L 4 AL 39/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AL 4032/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 39/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger von der Beklagten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe -Alhi-. Der 1940 geborene Kläger war von 1969 bis Ende 1993 als angestellter Pharmareferent bei der Firma R-P R GmbH beschäftigt. Anschließend bezog er mit kurzen Unterbrechungen Arbeitslosengeld und ab 2. Oktober 1997 Anschluss-Alhi, die ihm mit Bescheid vom 13. November 1997 für den Bewilligungsabschnitt bis zum 10. Dezember 1998 zuerkannt worden war. Ab 1. Januar 1998 betrug der tägliche Leistungssatz 73,26 DM (Änderungsbescheid vom 14. Januar 1998). Bei der Beantragung der Alhi hatte der Kläger die Ausübung einer Nebentätigkeit als selbständiger Pharmareferent angegeben und wurde laut Bearbeitervermerk vom 2. Oktober 1997 ausführlich über die Geringfügigkeitsgrenze von wöchentlich weniger als 15 Stunden belehrt. Hierzu reichte der Kläger folgende Provisionsabrechnungen ein:

I

C I

Oktober 1997

0

380,02 DM

November

12,08 DM

199,07 DM

Dezember

447,46 DM

438,53 DM

Januar 1998

487,48 DM

166,80 DM

Februar 1998

371,56 DM

159,71 DM

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger hierzu im April 1998 mit, dass er in der Zeit von Oktober 1997 bis März 1998 montags bis freitags täglich 2 bis 3 Stunden gearbeitet und ca. 50 km Fahrstrecke zurückgelegt habe. Bei der daraufhin erfolgten Berechnung der Beklagten ergab sich aus diesen Nebentätigkeiten kein Anrechnungsbetrag auf die Alhi.

Im Oktober 1998 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Nebenverdienst für die Monate März bis Oktober 1998 einzureichen. Daraufhin legte der Kläger am 12. November 1998 drei Provisionsabrechnungen der Firma b Natur-Medizin GmbH vom 23. April 1998 für das I. Quartal 1998 über ein Honorar in Höhe von 2.960,32 DM, vom 28. Juli 1998 für das II. Quartal über ein Honorar in Höhe von 5.941,52 DM sowie vom 26. Oktober 1998 für das III. Quartal über ein Honorar in Höhe von 8.257,34 DM vor. Grundlage der Provisionsabrechnungen war, dass der Kläger den von seinem Vorgänger im IV. Quartal 1997 erzielten Umsatz von 2.233,-- DM im I. Quartal auf 8.613,-- DM, im II. Quartal auf 15.038,-- DM und im III. Quartal auf 20.029,-- DM steigern konnte und 40 % des Mehrbetrages als Honorar erhielt. Nachdem die Beklagte ihn mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 zwecks Berücksichtigung von Werbungskosten gebeten hatte, „die üblichen Nebenverdienstbescheinigungen für die Zeit vom 01.03.98 bis 30.11.98“ einzureichen, gab der Kläger unter dem 13. Dezember 1998 ergänzend seine Arbeitszeit als freier Mitarbeiter auf Provisionsbasis mit „3 bis 4 Std. täglich“ an und machte Fahrtkosten für die Zeit vom 1. März bis 18. August 1998 für durchschnittlich 20 km einfache Fahrt mit dem Pkw an 117 Tagen sowie - nach dessen Abmeldung - 9 Tageskarten und 1 BVG-Monatskarte für September geltend. Dabei wies der in B-N wohnende Kläger darauf hin, dass sein Gebiet bis F reiche.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 1999, dass er „täglich im Durchschnitt 3 Stunden, in der Woche mithin rund 15 Stunden“ arbeite und für den Arbeitsmarkt jederzeit verfügbar sei. Daraufhin lud ihn die Beklagte zur Klärung seiner unterschiedlichen Angaben und seiner Verfügbarkeit ab 1. März 1998 vor. Bei seiner persönlichen Vorsprache am 17. Februar 1999 gab der Kläger eine schriftliche Veränderungsmitteilung ab, derzufolge er seit 1. Januar 1998 bis 31. Juli 1999 als Pharmareferent bei der b GmbH „wöchentlich 15 Stunden und mehr“ beschäftigt sei. Laut Beratervermerk vom 17. Februar 1999 gab der Kläger auf Befragen an, dass er die Tätigkeit auf Honorarbasis ab 1. Januar 1998 mit einer täglichen Arbeitszeit von ca. 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr montags bis freitags ausübe.

