L 2 U 107/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 118/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 107/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Folgen u.a. einer Teilruptur der Supraspinatussehne links von der Beklagten zu entschädigen sind.

Der 1943 geborene Kläger ist als Druckassistent beschäftigt. Er verspürte am 27. Mai 1999 um 21.10 Uhr einen plötzlichen Schmerz in der linken Schulter, als er eine Papphülse von einem Wickeldorn entfernte. Er arbeitete bis zum Schichtende um 22.00 Uhr weiter und vermerkte im Verbandsbuch des Arbeitgebers „beim Abziehen des Hülsenkerns von Wickeldorn 2 Schulter verrenkt“.

Der Kläger suchte am 28. Mai 1999 den Arzt für Innere Medizin M auf, der ihn wegen des Verdachts einer Subluxation und inkompletter Sprengung im Schultereckgelenk an den Durchgangsarzt und Arzt für Chirurgie Dr. S überwies. Dieser vermerkte über den Hergang des Unfalls: „Das Ziehen an der Hülse erfolgte in der horizontalen Lage des Armes, ein plötzlicher Widerstand oder plötzliche Kraftverstärkung lag nicht vor.“ Dr. S stellte die Diagnose einer Distorsion der linken Schulter. Wegen weiterhin bestehender Druck- und Bewegungsschmerzen erfolgte am 4. Juni 1999 eine Magnet-Resonanztomographie durch Dr. R, der eine posttraumatische Teilruptur der Supraspinantusansatzsehne sowie auch im Beginn des Muskelbauches mit Bursitis subdeltoidea (Schleimbeutelentzündung) und Gelenkerguss feststellte. Das AC-Gelenk sei unauffällig konfiguriert. Auf Veranlassung von Dr. S stellte sich der Kläger bei dem Chirurgen, Unfallchirurg und Durchgangsarzt Priv.-Doz. Dr. S in den -Kliniken Wvor, der eine traumatische Ruptur der Supraspinatussehne nach Unfall vom 27. Mai 1999 diagnostizierte. Die Operationsdiagnose lautete: „Omarthrose links, SLAP I-Läsion links, kleine synovialseitige RM-Läsion im Intervall.“

Nach Anhörung des sie beratenden Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. Juli 1999 die Entschädigung des Ereignisses vom 27. Mai 1999 mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Der Kläger habe beim Herunterziehen der Papphülse einen Schmerz verspürt, ohne dass ein anormaler Geschehensablauf vorgelegen habe oder sonstige äußere Gewalteinwirkungen mitbeteiligt gewesen seien. Diese Tätigkeit mit Kraftanstrengung überschreite keineswegs das betriebsübliche Maß. Hierbei komme es niemals zu einer Schädigung der Muskulatur oder der Sehnen, wenn nicht ein schadensnaher Zustand der Gewebestrukturen, wie er durch einen natürlichen Verschleiß entstehen könnte, vorläge. Das Ereignis sei als rechtlich unwesentliche Teilursache des eingetretenen Schadens anzusehen.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es habe ein anormaler Geschehensablauf vorgelegen. Im Normalfall werde die Papprolle durch aus dem Wickeldorn hervortretende Kolben festgehalten. Sobald die Papierrolle einen Mindestdurchmesser unterschreite, zögen sich automatisch die Kolben in den Wickeldorn zurück, so dass die Papphülse ohne großen Kraftaufwand von dem Wickeldorn abgezogen werden könne. Seit dem 25. Mai 1999 sei die Maschine defekt gewesen, da die Kolben sich nicht oder nicht vollständig in den Wickeldorn zurückgezogen hätten. Am 27. Mai 1999 habe er mit allergrößter Kraft an der Hülse gezogen. Dabei hätten die Stempel die Hülse für einen Augenblick freigegeben, so dass die Hülse ein Stück weit habe abgezogen werden können. Anschließend hätten sie sogleich wieder blockiert. Dies habe einen heftigen Ruck ergeben, der zu seinen Verletzungen geführt habe. Der defekte Wickeldorn sei am 1. Juni 1999 repariert worden.

