befunde des Körpergerüstes und der Auswertung von Röntgenaufnahmen gut vertraut ist und über einschlägige Erfahrungen aus umfangreicher Gutachtertätigkeit verfügt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der bei dem Kläger bestehende und operierte Bandscheibenvorfall nicht auf langjährige schädigende Einwirkungen seines Berufslebens als Gebäudereiniger auf den Wirbelsäulenabschnitt L 5/S 1 zurückzuführen ist. Dr. B macht hierfür vielmehr eine durch Beinlängendifferenz mit Beckentiefstand rechts hervorgerufene Skoliose der Wirbelsäule verantwortlich. Diese schon in den vor der Operation des Klägers angefertigten Röntgenaufnahmen sichtbare Seitverbiegung habe zeitlebens eine erhöhte Beanspruchung des lumbosakralen Bandscheibenraumes verursacht, bei dem es dann durch die Fehlstatik im Laufe der Zeit zu deutlichen Verschleißerscheinungen der Wirbelgelenke, insbesondere im Segment L 4/L 5 und L 5/S 1 gekommen sei. Zusätzlich sei es durch diese Fehlstatik zu einem sequestrierten Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 gekommen. Die Bandscheibe habe sich jahrzehntelang in einem Überlastungszustand befunden und sei daher vorzeitig degeneriert und etwa 1999 sequestriert, was eine Nukleotomie erforderlich gemacht habe.
Der Senat hält das Gutachten, gegen das auch der Kläger keine Einwendungen erhoben hat, für überzeugend. Es ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei.
Bei dieser Sachlage musste die Berufung des Klägers bereits wegen des Fehlens der medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK-Nr. 2108 scheitern. Von einer Auseinandersetzung mit der Frage, wie es der Senat bei einem Gebäudereiniger, der nicht zu den anerkannten Risikoberufen im Sinne der BK-Nr. 2108 gehört, mit der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hält, konnte er deshalb absehen.
Die Kostenentscheidung, die dem Ergebnis in der Hauptsache entspricht, beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit -BK- nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung -BKVO-.
Der 1956 geborene Kläger war seit September 1988 bei der Firma G (jetzt G) als Reinigungskraft tätig. Nachdem er sich erstmalig vom 5. Oktober bis 6. November 1998 bei dem Orthopäden Dr. R ambulant wegen Rückenbeschwerden behandeln ließ, stellte der im Juni 1999 von ihm aufgesuchte Orthopäde Dr. R einen durch Befunderhebungen des Prof. Dr. B vom 16. Juni 1999 gesicherten Bandscheibenvorfall L 5/S 1 links fest. Im Juli 1999 wurde bei dem Kläger in der Rklinik eine Nukleotomie L 5/S 1 links durchgeführt. Nach einem Rezidivprolaps kam es am 30. September 1999 zu einer Renukleotomie über erweiterte interlamitäre Fensterung und am 26. Oktober 1999 zu einer dorsoventralen Stabilisierung. Hieran schloss sich vom 1. bis 22. Dezember 1999 ein Heilverfahren in der BKlinik, an. In der Folgezeit sah sich der Kläger zu einer geregelten Arbeitstätigkeit nicht mehr in der Lage. Die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gewährt ihm eine zeitlich befristete Rente.
Aufgrund einer Verdachtsanzeige der AOK Berlin vom 15. Mai 2000 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein, in dem sie das Krankheitsbild des Klägers durch Einholung von Befundberichten der ihn behandelnden Ärzte und Beiziehung von Berichten der Rklinik sowie der B-Klinik ermittelte.
Der um Auskunft über den Arbeitsplatz des Klägers gebetene Arbeitgeber teilte der Beklagten auf deren Formblattanfrage am 8. August 2000 mit, der Kläger sei bei ihm seit dem 22. November 1993, (später berichtigt auf 10. September 1988) als Reinigungskraft beschäftigt. Er habe schmutzige Matten (0 bis 5 kg) und saubere Matten mit dem Fahrstuhl zwei- bis dreimal wöchentlich ca. je eine halbe Stunde transportieren müssen. Maschinen seien nicht zu tragen gewesen, nur normale Staubsauger bis 5 kg. In einer außerdem vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung des Objektleiters K vom 1. März 2000 heißt es, der Kläger sei als Vorarbeitervertretung ohne eigenes Revier tätig gewesen, das heißt, seine Arbeit habe mehr Organisation und Überwachung der Mitarbeiter beinhaltet, als dass er selbst habe Hand anlegen müssen. Zu seiner täglichen Arbeit habe es gehört, dass er einen Karton Handtuch- oder Toilettenpapier zur Etage oder Müllsäcke bis zum Container bzw. zum Abfallabstellplatz am Gebäude habe bringen müssen. Gelegentlich habe er auch einen Wäschekorb mit den schmutzigen Matten bis zur Waschmaschine im Kellergeschoss tragen müssen.
Die Gewerbeärztin Dr. F vom Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin empfahl der Beklagten am 16. Oktober 2000, die Anerkennung einer BK-Nr. 2108 abzulehnen. Es fehlten die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Verursachung der Berufskrankheit.
Dem folgte die Beklagte im Bescheid vom 31. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2001. Nach der Auswertung der Arbeitgeberauskunft und der Erfahrungswerte des Technischen Aufsichtsdienstes erfüllten die vom Kläger seit 1988 ausgeführten Tätigkeiten nicht die Kriterien einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der BK-Nr. 2108. Außerdem seien auch die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Kläger leide an einem Bandscheibenvorfall mit Operation und Reoperation sowie operativer Versteifung des Segmentes L 5/S 1 der LWS und regelrechtem Fixateur intern L 4/S 1 der LWS. Die restlichen Segmente der LWS kämen altersentsprechend zur Darstellung. Darin liege keine belastungskonforme bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, denn es liege kein mehrsegmentaler bandscheibenbedingter Schaden der Gesamt-LWS, von oben nach unten zunehmend und in der Ausprägung und über das Altersausmaß hinausgehend, vor.