Nachdem der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte, hob die Beklagte mit Bescheid des Arbeitsamtes Berlin Süd vom 22. April 1999 die Bewilligung der Alhi ab 1. Januar 1998 bis zum 10. Dezember 1998 wegen Verletzung der Mitteilungspflicht unter Hinweis auf § 48 Sozialgesetzbuch -SGB- X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 25.201,44 DM zurück.

Zur Begründung seines Widerspruchs ließ der Kläger durch seine Ehefrau vortragen, dass er 1998 stets weniger als 15 Stunden als freiberuflicher Pharmavertreter auf Honorarbasis gearbeitet habe. Die im Februar 1999 gestellte Frage nach der Arbeitszeit habe er irrtümlich auf die aktuelle Situation bezogen. Nach Ausweitung seines Arbeitsgebietes könne er von der Tätigkeit nunmehr seinen Lebensunterhalt bestreiten und habe deshalb keinen neuen Antrag auf Alhi gestellt.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 1999 als unbegründet zurück. Die Leistungsbewilligung sei nach § 48 Abs. 1 Satz2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III aufzuheben gewesen, woraus sich gemäß § 50 SGB X die Erstattungspflicht der überzahlten Leistungen ergebe. Der Kläger habe zunächst glaubhafte Angaben zu seiner wöchentlichen Arbeitszeit ab 1. Januar 1998 im Umfang von mehr als 15 Stunden gemacht und sei danach nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III gewesen. Mit diesen Angaben habe er einen Anschein gesetzt, dessen Widerlegung ihm mit seinen später korrigierten Angaben nicht gelungen sei.

Mit weiterem Bescheid vom 1. Juni 1999, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 6. August 1999, forderte die Beklagte vom Kläger gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Erstattung der im Aufhebungszeitraum 1. Januar bis 10. Dezember 1998 geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.899,96 DM zurück. Wegen der Berechnung wird auf Blatt 178 der Leistungsakte Bezug genommen.

Gegen beide Entscheidungen der Beklagten hat der Kläger am 8. September 1999 Klage erhoben und unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht, ihm sei bei seiner Vorsprache am 17. Februar 1999 eine vorbereitete Veränderungsmitteilung vorgelegt worden, die er unterschrieben habe. Er habe weder gesagt noch gemeint, dass er seit 1. Januar 1998 mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeite. Vielmehr habe sich seine Angabe auf die aktuelle Zeit im Februar 1999 bezogen. Dementsprechend heiße es im Beratervermerk auch „Arbeitslosigkeit liegt somit nicht vor seit 01.01.99.“ Er habe ca. 6 bis 8 Arztbesuche täglich unternommen, die im Schnitt 5 Minuten Anwesenheit in der Praxis erfordert hätten, maximal 10 Minuten und häufig nur 2 bis 3 Minuten, um Arzneimittel bei der Anmeldung abzugeben, die mit Erläuterungszetteln versehen gewesen seien. Zwischen den einzelnen Praxen sei eine Wegezeit von maximal 10 Minuten gewesen, weil er die Touren immer so zusammengestellt gehabt habe, dass er von einer Praxis zur nächsten zu Fuß habe gehen können, während er sein Fahrzeug in der Nähe geparkt gehabt habe. Anschließend habe er fast täglich kurz seine Enkelkinder besucht, eingekauft und Behördengänge erledigt. Irgendwelche Unterlagen oder Aufzeichnungen über seine Tätigkeit im streitigen Zeitraum besitze er nicht mehr.

Die Firma b Natur-Medizin GmbH hat auf Anfrage des Sozialgerichts erklärt, dass sie keinerlei Angaben zur durchschnittlichen Dauer der vom Kläger vorgenommenen Arztbesuche machen könne und außer den Provisionsabrechnungen keine weiteren Abrechnungsunterlagen für das Jahr 1998 mehr in ihrem Hause vorhanden seien. Nach der von der Firma noch vorgelegten Abrechnung vom 1. Februar 1999 erzielte der Kläger im IV. Quartal 1998 für einen Umsatz von 21.665,-- DM ein Honorar in Höhe von 9.016,45 DM.