Nach telefonischer Auskunft des Technischen Aufsichtsbeauftragten waren nach Besichtigung der Maschine aus technischer Sicht keine Widersprüche in den Angaben zum Unfallgeschehen feststellbar. Es sei davon auszugehen, dass sich der Unfall wie geschildert ereignet habe. Dr. S vertrat in einer Stellungnahme vom 7. Oktober 1999 die Auffassung, komme es durch einen Vorgang wie dem angeschuldigten zu einer Zerreißung oder Teilzerreißung einer Sehne, so sei nicht die Maximalanspannung der Muskulatur die wesentliche Ursache, auch nicht der plötzliche Stopp der Lastbewegung, sondern sie seien in der Sehne oder dem Muskel selbst zu suchen. Allein von der Funktion des Musculus supraspinatus her sei ein Schaden durch eine plötzliche maximale Kraftanstrengung in der angegebenen Art nicht möglich. Der Muskel sei in erster Linie ein Spanner der Schultergelenkskapseln und verhindere eine Faltenbildung in der Schultergelenkskapsel. Er helfe dem Deltamuskel beim Heben des Armes. Beim Heranziehen einer schweren Last mit dem Arm sei er praktisch nicht beteiligt und könne auch nicht bei gestopptem Maximaleinsatz der ziehenden Muskulatur des Armes und der Schultermuskulatur zur Höchstleistung gebracht werden.

Der Verschleiß der Strukturen der Rotatorenmanschette führe bei 50-jährigen zur Kontinuitätsdurchtrennung an den Stellen der Höchstbelastung, die im klinischen Alltag als Rupturen bezeichnet würden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sei eine Krankheitsanlage so leicht ansprechbar, dass sie nicht erst durch eine ihrer Art nach unersetzliche äußere Einwirkung, sondern durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis ausgelöst werden könne, sei diese äußere Einwirkung eine rechtlich unwesentliche Teilursache.

Das dagegen angerufene Sozialgericht Berlin hat den Facharzt für Chirurgie, Anästhesie und Sportmedizin Dr. W zum Sachverständigen ernannt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 6. Oktober 2000 ausgeführt, vortraumatische objektive Befunde lägen nicht vor. Posttraumatisch und intraoperativ seien keinerlei über die normalen Degenerationen bei einem 56-Jährigen hinausgehenden Befunde erhoben worden. Die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur als Arbeitsunfall könne nur bejaht werden, wenn das Ereignis nach der Auffassung des praktischen Lebens wesentlich mitgewirkt habe. Zu diskutieren seien plötzliche starke Zerrungen des Armes (Ad/-Abduktion, Ante-/Retroversion) insbesondere dann, wenn die Schultergürtelmuskulatur unter starker Anspannung stehe. Ein solches Geschehen habe nach den Hergangsschilderungen des Klägers vorgelegen. Zu berücksichtigen sei weiter, dass ein Abziehen des Papierrollenkernes von der Rotatorenspindel unter Höchstkraftaufwand nicht zum normalen Arbeitsablauf des Klägers gehöre. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Kläger die Schädigung auch bei gleichem Aufwand im normalen Leben erlitten hätte. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der stattgehabte maximale Kraftaufwand im Arbeitsdiagramm des Klägers nicht enthalten und nicht vorhersehbar gewesen sei. Er stimme der Stellungnahme von Dr. S zu, die sinngemäß besage, dass die Verletzungen infolge altersbedingter degenerativer Abnutzungserscheinungen jederzeit und überall hätten auftreten können und deshalb als Gelegenheitsursache anzusehen seien. Hier handele es sich jedoch nicht um eine Normsituation im Rahmen des normalen Arbeitsprozesses. Unfallfolgen seien zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr nachzuweisen. Der Sehnen-/Muskelabriss sei im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens ursächlich auf das Ereignis vom 27. Mai 1999 zurückzuführen. Zur Auslösung der akuten Erscheinung habe es nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersätzlich äußerer Einwirkungen bedurft, jedes andere, alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit hätte die Erscheinungen auslösen können. Eine Omarthrose habe schon vor dem traumatischen Ereignis bestanden. Er weiche nicht von der Beurteilung des Beratungsarztes ab. Er gebe nur zu bedenken, dass der Ereignisablauf nicht zum routinemäßigen Arbeitsdiagramm des Klägers gehört habe.