Im anschließenden Klageverfahren machte der Kläger geltend, die Beklagte stelle zu Unrecht auf das Vorliegen eines monosegmentalen Schadensbildes ab, dem sie eine Anerkennungsfähigkeit im Sinne der BK-Nr. 2108 abspreche. Sein Wirbelsäulenleiden sei berufsbedingt entstanden. Außerdem habe die Beklagte die mit seiner Tätigkeit verbundenen körperlichen Belastungen verkannt. Er nimmt insoweit Bezug auf die die früheren Angaben korrigierenden Schreiben der Firma G vom 27. April und 3. Mai 2001. Hiernach sei die von ihm verrichtete Tätigkeit in ihrem Belastungsprofil als mittelschwere bis schwere Arbeit einzuschätzen.
Nach einer Anhörung des Klägers über sein Belastungsprofil durch das Sozialgericht im Termin vom 3. August 2001 (vgl. Protokoll Bl. 37, 38 Gerichtsakte) hat es dessen Klage durch Urteil vom gleichen Tage abgewiesen. Es habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach Auswertung der Angaben des Arbeitgebers des Klägers nicht davon überzeugen können, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK-Nr. 2108 vorlägen. Nach den hierfür verlangten Vorgaben könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die vorgeschriebenen Lastgewichte mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen habe.
Gegen das am 29. Oktober 2001 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 27. November 2001, mit der er geltend macht, die Belastungsdauer und das Belastungsausmaß seiner Tätigkeiten seien nicht richtig ermittelt worden. Nach seiner Auffassung seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK-Nr. 2108 erfüllt, weil er in zwölf Monaten im Jahr arbeitstäglich zwischen 60 und 90 Minuten Hebe- und Tragevorgänge habe bewältigen müssen, bei denen das Lastgewicht mehr als 25 kg betragen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2001 sowie den Bescheid vom 31. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenteilrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat im Zuge weiterer Ermittlungen Atteste der Orthopäden Dr. B/K vom 23. Mai 2002 und des Neurologen und Psychiaters Dr. R vom 14. Mai 2002 zur Gerichtsakte genommen und den Orthopäden Dr. B zum medizinischen Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18. Juli 2002 u.a. festgestellt, dass bei dem Kläger zeitlebens eine Beinlängendifferenz mit entsprechender S-förmiger Skoliose der Wirbelsäule und einem permanenten biomechanischen und statischen Überlastungszustand des lumbosakralen Wirbelsäulenabschnittes bestanden habe. Mithin liege eine konstitutionell bedingte Bandscheibendegeneration vor. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers durch schädigende Einwirkungen, denen er als Gebäudereiniger bei der Firma G ausgesetzt gewesen sei, verursacht worden sei.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- entscheiden.
Die Berufung des Klägers ist frist- und formgerecht eingelegt worden, sie ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung der geltend gemachten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebentes Buch -SGB VII- die Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Für deren Vorliegen ist ein doppelter ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht sowohl für die Bejahung der haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-, u.a. BSGE 58/76, 79 m.w.N.). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45/285, 286).
Der Senat hält es aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass die bei dem Kläger vorliegenden Veränderungen der Lendenwirbelsäule im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität durch seine berufliche Tätigkeit als Gebäudereiniger verursacht oder mitverursacht worden sind. Aufgrund des Gutachtens des Dr. B vom 18. Juli 2002, der als erfahrener Sachverständiger insbesondere mit der hier erforderlichen Zusammenhangsbeurteilung sowie der Bewertung und Abwägung pathologischer Befunde des Körpergerüstes und der Auswertung von Röntgenaufnahmen gut vertraut ist und über einschlägige Erfahrungen aus umfangreicher Gutachtertätigkeit verfügt, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der bei dem Kläger bestehende und operierte Bandscheibenvorfall nicht auf langjährige schädigende Einwirkungen seines Berufslebens als Gebäudereiniger auf den Wirbelsäulenabschnitt L 5/S 1 zurückzuführen ist. Dr. B macht hierfür vielmehr eine durch Beinlängendifferenz mit Beckentiefstand rechts hervorgerufene Skoliose der Wirbelsäule verantwortlich. Diese schon in den vor der Operation des Klägers angefertigten Röntgenaufnahmen sichtbare Seitverbiegung habe zeitlebens eine erhöhte Beanspruchung des lumbosakralen Bandscheibenraumes verursacht, bei dem es dann durch die Fehlstatik im Laufe der Zeit zu deutlichen Verschleißerscheinungen der Wirbelgelenke, insbesondere im Segment L 4/L 5 und L 5/S 1 gekommen sei. Zusätzlich sei es durch diese Fehlstatik zu einem sequestrierten Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 gekommen. Die Bandscheibe habe sich jahrzehntelang in einem Überlastungszustand befunden und sei daher vorzeitig degeneriert und etwa 1999 sequestriert, was eine Nukleotomie erforderlich gemacht habe.
Der Senat hält das Gutachten, gegen das auch der Kläger keine Einwendungen erhoben hat, für überzeugend. Es ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei.
Bei dieser Sachlage musste die Berufung des Klägers bereits wegen des Fehlens der medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK-Nr. 2108 scheitern. Von einer Auseinandersetzung mit der Frage, wie es der Senat bei einem Gebäudereiniger, der nicht zu den anerkannten Risikoberufen im Sinne der BK-Nr. 2108 gehört, mit der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hält, konnte er deshalb absehen.
Die Kostenentscheidung, die dem Ergebnis in der Hauptsache entspricht, beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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