Das Sozialgericht hat die Ehefrau des Klägers L L und die Sachbearbeiterin im Arbeitsamt Berlin Süd BS als Zeuginnen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen zu den Sitzungsniederschriften vom 19. April und 19. Juni 2000 verwiesen. Mit Urteil vom 15. Januar 2001 hat das Sozialgericht sodann die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, denn der Kläger habe für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 an keinen Anspruch auf Alhi. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 SGB III habe eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers vorgelegen, die zum Wegfall der Leistungen habe führen müssen. Der Kläger habe von dieser Änderung erst auf mehrmalige Nachfrage am 17. Februar 1999 Mitteilung gemacht, obwohl er habe wissen müssen, dass er eine solche Änderung, nämlich eine 15-stündige wöchentliche Arbeitszeit, bei der Beklagten anzeigen müsse, weil dies zum Wegfall des Alhi-Anspruches führen würde. Nach § 330 Abs. 3 SGB III sei der Bewilligungsbescheid ab dem Eintritt der geänderten Verhältnisse, d.h. ab dem 1. Januar 1998, aufzuheben gewesen. Der Leistungsanspruch setze gemäß § 117 Abs. 1 SGB III u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos sei. Aus § 118 SGB III sei zu entnehmen, dass bei einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit von 15 oder mehr Wochenstunden keine Arbeitslosigkeit mehr vorliege. Der Kläger selbst habe durch seine unterschiedlichen Angaben gegenüber der Beklagten die Rückfrage vom 17. Februar 1999 veranlasst. Zu diesem Gespräch habe die Zeugin S gut nachvollziehbar bekundet, dass ihr der Kläger in einem ausführlichen Gespräch genau geschildert habe, wie er seine Tätigkeit in einem Zeitraum von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr täglich ausübe. Bei seiner Beschreibung sei der Kläger trotz ihres Hinweises auf die Rechtsfolgen geblieben. Anlässlich dieses Gespräches habe der Kläger eine Änderungsmitteilung gefertigt, auf der er ebenfalls angegeben habe, dass er seit 1. Januar 1998 mehr als 15 Stunden wöchentlich arbeite. Diese Änderungsmitteilung habe er mit seiner Unterschrift bestätigt. Damit habe der Kläger den Anschein gesetzt, mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig zu sein, und müsse nunmehr den Beweis erbringen, dass dieser Anschein falsch gewesen sei und er tatsächlich nur unter 15 Stunden tätig gewesen sei. Dies sei ihm nach Überzeugung des Gerichts nicht gelungen. Zwar habe die Ehefrau des Klägers bekundet, dass sie selbst im strittigen Zeitraum von ca. 8.15 Uhr bis etwa 13.00/13.45 Uhr von zu Hause weggewesen sei und nicht den Eindruck gehabt habe, dass ihr Mann gleich gehen würde bzw. gerade gekommen sei, genaue Zeitangaben habe die Zeugin jedoch nicht machen können. Gegen den Klägervortrag spreche außerdem, dass er schon im Jahr 1997 und im I. Quartal 1998 seinen Angaben zufolge als Pharmareferent für die Firmen I und CIca. 2 bis 3 Stunden täglich gearbeitet habe und durch die zusätzliche Tätigkeit für die Firma b mit ausgewiesenen guten Umsätzen weitere Stunden hinzugekommen sein müssten. Es erscheine demnach gerade überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger entsprechend seinen Angaben am 17. Februar 1999 in diesem Zeitraum angefangen habe, 15 Stunden und mehr wöchentlich zu arbeiten. Dementsprechend sei der Anspruch auf Alhi mit Beginn des Monats Januar 1998 weggefallen. Die Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 335 SGB III folge der Aufhebung der Alhi-Bewilligung und der Tatsache, dass kein weiteres Versicherungsverhältnis für den Kläger bestanden habe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 26. März 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. April 2001 eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen, dass er im streitigen Zeitraum stets unter 15 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Er habe täglich etwa 6 bis 8 Arztbesuche absolviert, für die im Durchschnitt 5 bis 6 Minuten anzusetzen seien. Er verfüge über eine große Berufserfahrung, und da die Ärzte ihn und die von ihm angebotenen Produkte gekannt hätten, habe er sich zum Teil nur 2 bis 3 Minuten in einer Arztpraxis aufgehalten. Seine jeweiligen Tagestouren habe er so zusammengestellt, dass die Arztpraxen in unmittelbarer Nähe zueinander gelegen hätten, so dass er zwischendurch allenfalls kurze Fußwege gehabt habe. Einschließlich An- und Abfahrtswegen von zu Hause habe seine Arbeitszeit damit immer unter 3 Stunden täglich gelegen. Dies ergebe sich insbesondere auch aus der Aussage seiner Ehefrau, die angegeben habe, dass er später als sie von zu Hause weggegangen und früher zurückgekehrt sei. Ferner habe sie sich auch noch daran erinnern können, dass er seinerzeit noch mit dem Auto unterwegs gewesen sei und erst im Jahre 1999 angefangen habe, die Touren ausschließlich mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dem entspreche auch die Aussage der Zeugin S, nach der er ausführlich seine Touren mit dem Fahrrad geschildert habe. Diese Schilderung könne sich aber nur auf die Zeit ab 1. Januar 1999 beziehen, weil er vorher noch gar nicht mit dem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Etwas anderes folge auch nicht aus den Umsatzzahlen, denn diese ergäben rechnerisch einen Wochenumsatz von 1.256,63 DM, der bei täglich 8 Arztbesuchen durch 40 Besuche erzielt worden sei, was einem durchschnittlichen Umsatz pro Arztbesuch von ca. 31,00 DM entspreche. Bei der Bewertung der Aussage der Zeugin S sei zu berücksichtigen, dass sie nach ihren eigenen Angaben sich beim Datum seiner weggefallenen Arbeitslosigkeit „seit 01.01.1999“ geirrt habe, so dass nicht auszuschließen sei, dass sie sich bei dem vorher stehenden Datum „01.01.1998“ verschrieben habe. Richtig sei, dass sich seine Arbeitszeit Ende Dezember 1998 stark erhöht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch nicht mehr im Leistungsbezug gestanden und auch keine erneute Alhi beantragt. Wenn er im Gespräch mit der Zeugin S am 17. Februar 1999 von einer wesentlich längeren Arbeitszeit als 15 Stunden wöchentlich berichtet haben sollte, habe sich dies auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen. Die Beklagte müsse ihm nachweisen, dass er im Bewilligungszeitraum länger als 15 Stunden wöchentlich tätig gewesen sei. Diesen Nachweis könne sie nicht mit der Veränderungsmitteilung vom 17. Februar 1999 führen, da diese insoweit unzutreffend sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2001, den Bescheid der Beklagten vom 22. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die den Kläger betreffende Leistungsakte zur Stammnummer hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, weil nicht durch Tatbestände des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ausgeschlossene Berufung des Klägers ist unbegründet.