Durch Urteil vom 15. Juni 2001 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung des Ereignisses vom 27. Mai 1999 als Arbeitsunfall sowie eines „Zustandes nach Schultertrauma links mit Teilruptur der Supraspinatussehne und des lateralen Muskelbauches“ und einer „Bursitis subdeltoidea“ als Unfallfolge Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Bei dem Ereignis habe es sich um ein von außen einwirkendes und nicht um eine bloß innere Ursache gehandelt, da als äußeres Ereignis auch körpereigene Bewegungen anzusehen seien. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Schadensanlage bestanden habe, die für die Rotatorenmanschettenruptur die allein wesentliche Ursache gewesen sei. Hiervon könne nur ausgegangen werden, wenn unfallunabhängig Verletzungen oder Gesundheitsschäden bestanden hätten, aufgrund derer es auch ohne das konkrete Geschehen wahrscheinlich in etwa zur gleichen Zeit und in etwa demselben Umfang spontan oder unter Mitwirkung eines äußeren Ereignisses, das das Maß einer alltäglichen Belastung nicht überschreite, zum gleichen oder einem vergleichbaren Schaden gekommen wäre. Hierfür fehle es an einem relevanten Vorschaden. Lediglich altersgemäße Verschleißerscheinungen stellten keinen Vorschaden mit Krankheitswert dar, so dass die altersgemäß degenerativ veränderte Sehne nicht als vorgeschädigtes Gewebe anzusehen sei. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen keine über die normale Degeneration hinausgehenden Befunde zu erheben seien, sei der Schluss zwingend, dass das konkrete Geschehen geeignet gewesen sei, eine altersgemäß gesunde Sehne zu verletzen. Dann aber sei das streitgegenständliche Ereignis auf jeden Fall wesentlich ursächlich im Sinne des unfallrechtlichen Kausalitätsverständnisses. Auf die weitere Überlegung, welche Schwere die Belastung der Sehne durch das äußere Ereignis gehabt habe und ob eine solche Belastung unter Berücksichtigung der Schwere eines Vorschadens auch im alltäglichen Leben so häufig vorkomme, dass in naher Zukunft wahrscheinlich mit einem ähnlichen Schaden zu rechnen gewesen sei, komme es nicht mehr an. Abgesehen davon stelle das ruckartige Ziehen mit maximaler Kraftaufwendung eine betriebsunübliche Belastung dar. Werde das Ereignis als Arbeitsunfall bewertet, habe der Kläger Entschädigungsansprüche insbesondere auf Verletztengeld sowie auf Kostentragung der erforderlich gewesenen Heilbehandlungsmaßnahmen.

Gegen das ihr am 12. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 2. August 2001. Sie macht geltend, das Sozialgericht unterstelle einen Sachverhalt, der zunächst so nicht vom Kläger angegeben worden sei. Erst nach Erhalt des ablehnenden Bescheides habe der Kläger eine plötzliche Kraftverstärkung geschildert. Ein fehlender Vorschaden spreche nicht zwangsläufig für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Auch eine leere Anamnese könne weder eine Schadensanlage noch einen Vorschaden ausschließen. Insoweit sei das Gutachten von Dr. W widersprüchlich, da eine Omarthrose vorgelegen hätte. Im Übrigen unterliege die Rotatorenmanschette im hohen Maße der Degeneration. Nach Untersuchungen im Rahmen von Sektionsbefunden hätten sich in 75 % bei über 50-jährigen unauffällige Defekte ergeben. Altersgemäße Verschleißerscheinungen seien entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sehr wohl als konkurrierende Ursache bei einer Abwägung im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zu bewerten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, dass er Dr. S von der defekten Maschine berichtet habe. Dr. S habe ihn zusätzlich gefragt, ob er von oder gegen die Maschine gestoßen worden sei. Dies habe er wahrheitsgemäß verneint.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. W eingeholt. Der Sachverständige hat unter dem 4. März 2002 ausgeführt, wenn in 75 % unauffällige degenerative Defekte an den Rotatorenmanschetten vorlägen, sei dies praktisch schon ein „Normalbefund“. Somit könne der degenerative Prozess nicht als Ausschlussfaktor dienen. Die degenerative Schädigung führe zwar sicher zu einer Schwächung und Instabilität des Sehnen- und Muskelapparates, sie sei jedoch infolge ihrer statistischen Häufigkeit nicht die Kardinalursache des hier eingetretenen Schadens. Dies sei der unkoordinierte Arbeitsablauf infolge des geschilderten technischen Defektes. Zu den Äußerungen von Dr. S wies der Sachverständige darauf hin, dass es sich bei dem Kläger gerade um degenerativ veränderte, geschwächte Kompartments gehandelt habe. Die Schilderungen des Klägers zum Ablauf des direkten Unfallgeschehens machten nach wie vor eine traumatische Schädigung durch den beschriebenen Arbeitsprozess auf der Grundlage einer vorher unbemerkten degenerativen Veränderung wahrscheinlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 67 U 118/00 -) und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Verletztengeld ( § 46 Sozialgesetzbuch-SGB- VII) und Heilbehandlung ( § 27 SGB VII). Das Sozialgericht hat zu Recht das vom Kläger angeschuldigte Ereignis als Arbeitsunfall gewertet, der Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung auslöst.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Unfälle sind gemäß Satz 2 der Vorschrift zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Ein derartiges äußeres Ereignis liegt hier darin, dass der Kläger die Papierhülse nur unter besonderer Kraftaufwendung entfernen konnte. Diese Feststellung des Sozialgerichts, die die Beklagte im Berufungsverfahren angegriffen hat, entspricht dem Ergebnis der Ermittlungen. Die Beklagte selbst hat nach Eingang des Widerspruchs die Angaben zum Unfallgeschehen durch den technischen Aufsichtsbeauftragten überprüft. Nach dessen Auskunft, die die Beklagte in einem Telefonvermerk festgehalten hat, sind nach Besichtigung der Maschine aus technischer Sicht keine Widersprüche in den Angaben zum Unfallgeschehen feststellbar. Es sei davon auszugehen, dass sich der Unfall wie geschildert ereignet habe. Auf der Grundlage dieser Auskunft hat die Beklagte weitere Ermittlungen nicht für erforderlich gehalten, sondern im Hinblick auf die Unfallschilderung des Klägers im Widerspruchsverfahren eine erneute Stellungnahme von Dr. S eingeholt. In Übereinstimmung hierzu hat der Kläger den Vorgang bei der Untersuchung durch den Sachverständigen bestätigt. Danach hält es der Senat für bewiesen, dass das Unfallereignis in der vom Kläger geschilderten Art stattgefunden hat. Dem steht der Vermerk des Durchgangsarztes Dr. S zum Unfallhergang, ein plötzlicher Widerstand oder eine plötzliche Kraftverstärkung hätten nicht vorgelegen, nicht entgegen. Zu diesem Vermerk war es , wie der Kläger erläutert hat, aufgrund der Frage von Dr. S gekommen, ob er von oder gegen die Maschine gestoßen worden sei. Diese Schilderung ist vor dem Hintergrund, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich von einer Distorsion der Schulter ausgegangen wurde, mithin die Frage zu klären war, welche Kräfte direkt von außen auf die Schulter des Klägers eingewirkt haben könnten, auch nachvollziehbar.

Voraussetzung für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ist weiterhin, dass zwischen dem Unfallereignis und den bei ihm vorliegenden Gesundheitstörungen ein ursächlicher Zusammenhang besteht (haftungsausfüllende Kausalität). Dieser Zusammenhang muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hinreichend wahrscheinlich sein ( vgl BSGE 58,76,79). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann ( BSGE 45,285,286).