Rechtsgrundlage der

streitigen Aufhebung und Rückforderung der dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 10. Dezember 1998 gewährten Alhi durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 22. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1999 sind die §§ 50 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X.

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Die Voraussetzungen des § 48 SGB X, unter denen ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bescheid vom 13. November 1997 über die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 2. Oktober 1997 bis 10. Dezember 1998 in der Fassung des (nur die Anpassung der Leistungshöhe an die Leistungsverordnung 1998 betreffenden) Änderungsbescheides vom 14. Januar 1998 - mit Wirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse aufgehoben werden soll, liegen hier vor. Eine wesentliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen besteht darin, dass der Kläger seit dem 1. Januar 1998 eine selbständige Tätigkeit als Pharmareferent im Umfang von wöchentlich mindestens 15 Stunden ausgeübt hat. Damit war er nicht mehr arbeitslos im Sinne der §§ 190 Abs. 1 Nr. 1, 198 Satz 2 Nr. 1, 118 Abs. 2 SGB III, die mit Wirkung ab 1. Januar 1998 an die Stelle der entsprechenden Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes getreten sind (vgl. §§ 134 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4, 101 Abs. 1 Satz 1 AFG), denn Arbeitslosigkeit besteht nur bei einer Nebentätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich fort. Mangels Arbeitslosigkeit hatte der Kläger keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Alhi, weil damit eine zwingende Leistungsvoraussetzung entfallen ist.

Diese wesentliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen ergibt sich zur Überzeugung des Senats zweifelsfrei aus den eigenen Angaben des Klägers. Dieser hatte im April 1998 seine tägliche Arbeitszeit für die der Beklagten bereits benannten Pharmaunternehmen I und C I im erfragten Zeitraum Oktober 1997 bis März 1998 mit „täglich 2 bis 3 Stunden“ angegeben. Mithin lagen schon diese Nebentätigkeiten nahe an der Geringfügigkeitsgrenze, die bereits mit einer Tätigkeit von regelmäßig 15 Wochenstunden überschritten wird ( vgl. § 118 Abs. 2 SGB III). Dies war mit dem Hinzukommen der weiteren Tätigkeit für die Firma b fraglos der Fall, denn der Kläger hat in seiner schriftlichen Veränderungsmitteilung vom 17. Februar 1999 angegeben, für diese Firma seit dem 1. Januar 1998 „15 Stunden und mehr“ wöchentlich zu arbeiten. Damit lag nach seinen eigenen Angaben Arbeitslosigkeit im gesamten hier streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis 10. Dezember 1998 nicht mehr vor, so dass auch der Anspruch auf Alhi entfallen war.

Die Bemühungen des Klägers bzw. seiner Ehefrau und seines Prozessbevollmächtigten, diese Angabe einer Beschäftigung von 15 und mehr Stunden pro Woche zu revidieren, können nicht überzeugen. Entgegen dem Klagevorbringen wurde dem Kläger nach Aktenlage bei seiner Vorsprache im Amt am 17. Februar 1999 keine von der Sachbearbeiterin vorbereitete Veränderungsmitteilung vorgelegt, die er - nur - unterschrieben hat. Vorbereitet dürften nur die behördeninternen Bearbeitungsdaten gewesen sein wie die Dienststellennummer, das Organisationszeichen, die Berufsklasse, die Kundennummer und das Geburtsdatum des Klägers, sämtlich eingetragen mit schwarzem Kugelschreiber. Demgegenüber wurden sämtliche Eintragungen bezüglich der Tätigkeit des Klägers für die Firma b (Art, Beginn, Arbeitgeber und wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden und mehr) ebenso wie die Unterschrift des Klägers und das Datum mit einem blauen Schreibstift vorgenommen. Der eingetragene Tätigkeitsbeginn sowie das Datum der Erklärung lassen eine Eigenart des Klägers erkennen, die auch in seinem Widerspruchsschreiben vom 3. Mai 1999 (vgl. Bl. 191 der Leistungsakte) ins Auge fällt, nämlich im Datum Tag und Jahr in arabischen, den Monat jedoch in römischen Ziffern zu schreiben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt nunmehr auch eingeräumt, dass diese Eintragungen von ihm stammen.

Die spätere Behauptung des Klägers, die bei dieser Gelegenheit gegenüber der Sachbearbeiterin angegebene Arbeitszeit „ca. 8.00 bis 14.00 Uhr montags bis freitags“ habe sich auf die damalige aktuelle Situation Anfang 1999 bezogen, mag durchaus zutreffend sein. Hieraus ergibt sich nämlich sogar eine Arbeitszeit von täglich 6/wöchentlich 30 Stunden für eine Tätigkeit, die unstreitig den Lebensunterhalt des Klägers sichern konnte, denn er hat nach dem Ende des streitigen Bewilligungsabschnittes im Dezember 1998 keinen Alhi-Fortzahlungsantrag gestellt.

Das Vorbringen des Klägers, dass die so angegebene Arbeitszeit nur seine Tätigkeit ab ca. Anfang 1999 betreffe, steht auch mit den Angaben seiner als Zeugin gehörten Ehefrau in Einklang, wonach er im streitigen Zeitraum Januar bis Dezember 1998 stets nach ihr - d.h. später als 8.15 Uhr - das Haus verlassen habe und bei ihrer Rückkehr von ihrer Fortbildung um 13.00 bzw. 13.45 Uhr bereits wieder da gewesen sei. Die wiederholte eigene Angabe des Klägers, im streitigen Zeitraum jedenfalls 15 Stunden wöchentlich gearbeitet zu haben, was bereits Arbeitslosigkeit gemäß § 118 Abs. 2 SGB III ausschließt, kann damit jedoch nicht widerlegt oder auch nur ansatzweise erschüttert werden. Der Kläger hat nämlich unter dem 13. Dezember 1998, als es noch um die Anrechnung von Nebeneinkommen unter Berücksichtigung von Werbungskosten ging und nicht die hier streitige Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung im Raume stand, eindeutig bezogen auf seine Tätigkeit für die Firma b in der Zeit vom 1. März bis 30. November 1998 seine Arbeitszeit mit „3 bis 4 Stunden täglich“ angegeben. Eine solche Arbeitszeit war unschwer auch während der täglichen Abwesenheit seiner Ehefrau möglich, beispielsweise in der Zeit von 9.00 bis 12.00 Uhr oder von 8.30 bis 12.30 Uhr. Für die jetzt behaupteten fast täglichen Kurzbesuche bei den Enkeln und etwaige Einkäufe und Erledigungen blieb dabei immer noch Zeit. Wenn der Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten nunmehr vortragen lässt, die einzelnen Arztbesuche hätten im Schnitt nur 5 Minuten gedauert und zwischendurch kürzeste Fußwege erfordert, ist dies als reine Schutzbehauptung zu werten, die mit den Angaben des Klägers im Dezember 1998 nicht in Einklang zu bringen ist. Der Kläger hat schließlich nicht bloß bestellte Arzneimittel geliefert, sondern musste als Pharmareferent für die von ihm angebotenen Produkte werben und Informationen geben. Unterlagen über seine Vertretertätigkeit, die diese geänderten Angaben des Klägers stützen könnten, sind weder bei ihm noch bei der Firma b vorhanden.

Der Kläger, der darüber belehrt war, dass er während des Leistungsbezuges nur eine geringfügige Tätigkeit von wöchentlich weniger als 15 Stunden ausüben durfte und Änderungen mitzuteilen hatte, hat seine neue und die Geringfügigkeitsgrenze überschreitende Tätigkeit für die Firma b erst im November bzw. Dezember 1998 angegeben und damit seine Mitteilungspflichten verletzt. Ferner ist ihm jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall der Anspruchsberechtigung zur Last zu legen, da er nach Aktenlage ausführlich über die Geringfügigkeitsgrenze von wöchentlich weniger als 15 Stunden belehrt worden war.

Dem Kläger stand damit die Alhi während des gesamten streitigen Zeitraumes vom 1. Januar bis 10. Dezember 1998 nicht zu.

Die Fristen des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4, Abs. 3 Satz 3 SGB X sind gewahrt. Wegen § 330 Abs. 3 SGB III hatte die Beklagte keine Ermessenserwägungen anzustellen.

Die vom Kläger nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattenden Leistungen sind mit insgesamt 25.201,44 DM richtig berechnet (344 Kalendertage á 73,26 DM).

Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1999 geltend gemacht hat, ergibt sich nach Aufhebung der Bewilligung der Alhi aus § 335 Abs. 1, Abs. 5 SGB III.

Die Erstattungsforderung in Höhe von 8.899,96 DM ist ebenfalls zutreffend (Kranken-versicherungsbeiträge für 344 Tage in Höhe von 7.917,50 DM, für die AOK Landsberg bei einem Beitragssatz von 13,7 % vom beitragspflichtigen Entgelt für den streitigen Zeitraum in Höhe von 57.792 DM entsprechend 80 % des wöchentlichen Bemessungsentgeltes für die Alhi in Höhe von 1.470,- DM, vgl. § 232 a Abs. 2 SGB V; Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 982,46 DM entsprechend 1,7 % vom genannten beitragspflichtigen Entgelt).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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