An einer Verursachung im Rechtssinne fehlt es nur dann, wenn die Rotatorenmanschette so leicht hätte verletzt werden können, dass die Ruptur nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurft hätte. Das ist dann der Fall, wenn die akuten Erscheinungen zu derselben Zeit auch ohne äußere Einwirkungen auftreten könnten oder auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Erscheinungen ausgelöst hätte ( BSG, Urteil vom 2.5.2001- B 2 U 18/00 R= HVBG-Info 2001,1713-1720 m.w.Nachw.). In diesem Fall besitzt der Arbeitsunfall wegen der überragenden Bedeutung und Tragweite der unfallunabhängigen Schadensanlage nicht die Qualität einer rechtlich wesentlichen Bedingung. Lediglich dann, wenn es für die Auslösung der Schadensanlage nur noch eines geringfügigen Anstoßes durch beliebig austauschbare Belastungen bedurft hätte, um den konkreten Gesundheitsschaden auszulösen, überwiegt die Kausalreihe der Schadensanlage. Ist ein solches eindeutiges Überwiegen nicht hinreichend sicher und mit überzeugender Begründung feststellbar, müssen beide Kausalreihen als „annähernd gleichwertige Mitursachen“ und der Arbeitsunfall als wesentliche Teilursache gewertet werden (vgl. Erlenkemper, Arbeitsunfall, Schadensanlage und Gelegenheitsursache, SGb 1997 S. 355, 359). Bei der maßgebenden Beurteilung des Kausalzusammenhangs ist im Einzelfall festzustellen, wie stark die Vorschädigung einerseits und wie schwer die besonderen Belastungen der betrieblichen Tätigkeit andererseits waren, wobei unter der Schwere der Belastung insbesondere auch der Vorgang seiner Art nach an Bedeutung gewinnt (vgl. Krasney in Brackmann, § 8 Rdnr. 379). Maßgeblich ist, ob im konkreten Fall die betriebsbedingten Einwirkungen ihrer Art und ihrer Schwere nach eine so starke Belastung bedingten, dass sie zu der Verletzung geführt haben, die bei den täglichen Verrichtungen und auch bei den allgemeinen Belastungen des Erwerbslebens wahrscheinlich nicht eingetreten wäre (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. März 1997 - 2 RU 23/96 = SozR 3-2200 § 539 Nr. 39; Urteil vom 17. Oktober 1990 - 2 RU 43/90 ).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, dass die Ruptur auch bei einer alltäglichen Belastung aufgetreten wäre. Zwar spricht Dr. W einerseits davon, dass die Verletzungen infolge altersbedingter degenerativer Abnutzungserscheinungen jederzeit und überall hätten auftreten können. Andererseits weist er jedoch darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Normsituation im Rahmen des normalen Arbeitsprozesses gehandelt habe. Damit übereinstimmend gibt er an, dass der Kläger die Schädigung „bei gleichem Aufwand“ im normalen Leben erlitten hätte. Daraus folgt, dass aus Sicht des Sachverständigen nicht jede alltägliche Belastung, sondern eine das Normalmaß überschreitende, aufwändige Beanspruchung erforderlich war. Des weiteren verweist er darauf, dass der Unfall aufgrund des maximalen Kraftaufwandes, der nicht vorhersehbar gewesen sei, eingetreten sei. Ergänzend führt der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 4. März 2002 aus, dass die Schwächung und Instabilität des Sehnen- und Muskelapparates nicht die Kardinalursache des eingetretenen Schadens sei, sondern der unkoordinierte Arbeitsablauf infolge des technischen Defektes. Danach kommt der Schadensanlage gerade keine eindeutig überwiegende Bedeutung für der Eintritt des Gesundheitsschadens zu.

Der Senat hält diese Bewertung für zutreffend. Sie entspricht den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. So wird neben der vom Sachverständigen bereits zitierten Quelle Mollowitz „Der Unfallmann“ auch bei Schönberger/Mehrtens/Valentin „Arbeitsunfall und Berufskrankheit“, 6. Auflage 1998, S. 473 ausgeführt, dass ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration in Betracht kommt. Als geeignete Verletzungsmechanismen werden „überfallartige“, d.h. passive ruckartige und plötzliche Krafteinwirkungen angeführt (S. 474). Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Musculus supraspinatus Adduktion und Außenrotation des Oberarms bewirkt (a.a.O. S. 471), während die Schädigung des Klägers in Vorhaltestellung des linken Arms erfolgte. Diesen Aspekt, dass kein geeigneter Verletzungsmechanismus vorgelegen habe, hat auch Dr. S in seiner ergänzenden Stellungnahme hervorgehoben. Da der Kläger dem medizinischen Sachverständigen Dr. Wenzel jedoch bei der persönlichen Befragung und Untersuchung den Ablauf der Hülsenentfernung geschildert hat und dieser die Einwirkung für geeignet gehalten hat, den Schaden herbeizuführen, hat der Senat keine Bedenken, dem zu folgen. Abgesehen davon, dass diese Einschätzung auf einer persönlichen Befragung des Klägers beruhte, ist der Sachverständige auch auf Rückfrage zu dem geeigneten Verletzungsmechanismus bei seiner Auffassung verblieben.

Nach alledem hält der Senat aufgrund der dargelegten medizinischen Erkenntnisse die äußere Einwirkung für eine wesentliche Teilursache, während die Schadensanlage allenfalls eine annähernd gleichwertige Mitursache darstellt. Dies hat zur Folge, dass das Ereignis vom 27. Mai 1999 einen Arbeitsunfall darstellt und Ansprüche auf Verletztengeld und Heilbehandlung auslöst.

Die Kostenentscheidung folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Sie beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved